Das Osmanische Reich 2.0

Abd-ar-Rahman III (889- 961). Emir and Caliph of Al-Andalus

Abd-ar-Rahman III, der Herrscher von Andalusien Bild: http://www.bbc.com/news/magazine-29761018

 

Die Türkei ist täglich in den Nachrichten. Sei es mit Gräueltaten gegenüber Minderheiten oder politischen Gegnern der AKP, sei es als gegenwärtig geschätzter Gesprächspartner der EU. Wer nun meint, dies passe nicht zusammen, der fehlt: Das passt. Erdogans Macht wächst ins Unermessliche durch die selbstverschuldete Erpressbarkeit der EU. Nicht wenige Mitläufer berauschen sich daran, Teil einer selbstempfundenen neuen Wichtigkeit zu sein. Macht zieht an und wer den falschen Menschen mehr Macht gibt, als sie vertragen, versündigt sich mit. Groß- und sogar Weltmachtträume werden immer ungenierter geäußert und finden Zulauf. Parallel findet eine erhebliche Rückbesinnung auf Religion statt, wird der angebliche wirtschaftliche und tatsächliche politische Erfolg (wenn man Erfolg daran bemisst, dass andere Staaten Problematisches wenig thematisieren) spirituell überhöht. Nicht nur Erdogan selber träumt nunmehr davon, das angeblich glorreiche Osmanische Reich wiedererstehen zu lassen.

Jenseits der Außenpolitik bleibt das nicht ohne Wirkung auf manche hier lebende Türkischstämmige. Der Rollback auf eine immer konservativere Auslegung läuft seit Jahren, und auch die früher meist geleugneten politischen Ambitionen werden immer deutlicher.

Die AKP hat hierzulande einen Jugendverband, die UETD, der Ortsverbände hat oder aufbaut. Über die sich tatsächlich so nennenden „Osmanen Germany“, die sich nach außen als Box-und Rockerclubs geben, war hier schon berichtet worden.

Es gibt mittlerweile viele weitere Angebote für insbesondere junge Türkischstämmige, die die Ummah oder das Osmanische Reich beschwören. Diese Türkischstämmigen sollen politisiert und zurück zur Religion gebracht werden.

Die Jüngeren üben derweil schon einmal die große Vereinigung:

Eine Jugend ein Ziel Osmanische reublik 160123

Quelle, abgerufen am 22.01.2016: https://www.facebook.com/osmanischerepublik/photos/a.1111281028895488.1073741844.1072869339403324/1111257595564498/?type =3&theater

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Es mehren sich die Hinweise, dass hier in Deutschland – die gemeinsame Linie ist in der Diaspora wichtiger als die vielleicht heimischen Partikularinteressen – in Zukunft auch die verschiedenen türkischen Verbände eher gemeinsame Sache machen möchten. Das wäre eine erhebliche Macht und sie stellte bei zunehmender Politisierung und zunehmender nationalistischer Konnotation, die spirituell unterlegt wird, unser Gemeinwesen vor erhebliche Probleme. Schon scheint es so, als beuge man sich in einigen Bereichen der normativen Kraft des Faktischen und definiere, vielleicht, weil man dieser Sache eben nicht mehr Herr zu werden glaubt, klar strukturell problematische Gruppierungen aus der Beobachtung heraus. Wenn die Priorisierung wegen begrenztem Personal auf die sofort sicherheitsrelevanten islamistischen Gruppierungen erfolgen muss, wird bei Ausufern diese Problemlage vernachlässigt werden müssen. Wenn erhebliches Personal für Salafisten und Jihadisten aufgewandt werden muss sowie für den Kampf gegen rechts, bleiben für die legalistisch operierenden Strukturbildner, Unterwanderungen und auch den Linksextremismus nebenbei (zu) wenig Menschen übrig.

Der kleine Exkurs in den neo-osmanischen Narrativ schließt mit den Worten:

Ihr habt nur eine Auswahl, entweder schliesst ihr euch dieser neo—osmanischen Bewegung an oder ihr entscheidet euch für die Interessenspolitik der westlichen Mächte!

