Mahnwache vom 03.09.2016

Von 15-17 Uhr vor dem Brockhausbrunnen auf der Zeil. Herzlichen Dank an die Frankfurter Polizei für die freundliche Betreuung.

Unter anderen, weil von Seiten der Frankfurter LIES-Gruppierung auch wieder verstärkt Aktivitäten zu beobachten sind, wird mit der Strassenaktion fortgefahren nach mehrwöchiger Pause. Vor dem „My Zeil“ ist seit einigen Wochen und auf absehbare Zeit eine Baustelle, so dass dort keine Veranstaltungen mehr genehmigt werden. Da man jedoch von Seiten der LIES-Aktivisten sowieso knapp unterhalb der Genehmigungspflicht nach Frankfurter Sondernutzungssatzung operiert, stört das diese Aktivisten wenig: Sie postieren sich einfach zwischen Baustellenzaun und Gebäude des „My Zeil“ im Fußgängerlauf (hier sei die Stadt Frankfurt an die Erfahrungen des Wiesbadener Ordnungsamtes erinnert: Dort verfuhr man auch über den Ansatz, die Aktivisten störten den freien Durchlauf). Ein aktuelles Bild eines Aktivisten:

 

Der abgebildete junge Mann ist auch u.a. für „Wacht auf!“, eine Nachfolge-Gruppierung der verbotenen „Tauhid Germany“ in Offenbach tätig. Gut zu sehen ist der verwendete „Bauchladen“, der wohl auch klappbare Standbeine hat.

Bis auf Weiteres wird also die Mahnwache immer (nach Möglichkeit) am Brockhausbrunnen stattfinden. Diese Örtlichkeit hat den Vorteil, dass die Plakate noch besser gesehen werden, da unsere Teilnehmer sich auf die ca. 25 cm hohe Stufe um den Brunnen stellen können, und man relativ sicher den Rücken frei hat bzw. es schwerer ist, sich von hinten mit Rückzugsmöglichkeit anzunähern.

Wie häufig bleiben erst einmal viele Passanten mit Abstand stehen, um das Szenario zu beobachten. Aus diesen stehenden und oft auch miteinander diskutierenden Passantentrauben lösen sich dann einzelne Personen oder Kleingruppen, die nachfragen. Vor allem gegen Ende der Aktion führt dies meist zu einem Platz voller diskutierender Personen, mal mehr, mal weniger emotional miteinander im Gespräch.

Zwei Frauen traten herbei, die von unterschiedlichen Seiten gekommen waren, möglicherweise Muslimas. Vor einer stehenden kleineren Menge fing die ältere, die offenkundig der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig war, an, das Halbverstandene umzudeuten und allerlei zu unterstellen. Sie wurde immer lauter, ich kam immer weniger gegen die Keiftonlage an. Parallel versuchte die ebenfalls aufgebrachte Jüngere, mich zur Rede zu stellen. Ich versuchte, bei der Älteren wenigstens rüberzubringen, dass sie mir einen Moment ruhig zuhören möge, damit sie versteht, worum es geht. Das war nicht möglich, denn wie so häufig kommt dann der Spruch, dass man SEHR GENAU wisse, was das sei. Das trifft in 9 von 10 Fällen zwar nicht zu, aber die Menschen sind auch mit Faktenmangel oft so gewiß ihres Ersteindrucks (häufig werden die Plakate nicht einmal vollständig gelesen, gesehen wird nur das Wort „Islamismus“, woraufhin häufig umgehend befremdliche Reflexe ablaufen) und ihrer Vorurteile, dass auf dieser Basis wenig rüberzubringen ist. Sie verstand meine Erläuterungsansätze wohl auch nicht, es war ihr auf dem begrenzten Sprachniveau (ich bin da sehr flexibel, aber einen Grundwortschatz braucht es schon oder halt Englischkenntnisse, die aber hier auch nicht zu vermuten waren) zu kompliziert. Ich brach dann, auch weil die Jüngere immer einfiel, das Gespräch mit ihr ab. Den Satz „ich hätte keine Argumente“ brachte sie dann aber heraus. Manchmal kommt einem schon der Eindruck, dass absichtlich nicht verstanden wird. Die Jüngere konnte dann besser folgen. Nachdem ich das Beispiel mit der Mutter gebracht hatte, die ihren Sohn durch Aktivitäten des LIES-Umfeldes verloren hatte, wurde sie nachdenklich sie mehr. Sie sah die Aktion dann nicht mehr negativ und sah ein, dass man dagegen etwas unternehmen müsse.

