Medizin und Religion

Einige Gedanken zu interkulturellen Abwägungsfragen

In manchen Kreisen praktizierender Muslime werden Erkrankungen in ihren Ursachen nicht mit den wissenschaftlichen Ansätzen betrachtet, sondern allerlei religiöse Erklärungsmuster bemüht. Das geht von den Annahmen, psychische Erkrankungen seien z.B. durch Geister, Jinns, hervorgerufen bis hin zu der Vorstellung, Krankheit sei an sich Prüfung durch Gott, weil nichts ohne seinen Willen geschehe. Letztere Vorstellung findet sich nebenbei auch bei manchen fundamentalchristlichen Gemeinden. Diese vormodernen Vorstellungen führen mancherorts dazu, dass nicht nur Imame statt Ärzten aufgesucht werden, sondern auch dazu, dass z.B. Kindern Schutzimpfungen vorenthalten werden oder man Krankheiten verschleppt. An manchen Moscheen oder in expliziten Frauenzirkeln wird gar das blutige Schröpfen, eine Quacksalber-Methode, von dazu nicht befugten (mind. Heilpraktiker-Erlaubnis erforderlich rechtlich!) Personen angeboten für allerlei Krankheiten.

Manche Patienten haben die Vorstellung, dass die wissenschaftliche Medizin mit ihrem Glauben nicht vereinbar sei. Das ist in mancher Hinsicht korrekt, denn solche „Ursachen“ wie Jinns kennt die wissenschaftliche Medizin nicht. Lange Jahrhunderte wurde mit dieser Art Aberglauben auch hierzulande gerungen; letzte Überbleibsel richten als manche „alternative Behandlungsmethode“ oftmals noch Schaden an Patienten und Volkswirtschaft genug an (bizarrerweise scheint auch die Nachfrage nach Exorzismen wider zu steigen).

Nun herzugehen und diesem Aberglauben nicht mit derselben Klarheit bei muslimischen Patienten entgegenzutreten, wie man das bei Patienten anderen Glaubens machen würde, schadet zuallererst diesen Patienten selber. Es mag sinnvoll sein, die religiösen Argumentationsmuster zu kennen, wie sie z.B. Rüschoff und Laabdallaoui darlegen:

„Zugleich ist gerade hier die Akzeptanz der islamischen Lebensweise besonders wichtig, um den erkrankten Menschen adäquat zu helfen – zumal Migranten in der Fremde besonders am Eigenen und eben auch an religiösen Riten festhalten und ihnen Religion, gerade auch in einer Krankheit, eine sinnstiftende Struktur geben kann. „Es geht darum, wie sonst in der Psychiatrie auch, die Menschen in ihrer Welt abzuholen“, macht der Psychiater und Psychotherapeut Dr. Ibrahim Rüschoff deutlich.“ Weiterlesen