Uneingeschränkte Solidarität II

Über eine weitere kirchliche Stellungnahme und die Sackgasse, in die sie führt

Eine Meinung

Eigentlich sind kirchliche Betätigungen hier weniger Thema. Da sich jedoch auch die evangelische Kirche Frankfurts durch eine aktuelle Stellungnahme des Stadtdekans Dr. Achim Knecht an die Seite des Deutsch-Islamischen Vereinsverbandes e.V. (DIV) stellt, sollte diese Sicht Beachtung finden:

http://www.frankfurt-evangelisch.de/der-komplette-beitrag/items/keine-diskreditierung-des-interreligioesen-dialogs.html#.V_ymow8AD3o.facebook

Tauziehen 160615Damit ziehen die beiden großen Akteure im interreligiösen Dialog in Frankfurt an einem Strang, siehe gestriger Blogbeitrag. Sie ziehen an einem Strang nicht mit dem Verfassungsschutz, der berichtenden Presse und dem hessischen Innenministerium, sondern mit – man muss das leider so deutlich sagen – den als extremistisch eingestuften Organisationen und Personen gegen die Mehrheitsgesellschaft. Versucht wird, die behördlichen Entscheidungen, die Presseberichterstattung zu einem einzelnen, jetzt unter Beobachtung stehenden Akteur als Diskreditierungs-„Angriff“ auf den interreligiösen Dialog umzudeuten. Die Überschrift in Verbindung mit dem Bezug in der Rede ist eindeutig: Wenn ein Dialog-Partner der kirchlichen Akteure in der öffentlichen Rezeption als das wahrgenommen zu werden droht, was er ist, ein unter Beobachtung stehender Verband mit extremistischen Unterstrukturen und Akteuren, springen Kirchenvertreter bei. Bei jeder neuen öffentlichen Erkenntnis gibt es Stellungnahmen und organisierten christlichen Beistand.

Das ist klar ein Machtpoker und die Kirche sucht sich da anscheinend ihre Kombattanden in diesem Fall nicht nach Verfassungstreue, sondern Eigennutz aus (wobei, liebe Kirchenvertreter, es ist nur ein Bluff, der auffliegen wird: Der DIV und seine Akteure vertreten viel, viel weniger Muslime als ihr glaubt und man euch glauben macht. Ich bin mir sicher, das man das andernorts weiß. Das ist nebenbei auch gut so, denn die vielen verfassungstreuen Muslime stoßt ihr gerade gleichermaßen vor den Kopf). Die Kirche will entscheiden, wer „geschätzter Partner“ für den Dialog mit Politik und Gesellschaft ist und wer nicht. Die Kirche will vorgeben, dass man das Votum des Verfassungsschutzes gesellschaftlich genauso wenig ernst nehmen soll, wie sie es ernst nimmt.

Damit überspannen die kirchlichen Vertreter definitiv den Bogen, denn das ist der Schulterschluss mit dem politischen Islam.

Dr. Knecht stellt zwar heraus, dass der Dialog ende, wo es Bestrebungen gebe,
die die Bekämpfung und Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Religionsfreiheit, zum Ziel haben“.

Das klingt zunächst gut, wird aber durch die Fokussierung auf „Religionsfreiheit“ entwertet. Darf man daraus schließen, dass die Gewährung der Religionsfreiheit von den anderen Aspekten gesondert zu betrachten ist? Ist jeder, der nur zur Religionsfreiheit sich bekennt oder sie als Lippenbekenntnis einräumt, schon jemand, den die Kirche als verfassungstreu wahrgenommen wissen will? Interessiert nur diese? Die angebliche Religionsfreiheit im legendären Andalusien wird gerne als Narrativ christlichen Akteuren suggeriert. Auch dort sah die Realität anders aus, aber dieser Narrativ bedient so schön die Imaginationen von Personen, die sich durch das Studium der Ringparabel ausreichend informiert fühlen. Andere, die eine Kooperation eher unter dem Machtaspekt sehen, sind dadurch zwar – nicht jeder christliche Akteur ist da kenntnislos – nicht zu täuschen, aber sie gehen davon aus, dass man diese Akteure wegen ihres Einflusses einbinden müsste. Die Religionsfreiheit ist aber ein Aspekt, der zwar nicht unbedeutend ist, aber im Chor der Grundrechte nur eine Tonlage darstellt. Da gibt es vieles weiteres, weiteres, wo kirchliche Akteure zwar Interessen, aber eben keine Kenntnisse haben.

