Einige Worte zur aktuellen Lage der Muslimbruderschaft
Hierzulande ist die Muslimbruderschaft gut im Dialog-Geschäft. Über die Jahre hat man enge und engste Gesprächskontakte zu politischen Entscheidern aufgebaut. Manche Kombattanden mögen auch schon selber im Besitz politischer Macht sein. Diese Kontakte wurden maßgeblich von manchen Kirchenkreisen flankiert und vorangebracht. Der Umstand, dass man seitens politischer Akteure einige Aspekte der Integrationspolitik an kirchliche Akteure sozusagen delegierte, wohl froh, dass man das delegieren konnte, führte dazu, dass diese Kirchenkreise sich nun vermehrt vor ihre Dialogpartner stellen. Und zwar explizit auch dann, wenn öffentlich bekannt ist, dass verfassungsfeindliche Ziele im Raum stehen bzw. es eindeutige und langjährige begründete Facheinschätzungen der Verfassungsschützer zu Personen, Einrichtungen und Strukturen gibt.
Hinsichtlich der Motivation der Kirchenkreise sollte man sich wenig Illusionen machen: Zum einen möchte man die schöne Macht, die einem derart als Geschenk in den Schoß fiel, natürlich nutzen. Zum anderen gibt es handfeste gemeinsame Interessen. Die öffentliche Ersatzschulfinanzierung z.B. oder das Voranbringen reaktionärer Inhalte, mit denen Kirche selber klar artikuliert mehr Widerspruch und Kopfschütteln ernten würde denn Zustimmung. Man hat gemeinsam, dass man den religiös konnotierten sozialen Raum wieder ausweiten möchte. Da macht Einigkeit stark. Dass diese Einigkeit vornehmlich durch die harmlos scheinenden Dialogformate organisiert wird, scheint wenigen klar. Es geht dort oftmals nicht darum, „westliche“ Werte zu vermitteln, sondern gemeinsame Interessen zu entdecken, zu entwickeln und dann der Gesellschaft, v.a. aber der Politik als der Weisheit letzten Schluß zu präsentieren. Dass diese Formate weniger kleineren religiösen Gruppen dienen, deren Interessen oftmals ganz unstrittig sind und die ihren Glauben eher privat und säkular organisiert ausleben, ist diesen Gruppen anscheinend weniger klar (wann gab es jemals einen Disput über eine buddhistische Einrichtung oder einen Sikh-Tempel?). Sie sind in diesem Machtspiel eher Beiwerk.
An einigen Stellen sitzt die Muslimbruderschaft auch schon direkt an den öffentlichen Fördertöpfen. Das geschieht in den letzten Jahren durch die Inausichtstellung, die Muslimbruderschaft sei Mitstreiter, wenn es um eine friedliche Zukunft gehe. Sie bekommen Gelder, weil sie sich als die noch Guten verkaufen können, wenn man den islamistischen Terror betrachtet. Flankiert wird das durch eine unzureichende mediale Aufbereitung.
Politische Entscheider werden zusätzlich durch angeblichen Einfluß auf die Wähler gelockt. Man verkennt, dass die Personen, die tatsächlich erreichbar wären durch die Muslimbruderschaft, Wahlen eher ablehnen. Man verkennt die Größe der Organisation und ihren Bekanntheits- und Einflußgrad und verschafft ihr ihn oftmals erst.
In dieser Gemengelage läuft mancher politische Entscheider wie in der Tretmühle einer Mahlzeit hinterher. Gemahlen wird aber nur das Korn der Muslimbruderschaft.
