Wer braucht schon Belege? II

Über den Artikel im aktuellen Spiegel „Ein Imam und 40 Thesen“

Der Untertitel des Artikels lautet:

Der Berliner Senat steht in der Kritik, weil er mit einer Moschee kooperiert, die als extremistisch gilt. Fällt die deutsche Politik auf Radikale herein?

Zentriert werden im Artikel die unterschiedlichen Haltungen zu einer Berliner Moschee, der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS). Da ist einmal der Imam dieser Einrichtung, Taha Sabri, und dann der Freiburger Professor Abdelhakim Ourghi. Sabris Einrichtung wird im Verfassungsschutzbericht des Landes Berlin seit einigen Jahren erwähnt (s. auch Beiträge auf diesem Blog seit März 2016). Ourghi verfasst auch Bücher und Artikel und hatte vor einigen Wochen medienwirksam versucht, „40 Thesen“ an dieser Moschee anzubringen.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2017/10/abdel-hakim-ourghi-dar-as-salam-moschee-thesen-reform-des-islam.html

Zu Ourghi:

https://de.wikipedia.org/wiki/Abdel-Hakim_Ourghi

Der Beitrag wird, dem Titel entsprechend mehr als Streit zwischen zwei Männern, Muslimen, dargestellt, andere Akteure wie der Verfassungsschutz Berlin, bleiben eher diffus und Beiwerk.

Auf der ersten Seite heißt es:

Der Konflikt der beiden Muslime ist eines der irritierendsten Kapitel, die es derzeit in der innerislamischen Debatte gibt – und er zeigt, welch ambivalente Figuren dort den Ton angeben.

Den Imam (keine Bezeichnung, die eine Ausbildung erfordert) einer unter Beobachtung stehenden Einrichtung und einen Hochschullehrer auf eine Ebene zu hieven, sie beide als „ambivalente Figuren“ zu bezeichnen, schon das erfordert im einen Fall erhebliches upgraden und im anderen Fall alles beizuziehen, was evtl. ein wenig nach unten zieht. Schon diese skizzierte Ausgangslagegrenzt im einen Fall an Schönfärben, im anderen Fall an Rufschädigung. Und sei es nur über eine Kollegenmeinung, Ourghi „meide einen ernsthaften Dialog mit Fachkollegen“. Das profanisiert den angenommenen Status eines Hochschullehrers doch erheblich, isoliert ihn sozusagen selbstverschuldet von der Fachwelt. Ist das so? Parallel wissen Dialogführer und Filmemacherinnen nur Gutes über Sabri zu berichten. Auch diese letztgenannten Damen fanden nichts Gehaltvolles negatives, man wollte wohl schöne Bilder und nur das (s. Beitrag „Ein Werbefilm für Taha Sabri“ auf diesem blog).

Öffentliche Meinung Bild: Eigene Grafik

Ob man es noch Journalismus im herkömmlichen Sinne nennen kann, wenn besonders gehaltwvolle Quellen, obwohl auf sie durchaus Bezug genommen wird, nicht genannt werden, mögen Journalisten beurteilen. Hatte man das Vorhaben, die Quellen, wo sich die meisten aktuellen Informationen zur NBS finden, zu umgehen, weil sie kritisch sind? Indem man nur die Meinungen einholte, gegen die man leicht ein paar Gegenmeinungen stellen konnte? Die Eigenmeinungen Matars und Sabris, eine Islamwissenschaftlerin, die Ourghi ein „paternalistisches Verhalten“* vorhielt, Kelek und Schröter, ein „Landespfarrer für den interreligösen Dialog“, Orghii selber, zwei Filmemacherinnen (die Sabri seit 2013 nach eigenen Angaben kennen**). Alles wird gegeneinandergestellt, aufgewogen. Klare kritische Punkte werden in einem „Expertenstreit“ aufgelöst, deren eine Seite nur seine persönliche Meinung kundtut. Meinung über und noch mehr Meinung.