Offenkundig wird die Fachmeinung anderer jedoch eben nicht ernst genommen. Warum sollte man die interessengeleitete Sicht von Kirchenvertretern dann ernst nehmen? Warum sollte man Personen, deren Interesse und Betätigung sich im Reden mit den Protagonisten, vielleicht noch gemeinsamen Projekten erschöpft, ernst nehmen? Die ja gerade darauf abstellen, keine weitergehenden Erkenntnisse zu haben (s.u.), sondern nur glaubensbasiert agieren?

Parallel führt Dr. Knecht nämlich aus:

Dabei wird auch die Aussage, dass der Verfassungsschutz einzelne muslimische Gemeinden beobachtet, als ,Totschlagargument‘ für den Dialog mit diesen Gruppen ins Spiel gebracht. Ein nicht näher definierter oder belegter Extremismusverdacht führt dazu, einzelne Personen, Gruppen oder
Gemeinden auszugrenzen.

Niemand schlägt etwas tot, das wird nur behauptet. Die Kirchen können reden, mit wem immer sie wollen: Nazis, Scientology oder eben halt auch Islamisten. Das steht ihnen völlig frei. Wenn sie aber meinen, dass alleine das Gespräch mit ihnen irgendetwas aussage jenseits dessen, dass man halt Gespräche führt, während derer man versucht, gemeinsame Interessen (!) zu finden, dann muss man schon mal sachte an die Realität heranführen. Das Ansinnen, einen Islamisten nicht Islamisten nennen zu dürfen, nur weil die Kirche mit ihm spricht, leuchtet da durch. Das ist vollends bizarr.

Dr. Knecht:
Aber solange diese Punkte nicht belegt sind, ist der Dialog sinnvoll und notwendig.“

Was eine Bestrebung gegen die FDGO ist, entscheidet das Landesamt für Verfassungsschutz, nicht der Dr. Knecht und auch nicht der Dr. Valentin, kein Kirchenvertreter. Das ist auch gut so. Das wird nebenbei durch einen Landtagsausschuss flankiert, der solche Maßnahmen kontrolliert. Die Kirchen wissen gar nicht genug über die fraglichen Strukturen, um dort Entscheidungen treffen zu können. Die Stellungnahme des Landesamtes für Verfassungsschutz IST auf der Ebene der Öffentlichkeit der Beleg. Weiteres zu fordern, was das Amt in der Öffentlichkeit nicht darlegen kann aus verschiedenen rechtlichen Gründen, ist entweder kenntnislos oder bewußt falsch dargestellt. Man könnte meinen, dass da der Dialog mit dem Amt nicht versucht wurde. Aus dieser Unkenntnis und Überforderung aber ein derartiges diffuses Misstrauen in behördliche Entscheidungen zu säen und zu unterhalten, ist zwar erlaubt, aber durchaus fragwürdig.

Der persönliche Eindruck ist, wenn es um den Verfassungsschutz geht, irrelevant. Die Interessen der Kirchen sind dort ebenfalls irrelevant und es erscheint auch äußerst fraglich, ob die verfassungstreuen Protestanten Frankfurts da auch nur ansatzweise folgen können. Faktisch stellen die Kirchen sich im Rahmen der Stellungnahme mit ihrem sehr überschaubaren Eindruck und Erkenntnishorizont gegen Landesamt für Verfassungsschutz und Innenministerium und an die Seite von Verfassungsfeinden. Sie munkeln öffentlich.

Es ist sicher richtig, dass die evangelische Kirche Frankfurts und ihre Beauftragten nicht der Verfassungsschutz sind. Eine eigenständige Prüfung ihrer Gesprächspartner ist ihnen nicht zuzumuten. Was aber gefordert werden muss ist, dass sie die Expertise des Verfassungsschutzes mittragen und anerkennen. Dass sie ihre Gesprächserfahrung vielleicht ergänzen, aber ihre Grenzen erkennen und nicht politische Interessen als christliche tarnen, wollen sie noch als religiöse und nicht politische Akteure anerkannt sein. Das kann von ihnen als Bürger und Funktionsträger erwartet werden. Es geht dort nicht um irgendwelche religiösen Fragen, sondern welche, bei denen die Kirche keine Expertise hat. Sie äußern hinsichtlich der über den Dialog hinausgehender Dinge eine Laienmeinung, verkünden das aber, als ob sie umfassende Expertise alleine über ein paar Gespräche hätten. Darf man fragen: Wie häufig war im „Rat der Religionen“ die Verfassung mit ihren Erfordernissen Gegenstand der Tagesordnung? Wie häufig haben die Dialogpartner Probleme der eigenen Community wie das Einladen von Hasspredigern freiwillig thematisiert?