Die Umsetzung findet sich kommunal, aber auch national. Der bayerische Verfassungsschutz stellte im letzten Bericht noch einmal klar heraus, dass die Zugehörigkeit zur Muslimbruderschaft breit in Abrede gestellt wird, um weiterhin finanzielle und soziale Vorzüge zu genießen, die man bei redlichem Eingeständnis nicht genießen könnte. In der Breite geht diese Stategie voll auf. Der einzelne Laie, der einzelne Dialogbeflissene setzt auf die persönliche Wirkung, überschätzt massiv die eigenen Kenntnisse und den eigenen Eindruck. Sich selber für nicht täuschbar zu halten ist da der Beginn des Übels. Tatsächlich ist es einfacher und bequemer, jeden Monat mal zwei Stunden kindlich zu vertrauen anstatt sich sachkundig zu machen, zumal man sich ob dieser Bequemlichkeit auch noch selber besser fühlen kann. Wie bei allen verflochtenen und auf Intransparenz abzielenden Organisationen bekommt der oberflächliche Betrachter eben nur die genehme Oberfläche zu sehen. Hält er sie für den allgemeinen oder gar erreichbaren Kenntnisstand, so geht er fehl. Genau das aber nehmen viele Personen, die im Bereich der Muslimbruderschaft Dialoge führen, für sich an.
Als moderne Werbefigur, die als Person installiert wird, findet sich z.B. Abdallah bin Bayya, der in einigen Gremien nach wie vor entweder Stellvertreter oder Mitstreiter von Yusuf al Qaradawi ist. In Deutschland wird er jedoch als Dialogfigur wie der Dalai Lama vermarktet:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/03/11/bin-bayya-texte-aussagen/
Weiteres Marketing-Tool dieser Richtung ist die sogenannte Marrakesch-Deklaration. Diese wird zum Teil sogar von Journalisten, die es wirklich besser wissen müssten, und der evangelischen Kirche als instrumentalisierter Institution inhaltlich falsch erfasst als Fortschritt verbreitet:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/06/03/die-marrakesch-deklaration/
Auch:
http://www.ezw-berlin.de/html/15_7020.php
Das, was jenseits des modernen Marketings stattfindet, wird hingegen kaum wahrgenommen. Das richtet sich an die eigene Community, ist auf türkisch oder arabisch und findet in den Hinterzimmern oder bei Treffen statt. Dass eine solche Doppelstrategie tatsächlich verfolgt wird, kann man sogar nachlesen. man muss es nur tun. Hier zum Beispiel in der Juli-Ausgabe des Magazins der Muslim World League:
„The Rights & Duties of Muslims in non-Muslim Countries
There is goodness in Islam for all living beings: for those who believe in it and for non-Muslims as well.
A person who has been guided comprehends the benefits of the pure religion for believers, in this world and the next. As for its goodness towards non-Muslims, the greatest proof of this is the rights which Islam has preserved for them, and the almost unbelievable degree of religious tolerance that Muslims have shown towards them, even in times when Muslims were achieving victories over non-Muslims in War. In certain countries Muslims are struggling to protect their lives, their religious places, their dress code and religious symbols like Minarets etc. There are some positive indications from Europe, which has long history of Crusades. There is a huge gap of communication. Miss-information regarding our faith, our conduct with minorities, where we are in majority, is widespread misconception and misinformation about Islamic Laws of Qisas and Hudood is more damaging. Our own understanding of Islamic and un-Islamic behavior also compounds the problem. There is lack of dedication for the work of Dawah in right perspective. It is irony that in most cases we do call people to Islam but stress on our Mazhab or Maslak only. Infighting in Muslims on the bases of Masalik takes many a time heinous turn. Even in the societies where Muslims are in majority, over enthusiasm and stress on particular “Mazhab” is creating problems. This is one cause of concern we should address.
