Family Business

Über eine deutsch-türkische generationenübergreifende familiäre Arbeitsteilung

Die Avrupa Türk-İslam Birliği (ATIB), eine Organisation aus dem Spektrum der türkischen Grauen Wölfe, gewinnt derzeit an Gewicht und Bedeutung. Bei der Gruppierung, die in einigen Bundesländern unter Beobachtung der Landesämter für Verfassungsschutz steht, werden ihre Verflechtungen nun auch öffentlich sichtbarer. Die ATIB ist unter anderem Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime Deutschlands (ZMD). Wenig bekannt war, dass die Imame der ATIB-Moscheen zum Teil vom türkischen Staat bezahlt werden 1, was auch durch Eigendarstellung verschleiert wurde.2

Die Türkei unterhielt demnach nach den Verfassungsschutzberichten über die Jahre eine Art Lobby-Organisation, die hinsichtlich ihrer Ausrichtung einen klareren Abgrenzungskurs zur deutschen Gesellschaft und auch zur verfassungsmäßigen Ordnung betrieb, wenn auch nicht nach öffentlicher Eigenbekundung. Darüber mag sich mancher, der die DITIB als Verhandlungspartner für Schulunterricht sah, getäuscht haben: Es bestand dem Anschein nach eine Art Arbeitsteilung, hier mehr der religiös konnotierte Bildungssektor, dort mehr die religiös konnotierte, kulturell verbrämte Politik. Diese Arbeitsteilung, die geeignet war, die Öffentlichkeit und auch die politischen Entscheider zu täuschen, wird strukturell (s. gestriger Beitrag) zunehmend aufgehoben. Die DITIB wurde als einem liberalerem Islamverständnis angehörend verortet (was auch zeitweise und örtlich unterschiedlich der Fall gewesen sein mag) und als relativ unabhängig von türkischen Vorgaben ausgegeben. Dies entsprach – wie aktuell immer deutlicher wird – nicht umfänglich der Realität. Im Zuge der stärkeren Betonung des Nationalen und Religiösen unter Recep Tayyip Erdogan nähert sich die DITIB öffentlich den Haltungen der ATIB an während die ATIB versucht, sich in Deutschland als religiöser Kulturverein zu positionieren, der wenig politisch sei. Zugleich wird massiv versucht, die Geschichte der ATIB und insbesondere wohl auch ihres Gründers Musa Serdar Celebi vergessen zu machen.

https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deration_der_T%C3%BCrkisch-Demokratischen_Idealistenvereine_in_Deutschland

Bewirkt wurde dieses, indem sich der Gründer offiziell von der Leitung der ATIB zurückzog und vor Jahren ein öffentlich weniger vorbelasteter Weggefährte Celebis, Ihsan Öner, den Vorsitz übernahm. Auf diese Weise wurde versucht, der ATIB ein besseres Image zu verschaffen.
Der Sohn des Gründers, Mehmet Alparslan Celebi, ist seit Mai 2016 als Stellvertreter Aiman Mazyeks im ZMD benannt. Celebi jun. soll als Vertreter einer neuen Generation das darstellen, was sich Deutschland als Einwanderungsgesellschaft idealtypisch unter einer integrierten Person vorstellt. Hier geboren und aufgewachsen, formal gebildet, soll und will er dem Anschein nach jedoch die Tradition fortführen ohne dass dies allzu offensichtlich ist:

https://vunv1863.wordpress.com/2016/06/01/next-generation/

Dies wird ermöglicht, indem der Celebi sen. in Deutschland weniger stark im Fokus der Öffentlichkeit ist. In der Türkei bietet sich jedoch ein anderes Bild. Celebi sen. ist weiterhin aktiv und wird zunehmend auch in wichtigen und großen Medien der Türkei, hier z.B. im türkischen Staatsfernsehen und in einem Nachrichtenformat, als Deutschlandkenner vorgestellt:

 

oder hier:

 

Er ist Gast in politischen Gesprächsformaten wie z.B. hier zur Armenien-Resolution:

 

