Ideologie-Marketing und Realität I: Frauen

Oftmals bestehen bei legalistischen islamischen Verbänden große Unterschiede darin, was zur Mehrheitsgesellschaft hin vertreten wird und dem, was aufscheint, wenn man genauer hinsieht.

Teil I: Frauen

Pünktlich zum Weltfrauentag, dem 8. März, beging man diesen Tag auch im Bundesfrauenministerium. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD), hatte wohl eine Einladung erhalten. Man darf fragen: An wen ging das? An den ZMD, an Herrn Mazyek persönlich, an die Frauenbeauftragte des ZMD (ja, der ZMD hat eine, s.u)? Eine solche Einladung bekommt sicher nicht jeder. Aber da man sich so wunderbar zu präsentieren weiß, geht doch was. Es menschelte tüchtig:

Empfang bei der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zum #weltfrauentag im historischen Museum in Berlin. Bin mit meiner Familie da gewesen und wir folgten mit kleinen Störungen durch meinen Sohn:) den Worten von Frau Schwesig.

Weiter dazu auf der facebook-Seite von Herrn Mazyek:

https://www.facebook.com/AimanMazyek2?fref=ts

Bilder dazu:

 

Verwiesen wird auch auf einen Text auf Islam.de, wo man ausführt:

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) fordert zum heutigen Weltfrauentag noch mehr Einsatz der Politik für Chancengleichheit und Gleichstellung.

Weiter hier (ist aber knapp gehalten):

http://zentralrat.de/28515.php

Ein kurzer Text mit Worten, die gerne gehört werden, sofern sie nicht nur Hülsen sind. Sie stimmen ja auch – bei all den berechtigten Konnotationen – bis auf die Gewichtung, die Frau Dr. Houaida Taraji dort anführt. Frau Dr. Houaida Taraji ist im Vorstand des ZMD und die Frauenbeauftragte. Dr. Taraji war eine zeitlang Vizepräsidentin der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD), die sich selber im islamischen Niemandsland verortet, jenseits dieser organisatorischen Nebelbomberei jedoch vom Verfassungsschutz als größte Organisation in Deutschland gesehen wird, in der sich Anhänger der Muslimbruderschaft organisieren.

Bei diesen schönen Gelegenheiten wird jedoch nicht erwähnt, wofür man tatsächlich steht. Die Frau Schwesig scheint es nicht zu interessieren, dass der Gast zweierlei erzählt. Ihr das eine. Seiner Community wird durch reines Handeln schon etwas anderes signalisiert. Für sie – als mittelbare Geldgeberin – sind solche schönen Sachen gedacht wie „Safer Spaces: Respekt & Teilhabe„. Das hört sich ganz wunderbar an. Besonders für SPD-Ohren. Das ist wie abgeschrieben aus unseren Programmen.

So weit das Marketing.

Leider ist die Realität weniger herzerwärmend.

Geladen werden mit öffentlichen Geldern über das Projekt „safer spaces“ z.B. Personen wie Ferid Heider, der allerdings andernorts z.B. allen erzählt, dass sich Frauen schämen müssen (erste Minuten; der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich Männer auch sinngemäß „zusammenreissen“ sollen; eine Absage an ein modernes Geschlechterverhältnis):

 

Oder es wird Taher Zeidan geladen für „safer spaces“:

 

Der Herr Zeidan hat neulich Dr. Khaled Hanafy, einer anderen Person, die ebenfalls muslimbrudernah eingestellt ist, ein Seminar u.a. zum Frauenschlagen auf seinem Portal „Schreibrohr“ anbieten lassen – für Frauen:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/02/27/kostenpflichtige-demuetigung/

