Rapp mir das Lied vom Tod

Rapp ist Teil einer Jugendkultur: Man hört diesen Singsang und er spiegelt, wenn er erfolgreich ist, die Gefühle und Bedürfnisse seiner Hörer und Käufer wieder. Ein Teil der Anziehungkraft der Szene mag durch die meist bekundete grobe Virilität, die äußeren Merkmale des Wohlstands und die vorwiegende Anspruchslosigkeit der inhaltlichen Aufarbeitung zustande kommen. Rapp versteht (fast) jeder. Rapp ist eher nichts für Feingeister und die artikulierten Wünsche sind auch eher undifferenziert und archaisch. Die erzählten Geschichten sind einfach. Es ist wenig musikalisches und stimmliches Können beim Erschaffen notwendig, auch das mag manchen locken: Jeder Hörer sagt sich, Mensch, also eigentlich könnte ich das auch. So mancher versucht denn auch, sich seinen Wunsch nach Ruhm und Reichtum über eine imaginierte oder echte „Musik-Karriere“ zu erfüllen.

Schrödingers Denis* Der Rapper Denis Cuspert ist so eine Person, die für eine Karriere in unserer Gesellschaft zu viele Chancen ausschlug. Er wid nicht alle gehabt haben, ja. Aber von seiner Seite mag eine Neigung zu einfachen Lösungen, wenig differenziertes Denken und ein Hang zur körperlichen „Lösung“ von Problemen hinzugetreten sein. Er versuchte sich dann als Rapper, wurde schließlich Islamist und zuletzt klinkte er sich aus dieser Gesellschaft ganz aus und ging nach Syrien. Er stieg zu einem international bekannten Top-Terroristen auf, zum weltweit bekannten und gefürchteten Mörder, der lachend anderen den Tod brachte. Ob er aktuell noch lebt, ist fraglich. Mal wird er tot gemeldet, dann wieder lebendig. Da wird man erst sicherere Todeszeichen abwarten müssen als mündliche Meldungen.

Andere Personen aus der Musikszene kokettieren ebenfalls mit dem Salafismus. Der Berliner Musikmanager Ashraf Rammo, der von den Medien häufiger in dem Zusammenhang mit organisierter Kriminalität genannt wird, trifft sich mit LIES-Aktivisten und lässt seinen Schützling „Massiv“ einen tränenreichen Rapp über den Frankfurter LIES-Aktivisten Bilal Gümüs singen. Der ist inhaltlich fragwürdig, stellt aber den musikgewordenen Opferdiskurs dar: alle schuld außer Bilal:

 

 

Frankfurt hat ebenfalls einen Rapper, der sich weniger durch seine Musik auszeichnet denn seine Kontakte:

Auch der Frankfurter Rapper Sadiq, der mit seiner Nähe etwa zu den Salafisten der Koran-Aktion „Lies!“ kokettiert, macht auf Facebook regelmäßig Werbung für das Andalus.

http://www.fr-online.de/frankfurt/andalus-grillhaus-grill-imbiss-bleibt-geschlossen,1472798,32439826.html

Man ist eine große Familie, auch in Berlin bei Rammo war Sadiq schon dabei.

All diese Rapps werden hundertausendfach angesehen und angehört. Sie spiegeln das Gefühl einer bestimmten Klientel und sie verstärken über die Inhalte Haltungen oder rufen sie hervor. Die zur Mehrheitsgesellschaft hin sind das nicht. Traurigerweise werden v.a. junge Männer dann über falsche Informationen bei ihrem Schutz- und Gemeinschaftstrieb instrumentalisiert und über ein diffuses Gerechtigkeitsgefühl auf die Gedanken gebracht, selber „helfen“ zu wollen. Das treibt sie zu fragwürdigen Hilfsvereinen und in den Irrglauben, ihre Ummah in einem Kampf verteidigen zu müssen. Die Musik dazu ist erst der Rapp:

Der Song über Märtyrer:

 

 

Und später dann der Nasheed, der islamistische Kampfgesang, beispielhaft:

 

 

Musik spielt bei manchen auch eine Rolle in der Radikalisierung. Sie spricht die Emotion an und der Rapp ist so manchem seine persönliche Marschmusik in den Tod.

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  • Der Witz erschließt sich eher den Naturwissenschaftlern unter meinen Lesern. Für alle anderen: https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze

Do(o)msday

Aus dem sogenannten Islamischen Staat einen echten machen – kann das funktionieren? Diese Frage stellten die Deutsche Friedensgesellschaft und Pax Christi bei einer Veranstaltung im Frankfurter „Haus am Dom“. Das Interesse war nicht nur wegen der Pariser Attentate enorm, die kleine Giebelsaal nebst Empore brechend voll, Menschen sassen auf dem Boden.