Ein Passant meinte, solche Aktionen seien ganz sinnlos. Wenn man dort am LIES-Stand Verbotenes täte, würde das doch sicher verboten. Nach Erläuterungen zur Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen freier Religionsausübung und verfassungs- oder gar staatsschutzrelevanter Betätigung sowie der rechtlichen Regelungen und der Zuständigkeit hinsichtlich der Nutzung öffentlichen Raumes verstand er besser. Auch ergibt sich aus dem angewendeten Franchise-System durch die LIES-GmbH das Problem, Handlungen der Akteure LIES selber zuzuordnen. Da der Mann nun ziemlich ratlos schien, verwies ich darauf, dass mündige Bürger durchaus selber etwas tun können, z.B. öffentlich Gegenposition beziehen. Der Mann ging nachdenklich.

Eine Mutter mit Tochter, die Mutter vielleicht 45 und die Tochter um die 20, erkundigte sich nach dem Sinn der Aktion. Sie trugen ärmellose Tops, gingen mit freien Haaren und wiesen darauf hin, dass sie Muslime seien, die aus Bosnien stammten. Nach Erläuterung – sie waren zunächst negativ gestimmt, hatten den Sinn aber nicht ganz durchdrungen – erzählten sie, dass sie aus Darmstadt kämen. Dort habe der zugehörige Vater einmal das Gespräch mit den dortigen LIES-Aktivisten gesucht. Nach einiger Debatte der Männer hätten sie beide sich auch dem Stand angenähert. Man habe ihnen dann eine Schrift überreicht, in der mittels eines beigefügten Einlageblattes dargelegt wurde, welches die „Ausreden“ seien, weswegen sich „die Schwestern“ nicht bedeckten. Sie hätten das als unmissverständliche Aufforderung betrachtet, dem nachzukommen und sich dem zu unterwerfen. Sie seien dann gegangen. Ob sie die Schrift noch hätten, wussten sie nicht; vielleicht hätten sie sie einfach weggeworfen zu Hause. Schließlich – so meinten sie – sei die Frage der Bedeckung eine zwischen ihnen und Gott. Da habe sich kein Mann einzumischen.

Mehrere Passanten kamen extra herüber, um sich für die Aktion zu bedanken und uns Mut zuzusprechen. Viele zeigten sich erschüttert darüber, dass eine solche Aktion nur unter Polizeischutz möglich sei. Sie selber hätten ja Angst bei „so etwas“, auch wenn sie es gut fänden. Mein Angebot, wir seien immer auf „Zuwachs“ aus dem Passantenstrom eingerichtet, man könne sich verschiedene Plakate aussuchen, sofern man die Grundhaltung der Aktion (s. „Über die Mahnwache“) teile und vertrete, blieb wie häufig ohne Widerhall. Zu groß war die Furcht derer, die schon die teilweise emotionale Diskussion mental nicht ertrugen. Der postmoderne Übergang von einer (friedlichen!) Streitkultur zu einer (falschen, da täuschenden) Konsenskultur hinterläßt überall Spuren.

Einige junge Männer beklagten sich wegen der Plakate, hörten aber ein wenig zu. Als ich ihnen die Sache mit den LIES-Umfeld und der Anwerbung erklärte, meinten sie, es sei doch jedermanns eigene Sache, ob er nach Syrien ginge. Das Beispiel mit der Mutter, die nicht weiß, wo ihr Sohn ist und die ganz krank vor Sorge ist (auch, ob er schuldig wurde), erreichte sie nicht. Auf meinen Einwurf, ob sie denn keinerlei Verständnis dafür aufbrächten, dass auch Jugendliche in eine solche psychische Lage gebracht würden, diesen Weg zu gehen, schauten sie mich verständnislos an. Ich brach dann das Gespräch ab und sagte ihnen, dass ich ihre Empathielosigkeit dort nicht nachvollziehen könne.

Eine junge Frau mit Kinderwagen und Trägertop liess sich die Aktion erläutern. Sie verstand den Ansatz und meinte auch, dass man etwas dagegen tun müsse. Die von IS seien keine „richtigen“ Muslime. Ihr Glaube sei so fein und schön, ganz friedlich und solche Dinge wie die Tötung von Menschen sei nicht Bestandteil ihres Glaubens. Es wurde ersichtlich, dass sie nie in einen Koran hineingeschaut hatte, man sie aber einen friedlichen Islam gelehrt hatte, mehr eine Tradition, die in ihrem Falle wenig Reibungspunkte zur Mehrheitsgesellschaft bietet.