Die Umgehung der ergiebigsten, aber kritischen Quellen geht bis hin zur halben Falschbehauptung, Weiterlesen

Gegenrealität und ihre Medien

Islamische Medien: konzertierte, aber kleine Aktion

An der Frage, ob die Einladung des jungen Imams der Neuköllner Begegnungsstätte, Mohamed Matar, bei der Gedenkfeier für die Opfer des Berliner Terroranschlags angemessen war, scheiden sich derzeit die Geister. Während ein jüdischer Verband sich dort klar bekennt und kritisiert, halten kirchliche Akteure aus Berlin gegen. In der Kritik steht nicht nur der Imam, der sich in problematischer Weise öffentlich präsentiert, wie die BILD-Zeitung feststellt:

http://www.bild.de/politik/inland/islamismus/experte-kritisiert-radikal-imam-54312298.bild.html

sondern auch die Neuköllner Begegungsstätte (NBS), die seit Jahren im Berliner Verfassungsschutzbericht erwähnt wird und dort als Einrichtung der Muslimbruderschaft geführt wird.

Über den Fall berichteten neben der BILD die WELT, der Spiegel, der Focus, die B.Z. sowie Schweizer Medien.

Seit heute sind jedoch auch einige Artikel aus islamischen Medien verfügbar:

Doch, Mohamed Matar ist ein Imam des Friedens und der Toleranz

https://www.islamische-zeitung.de/doch-mohamed-matar-ist-ein-imam-des-friedens-und-der-toleranz/

ZMD: Mehr Demokratie für alle wagen

http://islam.de/29539

Medien hetzen gegen Imam Matar

http://www.islamiq.de/2017/12/28/medien-hetzen-gegen-imam-matar/

Was nun nach einem breiten Strauß verschiedener Meinungen aussieht, ist meiner Ansicht nach weniger das Ergebnis eines unabhängigen Journalismus, sondern erscheint als politische, religiös konnotierte Aktion. Die Presse-Organe bzw. Publikationsorte seien daher kurz einzeln betrachtet.

Die Islamische Zeitung geht auf das „Weimar Institut“ zurück:

https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische_Zeitung

Das Weimar Insttut steht weiterhin unter Beobachtung:

https://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/moscheen-im-visier-des-geheimdienstes-id16254091.html

Das Weimar Institut gehört dem Islamrat an:

Klicke, um auf wd-1-004-15-pdf-data.pdf zuzugreifen

Islam.de ist als Portal eine Gründung von Aiman Mazyek:

http://www.islam.de/4710.php

Er wird dort, obwohl verantwortlich im Sinne des Presserechts nach Impressum Dipl. Inf. Ammar Alkassar, ist, als „Projektleiter“ geführt:

http://islam.de/1628.php

Aiman Mazyek ist der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD). Der Vorsitzende des ZMD kann also auf islam.de als Projektleiter schreiben, wie es scheint. Im Zentralrat ist die IGD ein Schwergewicht, s.u.

Islamiq wiederum ist Miligörus (IGMG)-nah. Die IGMG wird mancherorts ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet (lokal unterschiedlich mittlerweile, zur Beachtung!). Siehe dazu auch:

https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-islamismus-und-islamistischer-terrorismus/zahlen-und-fakten-islamismus/zuf-is-2015-islamistisches-personenpotenzial

Man beachte auch, dass im Islamiq-Artikel der Vorsitzende des Islamrats befragt wurde*, der wiederum IGMG-nah ist:

Mohamed Mattar ist ein junger Imam, der Menschen bewegen kann. Extreme Ansichten sind ihm fremd. Die Kampagne zeigt wieder einmal, dass muslimische Würdenträger und Funktionäre negativ dargestellt werden“, erklärt Kesici.

