Muslimische Melange

Eine kurze Betrachtung zum Bericht über Wiener Kitas

Mit einer Vorstudie wollte man in Wien der Frage nachgehen, wie es um Ausrichtung, pädagogische Herangehensweise und gelehrte Inhalte an Wiener Kindertagesstätten und -gärten aussieht, die als muslimische Einrichtungen erscheinen. Dieses Projekt wurde vom 01.07.2015 bis zum 31.01.2016 am Institut für Islamische Studien an der Universität Wien durchgeführt bzw. in dieser Zeit wurden Daten erhoben, recherchiert und Gespräche geführt. Schon die klare Zuordnung und Klassifikation erwiesen sich allerdings als unerwartet schwierig.

Da sich islamische Kindergärten und Kindergruppen – wie aus dem Vereinsregister ersichtlich – meist nicht als explizit „islamisch“ titulieren, musste eine breitere Recherche angestellt werden. Solche Kindergärten bzw. Kindergruppen wählen in der Regel Bezeichnungen wie „Bildung“5 , „Multikulturell“6 , „Integration7 “, „Dialog“8 oder nationale Namen9 bzw. arabischislamische Namen10. Durch eine derartige Recherche konnten zahlreiche islamische Kindergärten und -gruppen ausfindig gemacht werden.“ S. 9 f.

Aus dieser Tatsache heraus war es notwendig, neben der Verbands- und Vereinsanalyse auch Daten zu den einzelnen Vereinen (Bereich Kindergarten/Kindergruppen) zu erheben. Gewonnen wurden diese Daten durch Sichtung von Vereinsregisterauszügen, Korrespondenzen, Dokumente von öffentlichen Veranstaltungen, die von den kindergartenbetreibenden Vereinen durchgeführt wurden, öffentlichen Reden und Vorträgen, Medienberichten und elektronischen Medien.

Das ist eine Vorgehensweise, die auch aus verschiedenen deutschen Kommunen und von verschiedenen islamischen Gruppierungen bekannt ist, z.B. bei einigen Nachhilfe-Einrichtungen und Schulen. Wenn – wie immer behauptet und angemahnt – der Islam dazu gehört, erscheint eine solche Verdeckung ganz unnötig und sogar fragwürdig. Befördert bei klarer religiöser Kindererziehung, die grundsätzlich erlaubt ist, nicht genau eine solche Heimlichtuerei nicht das seltsame Gefühl, dass man nicht zu den Inhalten, die man lehren möchte, stehen mag?

Auf Basis der oben genannten Erhebung von 71 Kindergärten und 56 Kindergruppen und unter der Annahme, dass im Zuge der kurzen Projektlaufzeit nicht alle islamischen Kindergärten und –gruppen identifiziert werden konnten, schätzen wir die Zahl der muslimischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien auf ca. 150. Die Anzahl von Kindern in muslimischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien beläuft sich auf schätzungsweise 10.000.“ S. 8

Der vorliegende Projektbericht umfasst die Analyse der Dokumente von islamischen Vereinen und Verbänden sowie die Auswertung der empirisch erhobenen Daten aus den untersuchten Kindergärten und -gruppen. Dieser kürzlich veröffentlichte Bericht ist trotz der Schnelligkeit, in der die Daten erhoben wurden und das zusammengefasst wurde, wertvoll wegen seiner Breite und der gestellten Fragen. Er sei daher allen, die sich für pädagogische Einrichtungen interessieren, besonders empfohlen.

Klicke, um auf islamstudie.pdf zuzugreifen

In der Vorstudie werden 4 verschiedene Kategorien gebildet, von liberal bis hin zu salafistisch. Die Gruppen jenseits der liberalen und einer, die als wirtschaftlich orientiert und daher eher nachfrageorientiert einzustufen ist (dort ist es unterschiedlich), lehren verschiedene Inhalte, die explizit als antiintegrativ einzustufen sind. Wirtschaftlich orientierte Einrichtungen scheinen vermehrt entsprechend der lokalen Nachfrage zu unterrichten. Bemerkenswert ist in dem Bericht auch, dass er erhebliche Vernetzungen der Einrichtungen andeutet, die eine antiwestliche Haltung eint. In den theologischen Petitessen uneins ist man sich hinsichtlich der Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft hin durchaus einig. Gemein ist diesen Einrichtungen, dass oftmals auf die fundierte pädagogische Ausbildung weniger Wert gelegt wird denn auf die Glaubensstrenge und eine „klassische islamische Erziehung“ durchgeführt wird. In der Studie wird explizit darauf verwiesen, dass gemäß der Elternerwartung die religiöse Bildung (z.B. das Auswendiglernen von kürzeren Koransuren) stark gewichtet wird. Verstehen oder gar Hinterfragen sind weniger erwünscht bzw. nicht Ziel der Herangehensweise. Vielmehr wird häufig Gottesfurcht implementiert:

Das Ziel solcher Programme zielt darauf hin Generationen zu erziehen, die in ihren
Herzen die „Angst Gottes“ tragen und aus dieser Genauigkeit ihre Diskurse und
Handlungen führen.“ zitiert Seker, S. 87

Das Arbeiten mit Furcht und die Nichthinterfragbarkeit mancher Inhalte – das erinnert sehr stark an die schwarze Pädagogik.

