Bertelsmann: Bad Practice ?

Über eine neue Publikation der Bertelsmann-Stiftung

Teil I

Die Bertelsmann-Stiftung ist eine große private Stiftung, die den Eigenanspruch hat, Gesellschaft zu gestalten und zu entwickeln. Nur welche Gesellschaft mag als Ziel dahinter stehen?

Zunächst zur Übersicht und Struktur sowie zu den Beteiligungsverhältnissen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bertelsmann_Stiftung

Aus dem Leitbild der Stitftung:

 

Menschen bewegen. Zukunft gestalten. Teilhabe in einer globalisierten Welt“: Dieser Leitgedanke fasst die Arbeit der Bertelsmann Stiftung zusammen. Teilhabe setzt in unserem Verständnis handlungsfähige Menschen und eine Gesellschaft voraus, die allen gleiche Chancen eröffnet. […]
Die Menschen stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Alle sollen an der zunehmend komplexen Gesellschaft teilhaben können – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Die Programme der Bertelsmann Stiftung erschließen dafür das Wissen, vermitteln Kompetenzen und erarbeiten Problemlösungen.

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/ueber-uns/was-uns-bewegt/leitbild/

Aktuell ist eine neue Handreichung: „Hilfsbereite Partner: Muslimische Gemeinden und ihr Engagement für Geflüchtete“ erschienen. Diese ist hier abrufbar:

Klicke, um auf LW_Broschuere_Hilfsbereite_Partner_2017.pdf zuzugreifen

Die Autorin der Handreichung ist Julia Gerlach (hier eine Kurz-Biographie bei der in mnchen Bereichen ähnlich wie die Bertelsmann-Stiftung agierenden Robert-Bosch-Stiftung*):

http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/65941.asp

Einige Eindrücke von der grundsätzlichen Haltung und Absicht, die mit der Broschüre verwirklicht werden soll:

S. 14 f.:
Als Nebenaspekt spielt hier auch das Thema „Erwähnung im Verfassungsschutzbericht“ eine Rolle. Je stärker die Angst vor dem Terror wächst, desto lauter wird der Ruf nach besserem Schutz und besserer Überwachung der sogenannten Gefährder. Dabei geraten jedoch auch Organisationen ins Visier, die vom dschihadistischen Spektrum weit entfernt sind und sich um gute Beziehungen zu ihrer Umwelt bemühen. Die Tatsache allerdings, dass sie überwacht oder auch nur im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden, erschwert eben diese angestrebte Verbesserung der Beziehungen. Auch dies führt zu Frust.

Frust? Wie wäre einmal damit, die Verhaltensweisen und Haltungen zu ändern, die zur Beobachtung geführt haben? Dass das nicht geschieht, darüber könnte die Mehrheitsgesellschaft auch sehr, sehr „gefrustet“ sein. Oder darüber, dass manche für die eigene Community Hassprediger einladen, aber zur Mehrheitsgesellschaft hin dies in Abrede stellen und sich als Opfer böser Mächte gerieren.
Offensichtlich wird der politische Islam nicht als Problem gesehen, denn einige der aufgeführten Träger sind diesem zuzuordnen und werden trotzdem lobend erwähnt. Dass Organisationen der Muslimbruderschaft oder iranischer bzw. türkischer Nationalisten mit religiösem Etikett berechtigt schon seit vielen Jahren teilweise unter Beobachtung stehen, wird unterschlagen an dieser Stelle. Vielmehr wird in der Weise umgedeutet, als sei ein nunmehr in der Herausforderung durch Jihadisten übereifriger Verfassungsschutz erst kürzlich auf diese Strukturen gestoßen. Das ist eine Umdeutung, die nicht nur falsch ist, wie sich im Text später auch selber herausstellt, sondern auch eine, die schädlich ist. Es wird nämlich die Unterwanderungsstrategie z.B. der Muslimbruderschaft als etwas positives eingeordnet:

S. 17:
Umso wichtiger ist es, die positiven Beispiele der Arbeit muslimischer Gemeinden in diesem Gebiet hervorzuheben. Dies ist das Ziel dieser Broschüre: Welche Projekte setzen muslimische Gemeinden in der Flüchtlingshilfe um? Was zeichnet ihre Arbeit aus? Wer profitiert davon? Was ist in diesen Gemeinden seit dem Sommer 2015 passiert? Es geht darum, diese Arbeit durch die Beschreibung sichtbarer zu machen, zu würdigen.

