Untersuchung des BKA, BfV und HKA zur Radikalisierung
Aktuell ist eine Betrachtung zu den Behörden bekannt gewordenen Ausreisefällen veröffentlicht worden. BKA, BfV und HKA haben 677 Fälle ausgewertet. Grundlage sind Erhebungsbögen, die von den befassten Beamten ausgefüllt wurden. Teilauswertungen beziehen sich auf Gruppen mit unterschiedlichen Radikalisierungszeiten, Geschlecht, nach Ereignissen etc.

Salafistische Szene, Offenbach 2012
In dem Papier finden sich einige interessante Aspekte insbesondere zur Radikalisierungsdauer, -zugängen und auch der Geschlechterverteilung.
Zunächst ist festzustellen, dass es weiterhin trotz Häufungen keine Blaupause gibt, die einen einfachen Zugang, eine einzelne Ursache erkennen lässt. Nur bei etwa der Hälfte sind überhaupt äußere Veränderungen vor der Ausreise aufgefallen. Die Radikalisierung bleibt ein komplexer Vorgang, zudem es verschiedene Zugänge gibt, aber nicht einen einzelnen, den man einzeln angehen könnte. Weder Bildung noch familiäre Bindungen wirken im konkreten Einzelfall immunisierend. Unter denen mit bekannter Bildungslaufbahn (232) befinden sich immerhin 36 % Abiturienten, 27 % mit Hauptschulabschluß und 24 % mit Mittlerer Reife. Nur 5 % haben einen sonstigen, 8 % gar keinen Abschluß. 25 % sind regulär, 32 % islamisch verheiratet.
Auffällig ist die Anzahl der Frauen unter den Personen, die nach Ausrufung des Kalifats ausreisten. In dieser Gruppe sind zu 38 % weibliche Islamisten.
Die salafistischen Szeneaktivitäten spielen eine erhebliche Rolle. Altersabhängig ist das Internet wichtig, insbesondere bei den schneller (< 12 Monate) radikalisierten Personen war dies relevanter Faktor. Freundeskreise und Moscheen sind die wichtigsten Einflüsse.
Wichtiges Ergebnis ist auch, dass Kontakte in JVA nur bei 2 % der betrachteten Personen relevant waren. Hinsichtlich der Präventionsbemühungen ist dies zu berücksichtigen.
Rückkehrer sind häufiger wegen humanitärer Aspekte ausgereist. Unter den Ausgereisten sind sie jedoch die Minderheit, denn 70 % der Ausgereisten tun dies aus islamistischer/jihadistischer Motivation. Die meisten der Rückkehrer ( ~ 80 %) kooperieren nicht mit den Behörden und verbleiben in der Szene.
Frauen sind auffallend häufig wegen familiärer Zugänge ausgereist. Die Heirat mit einem jihadistisch motivierten Mann scheint oft hinter diesen Zahlen zu stehen.
Der Bericht ist sehr lesenswert für all diejenigen, die sich näher mit dem Phänomen beschäftigen möchten. Er bietet eine grobe Vorstellung über die Abläufe in der Szene, denn nur ein Teil der ausgereisten Personen ist bislang erfasst und auch nur ein Teil der radikalisierten Personen wird ausreisen. Die anderen radikalisierten Personen sind hier vor Ort und werben weitere.
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In Reaktion auf diese Zahlen ergeben sich einige konkret und zeitnah umsetzbare Handlungsoptionen:
1. Schließung von seit Jahren als Problem-Moscheen bekannten Einrichtungen. Schaffung/Ergänzung des rechtlichen Rahmens
2. Stärkere Bekanntmachung der Hilfsangebote, insbesondere auch unter Jugendlichen
3. Rückkehr zur vorherigen Regelung des Eheschließungsrechts: Religiöse Heirat erst nach der staatlichen Hochzeit. Darüberhinaus Bindung der Eheschließungsrechte von Imamen an ein Zertifikat.