Vorgestellt wird er dabei als Präsident eines „Internationalen Vereins für Entwicklung und Zusammenarbeit“ UKID 4:

http://www.ukid.org.tr/sayfa/kurumsal/kunye/6.html

Dieser Verein jedoch ist nicht nur in der Türkei aktiv, sondern lädt auch in Deutschland Gäste ein bzw. veranstaltet Treffen wie dieses hier in Berlin:

http://www.ayturk.de/deutschland/23-news-frauen/news-women-germany/5932-bas-na-ac-klama-ilki-2-4-may-s-tarihlerinde-eskisehir-de-yap-lan-yunus-emre-bulusmalar-n-n-ikincisi-9-11-may-s-tarihlerinde-berlin-de-gerceklestirilecek-merkezi-istanbul-da-bulunan-uluslararas-kalk-nma-ve-isbirligi-dernegi-ukid-ile-eskisehir-valiligi-ve-e.html

Ein wenig kulturell getarnt nahmen hochrangige Politiker teil und auch Dr. Bekir Alboga (man beachte auch die Präsenz des Herausgebers der Islamischen Zeitung Herrn Rieger). Man macht interessante Workshops zu den Zukunftsplänen für Deutschland, bei denen sich recht viele strukturell relevante Organisationen Türkischstämmiger beteiligen, hier schon 2013:

http://www.ukid.org.tr/haber/avrupa/kolndeki-calistayda-turkcenin-gelecegi-tartisildi/289.html

VIKZ, IGMG, UETD usw.

[Nebenbei scheint man locker mit dem Yunus Emre Institut Berlin assoziiert.3]

Da ist also eine Menge an Vernetzungstätigkeit durch Herrn Celebi sen. sichtbar, die jenseits der deutschen Öffentlichkeit stattfindet und sich nur erschließt, wenn man Deutschland und die Türkei sowie die Akteure im familiären Kontext betrachtet. So kann man die Strategie nicht nur der Familie, sondern auch der ATIB erahnen. In der Türkei, wo der Senior wegen des gesellschaftlichen Klimas weniger angreifbar erscheint, werden die Bausteine gesetzt, während er hier in Deutschland wenig in der Öffentlichkeit ist. Der Junior, der in der türkischen Gesellschaft (noch) kein standing hat, tritt hier als persönlich politisch unbelasteter Newcomer auf. Dies erscheint jedoch als bloße Fortsetzung des family business mit anderen Mitteln.

 

 

 

 

1 „Die Imame der von der ATIB betriebenen Moscheen sind teilweise Religionsbeamte der türkischen Anstalt für religiöse Angelegenheiten, deren Gehalt zum Teil vom türkischen Staat, zum Teil von der Organisation bezahlt wird.

http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/engagementtuerkisch/1-Einleitung/1-4-verbaende,did=44816,render=renderPrint.html

Die ATIB, gegründet 1987 in Mainz, als überparteilicher und in Deutschland verorteter Verband, hat weder Verbindungen zu einer Partei noch einer staatlichen Institution in der Türkei.“ Stellungnahme 2015

http://www.atib.org/de/content.php?baslik=basin-aciklamalari&detay=Die-atib-verurteilt-die-verleumdungskampagne-des-verbands-im-zdf

3 Die strukturelle lockere Assoziation kann, muss aber nicht Zufall sein. Man wird dort noch genauer hinsehen müssen. Die Anmerkung bitte ich demnach mit der gebotenen Vorsicht zu betrachten.

4 Die Kooperation ATIB und UKID ist nicht nur personell, sondern auch hier wiedergegeben:

http://www.atib.org/content.php?baslik=haberler&detay=atib-ve-ukid-in-balkanlardaki-calismalari-devam-ediyor

2 Gedanken zu „Family Business

  1. Und die BILD dazu heute:

    „Unterdessen geraten in Deutschland türkische Extremisten immer stärker ins Visier, darunter auch ATIB.
    Der Dachverband türkisch-islamischer Kulturvereine beschäftigt 25 Imame, die der Weisung des türkischen Religionspräsidiums unterstehen. ATIB gehört dem Zentralrat der Muslime in Deutschland an. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Linke) ergab, dass es sich dabei um eine Abspaltung der rechtsextremen Grauen Wölfe handelt.
    ATIB-Vorstandsmitglied Mehmet Alparslan Celebi war negativ aufgefallen, weil er wie Erdogan türkisch-stämmige Abgeordnete angegriffen hatte, die im Bundestag für die Armenien-Resolution gestimmt hatten. Jelpke zu BamS: „Die ATIB bildet das Bindeglied zwischen den klassischen Grauen Wölfen und der Erdogan-Lobby in Deutschland.“

    http://m.bild.de/politik/inland/fluechtling/mehrheit-der-deutschen-will-fluechtlingsabkommen-stoppen-47189544.bildMobile.html

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