Koordinationsrat der Gläubigen

Über eine ganz normale Einladung des ungewöhnlichen Herrn El Zayat

In Schwerte soll in einigen Wochen eine Tagung zum Thema „Wie wissenschaftlich ist die Islamische Theologie?“ stattfinden. Das Programm der zweitägigen Veranstaltung ist hier einsehbar:

Klicke, um auf Flyer_170024.pdf zuzugreifen

Daraus der Eigenanspruch:

Die Tagung möchte Befürworter der Islamischen Theologie mit Kritikern zusammenbringen, das Konglomerat von wissenschaftlichen Ansprüchen, religiösen Bedürfnissen und politischen Erwartungen durchleuchten und Zukunftsperspektiven diskutieren.

Und hier ein Referent:

Islamische Theologie aus Sicht des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland

Ibrahim el-Zayat, KRM, Köln

Man kann sich schon einmal wundern, welche Aktiven vom Koordinationsrat der Muslime (KRM) benannt werden, wenn es um islamische Theologie geht. Der Herr El Zayat mag einiges sein – ein Theologe ist er jedoch nicht und eine Betrachtung auf wissenschaftlicher Ebene ist von ihm kaum zu erwarten. Es gäbe abseits der Person prinzipiell nichts zu beanstanden, wenn er über den politischen Islam sprechen würde oder über die Muslimbrüder, beides Gebiete, in denen er sich n.m.M. zwar fachfremd aber jahrelang bemüht durchaus Expertise angeeignet hat.

muslim-brotherhood-1-638

Ursprüngliche Eigenbeschreibung der MB Bild: http://www.slideshare.net/zooooni/muslim-brotherhood

Wie der KRM jedoch Wissenschaftlichkeit zum Teil definiert, leuchtete an einem Beispiel vor einigen Jahren auf. Mouhanad Khorchide hatte sein Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ veröffentlicht. Es ist ein Buch, das für Nichtfachleute geschrieben ist, also keine Schrift, die für die Debatte für Wissenschaftler unter sich dienen soll. Das Buch war ein großer Erfolg. Da Khorchide aber auch einen Lehrstuhl in Münster innehat, betrachtete der KRM die im Buch getätigten Aussagen wohl als Kampfansage um die Deutungshoheit, was der Islam in Deutschland sein solle. Das führte dazu, dass auf jenes Sachbuch ein „Gutachten“ des KRM veröffentlicht wurde:

Klicke, um auf gutachten_krm_17122013.pdf zuzugreifen

Im Auftrag des Koordinationsrates der Muslime (KRM) zusammengestellt von:

Dr. Mohammad Khallouk, Islamischer Theologe, Arabist und Politologe, Habilitand an der Universität Bundeswehr München

Şeyda Can, Islamische Theologin

Erol Pürlü, Islamischer Theologe und Islamwissenschaftler angehender Doktorand

Mustafa Ayar, angehender Islamwissenschaftler

Die Anforderungen an ein wissenschaftliches Gutachten erfüllt diese Schrift jenseits des Anspruches bzw. des Titels nicht. Nicht einmal die Person mit dem höchsten akademischen Grad hält die einfachsten Regeln wissenschaftlichen Arbeitens wie ordentliche Zitate, ordentliche Literaturangaben ein. Das ist etwas, was man vielleicht Nichtfachleuten, vor allem Nichtakademikern, als Gutachten andienen kann. Schon der fachfremde Akademiker jedoch reibt sich verwundert die Augen: So viel reine Meinung, so wenig ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung. Reine Meinung genügt aber dem KRM offenkundig, sofern es nur die „richtige“, also verbandskonforme Meinung ist. Mit einer Fachmeinung sollte man das allerdings nicht verwechseln. Man kann Khorchides Ansatz natürlich – wie jeden wissenschaftlichen Ansatz – diskutieren und in Frage stellen. Man sollte da aber mehr aufzubieten haben, zumal es schon am Angelpunkt scheitert: Khorchides Buch wendet sich nicht an andere Fachleute. Nur seine Meinung missfällt dem KRM (was ihm freisteht, aber man sollte Meinung nicht als wissenschaftliches Gutachten bezeichnen n.m.A.)..

