Über die blinden Flecke in der Radikalisierungs-Prävention
In den meisten Bundesländern wird mittlerweile einiges an Präventionsprojekten gegen den islamistischen Extremismus voran gebracht. Bundesländer, die unter besonderen Problemen leiden, d.h. erhebliche Zahlen an Salafisten und anderen, gewaltbereiten Islamisten aufweisen, fassen eine Menge Geld an, um gegenzuwirken. Man ahnt, dass man, sofern es zu einem großen Anschlag kommt, mindestens Bemühung vorweisen muss, um nicht in dem Ruch der Untätigkeit zu stehen, will wahrscheinlich auch ernsthaft endlich etwas gegen Radikalisierung tun. Das ist zwar nur nach außen. Man ist mittlerweile auch nichtöffentlich nicht untätig, wenn auch nicht immer in konzertierter Weise. Nicht alle behördlichen Akteure agieren wirklich im Gleichtakt. Auch werden in Projekten Gruppierungen wie die Grauen Wölfe oder andere (noch) nicht zentriert, was ein schwerer handwerklicher Fehler ist und sich als äußerst kurzsichtig herausstellen wird.
Es wird aber tatsächlich eine Menge gemacht. Es gibt einen bunten Strauß an verschiedenen Ansätzen, Projektideen und Projektpartnern. Nicht alles, was gefördert wird, erscheint jedoch sinnvoll und zielführend. Einige Begrenzungen der Projekte offenbaren sich auch nur bei näherem Hinschauen. Die Spannweite ist recht groß, von der Salutogenese über Empowerment und Einwirkungen von Legalisten bis hin zur demütigungsfreien Nachsozialisation und Resilienzbetrachtungen. Das Patentrezept ist noch nicht gefunden und es ist fraglich, ob wir es über diesen evolutionären, man könnte auch sagen dezent anarchischen Ansatz finden. Vielleicht gibt es gegen diese Art des Totalitarismus auch nur verschieden schlechte Vorgehensweisen. Beim Kampf gegen Rechts ist es einfacher und klarer, weil man da keine Spiritualität abgrenzen muss und erhalten will.
Letzteres ist eine der wichtigen Begrenzungen, die Prävention in diesem Bereich so schwierig macht und daher auch fragwürdige Partner mit ins vermeintlich gemeinsame Boot holen lässt. Eine andere wichtige Begrenzung sind die Personen, die man nicht erreicht. Die ganzen Präventionsprogramme sind auf die Zielgruppe der klassischen Jugendhilfe zugeschnitten, also junge Menschen bis 25 etwa. Das ist zwar die größte Gruppe derer, die ausreisten, aber die anderen fallen schon durch das Alter heraus, obwohl sie eine relevante Größe darstellen. Mir ist kein Programm bekannt, dass sich an 25+ wendet. Das sind Personen, die oft schon Familie haben. Von deren Anzahlen in Aussteigerprogrammen liegen mir keine Zahlen vor. Von den 677 Personen aus der GTAZ-Auswertung von letztem Dezember waren immerhin ca. 150 in diesen höheren Kohorten Lebensalter 30+ zuzuordnen.
Die Radikalisierung in Frauengruppen wird auch meist nicht bearbeitet, weil diese völlig abgeschottet sind. Bei den Betätigungen im Internet wird mittlerweile etwas gemacht.
Eine weitere Begrenzung ist, dass sogar Minderjährige nicht erfasst werden und in ein Programm kommen, wenn die Jugendlichen selber uneinsichtig sind und die Eltern keinen Handlungsbedarf sehen. Das Jugendamt hat nur begrenzte Möglichkeiten. Der Wuppertaler Jungprediger Saif Eddine Chourak ist so eine Person, bei der anscheinend der Zugang seit Monaten nicht gelingt. So kann er weitere Jungen anwerben wie diesen hier:
[Der Junge wirkt, als ob er gerade mal 13 wäre. Vater und anscheinend die ältere Schwester scheinen diese Betätigung zu billigen, denn sie liken diese Fotos. Die Schwester und der Junge sind in einer „Salafiyya“-Facebook-Gruppe.
Auch da wird es also evtl. schwierig werden, mit Jugendsozialarbeit voranzukommen. Es wird Weiterlesen