Über Jugendarbeit in Frankfurt von und für Muslime
Vor einigen Tagen war über die Frankfurter Jugendarbeit berichtet worden, die sich speziell an muslimische Jugendliche richten soll. Säkulare Jugendarbeit an Frankfurter Moscheen zu bringen war zunächst gescheitert:
https://vunv1863.wordpress.com/2016/04/16/rechtgeleitete-jugend/
Die im Beitrag genannte „Kick off-Veranstaltung“ hat mittlerweile stattgefunden. Auch von diesem Event existiert ein Video, das dankenswerterweise – es ist im Netz verfügbar – wenigstens für ein wenig Transparenz sorgt und einen Einblick gibt. Nach gesanglicher Einstimmung werden die verschiedenen Vorträge gehalten:
Ein Vortrag soll die Grundausrichtung wohl verdeutlichen. Er ist mit „Zwischen Religion und Ablenkung“ überschrieben und hat den Untertitel „Der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg“. Der vorgesehene Redner fiel aus, ein anderer sprang ein.
Der Redner stellt das Leben als vergänglichen Transit dar, als Bewährungszeit. Mehr Erfolg über mehr Religion. Zwar erst im Jenseits, aber dann… Der Einzelne erhalte seine Abrechnung, wie sehr er sich an das angeblich mitgelieferte „Navigationssystem“ von Gott halte. Bezogen wird sich auf Sure 17, Vers 18-19.
„Wenn einer das Irdische begehrt, bereiten Wir ihm schnell das, was Wir wollen – dem, der Uns beliebt; danach haben Wir Dschahannam für ihn bestimmt, in der er brennt, verdammt und verstoßen.“
„Und wenn aber einer das Jenseits begehrt und es beharrlich erstrebt und gläubig ist – dessen Eifer wird mit Dank belohnt.“
In christlichem Kontext oder aus Sicht eines Kulturchristen mag diese Gegenüberstellung nicht (mehr) sehr beunruhigen. Im europäischen Umfeld haben wir uns daran gewöhnt, Höllendrohungen nicht mehr allzu ernst zu nehmen. Das ist in der muslimischen Community oft noch anders, s.u.. Die Höllenankündigung wird als zwangsläufige Folge eines nicht genügend gläubigen Lebenswandels oft genug thematisiert und auch häufig noch geglaubt. Diese Gegenüberstellung ist unmittelbarer, hat eine höherer Realitätswirkung; nicht umsonst betont der Redner ja auch am Anfang, das sei „krass“, der Vers sei „angsteinflößend“.
Gegen Kritik wird immunisiert:
„Das Schöne am Koran ist – grundsätzlich schön.“
Mit dieser Einordnung ist eine reflektierte Lesart nicht sehr wahrscheinlich, denn was geschrieben steht, ist somit schön, auch wenn es „krass“ ist und „Angst einflößt“. Eine menschliche Wertung ist nicht angemessen, denn es gibt ja ein „göttliches Navigationssystem“, um den „geraden Weg“ zu finden. Die unhinterfragbare Vorgabe der Regeln. Auf der „nächsten Stufe“ werde man das erkennen. In anderen Kontexten nennt man so etwas Esoterik.
Ein „Bruder Mustafa Cehin“ führt dann konkret Organisatorisches aus. Mitglieder seien „Jugendvertreter bzw. die Jugendleiter der Frankfurter Moscheen“. Gegründet worden sei der KRMF nach eigener Angabe schon im November 2015, man habe Ende Februar 2016 die Betätigung aufgenommen.
„Ziele der Jugendarbeit des KRMF:
*ein Team von Brüdern (Schwestern) aus allen Moscheen [Absichtsbekundung, SHM]
* das Team arbeitet im Namen des KRMF
* aktive Jugendrbeit in den Moscheen aufbauen / unterstützen
* junge deutschsprachige Multiplikatoren ausbilden und unterstützen“
Man beachte die Klammer: d.h. geschlechtergetrennte Jugendarbeit.
Zielgruppe seien deutschsprachige Jungen. Für die Mädchen werde man vielleicht später etwas anbieten. Man lege mehr Wert auf „Qualität als Quantität“. Das allerdings heißt, dass es eine in die Breite gehende strukturierte Jugendarbeit initiiert durch dieses Gremium nicht geben wird. Das macht eher den Eindruck einer netten, kleinen, geplanten Kaderschmiede.
Man möchte deutschsprachig „Jugendförderung“ anbieten. Schön und gut. Das wird mit einer Berufung auf den Koran „abgesegnet“, 14:4:
„Und Wir schickten keinen Gesandten, es sei denn mit der Sprache seines Volkes, auf daß er sie aufkläre.“ so weit das Schaubild.
