Hanauer Salafistenszene: Berichterstattung auf dem Prüfstand

 

Vor etwa zwei Monaten gab es im HR eine aufdeckende und aufklärende Berichterstattung zur Hanauer Salafistenzelle um die Baraat-Moschee:

http://hessenschau.de/gesellschaft/radikalisierungsnetzwerk-aus-hanau-liefert-nachschub-an-gotteskriegern,nachschub-an-gotteskriegern-aus-hanau-100.html

http://hessenschau.de/tv-sendung/video-876.html

http://hessenschau.de/gesellschaft/hanau-will-umstrittene-moschee-schliessen,hanau-will-umstrittene-moschee-schliessen-100.html

Dass ein solcher Bericht Folgen haben kann, ja haben muss, ist evident.

Andere Medien schlossen sich an:

http://www.1730live.de/hanau-will-moschee-schliessen/

In diesem Bericht kam auch der Herr Mahboob zu Wort.

Von Seiten der Stadt Hanau bemüht man sich aktuell, die Baraat-Moschee über einen Umweg über das Baurecht nun doch zu schließen. Das ist in der verwaltungsrechtlichen Prüfung. Der Herr Mahboob jedoch, der im Zentrum der Berichterstattung stand, erlitt in seinem Asia-Imbiss „iwok“ wohl Umsatzeinbussen und musste sich – bei Orts- und Sachkenntnis war er identifizierbar – für ihn unangenehmen Fragen Dritter stellen. Das war er nicht bereit hinzunehmen und so engagierte er einen Rechtsanwalt. Nun könnte man meinen, wenn man nach eigener Sicht so falsch dargestellt wird, wenn man in ein so falsches Licht gerückt wird, neigt man dazu, doch eher erst einmal den Weg über das Strafrecht zu gehen und eine Anzeige wegen übler Nachrede zu erstatten. Zumindest, wenn man sich sicher ist, dass an den Zuschreibungen nichts Gehaltvolles ist, ist das ein gangbarer Weg. Davon ist jedoch nichts bekannt und es ist – das ist allerdings reine Spekulation – der korrekten anwaltlichen Beratung zu verdanken, dass der Herr Mahbob sich nicht dazu verstieg. Missbraucht man das Anzeigerecht nämlich, macht also einen Dritten in nicht statthafter Weise zum Gegenstand behördlicher Ermittlungen, muss man schon einmal mit dem Gebrauch des § 164 StGB rechnen:

http://dejure.org/gesetze/StGB/164.html

So sicher, dass man das riskieren wollte, ist man sich demnach wohl nicht.

Heute fand nun vor einer Zivilkammer des Frankfurter Landgerichts eine mündliche Verhandlung statt, die zwischen dem HR und dem Herrn Mahboob einen Interessenausgleich herstellen sollte. Herr Mahboob ist der Meinung, diese ganzen Umstände schädigten sein Geschäft. Das mag sein – das wird er ggf. nachweisen müssen. Vor den Schadenersatz hat das Recht den Beleg gestellt. Von Seiten des Gerichts wurde angeregt – es sollte ein Ausgleich hergestellt werden und da priorisieren Zivilrichter weniger die explizite Wahrheit, sondern mehr die Vermeidung der gerichtlichen Entscheidung – der HR solle von Art und Inhalt seiner Berichterstattung etwas abweichen und den Herrn Mahboob und seinen Imbiss außen vor lassen. Das lehnten wiederum die HR-Juristen ab.

Im Einzelnen trug der Anwalt von Herrn Mahboob vor, entgegen der Aussage der beteiligten Reporter habe sein Mandant keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Die Beiträge seien „martialisch aufgemacht“ gewesen, zahlreiche Personen würden seinen Mandanten nun wegen der „hetzerischen Berichterstattung“ meiden. Zudem sei die in dem Impressum seines Mandanten angegebene Faxnummer eine „ganz allgemeine 800er“-Nummer, die nicht geeignet sei, sicher einen Kontakt zu seinem Klienten herzustellen. Der HR könne sich also hinsichtlich der gescheiterten Kontaktversuche nicht darauf berufen, seinem Mandanten Faxe gesendet zu haben. Das ist sicher eine spannende Auslegung der Erfüllung der gewerblichen Impressumspflichten (ein Impressum, das im Grunde kein Impressum ist, ist sicher auch für die Wettbewerbshüter von Interesse. Gewerbetreibende haben ja Pflichten zu erfüllen).

http://www.iwok-hanau.de/impressum#!