Wenn das der Maßstab ist, Meinung gegen Meinung zu setzen, kann man das also machen. Nur wissenschaftlich ist das halt nicht. Eine wirklich wissenschaftlicher, theologischer Beitrag ist durch den Referenten nicht zu erwarten. Auf dieser Ebene verwundert die Entsendung eines studierten Wirtschaftswissenschaftlers dann nicht:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ibrahim_El-Zayat

Darüber hinaus ist diese Einladung der Evangelischen Akademie Villigst durchaus hinsichtlich persönlicher Merkmale des entsandten Referenten fragwürdig: Ibrahim El Zayat ist Funktionär der Muslimbruderschaft auf einigen Ebenen und in einigen Organisationen. Ob man als Evangelische Akademie nun einem solchen Funktionär, der immerhin namentlich Erwähnung in Verfassungsschutzberichten findet, s.u., ein Podium bieten muss, kann man durchaus hinterfragen.

Auf der Seite der Islamischen Gemeinde Deutschlands (IGD), der größten Organisation der Muslimbruderschaft in Deutschland, wurde er 2006 z.B. als Präsident der IGD geführt:

https://web.archive.org/web/20071025131033/http://www.i-g-d.de/cmsde1/index.php?option=com_content&task=view&id=66&Itemid=33

S. 45, Bayerisches Landesamt für Verfasssungsschutz,Bericht 2014:

Klicke, um auf barrierearme_version_verfassungsschutzbericht_2014.pdf zuzugreifen

Der Effekt dieser Einladung ist also, dass ein Muslimbruder-Funktionär die Gelegenheit bekommt, sich seriösem Publikum als normaler Muslim darzustellen. Das funktioniert, weil die Evangelischen Akademie Villigst einen Referenten billigt, nur weil er vom KRM entsandt wurde. Da es explizit um den wissenschaftlich-theologischen Ansatz geht, sollte diese Akamdemie diese Einladung einmal überdenken.

Aus staatsbürgerlicher Sicht ist das jedoch noch weitaus fragwürdiger: Man gibt einer Person Raum und Selbstdarstellungsmöglichkeit, die vom Verfassungsschutz erwähnt wurde und weiterhin in diesen Kontexten aktiv ist. Das wäre bei rechtem und linkem Extremismus nicht denkbar. Niemand würde zu einer wissenschaftlichen Debatte über Rechtsextremismus beispielsweise einen entsprechenden Parteifunktionär einladen. Man würde ÜBER deren Einlassungen und Schriftstücke sprechen, aber nicht mit ihnen persönlich.

Beim legalistischen Islamismus scheint man da jedoch weniger Skrupel zu haben. Sobald der warme Nimbus des Glaubens über einer Betätigung schwebt, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, geht da mehr. Doch, obwohl: Würde gleichermaßen mit Sektenangehörigen verfahren, wenn man Tagungen über Scientology machte oder über das Universelle Leben* sich austauschte? Auch wohl kaum. Damit wird einer Doppelstrategie der Gruppierung Vorschub geleistet. Nach außen hin versucht man, für die Gruppierung Leumundszeugen zu gewinnen, sich bestmöglich zu vernetzen, abseits der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung steckt man aber seine Claims ab:

https://www.welt.de/politik/deutschland/article161804136/Muslimbruderschaft-breitet-sich-in-Sachsen-weiter-aus.html

Die Akademie sollte also über diese Einladung noch einmal gründlich nachdenken. Welches Bild nach außen sie abgibt, kann ihr nicht egal sein. Es kann ihr auch nicht egal sein, wem sie ein Podium bietet.

 

* Nur als Beispiel. UL wird nach meiner Kenntnis nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

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