Befragung der Uni Münster zur Selbstverortung Türkischstämmiger
Gestern wurde eine Erhebung der Universität Münster vorgestellt, die Antworten auf Fragen zur Selbstverortung Türkischstämmiger in Deutschland ermöglichen sollte. Dazu ist zu wissen, dass das keine aktuelle Umfrage ist. Diese Umfrage wurde vor der Debatte um den Armenier-Genozid gemacht und manches – darf man nach den erhitzten Reaktionen vermuten – hat sich seither zumindest in der temporären Selbstwahrnehmung verändert:
„Für die repräsentative Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster gut 1.200 Zuwanderer aus der Türkei und ihre Nachkommen ab 16 Jahren zu Integration, Religiosität und Akzeptanz durch die Mehrheitsgesellschaft. Die Interviews fanden zwischen November 2015 und Februar 2016 telefonisch statt, teils in deutscher, teils in türkischer Sprache.“
Presse-Zusammenfassung:
Volltext:
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Von der ersten Generation haben nur 28 Prozent die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Interessanterweise ist das umgekehrt proportional zum Wunsch nach der Identität des Herkunftslandes: „86 Prozent der zweiten und dritten Generation denken, man solle selbstbewusst zur eigenen Herkunft stehen, aber nur 67 Prozent der ersten Generation.“ Aus der Zahl kann man erkennen, dass eine relevante Rückbesinnung stattfindet, eine Re-Ethnisierung. Das kann evtl. auf die zunehmende und leider abgrenzende Selbstorganisation zurückzuführen sein. Die Bildung insbesondere türkisch dominierter Parallel-Strukturen gibt dieser Tendenz wahrscheinlich Dynamik.
„Zugleich lassen die Ergebnisse der Umfrage einen beträchtlichen Anteil an islamisch-fundamentalistischen Einstellungen erkennen, die schwer mit den Prinzipien moderner Gesellschaften zu vereinen sind, wie der Soziologe darlegte. Die Hälfte der Befragten stimmt dem Satz zu „Es gibt nur eine wahre Religion“. 47 Prozent halten die Befolgung der Islam-Gebote für wichtiger als die deutschen Gesetze. Ein Drittel meint, Muslime sollten zur Gesellschaftsordnung aus Mohammeds Zeiten zurückkehren. 36 Prozent sind überzeugt, nur der Islam könne die Probleme der Zeit lösen.“
Auf u.a. Seite 17 des Volltextes zeigen sich erhebliche Zustimmungswerte zu Haltungen, die den Islam als Religion immunisieren. Relevant ist auch, dass die Vorstellung, man müsse sich an die deutsche Kultur anpassen, erheblich (-20 Prozent) abgenommen hat.

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Vor der der Armenier-Resolution (02.06.) im Deutschen Bundestag war die Stimmung stark aufgeheizt. Es wurde mit diversen verbalen Säbeln gerasselt, man versuchte Einfluss zu nehmen insbesondere auf türkischstämmige Abgeordnete, von denen man wohl annahm, sie seien weniger ihrem Gewissen als dem Türkentum verpflichtet. Keine freien Abgeordneten also, sondern wie Schachfiguren einsetzbare Lobbyisten. Auch danach gab es leider breit aggressive und emotionale Reaktionen. Beispielhaft sei hier ein aktueller Beitrag des stellv. Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Mehmet Alparslan Celebi, angeführt. Celebi ist in Deutschland geboren und im Main-Taunus-Kreis aufgewachsen. Sein Vater, Musa Serdar Celebi, ist allerdings in jungen Jahren bei den Grauen Wölfen in Führungspositionen gewesen und hat Ende der 80er den Ableger ATIB gegründet. Celebi jun. ist im ATIB-Vorstand in Funktion und als solcher in den ZMD gekommen. Seine Sichten entsprechen also wohl eher der ultra-nationalistischen Linie. Säkulare Türkischstämmige, die wirklich angekommen sind in der deutschen Gesellschaft und sich integrieren wollen jenseits der Sprache und der Inanspruchnahme der Schulbildung, werden sich in seinen Ansichten eher weniger wiederfinden. So führt Celebi jun. in der Huffington Post aus:
„Die türkischstämmigen Verbände haben leider keinen Zugang zu Politik und Gesellschaft. Das mag viele Gründe haben aber Fakt ist, dass von dieser Seite nichts kam (Selbstkritik).“
Ach, möchte man da sagen. Zugang heißt, dass man Dinge „unterbinden“ kann, die einem nicht gefallen? Was für eine Selbstüberschätzung, mal abgesehen davon, dass das nicht der Realität entspricht. Celebi verkennt, dass auch „Zugang zur Politik“ nicht heißt, dass man eine Mehrheit hinters sich kriegt. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man eine Minderheit ist. Es hilft, zu erkennen, dass man eine solche ist. Da offenbart sich ein sehr eigenes und autoritäres Politikverständnis, das nur noch von der ambitionierten Sicht übertroffen wird, alle Türkischstämmigen seien seiner Meinung:
„Die in Deutschland lebenden 3 Millionen Türken, die gegen die Resolutionen sind, haben kein Gehör gefunden. Was bedeutet das für die politische Repräsentanz dieser Gruppe? Es gibt keine.“
Noch mal ach. Alles zentriert sich auf diese eine Frage? Wie aufgeblasen kann ein Selbstbild sein und zugleich so fragil, dass man diese kleine (!, es handelt sich um einen Vorgang in der Vergangenheit) Kränkung durch einen real nachgewiesenen Vorgang nicht hinnehmen kann und dann derart emotional wird?
„Ich durfte gerade leider Zeuge werden, wie der Bundestag meine Vorfahren zu Mördern und mein Land zum Volksmörder verurteilt hat.“
Man ist geneigt zu sagen: Nimm hin, was von der Mehrheit der damit ernsthaft Befassten als Realität anerkannt wurde. Eine schmeichelnde Unwahrheit scheint aber lieber. Zudecken, was nicht gefällt. So hatte ja Celebi jun. auch auf die fraglichen Darstellungen von Fuat Sezgin abgehoben und die Sicht, Muslime seien sehr früh in Amerika gewesen, noch einmal im Eigenverlag herausgebracht. Celebi sen. scheint aktuell verschiedene Vorgänge aus seiner Vergangenheit aus dem öffentlichen Gedächtnis verbannen zu wollen.
Das Problem, sich einer – wenn auch unschönen – Vergangenheit zu stellen, scheint generationenübergreifend. Das macht keinen Spaß, ja. Als erwachsener Mensch weiß man aber, dass man nicht immer alles nur nach eigenem Spaßempfinden serviert bekommt. Es empfiehlt sich also, aus der pubertären Haltung herauszufinden.
Da hilft nur Hyposensibilisierung und eine zutreffende Einschätzung, die immer wieder deutlich gemacht wird. Es wird Zeit, dass diese historischen Realitäten breiter Eingang in die deutschen Geschichtsbücher finden. Damit der speziell türkische Narrativ, von dem zu befürchten ist, dass er sonst auch von den Herren Kolat bis Celebi an die eigene Community und die eigenen Kinder kolportiert wird, wenigstens in der Schule sachgerecht bearbeitet und eingestuft wird.