Die Kirchen agieren so, als ob ihnen Abläufe und Äußerungsmöglichkeiten behördlicher Akteure nicht (ich nehme das noch einmal zu ihrem Vorteil an) bekannt seien und rechnen das zum Nachteil an. Das ist unredlich, denn von ihren Funktionsträgern kann man erwarten, dass sie nur das vorhalten, was Sie auch vom Ablauf her durchdrungen haben. Es scheint auch, dass nur Teile der öffentlichen Debatte geläufig sind. Dass sich der DIV gegen die Pressefreiheit stellt, dass Journalisten angegangen werden, scheint die Kirchen auch wenig zu interessieren oder sie wissen es halt nicht, weil ihnen das am Dialogtisch nicht erzählt wird. Alternativ ist ihnen Presse- und Meinungsfreiheit nicht gleichermaßen wichtig wie freie Religionsausübung. Stattdessen wird weiter gemunkelt und gewähnt:

Das kommt mir vor wie ein willkommener Vorwand, um Menschen muslimischen Glaubens und ihren Gemeinden die Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft abzusprechen.

Nein, es geht nicht um DIE muslimischen Gemeinden, sondern um BESTIMMTE Gruppierungen. Der Stadtdekan macht sich eine Immunisierungsstrategie legalistischer Gruppierungen zu Eigen. Mehr noch: Er unterstellt finstere Absichten. Er hat keine Erkenntnisse zu dem, was vorliegt, und dann füllt er die Lücke mit einer paranoid anmutenden Phantasie.

Und genau hier kann man das trotz begrenzten Erkenntnishorizonts nun zurechnen: Hier wird wohl absichtlich vermischt. Das ist völlig inakzeptabel und da wird es auch unredlich. Es wird der Eindruck erweckt, als gehe es um alle muslimischen Gemeinden. Jenseits der Verbände sehen das nicht einmal nicht wenige muslimische Mitbürger so, die wollen aber auch differenzieren. Es wird unterstellt und dabei umgedreht, dass Gruppierungen, die gegen die FDGO agieren, sich selber außerhalb unserer Gesellschaft stellen und dies aus eigenen Interessen tun. Sie erwecken den Eindruck, als stelle die Teilnahme an kirchlich dominierten Gesprächskreisen bereits dar, dass die fraglichen Gemeinden auch in anderer Hinsicht unproblematisch seien, eben NUR irgendwie sehr religiös. An diesem Punkt sind, wenn das die Interessenvertretung der evangelischen Kirche sein sollte, die Interessen der Kirchen und der Mehrheitsgesellschaft nicht deckungsgleich.

Wenn die Dialogrunden, worauf es Hinweise gbt, mancherorts dazu dienen sollten, sich gegenseitig, kirchliche und muslimische Akteure auch der problematischen Art, zu instrumentalisieren und gemeinsam gegen relativ säkulares Gemeinwesen zu Felde zu ziehen, sollten kirchliche Vertreter einmal sehr, sehr gründlich überlegen, was sie da gerade tun. Sie machen genau dort eine „Front“ auf, Gläubige gegen „ungläubiges“ Gemeinwesen, Islamisten in der Deckung gegen oftmals säkular denkende Mehrheitsgesellschaft. Ihr Schulterschluss an diesem Punkt läßt vermuten, dass auch ein Verfassungsfeind ihnen lieber ist, sofern er nur glaubt, weil ihnen der Glaube wichtiger ist als Verfassungstreue. Man möchte nicht, aber kann fast befürchten, dass ihnen das durchaus klar ist. Das aber wird von der Mehrzahl der evangelischen und auch katholischen Menschen in Frankfurt meiner Einschätzung nach mit Sicherheit so nicht mitgetragen, wenn man das einmal so direkt konkretisierte.

Den meisten Menschen in diesem Land ist nämlich klar und sie wünschen sich das auch, dass es bei Extremisten keinen Dialogbonus gibt, keine Vetternwirtschaft und dass nüchterne Entscheidungen aufgrund von Anhaltspunkten getroffen werden, dass der Verfassungsschutz wachsam ist, bei den Rechten, bei den Linken, bei den Islamisten und auch bei so etwas wie Scientology. Dass Hinweisen nachgegangen wird, auch wenn es den Vetter aus Dingsda trifft. All das muss man aus der Vergangenheit lernen, auch der jüngeren. Die geschätzte Religionsfreiheit ist nämlich nur zu gewährleisten, wenn aggressive politische Strömungen und Extremisten nicht in ein spirituelles Hintergrundrauschen hineingezogen werden. Konkretisierung ist das beste Mittel gegen Generalverdacht.

Mit dieser Stellungnahme hat sich die evangelische Kirche Frankfurts auf die falsche Seite gestellt und darüber wird man ehrlich reden müssen.

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