Es wurden für diese Broschüre erfolgreiche Projekte ausgewählt, die von mehreren der befragten Experten, Politiker, Kirchen- und Verbandsvertreter empfohlen wurden.“

Da möchte man doch wissen, wer diese Einrichtungen „empfohlen“ hat.
In dem Inhaltsverzeichnis und dann auch in den einzelnen Kapiteln fallen nämlich mehrere Projekte auf, die vielleicht wirtschaftlich – man gelangte an öffentliche Gelder – als erfolgreich zu bezeichnen sind, bei denen jedoch in der Handreichung die problematischen Einbindungen deutlichst zu kurz kommen oder gleich ganz weggelassen werden. Das Inhaltsverzeichnis:

Beispiel 1
Hamburg: Die Al-Nour-Moschee
und der Integrationspunkt Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Beispiel 2
Berlin: Projekt Wegweiser von Inssan e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ….. .25
Beispiel 3
Wiesbaden: Die Imam Hossein Gemeinde
und Wiesbadener Akademie für Integration e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ……31
Beispiel 4
Berlin: Alkawakibi Verein e. V. für
Demokratie und Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..38
Beispiel 5
Merseburg: El-Furkan Moschee, das Interkulturelle Zentrum
und das Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge . . . . . …………44
Beispiel 6
Zuffenhausen: Patenschaftsprojekt „Gegenwart – Geschwisterlich –
Gestalten“ – DITIB Landesverband Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . ….. . 51
Beispiel 7
Goslar: Die Al-Aksa Gemeinde der IGMG
und das Bildungs- und Interkulturelle Zentrum e. V. . . . . . . . . . . . . . . ….. . . 59
Beispiel 8
Osnabrück: Dua Zeitun und die Lichtpaten
der Muslimischen Jugendcommunity Osnabrück e. V. . . . . . . . . . . . ……. . . 66
Beispiel 9
Berlin: Haus der Weisheit e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Beispiel 10
Dresden: In Am Sayad Mahmood – Beraterin im
Ökumenischen Informationszentrum e. V. Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . ….78″

Kann man Vereine, die teilweise direkt oder indirekt unter Beobachtung stehen oder die eng mit unter Beobachtung stehenden Strukturen zusammenarbeiten, wirklich als Beispiele für „Good Practice“, also beispielhaftes, erfolgreiches Handeln, aufführen? Wird da nicht nur ein Anglizismus bemüht, der mehr Gewicht auf die erfolgreiche organisatorische Umsetzung legt denn die ideologische Grundhaltung? Kann man das und vor allem sollte man das trennen? Wie kann man Vereinen mit problematischer ideologischer Linie seitens der Bertelsmann-Stiftung „Good Practice“ bescheinigen? Was ist das? „Do it like a muslimbrother“?

Doch im Einzelnen:

Die Al-Nour-Moschee und ihr Projekt wird auf 5 Seiten breit dargestellt. Über die fragwürdigen Einbindungen der Moschee jedoch kein Wort. Das allerdings gehörte zwingend hinzu, wenn man diese Einrichtungen vorstellt:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/04/22/hamburg-katze-aus-dem-sack/

In Hamburg werden die problematischen Sachverhalte gerne schon einmal – wie auch in Berlin – durch besonders viel Lob oder Preise überdeckt. Die Hamburger Schura, ein Dachverband, in dem viele problematische Vereine und Akteure mitarbeiten, sitzt mit am Tisch, wenn es um den Islamunterricht geht. Das ist jedoch kein Grund, die Problematiken dieser Einrichtung nicht zu benennen. Einbindungen nicht zu erkennen, heißt Fehler zu perpetuieren.