Ein reines Testimonial-Statement, das keinerlei konkreten Bezug nimmt auf die weiteren, konkreten Funde. Völlig realitätsfern, es sei denn auch Kesici findet z.B. Al Arifi und Al Qaradawi gut. Da wird – zum Vorteil Kesicis angenommen – aus einer reinen kollektiven Solidarisierung heraus gehandelt, die aber für sich genommen auch problematisch ist: Wenn der Beleg, ja er nicht einmal betrachtet werden muss vor der Solidarisierung, nichts mehr zählt, sondern nur die Meinung, dann kann der, der eigenen Gruppe angehört, nichts (mehr) falsch machen, der, der einer anderen Gruppe zugehörig erachtet wird, im Dissens nichts (mehr) richtig. Dann geht es nur nach Zugehörigkeiten. das ist im übertragenen Sinne „my country, right or wrong“.

Wie kann dies nun alles zusammenhängen?

Ein paar vereinfachte (es wurden nur größere Strukturen berücksichtigt; dies ist keine Fehldarstellung, sondern eine Konzentration) Schaubilder mögen dies verdeutlichen. Zunächst die Struktur des Koordinationsrats der Muslime (KRM) in Deutschland:

 

Quelle: Eigene Darstellung

Dann der Zentralrat (Verkürzung, kleinere Strukturen sind weggelassen!) Weiterlesen

Die Kette der guten Meinungen

Meinungen und weiterer Faktencheck zur Debatte um den Imam auf der Berliner Gedenkfeier zu dem Amri-Attentat

In „NBS: Zurück in die Zukunft II“ war bereits darauf eingegangen worden, welche Bezüge Mohamed Matar selber zu sich angibt und welche Ausbildung er aufführt. Das wäre an sich ohne Belang, würden derzeit nicht vielfach Testimonial-Einstufungen, die auf persönlichen Kennverhältnissen beruhen, einer fachlichen Einschätzung, wie sie z.B. der Verfassungsschutz liefert, entgegengestellt. Insofern sind auch weitere Eigenbehauptungen, die von Testimonials nicht geprüft werden, aber als Fakten hingenommen und kolportiert werden, zu prüfen. Das ist auch deshalb notwendig, weil sich rund um das Thema eine Debatte zwischen Medien bzw. ihren Vertretern abspielt, die weniger mit den Belegen, denn dem allgemeinen Ruf dieser Medien zu tun hat.

Matar, der bei der Gedenkfeier für die Opfer des Terroranschlags am Breitscheidplatz gesprochen hatte, war in den letzten Tagen Gegenstand der Berichterstattung gewesen:

http://www.deutschlandfunk.de/breitscheidplatz-kirche-verteidigt-imam-auftritt-bei.1939.de.html?drn:news_id=830532

https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/so-islamistisch-ist-der-radikal-imam-mohamed-matar

Auch zwischen berichtenden Medien wie BILD und Spiegel bzw. befassten Journalisten entspann sich eine lebhafte Debatte auf Twitter, die nicht ganz frei von spitzen Anmerkungen auf der einen und Vertrauensbekundungen auf der anderen Seite war. In einem dieser threads fand sich die Aussage des Spiegel-Redakteurs Christoph Sydow, der einen kurzen Artikel über Matar beigesteuert hatte:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/breitscheidplatz-trat-beim-gedenken-wirklich-ein-radikaler-imam-auf-a-1184734.html

Sydow erklärte hier seine Sicht auf die like-Liste Matars:

Sydow hat Islamwissenschaften studiert. Seine like-Liste sieht gänzlich anders aus. Er sollte auch eigentlich wissen, dass das keine normale Liste ist. Sein Kollege Gathmann wiederum verteidigt ihn gegen eine spitze Anmerkung Julian Reichelts von der BILD:

Das ist nachvollziehbar, Gathmann hatte nämlich am 23.12. Sydows Artikel als ein besonders feines Stück Journalismus gepriesen:

 

Dann ergriffen einige Nutzer Partei vor allem auf der Spiegel-Seite. Keiner von ihnen hatte wohl die Belege, die bei der BILD vorlagen, auch nur angesehen oder sich weitergehend informiert. An den zum Teil recht derben Tweets war erkennbar: Sie gingen einfach von ihrer bestehenden Meinung über Weiterlesen

Frankfurt – Berlin: Kurze Wege

NBS, I.I.S. und ihre ähnliche Doppelstrategie

Seit einiger Zeit tritt für die Pressearbeit der Neuköllner Begegnungsstätte eine eigene Pressesprecherin auf, Frau Juanita Villamor-Meyer. Sie gibt z.B. solche schönen und freundlich-verbindlich scheinenden Interviews wie hier im August. Da ist alles schön und warm, die NBS ein Opfer finsterer Verfasssungsschützer, die wegen der Nennung im Verfassungsschutzbericht natürlich verklagt werden sollen:

Mehr Religion als Mittel gegen Terrorismus? Und dann genau dann natürlich die eigene Variante? Spannend.