Christians and Muslims are the two largest confessional groups in the world today – together they constitute more than half of the total population of the world. There are large areas where the followers of these faiths live in close proximity, even sharing several traits of culture and language and living under the same political system. It is our duty to seek areas of mutual cooperation, to join hands in combating the evils of modern life. Together we need to achieve a better and more just world where man is free to worship his Lord and Creator without duress; where men live in harmony and understanding; where those who have been blessed with the good things of life are willing and eager to share them with those that are deprived, and where man is enabled to achieve and fulfil his human potential. It is our fervent hope that we learn to understand and know each other, to develop areas of mutual cooperation and joint action, that we are able to rise above our past and build new bridges of amity and accord between our two religious communities. Dialogue with different religions will go a long way to erase misconceptions about Islam. Muslims will be beneficiaries in two ways: one by putting Islam to others as it really is, and the other, by getting a correct picture of other religions. It is necessary to discuss this issue in depth, so that non-Muslims can know what Islam guarantees them, and not go to extremes in making demands that have no basis in truth. At the same time, Muslims can learn about the rights of others, and not oppress them by denying them some or all of their rights. In this era of globalization, each one of us needs to become aware of his rights and his obligations, so that we can build in this world the degree of civilization that its Creator intended for it.
For the development of the Muslim community in the West, Da’wah work and Inter-Faith dialogue the following suggestions for the safeguard of rights and obligations of the significant Muslim communities living in the West. This exciting challenge and responsibility can be addressed simultaneously by the Muslim communities in the West, the MWL and the Muslim Nation. First, by fulfilling their responsibility to organise sustained and well planned da’wah and educational activities for their community. Secondly, by engaging in meaningful dialogue and discussion with non-Muslim neighbors, colleagues and senior position holders in the government and administration. And thirdly, by receiving proper support and encouragement from the Muslim governments and other relevant agencies in the field of da’wah and education such as the MWL is pioneer in conducting negotiations with government agencies to realize their legitimate religious, cultural, economic and political rights in full measure.“
„Letter from the editor“
Klicke, um auf The-MWL-Journal-2017-July.pdf zuzugreifen
Es geht da wohlgemerkt nicht um die allgemeinen Menschenrechte westlichen Zuschnitts, sondern die islamischen Rechte für Minderheiten, wie sie z.B. in der Charta von Medina gefasst sind. Diese Minderheitenrechte sind klar unter jenen von Muslimen angesiedelt. Die erwünschte Korrektur des öffentlichen Bildes besteht seitens der MWL i.W. auch darin, Nichtmuslime zur Kooperation zu bringen, ohne ihnen reinen Wein einzuschenken hinsichtlich ihrer minderen Rechte. Für diese Zwecken sind Marketing-Tools wie die Marrakesch-Deklaration perfekt geeignet; kaum jemand liest offensichtlich das Kleingedruckte.
Dass international die Muslimbruderschaft etliche lokal agierende terroristische Gruppierungen und Netzwerke sozusagen inspirierte und teilweise auch über ein umspannendes Finanz-Netzwerk aus zunächst nicht assoziiert und harmlos auftretenden Organisationen unterhält, wird zu wenig wahrgenommen und durchdrungen. Die Art eines kollektiven Agierens wird unterschätzt und die auf Individualität basierenden westlichen Gesellschaften sind auf derlei Manöver auch nicht annähernd ausreichend vorbereitet.
Die Ideologie der Muslimbrüder ist alles andere als harmlos und menschenfreundlich. Das wird zu wenig wahrgenommen. Aus einer Einlassung eines hochrangigen Muslimbruders im August dieses Jahres:
„In an effort to reinvigorate the Muslim Brotherhood, one of the group’s leaders — Magdy Shalash — reminded supporters that the organization’s main objective is establishing an “Islamic Caliphate” based on “Sharia” law.
“The Muslim Brotherhood was established for a general overall purpose, namely, the return of the comprehensive entity of the Umma (Muslim community)…the Islamic Caliphate, which is based on many Sharia proofs,” Shalash wrote in a Facebook post on Wednesday that was translated by the Investigative Project on Terrorism (IPT).