Inssan e.V. ist ein Berliner Verein, der hinsichtlich der Vorstandszusammensetzung eine Menge Wandel durchgemacht hat. Relativ stabiles Moment war in den Jahren seit der Eintragung 2006 die gegenwärtige Vorsitzende Lydia Nofal. Nofal tritt regelmäßig in Zusammenhängen der Muslimbruderschaft auf (ist aber auch SPD-Mitglied; ihre grundsätzlichen Haltungen werden dort dem Anschein nach nicht oder zu wenig hinterfragt) . So war sie auch 2011 nach islam.de bei diesem Treffen in Bad Orb dabei:

 

Das Treffen fand unter der Ägide ausgewiesener Muslimbruder-Organisationen statt. Das war kein Treffen, zu dem Personen, die nicht diesem Spektrum zugehören oder mindestens starke Sympathien aufweisen, geladen wurden. Das war eher nicht für die Öffentlichkeit gedacht.

Gerlach fängt den Beitrag zum Verein Inssan so an, S. 25:

Die Dar-as-Salam-Moschee ist eine der eher arabisch geprägten Moscheen in der Hauptstadt und sie ist bekannt für ihr großes soziales Engagement. Der Imam Taher Sabri sucht den Kontakt in die Nachbarschaft und auch zur Berliner Politik. So sind zum Zuckerfest auch viele Nichtmuslime geladen: Journalisten, Vertreter von Stiftungen, Politiker sind unter den Menschen, die sich im Eingangsbereich der festlich geschmückten Moschee drängeln.

Das ist eine Einrichtung, die seit Jahren unter Verfassungsschutzbeobachtung steht; sie wird der Muslimbruderschaft zugeordnet:

https://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/07/imam-sabri-berlin-neukoelln-nbs-igd-.html

Immerhin wird erwähnt, dass auch Inssan länger unter Beobachtung stand:

Der Verein Inssan e. V. wurde 2001 mit der Idee gegründet, die vielen verschiedenen Moscheegemeinden in Berlin miteinander zu vernetzen. Bald schon tauchte der Verein jedoch im Berliner Verfassungsschutzbericht auf. Er wurde in die Nähe der Muslimbruderschaft gerückt; ähnlich
sieht es mit vielen arabisch geprägten Organisationen und Gemeinden in Berlin aus. Etwa auch dem Dar-as-Salam in Neukölln. Das Besondere an Inssan e. V. ist jedoch, dass es gelang, das Stigma der Erwäh­nung im Verfassungsschutz wieder loszuwerden. Dies gelang durch viel Überzeugungsarbeit, Kampagnen, zum Beispiel gegen Zwangsheirat und Extremismus, und ein ständiges Bemühen um gute Kontakte zur Politik. „Dass wir es jetzt als einer der ersten muslimischen Vereine aus Berlin geschafft haben, bei der Vergabe von öffentlichen Fördergeldern berücksichtigt zu werden, ist auch in dieser Hinsicht ein gutes Zeichen. Anerkennung für unsere Arbeit“, sagt Natalia Loinaz.“

Weniger gegen Extremismus im Allgemeinen, sondern mehr „Islamfeindlichkeit“, worunter wohl nicht nur eine kritikwürdige allgemeine und pauschale Ablehnung gegenüber Muslimen verstanden wird, sondern tatsächlich auch Gegenhaltungen zur eigenen Ideologie. Da sich an der ideologischen Basis von Inssan wohl wenig verändert hat, sind ein verbessertes Marketing zur Politik hin und die Priorisierung der Sicherheitsbehörden n.m.M. die wesentlichen Gründe für diese veränderte Einstufung. Schließlich wird ja auch der Zentralrat der Muslime intensiv gefördert, der, ganz offen, für manche politische Funktionäre alibimäßig aber verdeckt genug, Muslimbrüder und auch den Dachverband eines Graue Wölfe Derivats vertritt. In diesem Kapitel wird auch die bekannt problematische Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) reingewaschen:

S. 28:
So wird dem Daras-Salam zwar Nähe zur Muslimbruderschaft vorgeworfen, Imam Mohammed
Taher Sabri aber wurde 2015 vom Regierenden Berliner Bürgermeister Michael Müller mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet. Wie geht das zusammen?

Durch nur ein klein wenig Recherche – oder einen Anruf – hätte Gerlach gefunden, dass die problematischen Einbindungen von Sabri der Senatskanzlei wohl entgangen waren:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-verfassungsschutzbericht-neukoellner-dar-as-salam-moschee-weiter-unter-beobachtung/20074522.html

Im Weiteren versucht Gerlach, die Darstellungen des Berliner Verfassungschutzes als im Grunde abwegig einzuordnen:

So hat der Berliner Verfassungsschutz eine spezielle Broschüre herausgebracht, die sich mit den Aktivitäten muslimischer Gemeinden in der Flüchtlingshilfe befasst und vor Missionsversuchen
radikaler Gruppen, insbesondere salafistischer Strömungen, warnt. Wieder wird das Dar-as-Salam genannt, wieder ohne konkrete Vorwürfe zu erheben.

Dem Anschein nach hat man sich die Marketing-Legende der NBS zu Eigen gemacht.
Nun, im aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht, der allerdings wohl nach Redaktonsschluß der Broschüre erschien, wird es konkretisiert. Konkretisiert wird aktuell auch, dass die NBS Millionen aus Kuwait erwarten soll:

https://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/07/neukoellner-begegnungsstaette-erwartet-millionenspende-aus-kuwai.html

Gerlach verkennt, dass auch bei klarer Beleglage von islamistischen Einrichtungen oftmals völlig ungeniert weiter eine eigene Schuld abgestritten wird und man sich als Opfer finsterer Mächte geriert. Sind Besuche von Hassprediegern nachgewiesen, so wird häufig behauptet, dass man den Herrn eigentlich nicht näher gekannt habe. Das sei also ein Hassprediger? Aha. Das hätte man ihnen doch sagen müssen… Alternativ haben den Herrn Hassprediger andere in die eigene Einrichtung geladen, man habe nur über Gebetszeiten gesprochen usw. Gerlach versucht die Leser gegen den Verfassungsschutz einzunehmen.

Konzeptionell könnte man das Projekt von Inssan gut finden – wenn da nicht diese Einbindungen wären, die erhebliche Zweifel an der generellen Zielsetzung, was mit den Menschen, die man betreut, gemacht werden soll, zulässt. Der Umstand, dass man sich um Geflüchtete kümmert, muss weder zu deren noch dem Vorteil der Gesellschaft erfolgen, sondern kann ganz eigennützige Ziele haben: Marketing, öffentliche Gelder und – Nachwuchs für die eigene Ideologie.

Weiter in Teil 2.

 

 

* Die Bosch-Stiftung fördert Projekte auch aus dem Bereich Integration. Leider scheint der Begriff „Integration“ bei der Stiftung manchmal ein wenig unscharf gefasst. Jedweder Teilhabeversuch an Macht, Öffentlichkeitswirkung oder Fördergeldern ist sicher nicht geeignet, um ihn per se als integrativ zu verstehen, auch z.B. nicht ein noch so schönes Iftar. Die Bosch-Stiftung fördert gelegentlich auch Projekte, deren Träger problematisch sind. Man sollte schon genauer schauen, wem man Fördergelder gibt.

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