Frau Villamor-Meyer wird auf der Seite der NBS direkt aufgeführt:

http://www.nbs-ev.de/kontakt/2-pressekontakt

Frau Villamor-Meyer war einem größeren Publikum erstmals im Frühjahr bekannt geworden:

 

Dazu:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/03/30/berlin-verkennungen-einer-begegnungsstaette/

Auch in der aktuellen Frage übernimmt sie für die NBS die Kommunikation mit der Presse:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/12/24/nbs-zurueck-in-die-zukunft-iii/

Vorher war Frau Villamor-Meyer für das „Berliner Forum für Religionen tätig“:

Klicke, um auf villamor-meyer-170330-verein-e28093-berliner-forum-der-religionen.pdf zuzugreifen

Auf der Seite der „franziskanische Initiative 1219. Religions- und Kulturdialog e.V.“ zeichnete sie die guten Wünsche zum Jahreswechsel 2015/6 mit

http://1219.eu/gruesse-zu-weihnachten-und-zum-jahreswechsel/

Der Mitzeichner Dr. Thomas Schimmel ist einer derjenigen, die sich derzeit vehement für die NBS und auch Herrn Sabri persönlich einsetzen. Dies geschieht, in dem man zum Beispiel Journalisten, die ihren Job machen und kritische Fragen – die mehr als berechtigt sind – stellen, persönlich angeht mit „Offenen Briefen“. Diese Briefe stellen genau die in

https://vunv1863.wordpress.com/2017/12/24/nbs-zurueck-in-die-zukunft-iii/

beschriebenen Manöver dar. Es wird angegangen, die Berichterstattung angeprangert und dann eine dicke neue Schicht Marketing drübergepinselt. Das Wahre soll hinter dem vielen, angeblich Schönen und Guten zum Verschwinden gebracht werden. Potemkin in der live-Schalte.

Schaut man bei Frau Villamor-Meyer noch weiter zurück, so wirkte Frau Villamor in den Jahren zuvor in Hessen: Weiterlesen

Frauennetzwerke unter Beobachtung

In einer aktuellen Stellungnahme weist Burkhard Freier, der Chef des Verfassungsschutzes NRW, auf bestehende Frauen-Netzwerke hin:

Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein sogenanntes Schwestern-Netzwerk mit 40 Frauen im Blick“, sagt Freier. Dieses Netzwerk habe ein komplettes salafistisches Programm im Angebot – von der Kindererziehung über das Kochen und die Interpretation von Religionsvorschriften bis zur Hetze gegen „Nichtgläubige“. Das Salafistinnen-Netzwerk werbe und missioniere aggressiv im Netz, sagte Freier.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/salafisten-verfassungsschutz-in-nrw-nimmt-islamistische-frauen-ins-visier-a-1185053.html

Quelle: Fb-Profil einer Islamistin

Dass es Frauen-Netzwerke gibt, ist lange bekannt. Vielleicht nicht dieses konkrete Netzwerk, aber verschiedene, lokal oder aufgründ ihrer gemeinsamen Auslegung begründete Zusammenschlüsse. Das hängt mit der islamischen Geschlechtertrennung zusammen. Besonders glaubensstrenge Frauen stellen in der Nutzung ihrer sozialen Medien-Accounts sofort klar, dass Freundschaftsanfragen von „Brüdern“ nicht erwünscht sind. Das wird über Pictogramme oder auch explizit zum Ausdruck gebracht.

