Wohin des Wegs?

Düsseldorfer Wegweiser holt als Diskussionsteilnehmer Sprecher eines unter Beobachtung stehenden Verbandes – nur warum?

Wegweiser ist das Präventionsprojekt des Landes NRW zur Bekämpfung des gewaltbereiten Salafismus. Seit einigen Jahren werden in diesem Programm Jugendliche betreut, die in die radikale Szene abzurutschen drohen. Doch wo ist da die Grenze? Bestimmt nicht erst dort, wo die zu betreuende Person bereits den Anschluß an gewaltbereite Personen gefunden hat. Umgang mit oder in Einrichtungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Sicherlich, denn die Hürden für eine solche Maßnahme, die erhebliche Eingriffe bedeutet und möglich macht, sind hoch. Es sind relevante Betätigungen notwendig, um diese Maßnahme zu rechtfertigen; ein unbedachtes Wort reicht da nicht. Zumindest die Jugendlichen wird man also davon abzubringen versuchen, solche Einrichtungen aufzusuchen oder Kontakte zu Personen dort zu unterhalten. So weit zumindest die Theorie.

Wegweiser hat in verschiedenen Städten unterschiedliche Dependancen.

In Düsseldorf sind dort insbesondere zwei Personen verantwortlich: Samy Charchira und Dr. Michael Kiefer (neben Dirk Sauerborn):

http://www.wegweiser-duesseldorf.de/vorstand/

Samy Charchira macht u.a. mit Dr. Kiefer auch den Verein AGB in Düsseldorf, als dessen Vertreter er im Landesvorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sitzt. Der AGB e.V. Vorstand:

http://die-agb.com/%C3%BCber-uns/

Schon vor Monaten hatte sich durch die wiederholten Besuche, Referate und Hilfestellungen von Charchira beim Deutsch-islamischen Vereinsverband e.V. (DIV) angedeutet, dass Charchira daran beteiligt war, den DIV e.V. bzw. seine Mitglieder pro forma, also zu Fördermittelgebern hin, förderfähig zu machen, sozusagen als Fördermittel-Coach mit besten Verbindungen:

https://vunv1863.wordpress.com/2016/07/07/schatzsuche/

https://vunv1863.wordpress.com/2016/07/27/muslimische-wohlfahrt/

Der DIV war als gesamter Dachverband nebst einigen Personen des Vorstandes vor sechs Wochen unter Beobachtung des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) gestellt worden.

Zwischen Charchira und einem wesentlichen Verantwortlichen des DIV, Dr. Mohamed Khallouk, besteht eine immerhin so enge Verbindung, dass man gemeinsam reiste und ein Buch veröffentlichte:

https://www.amazon.de/Salam-Jerusalem-Mohammed-Khallouk/dp/3890864007

Charchira und Dr. Khallouk scheinen also gut miteinander zu können.

In den Wochen vor der Entscheidung des LfV hatte Dr. Khallouk in seiner Funktion als Pressebeauftragter des DIV die Kommunikation mit der Öffentlichkeit übernommen. Einigen Journalisten stand man eher weniger zur Verfügung, anderen erzählte man Buntes:

Als dessen Pressesprecher hatte er noch vor wenigen Wochen behauptet, der Verfassungsschutz habe „immer betont, dass die deutschen Vereine, die den Muslimbrüdern nahestehen, sich auf der Basis des deutschen Grundgesetzes und unserer Rechtsordnung bewegen“.“

http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/hessen/im-schatten-der-muslimbrueder_17372765.htm

Im Wesentlichen versuchte Khallouk jedoch über Veröffentlichungen auf der Seite des DIV, in „Der Freitag“, in der „Islamischen Zeitung“ ohne offenkundig als lästig empfundene Nachfragen erheblich Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Zugegeben wird nur so viel, wie bereits bekannt ist. Allenfalls. Parallel wurde Journalisten vorgehalten, was sie alles nicht an Informationen den Lesern mitgeteilt hätten und böser Wille und Arglist unterstellt. Schon wer das arg blumige Eigenmarketing hinterfragt, wird als Gegner wahrgenommen. Khallouk scheint ein angespanntes Verhältnis zur freien Presse zu haben, hält vor, was seiner Ansicht nach eher hätte berichtet werden müssen: Das „Wahre“, Schöne, Gute. Wird eher kritisch berichtet, möchte Khallouk am liebsten intervenieren, was den Deutschen Journalisten-Verband zu einer Stellungnahme veranlasste:

Die Forderung des DIV nach einem „Mitspracherecht“ damit zu begründen, dass „bei einigen kritisch berichtenden Medienvertretern die Erkenntnis noch heranreifen müsse, insoweit sie im Gegensatz zur Politik die Gründe der Radikalisierung von Menschen muslimischen Glaubens nicht erkannt hätten“, könne durchaus als eine subtile Ablehnung rechtstaatlicher Werte bzw. einer freien und unabhängigen Berichterstattung verstanden werden, so Heuser und Wohlfart.

https://www.djv-rlp.de/startseite/info/aktuell/news/details/article/fuer-freie-und-unabhaengige-berichterstattung.html

Dr. Khallouk und der DIV wurden so informiert, dass man kritische Berichte so nicht verhindern kann: Der Journalist wählt aus, was er berichten will. Sonst niemand.

Dass diese Schwierigkeit nicht die einzige ist, die Khallouk im Spannungsfeld zur Mehrheitsgesellschaft aufweist, lässt diese Beschreibung ahnen:

Wie schwierig sich mitunter Vertreter des organisierten Islams mit dem Thema Menschenrechte tun, bewies der Politologe und Islamwissenschaftler Professor Mohammed Khallouk, der den Zentralrat der Muslime berät. Zwar betonte er, dass Religion und Menschenrechte nicht im Widerspruch stünden. »Sie sind aber kontextgebunden und daher westlich definiert und nicht immer übertragbar.«

Auf diese Weise stellte Khallouk ihre Universalität infrage und vermittelte zudem den Eindruck, dass Menschenrechte für ihn nur dann relevant sind, wenn sie den Islam vor seinen Kritikern unter Schutz stellen.