Das sind jedoch nicht wirklich versehentliche Ungeheuerlichkeiten. Sondern die sind nach der grundsätzlichen Ausrichtung eben nicht ausgeschlossen. Frauen sollen wie alle Menschen nur die Rechte erhalten, die die Scharia a´la Fundamentalisten vorsieht, alle Rechte unter Scharia-Vorbehalt im Grunde. In dem Bereich, in dem man selber das Sagen hat, wo man sozusagen die Herrschaft inne hat, kann man das auch tun und umsetzen. Auf der ursprünglichen Seite von „safer spaces“, das unter der Ägide genau von Frau Schwesig mit öffentlichen Geldern ausgestattet wurde, wurden Texte von Abdallah bin Bayya geladen. bin Bayyah sitzt z.B. mit Al Qaradawi, einer der wichtigsten Figuren der Muslimbruderschaft und den deutschen Vertretern derselben Richtung, eben jenem Herrn Dr. Hanafy und dem Herrn Borgfeldt, in einem Gremium für Europa. Der Respekt, der dort herrscht, ist der Respekt, der Frauen nach der Scharia zusteht. Nicht mehr. Insofern ist – auch wegen der Geschlechtertrennung! – dieses Gremium frauenfrei. Nicht aus Zufall, sondern konzeptionell. Frauen haben in einem Männergremium, also dort, wo über die wichtigen Entscheidungen gesprochen wird, nichts zu suchen.

Die Teilhabe an der eigenen (!) Hochzeit macht der Herr bin Bayyah z.B. von der Anwesenheit eines Vormunds (wali) abhängig. Er formuliert das als „Ideal“, das nun leider nicht überall einzuhalten wäre. Aus einem Text, der 2016 monatelang auf der Internetseite von  „safer spaces“ war, bevor man ihn dann entfernte:

Weiterhin möchte ich Sie daran erinnern, dass die Umstände, in denen Sie sich hier befinden, keineswegs gewöhnlich sind. Genau aus diesem Grund gibt es bestimmte Dinge, welche die Scharia in solchen Situationen zulässt, sonst aber, wenn diese Umstände nicht gegeben sind, verbietet. Was wirklich wichtig ist, und was Sie alle zu Herzen nehmen sollten, ist, dass wir in diesen Ländern nachgiebige Textpositionen in Bezug auf Frauen anwenden sollten. Wir sollten die Frauenproblematik lösen, dabei meine ich nicht, dass wir den Rahmen des Erlaubten im Islam verlassen sollen. Vielmehr sollten wir gemäß den islamischen Vorschriften handeln, und soweit es geht, uns für die moderate Stellung von Frauen einsetzen. Als ein Beispiel könnte die Meinung der hanafitischen Rechtsschule herangezogen werden. Diese besagt, dass eine Frau ohne walī heiraten kann. Solche Entscheidung wird von den gesellschaftlichen Rollen von Männern und Frauen in diesem Land diktiert. Dennoch sollte eine Frau im Idealfall einen walī haben.

Seite 21 unten:

Klicke, um auf safer-spaces-bin-bayya-161225.pdf zuzugreifen

2016. Auf der Seite eines Projekts, das man der Frauenministerin als Projekt von „Respekt und Teilhabe“ verkaufte. Bei solchen Texten hat man allerdings den Eindruck, dass es rein um Geld für die schnöde eigene Verbandsarbeit ging.

It is true that the husband has guardianship over his wife as the head of the family. In the Islamic Shari`ah, things have to be under control. “No three persons should travel without having one person as a chief.” [See al-Bayhaqy (9:359) and al-Musannaf by `Abd al-Razzaq (4:58)] Thus, in order to keep order and discipline, the husband is the person who is the chief.

http://binbayyah.net/english/2012/01/19/can-man-prevent-his-wife-from-working/

Da hatte die Frau Schwesig aber Glück, dass der Herr Mazeyk beim Empfang in ihrem Hause nicht „ihren Chef“ sprechen wollte. Oder gar einen Vormund. Die Herrschaften, deren Inhalte sie mit Geldern der öffentlichen Hand unterstützen lässt, schicken nämlich Personen wie sie normalerweise an den gesellschaftlichen Katzentisch. Einfach deshalb, weil sie eine Frau ist.

Das gehört dazu, wenn man zu Mehrheitsgesellschaft hin das sagt, was dort ankommt – man will ja Gelder und Unterstützung, mindestens aber Duldung der eigentlichen Agenda – die tatsächlichen ideologischen Inhalte jedoch zu Recht als schwer verkäuflich einschätzt (bin Bayyah ist ein normensetzender Gelehrter, nicht irgendwer).

In der eigenen Organisation scheint die Frauenbeauftragte also nicht einmal solche – aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft – Auswüchse verhindern zu können wie die oben genannten. Man wäre im ZMD schon sehr viel weiter, würde man das, was in der Mehrheitsgesellschaft, die zu noch mehr Gleichstellung aufgefordert wird, üblich ist, umsetzen. Aber da haben wohl die Chefs was dagegen.