Ein mittlerweile in Syrien aktiver junger Mann habe nicht bei seinem Mandanten im „iwok“ gearbeitet. Auch sei der Herr Mahboob kein „Chefsalafist“ wie in den Berichten angedeutet. Für den „iwok“ als Salafistentreff gebe es keine Belege und auch dass sein Mandant für den IS werbe, sein reine Spekulation. Er radikalisiere nicht und habe sich sogar klar vom IS distanziert auf seiner fb-Seite noch vor der Publikation der Artikel. Man muss sich allerdings berechtigt fragen, welchen Anlass wohl der Herr Mahboob hatte, sich vom IS ausgerechnet 3 Tage vor der Veröffentlichung zu distanzieren, wenn er keine Kontaktanfragen erhalten hat und auch sonst ganz arglos war. Es ist sicher nicht üblich, solche Distanzierungen einfach so einmal zu tätigen, nachdem man das jahrelang nicht tat. Da liegt eine Kausalität mit erhaltenen Anfragen, denen man sich nur nicht stellen wollte, näher als eine rein zeitliche Korrelation.

Nun ist allerdings auch, selbst wenn man den Anwalts-Vortrag annimmt, problematisch, dass man sich sehr leicht und sogar wahrheitsgemäß vom IS distanzieren kann, wenn die fraglichen jungen Männer sich einer anderen in Syrien kämpfenden Gruppe angeschlossen haben, wie eine Information des HR im Nachhinein ergab. Man ist wohl eher Al Qaida-nah. Der junge Anwalt des Herrn Mahboob stellte den Inhalt einiger vorliegender Eidesstattlicher Versicherungen zu Vorgängen und Informanten in Frage. Er verwies auf eine angebliche Gepflogenheit bei der FAZ, wonach man Aussagen von Informanten bei einem Notar hinterlege. Auch wenn man die konkrete Praxis der FAZ nicht kennt und das vielleicht bei Wirtschafts- oder Strafprozessen vorkommen mag, darf bezweifelt werden, dass dies tägliche Absicherung darstellt. Gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen wie Organisierter Kriminalität oder Extremismus muss man oft froh sein, wenn Informanten überhaupt mit einem Medienvertreter sprechen. Ihn dann auch noch zum Notargang zu bewegen, ist in diesem Bereich wenig aussichtsreich. Es ist der Erfahrung des Journalisten überlassen, wie glaubwürdig eine Schilderung oder eine Person ist. Da sind die Absicherungen über eine zweite oder dritte Quelle oder weitere Indizien wertvoll und oft notwendig. Von diesem Prinzip weicht man selten ab.

Im vorliegenden Fall wurden Stellungnahmen und Einschätzungen von Staats- und Verfassungsschutz eingeholt, die auch weitere Grundlage der Berichte waren. Ermittlungen im Umfeld zum § 89 a wurden bestätigt und auch, dass die Einnahmen des „iwok“ wohl auch für Straftaten genutzt wurden*.

https://dejure.org/gesetze/StGB/89a.html

Das ist ein sehr erheblicher Vorwurf.

Aus der Kammer, die mit drei Richtern besetzt war, kam die Nachfrage an den HR, warum man den „Hauptimam“ der Baraat-Moschee nicht befragt habe. Dieser Hauptimam spielt jedoch wohl keine größere Rolle und er war wohl auch nicht das direkte Ziel der journalistischen und behördlichen Ermittlungen. Die Radikalisierungen fanden nach HR-Darstellung in den Unterrichten von Herrn Mahboob statt. Auch habe es schon 2014 von Hanauer Lehrern Befürchtungen und Hinweise gegeben.

Kläger und Beklagte kamen nicht überein, zu unterschiedlich waren die Sichten und Darstellungen.

Das juristische Tauziehen wurde nur von wenigen Zuschauern verfolgt. Einer sah aus wie Herr Mahboob. Der Anwalt hatte nicht darauf hingewiesen, dass sein Mandant anwesend sei, und so bleibt die Identität fraglich, denn der Mann war rasiert. Der Bart aus dem SAT1-Video könnte jedoch einfach mittlerweile ab sein. Natürlich muss ein Anwalt nicht auf die Anwesenheit seines Mandanten hinweisen, das steht ihm frei. Für Rückfragen des Gerichts wäre es jedoch vielleicht interessant gewesen, wenn auch nicht unbedingt für die Forderung von Herrn Mahboob förderlich.

Die Entscheidung der Kammer wird in 3 Wochen erwartet.

* Das wurde in der öffentlichen Verhandlung jedoch nicht weiter ausgeführt, da es sich um eine Zivilkammer handelte, die Strafsachen, die nicht im direkten Zusammenhang stehen, nicht einbezieht.

Wer sich eingehender informieren möchte lese das Protokoll des Innenausschusses des Hessischen Landtages:

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