Wie die Islamische Zeitung ihre Leser „alternativ informiert“
Die Islamische Zeitung (IZ) war schon vorgestern Thema wegen ihrer speziellen Sicht zur Neuköllner Begegnungsstätte, die Verfassungsschutzberichten „Ringelpiez mit Roth“ entgegenstellte. Gestern nun hat sie sich einer ähnlichen Thematik angenommen und kommentiert die Berichterstattung der Tagesschau zu dem Deutsch-islamischen Vereinsverband e.V. (DIV) vom 07.07.2016. Unter dem bemerkenswerten Titel „Undifferenziert und rufschädigend“ präsentiert sie ihren Lesern eine Art Gegendarstellung. Diese stammt von Herrn Dr. Khallouk, der stellvertretender Vorsitzender und Pressesprecher des Verbandes ist. Das ist der Herr, der sich gegenüber der AZ wie folgt einließ:
„Er bestätigte ferner, dass das EIHW eines der 47 Mitglieder des Verbandes ist. Allerdings wollte er „zu islamistischen Strömungen jeglicher Ausrichtung wie der Muslimbruderschaft“ keine Stellung nehmen.“
Auf Anfragen von hr-info wurde nach deren Angaben im Tagesschau-Artikel gar nicht reagiert. Die gestellten Fragen von hr-info scheint man weiterhin nicht beantworten zu wollen. Stattdessen aber eine Darstellung in der IZ, die die Sicht von Khallouk wiedergibt, in der wieder das ausloten „islamistischer Strömungen“ umschifft wird, in der sich Dr. Khallouk dafür aber lieber in die Untiefen einiger Umdeutungen begibt.
Khallouk erweckt zunächst den Eindruck, er spreche für die Muslime der Region: „Rhein-Main-Muslime wehren sich gegen Beitrag der Tagesschau (vom 7. Juli 2016)„.
Sicherlich sind im DIV auch Muslime aus der Rhein-Main-Region. Der DIV vertritt jedoch nur einen Teil dieser Gruppe, mehrheitlich den marokkanischstämmigen und mindestens sehr konservativen Teil.
„Weiterhin ließ sich S. über das EIHW und seine vermeintliche Nähe zur Muslimbruderschaft aus“
Es wird der Eindruck erweckt, das sei die Erfindung des Journalisten. Das ist bewußt unwahr dargestellt, denn das EIHW wird korrekt vom Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz derart zugeordnet. Das muss eigentlich auch der Dr. Khallouk wissen. Zumindest aber der „Beauftragte des DIV e.V. für besondere Aufgaben“, der Herr El Yazidi, der sogar auf der Gründungsveranstaltung des EIHW seinerzeit anwesend war. Und zwar nicht nur dabei, sondern mittendrin, auf dem Podium:
Der Herr El Yazidi ganz links und der Herr Dr. Hanafy ganz rechts auf der Eröffnungsveranstaltung des EIHW. Der Herr El Yazidi war seinerzeit der Vorsitzende des DIV e.V.:
https://mohammedkhallouk.wordpress.com/2013/10/23/div-stellt-sich-vor/
„und merkt dabei an, dort würden auch Imame ausgebildet. Dies im gleichen Atemzug zu nennen mit der Tatsache, dass im oben genannten, mit Bundesmitteln geförderten Projekt Imame und muslimische Gelehrte Jugendliche von demokratischen Werten und Gesellschaftsmodellen überzeugen sollen, erzeugt beim sachunkundigen Leser gezielt die Vorstellung, die vom DIV durchgeführte Radikalisierungsprävention sei in Wahrheit eine Förderung von Radikalisierung.“
Tatsächlich ist das ein neuer Absatz:
https://www.tagesschau.de/inland/bundesprogramm-islamisten-101.html
„Diese Assoziation kann jedoch nur entstehen, wenn verschwiegen wird, dass auch die im genannten Projekt involvierten Imame eben nicht von einzelnen Verbandsmitgliedern wie dem EIHW ausgebildet werden und in der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft ebenso wie von staatlichen Autoritäten der höchsten Ebene als integer sowie Vertreter eines demokratiekonformen Islamverständnisses anerkannt sind.“
Der DIV spezifiziert nicht, welche Imame eingebunden sind. Welche Imame sowohl von „staatlichen Autoritäten“ und der Mehrheitsgesellschaft gleichermaßen anerkannt sind, gibt man auch nicht preis.
„Einer der engagiertesten Unterstützer des Projekts ist beispielsweise Imam Cheikh Abdelhak El Kouani […] Ebenfalls in das Projekt involviert ist der Imam der Frankfurter Tarikmoschee, Cheikh Mbarek Kouta[…]“
Das hat mit den Fragen, die nicht beantwortet wurden, eher weniger zu tun. El Kouani sitzt im Beirat. Kouta taucht auf der Seite des DIV nicht auf, zumindest nicht in dieser Schreibweise.
„Zusätzlich verschwieg S., dass im genannten DIV-Projekt die Radikalisierungsprävention eben nicht nur durch Imame und Islamgelehrte erfolgt, sondern auch über sozialpädagogische Intervention, eine Kombination, die die Einzigartigkeit dieses Projektes anzeigt und letztlich auch das Bundesfamilienministerium davon überzeugen konnte, in die begrenzte Zahl durch „Demokratie leben“ geförderter Projekte aufgenommen zu werden.“
Der DIV e.V. bzw. Dr. Khallouk sollten es dann doch schon mal ertragen lernen, dass Journalisten ihre Berichte selber schreiben. Dieser Vorhalt ist wegen der Kommunikationsverweigerung, die nirgends erwähnt wird, besonders unredlich.
„Die Information, dass außer dem EIHW mit dem IIS noch ein zweites Verbandsmitglied verfassungsschutzrechtlich erwähnt werde, ist somit vollkommen irrelevant.“
… meint Dr. Khallouk. Meinen der Innenminister und jetzt auch Frau Schwesig aber durchaus nicht, weswegen es ja demnächst das Gespräch geben wird. Da kann man dann auch gleich über die anderen neun dann wohl auch „irrelevanten“ Vereine sprechen:
„Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bezeichnete die drei Vereine als „politisch nicht unbedenklich“. Außerdem: Bei neun weiteren Vereinen gebe es Anhaltspunkte, dass sie möglicherweise extremistisch sind.“
Das lohnt ja richtig.
„Die genannte Zugehörigkeit des IIS zur IGD ist zudem nachweislich unwahr, da die IGD ein eigener muslimischer Dachverband mit eigener Mitgliederliste ist und außerhalb des DIV-Verbandes steht.“
Dr. Khallouk sollte die Binnenlogik dieses Satzes noch einmal prüfen. Eine wirre Argumentation ersetzt im Übrigen keinen Nachweis.
„Familienministerin Schwesig wie auch andere bundesweite, landesweite und regionale Verantwortungsträger haben sich doch, was Herr S. verschwieg, seit langem vom Gegenteil überzeugen können.“
Freie Behauptung, ziemlich unverfroren. Schwesig soll sich „seit langem überzeugt haben“? Ach: wie, wodurch und wo? Andere namentlich nicht genannte Testimonials sind eine neue Variante. Zudem: Wenn man die Kommunikation verweigert, darf man das nicht vorhalten.
„Schließlich führt der Verband seit Jahren demokratische politische Bildungsarbeit durch, die in gewisser Weise – wenn auch nicht derartig deklariert – Prävention gegen Radikalisierung beinhaltet. Dabei arbeitet DIV mit den verschiedensten Akteuren – muslimischen wie nichtmuslimischen – aus der deutschen Zivilgesellschaft zusammen.“
Freie Behauptung. Da wäre doch ein Beleg nicht schlecht, zumal in Mitgliedsvereinen des DIV auch Personen agierten, die später nach Syrien reisten. Das ist kein Gegenbeweis gegen die Behauptung, zeigt aber auf, dass das wohl nicht so erfolgreich war
„Darüber hinaus ist der Verband am 23. Mai diesen Jahres für ein derartiges Projekt sogar mit dem Preis „Aktiv werden für Demokratie und Toleranz“ des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT), das der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) untersteht, ausgezeichnet worden – ein Faktum, das öffentlich bekannt ist, von S. im betreffenden Artikel gänzlich ausgespart blieb.“
S.o. aber im Grunde ein weiteres Thema. Auch da wurde möglicherweise nicht ordentlich geschaut, wie auch der Bundesinnenminister zugab. Auch das wird zu prüfen sein.
„Indem S. derart zentrale Informationen zum DIV und dem von ihm durchgeführten Präventionsprojekt verschwieg […] Sein Beitrag bleibt undifferenziert und verstärkt das allgemein gesunkene Vertrauen in eine faire und ausgewogene Medienberichterstattung.“
Das erscheint schon als Masche: Man möchte freie journalistische Fragen nicht beantworten und verfasst dann aber lange Texte, um abzulenken. Hier soll der Journalist aus dem Redaktionsgefüge, die die Berichterstattung selbstverständlich wie üblich mit trug, herausgelöst werden. Ob etwas veröffentlicht wird, ist Entscheidung einer Redaktion. Das sollte insbesondere ein Pressesprecher wissen. Das war also am 06.07.2016 die Tagesschau und gestern war das die Hessenschau. Was sich der DIV e.V. oder der Herr Dr. Khallouk von dieser Vorgehensweise versprechen, bleibt unklar. Um als Gesprächspartner ernst genommen zu werden, sind solche kaum hinterfragbaren Nebelbomben, die man auf Portalen, die freier journalistischer und seriöser Nachfrage weniger offen erscheinen, jedenfalls nicht hilfreich.