Weitere Projekte werden von bin Bayyah-Unterstützern und Unterstützergruppen mit öffentlichen Geldern betrieben. Auch aus Programmen, die in der Verantwortung des Bundesfamilienministeriums verwaltet werden.

Frau Schweisg lässt es also zu und fördert mittelbar durch Steuergelder, dass eine Ideologie (die der Fundamentalisten wie die der Muslimbrüder) befördert wird, die sie – eigentlich – auf das allerschärfste bekämpfen müsste politisch. Weil diese Ideologie in dieser Ausrichtung genau Frauen einen minderen Platz zuweist als Personen, die Chefs haben, die Vormünder brauchen. Konzeptionell, konstitutionell.

Das merkt sie n.m.M. nur nicht, weil der Herr Mazyek das so gut verkauft. Weil die Frau Dr. Frauenbeauftragte des ZMD es ihr auch nicht erzählt. Wo war eigentlich die Frau Dr. Taraji? Warum nimmt so einen Empfang im Bundesfrauenministerium am Frauentag der HERR Mazyek wahr? Vielleicht war sie ja nur verhindert (ich jedenfalls werde am nächsten 8. März, und der kommt bestimmt, genau hinsehen, wer da etwas wahrnimmt*). Man kann nach all dem obigen nämlich spekulieren: Weil die Ausübung der Funktion von Frau Dr. Tajari nicht die ist wie in der Mehrheitsgesellschaft, das erscheint mehr nur als Dekoration. Gut genug für ein paar warme Zeilen.

Wenn es ums Geschäft geht, um das Ideologie-Marketing, da erscheint eher der Chef gefragt.

Im Bundesfrauenministerium merkt das auch keiner, weil das wohl keiner merken will. Kulturrelativismus der wohl eher gleichgültigen Sorte: Man hat nicht einmal mehr Lust darauf, wahrzunehmen, wie es um die Zuordnungen bei den Organisationen des Gesprächspartners tatsächlich zugeht, wofür man tatsächlich steht. Bei den man muss schon sagen Luxusproblemen wirklich nur weniger Frauen wie Aufsichtsrats-Beteiligungen – ja, da schaut man genau hin, da werden die Fliegenbeine einzeln gezählt und da wird man nicht müde, anzumahnen. Real existierenden Frauenabwertern** wie allen, die z.B. die die bin Bayyah-Linie mittragen, denen mag man nicht unter den Talar schauen. Da genügen plötzlich der schöne Schein und ein paar Worthülsen.

Alternativ ist den Zuständigen im Bundesfrauenministerium völlig egal, was mit den Rechten von Frauen tatsächlich ist. Zumindest bei manchen Frauen. Zumindest, wenn sie so tun können, als sei alles in Ordnung.  Bei schönen Empfängen. Hauptsache, man hat was zum Vorzeigen gegenüber den Wählerinnen, von denen man auch annimmt, dass sie auch nicht so genau hinschauen. Menschenrechte selektiv, Frauenrechte selektiv wahrgenommen. Bei manchen Frauen genügt es, wenn Frauen ihren Chef schicken. Der hat dort vor Ort die größte Übung-

Frauentag?

Nicht für alle.

 

 

* Frauen brauchen keine Vormünder, auch muslimische nicht. Sie brauchen auch nicht mich oder andere Frauen als ihre Vormünder. Aber auch wenn sie selbst – ideologiegetrieben – das annehmen, muss man das wahrnehmen und aussprechen. Auch weil es zeigt, wie sie andere Frauen wahrnehmen und Männer so im Allgemeinen; es zeigt, wie sie ihre Töchter aufziehen, mit welchem Menschenbild. Frauen sind da aber nicht (nur) die von außen betrachtet Unterdrückten, sondern sie nehmen – aktiv – diesen, nach Binnenkonsens ihnen gebührenden, Platz ein. Das ist nach Eigensicht keine Unterdrückung, weil es keine Unterwerfung ist unter Menschen, sondern sozusagen unter einen göttlichen Plan. Das ist einfach IHR Platz in der bestimmten Ordnung der Dinge. Die Selbstentmächtigung gegenüber dem eigenen, muslimischen Mann in einigen Dingen und prinzipiell, gegenüber allen muslimischen Männern nehmen manche hin, weil zumindest bei Islamistinnen der narzisstische Gewinn über Überordnung über und mindestens moralische Abwertung aller anderen Personen, die nicht der gleichen Richtung angehören, überwiegt. Die persönlichen Motive sind die Sache jeder Frau selber. Was ihre Töchter anbelangt: Man kann ihnen aufzeigen, dass der Preis, den sie zahlen, zu hoch ist (natürlich nach Außensicht; in der Binnensicht erhöht ja genau diese Unterordnung die Chance auf das Paradies).

