Angst vor der Phobie

Warum der Ansatz „Islamophobie als Ursache von Radikalisierung“ untauglich ist

„Was treibt Menschen um, die sich islamistisch radikalisieren?“ ist wohl derzeit eine der am häufigsten gestellten Fragen. Es gibt darauf verschiedene Antworten. Diese Antworten sind unterschiedlich gehaltvoll, auch von den gehaltvollen trifft nicht jede zu auf jeden Fall. Manche sind aus dem vorliegenden Zahlenmaterial herleitbar, andere weniger. Einige sind in sich schlüssig, andere nicht. Und es gibt Antworten, die schlüssig sind und herleitbar, die aber nicht gefallen.

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Zunächst: Was ist „Islamophobie“? Der Begriff der Phobie stammt eigentlich aus Medizin und Psychologie. Eine Phobie ist eine Furcht, die nicht durch tatsächliche Bedrohungen ausgelöst wird. Ist die Bedrohung real, so spricht man von Angst. Niemand spricht (i.d.R.) von einer „Todesphobie“ als Beispiel, sondern nennt dies Todesangst (bei Todesgefahr). Bei Spinnen allerdings, deren reiner Anblick zwar nicht gefährlich, aber angstverursachend sein kann, spricht man von einer Spinnenphobie. Eine Phobie ist also eine Angststörung, eine Furcht, die nicht adäquat ist in Relation zum Auslöser.

Die Bezeichnung „Islamophobie“ im üblichen Sprachgebrauch wird jedoch – je nach Nutzer – mehr oder weniger diffus verwendet. Gemeint ist mitnichten ein Schaudern, wenn ein Koran erblickt wird. Vielmehr wird darunter von einer pauschalen Ablehnung von Muslimen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Weltreligion (also besser: Muslimfeindlichkeit) bis hin zu konkreten politischen Gegenhaltungen zu konkreten gesellschaftlichen religiösen Vorgaben (also besser Gegenmeinung) alles mögliche vermengt (das zieht sich von der Wikipedia bis hin zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen). Der Begriff ist also vom erklärenden Charakter her wenig nützlich, da es bessere und genauere Begriffe gibt. Nützlich ist er jedoch, wenn genau diese Unschärfe gewünscht ist. Cui bono? Diese Vermengung ist für jemanden, der eine bestimmte politische Meinung bzw. Forderung voranbringen will, höchst nützlich, immunisiert sie doch seine Meinung, indem die Gegenmeinung in den Ruch der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gerät alleine durch die Nutzung dieser Vokabel. Es gibt ganze Konferenzen unter Bezug auf den Begriff, die auch wissenschaftlichen Anspruch haben, obwohl schon der Begriff so diffus verstanden wird:

http://crg.berkeley.edu/content/irdpconf2016

Das geht bis hin zu Konferenzen von Personen, die die Nützlichkeit dieser Unschärfe sehr wohl begreifen:

http://www.jpost.com/International/First-Islamophobia-summit-to-be-held-in-Europe-457324

Es gibt nebenbei keine andere Weltanschauung, die es bislang fertig brachte, die eigenen Aussagen derart zu immunisieren. Wenn man Buddhismus nicht gut findet, gilt man nicht als Feind des Dalai Lamas oder aller Buddhisten oder gar Tibeter. Analog gilt dies für eine pointiertere Gegenmeinung, die sogenannte „Islamfeindlichkeit“, die als politische Gegenmeinung zu religiösen Vorstellungen beim Buddhismus als völlig akzeptabel gilt. Eine „Buddhophobie“ würde als ganz lächerlich abgetan. Zur Ehrenrettung mancher Nutzer des Begriffs muss man allerdings auch sagen, dass die Weiterlesen