Gegen Ende drängelte sich ein junger großer Mann, vielleicht 25, in weiblicher Begleitung durch die Umstehenden. In seinem hellblauen Polohemd und mit der sommerlich bekleideten Begleitung sah man ihm seine Haltung nicht an. Er drängelte sich nur durch, um mich einen Nazi zu heißen. Ich versuchte zu erläutern, was aber nicht durchdrang. Dann sagte er „Adolf Hitler“, recht zusammenhanglos, aber in abschätzender Weise zu mir gemeint. Dann hob er den Arm und machte einen Hitlergruß. Ich traute meinen Augen kaum. Als ich – ich reagiere allergisch auf dieses Verhalten – ihn zur Rede stellen wollte, schlüpfte er zurück und ging mit der Begleitung von dannen. Damit wollte ich ihn nicht davon kommen lassen. Wir schlucken manche Beleidigung, aber so etwas auf unserer Veranstaltung ist inakzeptabel. Manchem scheint auch nicht geläufig, dass diese Geste definitiv verboten ist. Ich machte der Polizei Zeichen, sie nahmen seine Personalien auf, indem sie ihm nachsetzten.

Als es 17 Uhr war, packten wir zusammen. Der Platz war halbvoll mit Menschengruppen. Etliche Anwesende, vor allem stabile Männer, skandierten „Allahu akbar“, als hätten sie gesiegt und wir wegen ihnen gehen müssten. Für den schlichten Gedanken, dass jede Aktion auch einmal vereinbarungsgemäß zu Ende sein müsste, reichte im Siegestaumel die Geisteskraft bei einigen nicht mehr.

Ein Gedanke zu „Mahnwache vom 03.09.2016

  1. Hier die Eindrücke einer Mitstreiterin an dem Tag:

    Gleich zu Beginn der Mahnwache kommt eine Frau mittleren Alters zielstrebig auf mich zu und fragt, welche Organisation oder Partei hinter uns stehe. Nachdem ich sie darüber aufgeklärt habe, dass wir privat und aus eigenem Engagement heraus dort stehen, erklärt sie ihr Wohlgefallen und sagt, dass sie mitmachen wolle. Bevor ich sie an die Organisatorin der Mahnwache verweise, sagt sie mir, dass sie selbst Muslima sei.
    Wieder und wieder werde ich an diesem Nachmittag gefragt, warum auf dem Plakat, welches ich hochhalte, der Begriff „Islamismus“ stehe; darin sei der Begriff „Islam“ enthalten und somit seien mit den Beschreibungen wie „judenfeindlich“ und „frauenfeindlich“ gleich alle Muslime gemeint. Diese Mutmaßungen kamen sowohl von jungen Muslimen beiderlei Geschlechts als auch von Autochthonen jugendlichen Alters. Ein junger Mann um die Dreißig mit Migrationshintergrund will mich unbedingt darüber aufklären, dass der Begriff „Islamismus“ in den 70er Jahren im Westen geprägt worden sei. Dass er ihn deshalb kritisch sieht und er mich davon überzeugen will, es ebenfalls zu tun, macht er deutlich. Eine eigene Begrifflichkeit zum politischen Islam bietet er nicht. Immer wieder wird der Westen und Amerika für alle Missstände in der islamischen Welt verantwortlich gemacht und die Opferhaltung eingenommen.

    Aus einer Gruppe junger Frauen mit Migrationshintergrund heraus werde ich aufgefordert, mein Plakat herunterzunehmen, was ich nicht tue. Eine junge Muslima bemerkt an, dass es ja vielleicht auch genug Frauen gibt, die sich den Männern unterordnen und nicht gleichberechtigt sein wollen. Ich entgegne ihr nur, dass es ihr freistünde, sich unterzuordnen, dass es in Deutschland aber Gesetze gäbe, die eine Grenze zögen und die es einzuhalten gilt. Vorher hatten wir kurz die Stellung der Frau im Islam angerissen. In diesem Zusammenhang sagt ein junger Mann mit Migrationshintergrund in einem Gespräch mit einem Autochthonen, dass deutsche Frauen halbnackt herumlaufen.