Der Vers 4 geht so weiter: „Dann erklärt Allah zum Irrenden, wen Er will, und leitet recht, wen Er will. Und Er ist der Erhabene, der Allweise.“
Das kann man so wie der Vortragende, aber auch anders deuten. Nämlich so, dass da die „Botschaft“ im Vordergrund steht. Man will denn auch die Multiplikatoren dazu bringen, Sitzungen etc. zu leiten. Bildungstage werden auch erwähnt. Die „Betreuer“ sollen untereinander vernetzt werden. Das ist normalerweise nichts Übles. Wenn aber Gemeinden, die jeweils ihre eigenen Problemzonen in der Vergangenheit hatten, den Ton angeben, sieht das ein wenig anders aus.
Ziele der Jugendarbeit sei es, „durch Betreuerteams die Ziele des Jugendrates in der eigenen Gemeinde zu fördern“.
Als Ziele werden benannt:
„* Vorbilder schaffen
* interreligiöser Dialog mit anderen Religionen
* organisierte und aktive teilnahme an gemeinnütziger Arbeit
* Mentoren schaffen für gesellschaftliche Konflikte
* Förderung der eigenen Interessen in der Gesellschaft
* Schutz der Jugend vor Extremismus“
Das wird wieder alles sehr religiös durchgetaktet. Die Ziele will man mit Monatstreffs, Campings, Ausflügen erreichen. Und natürlich Bildungstagen.
Nun könnte man sich bilden, campieren oder Ausflüge machen ja auch mit anderen Gleichaltrigen. So prinzipiell. In Kontakt kommt man nach dem, was ambitioniert „Modell“ genannt wird, nach Plan aber nur, wenn, wenn man mit anderen Jugendlichen über Religion reden will: A bisserl Dawa geht immer. Dadurch, dass man aber „muslimische Jugendliche nun auch vor Extremismus schützen zu wollen vorgibt, legalistische Gruppierungen zählen nicht mit, selbstredend, dass man Geschlechtertrennung macht, wird das bei allen anderen Aktivitäten eine nette Exklusiv-Veranstaltung. Muslime unter sich, hübsch nach Geschlechtern getrennt. Man wird darauf hoffen, dass man mit dem Vorhaben auch selber an Fördertöpfe herankommt, obwohl man die Regeln üblicher Jugendarbeit eben nicht einzuhalten gedenkt. Integrationstöpfe für Segregationsarbeit.
Auch außerhalb des Gottesdienstes, Männer und Frauen „ordentlich“ getrennt. Männer von vorne, Frauen nur von hinten jenseits der Vortragenden:
Fotos von der Veranstaltung:
Weitere Redner sind ein Prediger, der in einer beobachteten Moschee in Neu-Isenburg sehr aktiv ist, und der hessische ZMD-Vorsitzende. Vorher leitete er wohl den DIV. Der DIV hat Vereine unter seinen Mitgliedern, die oder deren Mitglieder vom Verfassungsschutz beobachtet werden. In diesem Umfeld müsste man dann doch mal definieren, was unter „Schutz der Jugend vor Extremismus“ verstanden wird. Das könnte spannende, selbstreferentielle Diskurse ergeben. Verschiedene Jugendleiter stellen sich vor. Es wundert nicht: Es ist fast eine reine Männer-Veranstaltung. Zumindest, wen es um die öffentliche Vorstellung (Grußworte einmal nicht mitgezählt) geht. Ob die Zurücknahme („ich als Frau“) von Rabea Bechari persönlich bedingt ist oder der Situation geschuldet, ist nicht zu erkennen.
Ab morgen finden 3 gemeinsame Tage für die Jugend im Schwarzwald statt. Man darf vermuten: Die Mädchen gucken wahrscheinlich in die Röhre.
Der „Frankfurter Jugendtreff“ wird am 27.05. in der Tarik-Moschee stattfinden.
Bei Minute 52:20 im oberen Video wird dann sehr dezent ein wenig nachgetreten:
„Was für Allah war, dauert und bleibt stetig und was nicht für Allah war, bricht ab und trennt sich.“
Ein Multifunktions-Vers, denn er deutet zugleich auf die Gründe, weswegen das ursprüngliche Projekt nicht funktionierte und zeigt auf, wo man hin will, könnte man meinen.
Das erscheint als die Absage an säkulare Jugendarbeit, eine die Inklusion bietet. Inklusion der Geschlechter und die auch einmal eine andere Sicht ermöglicht in der Freizeit. Nicht die Jugend oder die Gesellschaft stehen, so ist zu befürchten, an erster Stelle, sondern der Glaube und die Einhaltung der islamischen Regeln.
* Zum Höllenglauben:
Nur 12 % der Befragten glauben in dieser deutschen Statistik an eine Hölle. Es geht nicht hervor, ob nach den Glaubensrichtungen getrennt wurde, also z.B. nur Christen befragt wurden:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/34/umfrage/meinung—christliche-glaubensinhalte/
In anderen Ländern sieht das anders aus: