Märtyrerkult bei der DITIB
Blut und Boden, da war doch was… Braucht man eine solche Ideologie bei Menschen, die hier leben? Sicher nicht. Weder bei deutschen Rechten noch bei Personen, die das anders herleiten oder denen vor allem ein anderer Boden heilig ist.
Es steht natürlich frei, einer solchen Ideologie anzuhängen. Unsere grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit muss auch solche Ansichten aushalten. Ob man Personen, die einer solchen Ideologie anhängen, allerdings zu Verhandlungspartnern machen muss für Kooperationen, die Kinder und Jugendliche betreffen, ist höchst fragwürdig. Das wäre bei deutschen Blut- und Boden-Verfechtern zu Recht ganz undenkbar. Hier an diesem kritischen Punkt sollte gleiches Recht für alle gelten. Blut- und Boden-Ideologien und Organisationen, die diese zumindest soweit billigen, dass sie sie in öffentlichen Texten (mag man das nun Predigten nennen oder nicht) gut heißen, sollten eingegrenzt werden, wo immer man auf sie trifft. Denn wenn etwas der Integration schadet, so sind das nationalistische Rückbezüge mit islamistischer Herleitung und Legitimierung.
Die DITIB nun hat wiederholt solche Inhalte als Freitagspredigten vorgegeben und als allgemeine Predigten verbreitet. Auch wenn in der örtlichen Moschee vom vorgegebenen Text abgewichen worden sein mag: Die grundsätzliche Ausrichtung der Predigt und der Wille des Dachverbandes, genau diese Gedanken zu befördern, bleibt. Exemplarisch seien einige Passagen der vergangenen Jahre mit Märtyrer-Bezug vorgestellt.
2014:
„Ein weiterer hoher Rang ist der der Märtyter (şehit, schahīd). Der Begriff steht für diejenigen, die für ihren Glauben sterben, für ihr Land und die Werte, die ihnen heilig sind.[…] Immer, wenn die Religion, das Land, die Würde und die Unabhängigkeit in Gefahr waren, haben wir uns daher mit unserem Leben für diese Werte eingesetzt und werden dies auch in Zukunft tun… Unsere Ahnen haben in diesem Sinne ihre Pflicht erfüllt. Mancher von ihnen ist den Märtyrertod gestorben und hat diesen hohen Rang erklommen. Andere wurden verwundet und kamen als Veteranen zurück. Ihnen verdanken wir die Heldenepen um den Märtyrertod der Gefallenen. Keiner von ihnen ist heute mehr unter uns. Aber eines ist dennoch mit uns: unsere Religion, unser Land, für das sie mit ihrem Blut gezahlt haben und unsere Werte. Vielleicht leben wir jetzt in einem anderen Land, in einer anderen Kultur. Doch haben wir Verpflichtungen, denen wir nachkommen müssen. Vor allen Dingen sollten wir unsere Ahnen, sie zu beerben uns zu Recht mit Stolz erfüllt und uns erhobenen Hauptes daher schreiten lässt, stets in Dankbarkeit in unsere Gebete einschließen. Unseren Kindern und Enkeln sollten wir die Liebe zum Vaterland beibringen.
Unsere Religion, unsere Sprache, Kultur und die Werte, die uns heilig sind, sie alle müssen wir daher leben und leben lassen. Solange wir zusammenhalten und nicht zulassen, dass Einheit, Eintracht und Frieden im Land zerstört werden, gibt es kein Ziel, das wir nicht erreichen, kein Problem, das wir nicht überwinden können.
İdris Ertürk
Osman Gazi Moschee Berlin“
http://www.ditib.de/detail_predigt1.php?id=173&lang=de
2016:
In diesem Beitrag wird auch der Märtyrer gedacht sowie des Dardanellensieges. Hier ist jedoch vor allem einmal die Sicht auf Deutschland interessant:
„Vor Jahren sind viele Menschen aus verschiedensten Gründen in die Fremde nach Deutschland gekommen und haben den größten Teil ihres Lebens hier verbracht. Sie haben sich wie eine fest verwurzelte Platane hier niedergelassen und dieses Land zu ihrer Heimat gemacht. Unsere Geschwister haben sich die Fremde zur Heimat gemacht und einen beispielhaften Daseinskampf geliefert, indem sie sowohl ihre nationalen als auch religiösen Werte bewahrt haben. Ich danke ihnen als meine Geschwister, die sich Deutschland als zweite Heimat angenommen haben und unsere erhabene Religion des Islam zu ihrer Entfaltung in diesem Lande verholfen haben. […] Denn die Liebe zur Heimat ist Teil des Glaubens und unsere Vorfahren haben ohne zu zweifeln ihr Leben dafür geopfert. In diesem Sinne wünsche ich allen Märtyrern des Dardanellensieges und unserem nationalen Dichter Mehmet Akif Ersoy die Barmherzigkeit Allahs und gedenke ihnen dankend. Ihnen, die die Fremde zur Heimat genommen haben, wünsche ich Gesundheit, Wohlbefinden und Wohlergehen.“
Klicke, um auf DiTiB_Bulten_2016_03.pdf zuzugreifen
[„Beispielhafter Daseinskampf“? Was damit in einer der wohlhabensten und modernsten Gesellschaften der Welt mit einem wahrhaft großzügigen Sozialsystem gemeint ist, wird im Nebensatz deutlich: Wohlstand ist nichts, Bürger DIESES Landes sein ist nichts, wenn nicht die „nationale und religiöse“ Identität gewahrt bleibt.]
Oder hier:
„Während ich meine Predigt beende, wünsche ich Allahs Güte für die Märtyrer, die im jungen Alter für ihre Heimat, ihr Volk, ihre Fahne und gesegnete Werte ihr Leben verloren haben; auch wünsche ich rasche Genesung für unsere Verletzten, Geduld und Beileid für ihre Familien und für unser Volk.
Talip Içöz
Religionsbeauftragter, Veysel-Karani-Moschee Kaltenkirchen, Hamburg“
http://www.ditib.de/detail_predigt1.php?id=284&lang=de
Ein Höhepunkt in diesem Bereich war im letzten Jahr ein von der Diyanet stammender Comic, hier in einer deutschen Übersetzung:
https://www.facebook.com/pages/Diyanet-Cami/118794854880392?fref=ts
Schon und insbesondere Kinder sollen anscheinend lernen, dass es süß und ehrenvoll ist, fürs Stammland der Vorfahren oder den Glauben zu sterben. Wie viel wohl von dieser Haltung auch an den Schulen transportiert werden mag? Zum Beispiel im Religionsunterricht, wenn doch Glaube, Vaterland und das „türkische Blut“ derart als Einheit dargestellt werden? Nach all dem kommt einem in den Sinn, dass nicht Deutsche türkischer Herkunft das Fernziel der DITIB sein mögen, sondern türkische Volksgenossen deutscher Nation. Dass man möchte, dass die Mitglieder Muslime bleiben, kann man nicht vorhalten, schließlich ist man offiziell ein religiöser Verband. Aber die politische Verquickung, die Rückbesinnung auf die türkische, ja osmanische Identität, der Rückgriff auf andere nationalistische und islamistische Haltungen, die kann nicht nur, die muss irritieren. Man mag sich gar nicht vorstellen, was eine Organisation, bei der Spitzeltätigkeit der Imame (!) zumindest im Raum steht, mit opferwilligen Märtyrern anrichten wollen könnte.
Genug der Phantasien. Fakt ist, dass solche Blut- und Boden-Haltungen oder gar die Verherrlichung der Märtyrer wenig zu einer offenen und freien Gesellschaft passen. Genauso wie man sich umgekehrt im Daseinskampf gegen diese wähnt. Da muss sich also einiges an der Haltung ändern. Oder um die Metapher oben aus dem Text zu verwenden: Man kann gerne hier wurzeln. Aber jeden Wildwuchs tolerieren oder gar kultivieren sollte man nicht. Diese Platane muss beschnitten werden um die türkisch-nationalistischen Triebe. Am besten außerhalb der Schulen. Nach 10 Jahren ohne diese Atavismen und einer Trennung von der türkischen „Rechtleitung“ in politischer Sicht (zumindest derzeitiger Ausprägung in der Türkei) kann man weitersehen.