    Eine junge Frau um die Zwanzig mit türkischem Migrationshintergrund, sie trug anlässlich der sommerlichen Temperaturen ein Hemd mit Spaghettiträgern, beschimpft mich nach meiner Erläuterung zum Thema Islamismus und politischem Islam als Rassistin und erklärt in einer kleineren Runde junger Frauen, dass die Gastarbeiter Deutschland schließlich aufgebaut hätten. Eine andere junge Frau, ebenfalls um die Zwanzig und nach eigener Aussage in Deutschland geboren, fragt mich nach meinen Ausführungen zu Mohammed und der Hinrichtung mehrerer hundert Juden mit seiner Billigung: „Und was habe Ihr getan?“ Als ich die aus islamischer Überlieferung stammende Geschichte der Hinrichtung kriegsgefangener Juden erzähle, folgt von den Umstehenden, wie schon des Öfteren erlebt, der Vergleich mit Adolf Hitler. Die Deutschen hätten noch viel mehr Juden umgebracht. Dem stimme ich immer sofort zu und bezeichne Adolf Hitler als Verbrecher. Wenn ich dann aber innerhalb ihrer eigenen Argumentationslinie zum Analogieschluss in Bezug auf Mohammed auffordere, wird sich diesem immer entzogen beziehungsweise wird er abgelehnt. Mohammed kann diesem Denkverbot zufolge kein Mensch sein, der Verbrechen begangen hat, selbst wenn in seiner eigenen Biographie von diesen Taten berichtet wird. Aus einer Gruppe junger Syrer heraus fordert mich ein Mann in den Zwanzigern auf Englisch immer wieder auf, ihm die Stelle zu nennen, wo er diese Geschichte nachlesen kann. Er kenne sie nicht und Mohammed sei das große Vorbild für alle Muslime. Als ich ihm dann zum Ende der Veranstaltung den Namen „Abdel Samad“ in sein Smartphone tippe und dieser auf YouTube mit arabischen Schriftzeichen erscheint, wird er sofort vehement abgelehnt und mir ein anderer Kenner des Islams empfohlen, dessen Namen ich vergessen habe.

    In der Diskussion um Mohammed, die sehr lebhaft und zum Teil auch auf Englisch geführt wird, da ein paar Migranten unter den Zuhörern sind, die sich nur auf Englisch verständigen können, kommt auch Jesus als von den Muslimen anerkannter Prophet zur Sprache. Ich bemerke hierzu, dass Jesus, im Gegensatz zu Mohammed, wohl keine Gewalt angewendet hat und sage zu einem mir gegenüber stehenden jungen Mann, der mir versicherte, dass er Jesus ebenfalls liebe, mehr spaßhaft: „You have to change“. Er sagt mir dann mit großer Emotionalität, dass er nicht wechseln könne. Ich frage ihn nach dem Warum, und er antwortet mit Inbrunst: „I am Muslim“. Dieser Dialog, der zwischen dem jungen Mann und mir eher humorvoll und mit einem Augenzwinkern geführt wurde, wurde von einer der umstehenden Personen der Organisatorin berichtet. Diese Zuhörerin deutete ihn tatsächlich als Missionierungsversuch, was sie offensichtlich für kritikwürdig hielt.

    Ein ca. 25-30jähriger Mann mit Migrationshintergrund, einen Kinderwagen schiebend und mit ärmellosem T-Shirt eher locker gekleidet, fragt mich nach meinen Ausführungen zum politischen Islam, welchen Glauben ich denn habe. Ich sage ihm, ich sei ungläubig und er entgegnet mir, dass dann ein Gespräch zwecklos sei und will sich entfernen. Auch eine wiederholte Nachfrage fördert zu dieser Aussage keine weitere Erklärung zutage. Er erscheint später erneut, dieses Mal ohne Kinderwagen und klärt andere Zuhörer über meinen Unglauben auf.

    Wieder werde ich gefragt, warum ich hier stehe, ob ich nichts Besseres zu tun oder keine Hobbys habe. Schlussendlich sage ich dann auch, dass eigentlich sie an meiner Stelle oder an meiner Seite stehen müssten, woraufhin keine Zustimmung wahrzunehmen ist.
    Ein Autochthoner um die Fünfzig, der schon mehrmals bei der Mahnwache durch Unterstellungen und Anwürfe aufgefallen ist und seinerzeit versuchte, bei den Umstehenden Assoziationen zwischen uns und Pegida bzw. der AfD herzustellen, war dieses Mal auffallend ruhig und fiel mir nur durch sein Zuhören auf.