 

Zwischen Religion und Politik scheinen die Betreiber manchmal nicht zu trennen. Die islamisch strenge Lebensweise wird an den beiden Einrichtungs-Kategorien „Intellektueller Salafismus“ und „Politisch-religiöser Islamismus“ oft als einzig akzeptable gelehrt. Deswegen können nichtmuslimische Kinder, sofern es sie an den Einrichtungen gibt, durchaus an muslimischen Festen teilhaben, muslimische Kinder jedoch nicht an christlichen oder anderen Festen. Man fürchtet die Abkehr von der islamischen Lebensweise.

 

Für einen Überblick ist das Resumee auf S. 104 lohnend. Noch einmal stark auf Stichworte verkürzt:

1. Wenig Offenheit islamischer Kindergärten

2. Geringe Transparenz und mangelnde Abkehr von der politischen Verquickung

3. Große Erwartungshaltung der Eltern

4. Unzureichende Teilnahme der Eltern u.a. durch Sprachbarrieren

5. Unzureichende Sprachförderung

6. Förderung antiintegrativer Haltungen und des Primats der eigenen Weltanschauung in etlichen der betrachteten Einrichtungen, autoritäre Erziehung mithilfe eines strafenden Gottesbildes

In der Vorstudie werden abschließend neben der nachvollziehbaren Forderung nach weiterer Forschung zum Gegenstand einige weiterführende Vorschläge gemacht (ab S. 107). Neben der Verbesserung der pädagogischen Qualität und Professionalisierung wird eine Zentrierung auf das Kindeswohl und eine Zurückweisung mancher Elternbegehrlichkeit angeregt. Insbesondere pluralitätsfördernde Ansätze und Sprachförderung sollen mehr beachtet werden. Eine Entkoppelung der Einrichtungen von den manchmal nicht oder zu wenig an pädagogischen Gesichtspunkten orientierten Vorstellungen der Trägervereine soll gefördert werden, um so statt einer autoritären Erziehung die Kinder zur Mündigkeit auch in Religionsfragen zu erziehen.

Es kommt klar zum Vorschein, dass die Einrichtungen, die auf ein gedeihliches und offenes Zusammenleben ausgerichtet sind, in der Minderzahl sind. Die vorgefundene Intransparenz zielt in der Gesamtschau darauf ab, genau dies weniger offensichtlich zu machen. Schon diese Absage stellt im Grunde einen segregativen Ansatz dar: Man will abseits der Mehrheitsgesellschaft erziehen und die Kinder weniger zu Mitgliedern einer pluralen Gesellschaft formen. Der pädagogische Auftrag zielt oft auf ein Primat der Religion ab. Kurz: Man will gottesfürchtige Muslime erziehen, weniger Bürger.

Zur Einordnung der Ergebnisse hätte man sich noch wünschen können, die geschätzte Gesamtzahl der Kinder aus muslimischen Familien in Wien entsprechenden Alters zu erfahren. Absolute Zahlen (~ 10.000) erscheinen nicht ausreichend. Es wäre zur Übertragbarkeit relevant gewesen, um einschätzen zu können, wie viele der Wiener Eltern muslimischen Glaubens die religiöse Erziehung im Elementarbereich priorisieren. Nicht wenige Eltern sollten ihre Kinder in den städtischen Kindergärten bzw. wohnortnah in einen beliebigen Kindergarten unterbringen.

Für Pädagogen unbedingt lesenswert.

Ein Gedanke zu „Muslimische Melange

  1. Danke für die Analyse!

    So ganz weit ist Österreich ja nicht entfernt – weder geografisch noch kulturell. Und die dort lebenden Muslime werden sich von den bei uns lebenden Muslimen nicht besonders unterscheiden. Daher kann man das Ergebnis vom Inhalt her durchaus auf Deutschland übertragen.
    Und das ist deprimierend.

    Wir müssen alles daransetzen, die Bildung von Gegengesellschaften zu unterbinden.

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