Hier auf dem blog wurde bereits mehrfach auf Ausprägungen und Handlungsmuster der weibliche Szene hingewiesen:

https://vunv1863.wordpress.com/category/frauen/page/4/

An weiblichen Aktivitäten gibt es einen ganzen Strauß an abgesonderten Möglichkeiten: Weiterlesen

NBS: Zurück in die Zukunft III

Über einen „Radikal-Imam“, die NBS und ihre Testimonials

Nach der Gedenkfeier zum Jahrestag des Anschlages am Breitscheidt-Platz fanden einige erhitzte Diskussionen statt. Wie schon bei einer kleineren Feier zuvor waren Vertreter eines politischen Islams zur Andacht geladen worden. Konkret handelte es sich um Vertreter von Einrichtungen, die vom Berliner Verfassungsschutz einem muslimbrudenahen Milieu zugeordnet werden. Bei vielen Personen, die wahrnahmen, dass es sich bei hervortretenden „muslimischen Vertretern“ bei dieser Feier mitnichten um liberale Muslime, sondern vielmehr um legalistisch agierende Personen und Verantwortungsträger  von derartigen Vereinen handelte, sorgte diese Einladung für Kopfschütteln und manche Entrüstung: Wie um alles in der Welt kann man Personen, die einem islamistischen Weltbild anhängen, zu einer Trauerfeier für Opfer islamistischen Terrors laden?

Während die Medien im Allgemeinen darauf eher nicht eingingen, ging ein Artikel in der BILD etwas zeitverzögert mehr in die Tiefe. Genau der Punkt wurde betrachtet: Die anwesenden Imame wurden nicht nur in ihrer Selbstdarstellung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch in ihren anderen Aktivitäten zur „eigenen Community“ hin betrachtet. Die BILD stellte einer geneigten, ziemlich paternalistischen Sicht auf die Bevölkerung und diese Muslime einen Rundumblick, wenigstens aber eine Ergänzung entgegen.

Die Aufregung war danach groß, denn schon die Überschrift reizte den Widerspruch der PRO-Fraktion aus. Der Mangel des BILD-Artikels war, dass er die Fülle der neuen Belege und Hinweise gar nicht darstellen, ja noch nicht mal erahnen lassen konnte.

Allerlei Fürsprecher für die Neuköllner Begegnungsstätte, den Imam Taha Sabri und auch den jungen Imam, Mohamed Matar, meldeten sich nun zu Wort. Weniger in einer faktenorientierten Weise, die die schon von der BILD vorgebrachten Belege würdigt, sondern sie stellten ihr Bild, das im Wesentlichen der gewünschten Selbstdarstellung der Protagonisten entsprach, einfach dagegen. Es wurde also nicht aufgelistet, dass dieser oder jener Beleg sie nicht überzeugt hätte und warum, sondern sie setzten einfach ihre Realitätswahrnehmung dagegen und meinten wohl, dass derjenige, der mehr Medienmacht aufbauen könnte, die Realität nach eigenen Wünschen konstruieren könne. Beim RBB wurde, siehe dessen Stellungnahme, ähnlich verfahren.*

Diese Methode kommt ganz ohne Sachkenntnis und ernsthafte Debatte aus. Man diskreditiert einfach denjenigen, der eine Feststellung trifft, wie den Berliner Verfassungsschutz, indem man z.B. allerlei Fragwürdigkeiten aus der Vergangenheit auflistet, die diesem noch nicht einmal direkt zuzurechen sein müssen. Diffuses Gemunkel reicht durchaus aus. Dann führt man all die schönen Dinge vor, die man zu berichten weiß. Mit diesem Verfahren findet also keine echte Sachdebatte um Kritikpunkte mehr statt, sondern es wird mehr auf Marketing und Lobbytätigkeiten gesetzt. Das Bemerkenswerte ist, dass die meisten der Lobbyisten dadurch sichtbar wurden, dass nur ein Teil der Belege zunächst angeführt wurde. Da glaubte man wohl (noch), obsiegen zu können mit ein wenig Marketing und Ablenkungen.