Man muss vor allem darüber reden, wenn ihnen vielleicht sogar strukturell Rechte aberkannt werden. Das ist wesentlich breitenrelevanter als so einiges, was im Frauenministerium sonst noch angeschoben und thematisiert wird.

** Aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft; subjektiv wird das in Abrede gestellt. Da ist der Platz der Frauen der, der ihnen bestimmt ist und der ihnen gebührt. Nicht mehr, nicht weniger. Frauen auf dem ihnen gebührenden Platz in der Ordnung der Dinge zu sehen ist somit keine eigene und subjektiv empfundene und eingeräumte Frauenabwertung, sondern Einwilligung in Gottes Ordnung der Dinge, zugespitzt formuliert. Das hat also gar nichts mit als selbstgewählt empfundener Frauenabwertung zu tun. Subjektiv ehrt man Frauen – an ihrem Platz. Der halt – so ist das grob zusammengefasst binnenkonsensual – nicht derselbe sein kann wie der von Männern. Man will also fundamental keine Gleichstellung, weil das aus Sicht traditioneller Kreise unangemessene Gleichmacherei wäre. Ein Grund, warum „Mannweib“ auch von manchen ein beliebtes Schimpfwort ist: Eine Person, die gegen die göttliche Ordnung verstößt, eine Frau, die ihren Platz nicht kennt.

Ein Gedanke zu „Ideologie-Marketing und Realität I: Frauen

  1. Guten Tag.

    >> „[…]
    Frau Schweisg lässt es also zu …“

    Oh, war das jetzt ein ‚Freudscher Vertipper‘?
    >:o)

    >> „… die sie – eigentlich – auf das allerschärfste bekämpfen müsste politisch.
    […]“

    Nun ist die gute Frau Schwesig mit dieser Unfähigkeit und/oder dem Unwillen zu diesem Kampf in ihrer Partei ja nicht so furchtbar einsam. Hat’s eventuell ‚Methode‘?
    (Aktuell hatten wir gerade einen berliner SPD-Oberbürgermeister, der sich nicht entblödete, mit Islamisten um islamistische Opfer zu trauern. Mit Leuten also, die seinen Vorgänger im Amt, so sie denn die Macht hätten, wohl vom Fernsehturm gestürzt hätten.)

    >> „[…]
    Das merkt sie n.m.M. nur nicht, weil der Herr Mazyek das so gut verkauft.“

    Das soll doch jetzt wohl kein Versuch einer Exculpation sein?
    Jemand, der einerseits die Befähigung zu höchsten politischen / staatlichen Weihen haben soll ist andererseits (trotz eines exzellenten Apparates zur Informationsbeschaffung) zu blöde, die durchsichtigen Maschen eines religiösen Hütchenspielers zu durchschauen?
    Pffft! Das wäre ja furchtbar! Irgendetwas kann doch da nicht stimmen?

    Nein, nein, es hat andere Gründe, warum wir mit einer generationenalten Familientradition und damit mit der guten alten (und zunehmend der Dementia senilis verfallenden) Tante SPD endgültig gebrochen haben:
    Eine Partei, die sich zum Machterhalt allen möglichen, selbst den rigidesten irrationalen Glaubenssystemen anbiedert, in der es kein Problem ist, alle möglichen religiösen, keineswegs aber einen laizistischen Arbeitskreis zu etablieren, hat in unserer Lebenswelt keinen Platz mehr.
    (Und wenn wir wirklich jemanden bräuchten, der uns zum Trost für ein ‚irdisches Jammertal‘ (an dem man tunlichst nichts ändern will) ein ewiges (oh Himmel, ;o) welch Horror) und seliges (natürlich nur bei vorherigem irdischen Wohlverhalten) Jenseits andienen will, gäb’s ja genug Originale.)

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