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24719

Diese Umschreibung scheint darauf hinzudeuten, dass Dr. Khallouk in der Menschenrechtsfrage näher an der Kairoer Erklärung der Menschenrechte ist denn an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Ein Zitat von Ende 2014 deutet daneben an, dass er die „westliche“ Aufgeregtheit hinsichtlich zunehmender Radikalisierung nicht recht versteht:

Die Hysterie Anfang dieses Jahrhunderts um den sogenannten “Salafismus” kann wenige Jahrzehnte später ebenfalls keiner mehr verstehen. Dabei kostete die “Salafistendatei” den Bundesverfassungsschutz noch 2020 soviel Speicherplatz, dass ein eigenständiges Computerprogramm dafür entwickelt werden musste.

http://islam.de/24347.php

[Lesenswert auch wegen der ausschließlichen und entlarvenden Selbstbezüglichkeit und Schlichtheit dieser fiktiven „Rede eines Muslims vor dem Bundestag 2050“.]

Man könnte also zu dem Schluß kommen, dass der DIV mit der Wahl seines Pressesprechers nicht schlecht beraten war: Das passte doch wunderbar.

Die Macher von Wegweiser und AGB hingegen, die wie der DIV u.a. von „Demokratie leben“ und der Bundeszentrale für politische Bildung (in wechselnden Anteilen) finanziert werden und vom Land NRW Unterstützung erfahren, auch einmal von dem Bündnis für Demokratie und Toleranz mit einem Preis gewürdigt wurden, sollten da eine andere Grundlinie haben. Aktuell ist man da aber vom Urteil des LfV völlig unbeeindruckt. Dr. Khallouk wird von Wegweiser eingeladen, als ob nichts gewesen sei:

 

wegweiser-i-khalloukwegweiser-ii-khalloukwegweiser-iii-khallouk

[Unabhängig vom Thema dieses Beitrags zum Flyer: Marokko hat ein ganz erhebliches Problem mit Extremismus. Erst im Frühjahr 2015 musste die Anti-Terror-Gesetzgebung deutlich verschärft werden. Immer wieder werden dort auch größere Terrorzellen, die vom IS beeinflusst sind, ausgehoben.]

Dem Anschein nach fragt man sich gar nicht, welche Außenwirkung es hat, wenn ein Präventionsprojektträger in der Extremismusprävention jemanden einlädt, der ein so gespaltenes Verhältnis zu eben jenem Extremismus, zu Menschenrechten und zur freien Presse hat. Jemand, dessen Dachverband erst kürzlich unter Gegenwehr gegen Transparenz unter Beobachtung gestellt wurde. Man könnte meinen, dass das ein wenig problematisch ist und da die vermutete Männerfreundschaft nicht wenig strapaziert wird. Das Institut für islamische Theologie Osnabrück, das als Kooperationspartner für die Veranstaltung firmiert, scheint jedoch keine Bedenken gehabt zu haben. Aber da ist ja auch der Dr. Kiefer beschäftigt.

Bei so wenig Berührungsängsten kann man sich schon fragen, wem es nutzt. Dem Ruf von Wegweiser sicher nicht. Eher schon dem Ruf von Dr. Khallouk, der nach den Vorgängen der letzten Monate und in seiner Einbindung als wichtiger Funktionär des DIV zumindest in der Mehrheitsgesellschaft etwas Schaden nahm. Sich vor Verfassungsfeinde zu stellen, Pressesprecher eines solchen Verbandes zu sein (mangels Alternativen nimmt der gegenwärtige Vorstand seinen Aufgaben weiterhin wahr) ist jenseits der engeren Community kein Ruhmesblatt. Da wäre es doch schön, wenn man den Innenminister des Landes NRW als Testimonial hätte? Nun, es ist nicht bekannt, ob der für ein Impulsreferat angefragte Ralf Jäger wirklich teilnahm. Geschmückt hat er die Einladung auf jeden Fall: Oberster Verantwortlicher für Staats- und Verfassungsschutz NRW – das hätte man sicher gerne mitgenommen. Das hätte für Jäger unbemerkt eine absurde Situation ergeben. Er als Vorredner einer Person, deren Verband ein anderes LfV unter Beobachtung hat. Er als Auftraggeber eines Präventionsprojekts, das munter weitermacht, als ob die Beobachtung in Hessen gar nicht initiiert worden wäre. Der Innenminister Jäger als Testimonial eines Funktionärs, der die „westliche“ Rezeption des Salafismus für „Hysterie“ hält. Natürlich hat – so betrachtet – dann auch Marokko kein Extremismusproblem und kann leicht als Vorbild herhalten (auch wenn Dr. Khallouk – das ist der Vollständigkeit halber erwähnt – Marokko nicht als Vorbild propagiert; zumindest gibt es eine solche Stellungnahme von ihm, s.u.). Es wurde, man hat Übung, einfach wegdefiniert: Muslimbrüder sind keines und Salafisten? Nun mal nicht hysterisch werden.

Wegweiser muss sich aber jetzt auf jeden Fall fragen lassen, wie es mit den eigenen roten Linien so aussieht. Ein Projekt, das sich so nennt und diese Aufgaben für das Land NRW wahrnimmt, muss Orientierung geben. Dafür muss es selber welche haben. Islamismus beginnt und endet jedoch nicht bei der Gewaltbereitschaft.

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