    Ein Autochthoner mittleren Alters – er beobachtete die Szene erst eine Weile – fragt mich ebenfalls, wer hinter uns steht. Meine Antwort, dass wir für uns selbst stehen, gefällt ihm; er selbst liest aus Interesse im Koran und meint zudem, dass wir unsere Veranstaltung in dieser Form sicherlich nicht in Berlin-Kreuzberg abhalten könnten. Ein weiterer Autochthoner mittleren Alters gelangt durch die mich umringende Menschenmenge zu mir, nur um mir resignativ zu sagen, dass ich mein Engagement bleiben lassen könne, da es sowieso nichts einbringe. Ein anderer Mann in den Dreißigern kommt mit seinem Fahrrad zu mir, stimmt unserer Aktion und den Aussagen zu und sagt, dass wir so weitermachen sollen. Er ist Engländer. Ein Syrer um die Fünfzig, der deutschen Sprache kaum mächtig, wirft mir die Wortbrocken „Daesh“ und „nicht gut“ hin, um dann weiter überwiegend auf Arabisch auf mich einzureden. Ich bitte ein paar junge Männer, die das Arabische beherrschen, mir doch die Äußerungen des etwas verloren wirkenden Mannes zu übersetzen, der immer wieder auf mich einredet, doch sie reagieren sowohl auf meine Bitte als auch auf diesen Mann ablehnend.

    Ich gehe auf einen Mann mittleren Alters zu, der mich schon eine Weile beobachtet. Er trägt eine Sonnenbrille mit undurchsichtigen Gläsern, sein ärmelloses Shirt lässt viel Brusthaar sehen und um seinen Hals baumelt eine lange Kette. In meiner Vorstellung ähnelt er eher einem Piraten. Ich frage ihn nach seiner Meinung und er sagt mir, dass er früher Katholik gewesen, nun aber Muslim geworden und der Islam eine tolle Religion sei. Nach dieser Eröffnung verlässt er sofort den Platz und geht. Dass er mich ablehnt, gibt er mir dabei durch seine Körpersprache zu verstehen. Sollte seine Angabe stimmen, so lässt sein Aussehen darauf schließen, dass er entweder das auch für Männer geltende Kleidungsgebot nicht kennt oder keinem konservativen Islamverständnis anhängt.

    Ein junger Mann in den Zwanzigern kommt auf mich zu, signalisiert mir seine Zustimmung zu den getroffenen Aussagen zum Islamismus, sagt: „Wir Kurden sind mit Euch“ und geht danach eilig weiter. Er ist einer der wenigen aus der jungen Generation mit Migrationshintergrund, der ohne lange Diskussion und Verständnisfragen seine uneingeschränkte Zustimmung kundtut.

    Ein junger Autochthoner in den Zwanzigern lässt sich über die Straßenradikalisierung aufklären, stellt unsere Aktion aber trotzdem in einen politisch rechten Zusammenhang und begreift sie als Angriff auf die Muslime. Als ich des Weiteren auf Karl Marx und seine Aussage zur Religionskritik als Voraussetzung jeglicher Kritik zu sprechen komme, quittiert er dies durch Weggehen.

    Eine Autochthone gleichen Alters läuft nach Beschimpfung meiner Person ebenfalls schnellen Schrittes weiter, ohne auf meine Einlassung einzugehen, dass Jesidinnen von den Islamisten in Syrien vergewaltigt werden. Als neue bzw. zum ersten Mal gehörte Titulierung höre ich von einem jungen, des Deutschen noch nicht so mächtigen Migranten das Wort „Kartoffel“ sowie von einer jungen Frau das allseits beliebte Schimpfwort „Fotze“. Im Laufe der zwei Stunden wird mir zweimal ein Aufkleber mit der Aufschrift „No Nazis“ entgegengehalten, der demjenigen der Linksjugend ähnelt oder es vielleicht sogar ist. Ich bedeute den jungen Männern mit dem erhobenen Daumen, dass ich ihre Ansicht teile. Mann schaut nur zurück.

    Ein junger Mann mit Migrationshintergrund, wohl noch keine Zwanzig, erklärt mir mit großer Ernsthaftigkeit, dass es den Islam schon immer, auch schon vor der Zeit Mohammeds, gegeben habe. Er sei aber von den Menschen verfälscht worden und Gott hat durch Mohammed die richtige Religion wiederherstellen lassen. Diese Aussage entspricht islamischer Tradition und verdeutlicht, warum der Wechsel eines Muslims in eine andere Religion nicht gutgeheißen wird (s.o).

    Zum Ende der Veranstaltung beschriftet eine junge Muslima mit Kopftuch einen entfalteten Umkarton mit den englischen Worten „Who cares?“ oder „Nobody cares“ – der genaue Wortlaut ist mir entfallen, der Sinn bleibt aber gleich – und hält ihn hoch. Die Umstehenden sind erfreut, klatschen und johlen. Ich halte das Islamismus-Plakat daneben und hoffe, dass die Zusammenführung dieser beiden Aussagen in ihrer Bedeutung auf Dauer nicht der Realität entsprechen wird. Zum Schluss schallt dann noch mehrmals und mehrstimmig der Ausruf „Allahu akbar“ über die Zeil. Wir gehen.

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