Die Schlagrichtung dieser eher an junge Menschen gerichteten Botschaft ist klar. Integrationsfördernd ist sie nicht, sondern formuliert eine klare Gegenhaltung.

Wer nun ist von Verbandsseite relevant?
Neben der DITIB sind da an Akteuren auch die Mili Görus und die Grauen Wölfe zu nennen. Sollten sich da weitergehende Kooperationen abzeichnen, repräsentieren alleine diese drei Organisationen erhebliche Anteile der türkischen Community. Vertreter aller drei Gruppierungen haben zudem längst den Marsch durch die Institutionen angetreten. Das ist kein Zeichen für eine bundesdeutsche „Domestizierung“ dieser Gruppen, sondern stellt eher den Versuch dar, in den politischen Parteien durch die persönliche Wirkung Einfluß zu nehmen. All jene, die erlebt haben, wie persönlich nett und zuvorkommend der „Graue Wolf“ sein kann, werden weniger wachsam sein, wenn ein Claim nach dem anderen innerparteilich abgesteckt wird. Besonders erfolgversprechend sind da ausgesandte junge Frauen, über die man sich in den Volksparteien intensiv (und positiv rassistisch!) freut und die man gezielt protegiert. Welchen ideologischen Hintergrund das neue Mitglied, die neue Genossin hat, wird nahezu nie gefragt. Man fürchtet neben dem Vorhalt der Gesinnungsschnüffelei den Ruch des Rassismus und ist deshalb selbst bei begründetem Verdacht lange still, hilft vielleicht sogar bei der Verdeckung. Säkulare Türkischstämmige, die ganz normal mittun in den Parteien, haben es manchmal sogar schwerer als die geschulten Lobbyisten, da sie einfach sie selber sind und sich nicht bemühen, den Klischees, die manchmal vorhandener positiver Rassismus fördert, zu entsprechen. Kurden und Aleviten leider auch.

Mittelfristig ist möglicherweise mit einer gewaltaffinen Szene, einer außerparlamentarischen Opposition und der legalistischen Variante zu rechnen. Sie stellen bei ähnlichen Zielen das Spektrum dar und die institutionelle Abdeckung. Das Ziel ist schwer zu definieren. Allgemein soll aber wohl langfristig die türkische Community a la Erdogan als noch größerer innenpolitischer Machtfaktor installiert werden. Mehr Zugeständnisse, mehr Rückbesinnung auf den fundamentalistischen Islam Erdogans, mehr „Türkentum“, also türkischer Nationalismus auf deutschem Boden. Es wird Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft sein, hinsichtlich Unterwanderungen bei Parteien wachsam zu sein und insbesondere säkulare Türkischstämmige, Aleviten und Kurden darin zu unterstützen, dass auch ihre Interessen und Warnungen gehört werden.
Auf jeden Fall ist der räumlichen und mentalen Segregation das Wasser abzugraben. Dem Narrativ vom guten Osmanischen Reich, auf das Erdogan hinarbeite, muss widersprochen werden, dieser falsche Mythos ausgeräumt werden. Durch die gegenwärtige Außenpolitik wird das nicht leichter. Aber wie so so oft: Ein kleineres Problem in der Gegenwart wird gegen ein größeres in der Zukunft getauscht. Ein schlechter Deal für uns alle.

Ein Gedanke zu „Das Osmanische Reich 2.0

  1. Eine Super-Bilanz !

    Jetzt denke man sich die selbstverschuldete Erpressbarkeit noch Richtung Putin weiter und Deutschland steht – erneut in bewährter Mittellage – aber diesmal am receiving end der Chaos-Hebel dieser beiden großen post-westlichen Protagonisten. Und müht sich nach besten Kräften höchster Moral, die Misere dieser miesen Spiele gerecht über Europa weiter zu verteilen.

    Erdogan wird enden, wie Gaddafi. Nur: welche Trümmer-Runden uns noch bevorstehen, ist noch nicht ganz klar. Bei Min. 3.18 mal ein kleiner Hinweis, worauf sich einige schon freuen:

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