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Die Erwartungen wurden gleich zu Beginn das erste Mal enttäuscht: Die Hauptrednerin des Abends, Loretta Napoleoni, hatte den Freitag zuvor abgesagt. Zu stressig sei die Deutschlandtournee dann doch und die Medienaufmerksamkeit zu gering trotz Nachfragen von einigen Medienvertretern. Andreas Zumach, der eigentlich die Gegenrede hätte halten sollen, musste so die Standpunkte aus Napoleonis Buch kurz referieren und flocht eigene Sichten gleich mit ein.

 

skull peace sign

Napoleonis Buch „Die Rückkehr des Kalifats: Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens“  beginne nach dem Tod Mohammeds und spanne den Bogen bis hin zum September letzten Jahres.

Zunächst versuchte Zumach das nach seiner Sicht unvollständige Bild vom IS in den europäischen Medien zu korrigieren. Das sei meist schlecht recherchiert, meinte er, und verwies auf wieder aufgebaute Infrastruktur und die oftmals wiederhergestellte Versorgung der Bevölkerung. Die wiederaufgebaute Bäckerei fand ebenso würdigende Erwähnung wie die Medikamentenversorgung, die „besser als sonst in der Region“ sei. Menschen würden mehrheitlich vor Assads Fassbomben fliehen, viele Sunniten zögen die relative Ordnung nach dem Sieg des IS dem vorherigen Zustand vor.

Man habe also ein komplexes Staatswesen aufgebaut, bei dem man darüber nachdenken könne, ob man es nun in die internationale Staatengemeinschaft nehmen könne. Dadurch könne man es dazu bringen (wörtlich war von Zwang die Rede), Völkerrecht anzuerkennen. Die Binnenstruktur bestünde, erklärte Zumach, in der Führungsebene aus 27 Männern, von denen mindestens ein Drittel aus kriegserprobten Personen bestünde. Darunter gäbe es 4 Departments, Waffenbeschaffung, Finanzierung, Medien und Rekrutierung.

Im Grunde ist nach Zumach der Westen schuld an IS. Die Kolonisierung, der Abzug der Kolonialherren, all das habe die Region destabilisiert. So lange hinsichtlich Israel „Doppelmoral herrsche“, werde es darüber hinaus keinen Frieden in der Region geben. Einen Zuhörer hielt es nicht mehr auf dem Stuhl: „Hier werden Nazis verteidigt!“ Er wurde des Raumes verwiesen. Auch habe der Westen seine Demokratien nur wegen des Umstandes aufbauen können, dass die Ressourcen hier mehr verteilt würden, jeder habe hier ein Dach über dem Kopf.

Zumach wunderte sich öffentlich, dass der IS noch keine Gebietsansprüche angemeldet habe. Immer in der Vergangenheit hätten Terrorgruppen auch Forderungen gestellt. Das sein nun anders. Da war wohl entgangen, dass das Khalifat die Weltherrschaft will.

Den Einsatz von Militär hält Zumach für aussichtslos; auch reiße sich niemand darum, Bodentruppen zu entsenden. Er hingegen möchte diesen „Konflikt austrocknen“, das sei der einzig mögliche Weg. Dazu müsse die Bombardierung eingestellt werden und die Waffenlieferungen an alle Unterstützerstaten. Dann könne man mit dem IS an den Verhandlungstisch, könne „mit viel Geld“ Bildung etc. bieten. Zumach ist wohl entgangen, dass die Führungsriege aus durchaus formal gebildeten Personen besteht und man keine Bildung westlichen Zuschnitts will.

In diesen Betrachtungen hatten demnach der Totalitarismus und die religiöse Verblendung wenig Raum. Alles war irgendwie politisch oder ressourcenbedingt, so das der religiöse Fanatismus kaum noch eine Rolle spielte. Eine religiöse Agenda wurde nicht aufgegriffen. Die Möglichkeit, dass nach einer Phase der Konsolidierung mit Verhandlungen das Spiel von neuem beginne, wurde nicht erwogen.

Ein irritierender Abend. Zumachs „Strategie“ besteht zusammengefasst schlicht in: „Da müssen halt die Kämpfe aufhören“ plus Sanktionen. Mit westlicher Vorleistung. Play it again, Sam.

So blieben trotz reger Zuschauerbeteiliguung viele Fragen offen.

Schade, dass Frau Napoleni nicht anwesend war. Ich hätte ihr – bei einem „Staat“, der Entwicklungshelfer und Journalisten köpft – gerne mal die Frage gestellt, ob sie sich bereit erklärt, als Diplomatin da den ersten Schritt zu tun und persönlich zu verhandeln. Es könnte ja sein, dass dem „Verhandlungspartner“ die gegnerischen Angebote nicht gefallen. Es wäre nicht das erste mal in der Geschichte, dass es dann den Boten träfe.