While many Islamist apologists attempt to defend the use of terms like “caliphate” or “jihad” as purely religious and peaceful concepts, Shalash does not try to hide the Brotherhood’s true colors. He calls for “the return of all states Islam ruled, such as Andalusia and others, to the quarters of the coming Caliphate.” Andalusia is part of modern-day Spain.“ [Rest auch unbedingt lesenswert.]
Interessant dazu auch:
Ein weiteres prägnantes Beispiel wurde aktuell bekannt, als eigenhändige Notizen von Osama bin Laden veröffentlicht wurden:
„In the journal, bin Laden offers answers to a series of questions about the ideas and movements that influenced him. For example, he lists the Muslim Brotherhood as an organisation that shaped some of his thinking in the early days of his radicalisation. More astonishingly, he reveals an unexpected and hitherto unknown source of inspiration: Necmettin Erbakan, the former prime minister of Turkey who could be regarded as the father of modern Turkish Islamism. […]
Bin Laden’s membership of the Muslim Brotherhood was first confirmed by the current leader of Al Qaeda, Ayman Al Zawahiri, in a video released in 2014. “Sheikh Osama bin Laden was part of the Muslim Brotherhood organisation in the Arabian Peninsula,” Zawahiri said in the video. “When the Russian invasion of Afghanistan happened, the sheikh travelled immediately to Pakistan, met the mujahideen and started helping them.”
In the released documents, bin Laden is asked to list his influences. His responses are short and concise.
“From a religious [or theological] aspect, I was committed within the Muslim Brotherhood. Their curriculum was limited. I read the Sira [Prophet Muhammad’s biography, a reference to old books relating the beginnings of Islam and the Prophet’s life with typical focus on wars]. Once a week, the meetings. The number of pages was limited. The extent of influence by them was not much from a religious aspect.”
Genau diese Gemengelage, also die intensive Kooperation muslimbrudernaher Strukturen mit türkischstämmigen Nationalisten, liegt wir auch in Deutschland vor. Man trifft sich im Panislamismus und bei der Durchsetzung gemeinsamer Interessen.
Die hiesige Muslimbruderschaft verfolgt übrigens seit einiger Zeit ein „Sira-Projekt“.* Das wird an zugeordneten Moschee-Vereinen vorgestellt und propagiert. Die Rückbesinnung auf die frühen Zeiten ist also jenseits der Floskeln zur Mehrheitsgesellschaft in vollem Gange. Waren die Grenzen zwischen fundamentalistischen Muslimbrüdern und Salafisten schon immer durchlässig und theologisch sehr schmal, so scheinen sie sich zunehmend aufzulösen. Salafisten nutzen zunehmend die Strategien der Muslimbrüder, Muslimbrüder besinnen sich zurück auf alte Vorbilder und Vordenker. Das Lehren des Nachwuchses in der Doppelstrategie ist ebenfalls höchst erfolgreich. Muslimbrüder geben sich für unterdrückte Muslime aus, nehmen Deckung im islamischen Hintergrundrauschen, um ihre Haltungen und Forderungen zu immunisieren. An Hochschulen und in Dialogkreisen treten sie als normale Muslime auf, suchen die Nähe zu kirchlichen und politischen Akteuren bzw. insbesondere an Unis auch zu linken Gruppen über die religiöse Vereinnahmung postkolonialer, anti-imperialistischer und feministischer Diskurse.
Auf ein solches kollektivistisches Agieren, die auf Ideologie basierende lokale Selbstorganisation und Selbstermächtigung, aber auch nicht bekennende Strukturbildung, sind auf Individualität und Individualrechte fokussierte Gesellschaften nicht eingestellt. Es wird also Aufgabe sein, normalen Muslimen ihre gleichen Rechte zu ermöglichen und zu erleichtern, gleichzeitig aber kollektivistisch agierenden politischen Gruppen Einhalt zu gebieten. Das kann man nur durch genaues Hinschauen, mit wem man es zu tun hat, bewerkstelligen.
* Bei der Sira handelt es sich um die Biographie des Religionsbegründers.