Es meldeten sich ein „Leadership Berlin“ Netzwerk, eine Franziskaner-Initiative mit dem Projekt „Lange Nacht der Religionen“ und der evangelische Pfarrer Germer zu Wort. Beim letzten größeren Eklat (bei Constantin Schreibers „Moschee-Report“) hatte sich ja schon das „Berliner Forum der Religionen“ mit seiner Pressesprecherin Villamor-Meyer vor die NBS gestellt. Diese Dame scheint jetzt gleich ganz zur NBS gewechselt zu sein. Hier nun einige Stellungnahmen, man macht sich die jeweiligen Sichten der anderen Teilnehmer zu Eigen:

 

und die „Lange Nacht der Religionen“: Weiterlesen

NBS: Zurück in die Zukunft II

In Teil I war es um aktuelle Entwicklungen in und um die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) gegangen:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/12/21/nbs-zurueck-in-die-zukunft/

In diesem Artikel war ein neues Gesicht vorgestellt worden, das einige Male schon für die NBS stand. Der EIHW-Student* Mohamed Matar wirkte als Vertreter dieses Vereins.  Bei Matar zeigt sich nach meiner Meinung in archetypischer Art und Weise die „doppelte Buchführung“ legalistischer Islamisten einmal zur Mehrheitsgesellschaft und zur „eigenen“ Community hin.

Auf der einen Seite betont er im Video unten, dass er „ausgebildeter Kriminalkomissar mit Staatsexamen“ sei und eine Verwaltungsschule mit Studien-Inhalten wie Staatsrecht etc. durchlaufen habe, also Dipl. Verwaltungswirt sei (andernorts). Er gibt im Alter von 25 Jahren damals an, er habe eine „zweijährige Umorientierungsphase“ durchlaufen (man könnte da einmal zusammenzählen):

http://erfolgreichundmuslim.com/interview-mit-mohamed-matar-dipl-verwaltungswirt-student-islamwissenschaften/

Update 25.12.2017, 23:30: Diese Seite wurde anscheinend entfernt, es kommt nur noch 404. Deswegen die zu Beleg- und Dokumentationszwecken gespeicherte Version hier:

Interview mit Mohamed Matar – Dipl. Verwaltungswirt & Student Islamwissenschaften (Lesezeit 3,5 min

 

Er stellte bei Auftritten in der Mehrheitsgesellschaft diese Seite seiner Person ausgiebig zur Schau. In dem Verein JUMA e.V.** ist er nach eigenen Angaben Gründungs- und Vorstandsmitglied:

Jumas bringen sich beim CDU Forum für Integration ein

Zu JUMA:
Vor­aus­set­zung für die Teil­nahme ist, dass die Jugend­li­chen zwi­schen 17 und 25 Jah­ren alt sind und sich auch über ihre isla­mi­sche Iden­ti­tät defi­nie­ren.“

Was ist JUMA

Die „islamische Identität“ erscheint eher als primärer Aspekt, der durch dieses Projekt womöglich weiter angehoben wird in der persönlichen Gewichtung. Auf die Vorselektion erfolgt eine weitere Priorisierung der religiösen Identität, wie es scheint. JUMA und seine Aktiven haben wahrscheinlich beste Verbindungen in die Politik und die Stiftungslandschaft, schon alleine, weil es wohl auch prominente weitere Gründungsmitglieder gibt. Es wäre also für eine Person, die in muslimbruderähnlicher Weise vorgeht, sehr nützlich, in diesem Verein tätig zu werden.

Zur Mehrheitsgesellschaft hin also ein vielfach lobenswert engagierter junger Mann, dessen andere Einbindungen und Betätigungen Akteure aus der Mehrheitsgesellschaft schlicht meist nicht einordnen können, ja, sie oft nicht einmal kennen werden. „Europäisches Institut für Humanwissenschaften, ist das was mit Ethnologie oder Anthropologie?“ hört man solche Akteure förmlich grübeln. Da sie ohne Belesen nicht auskämen und sie das meist nicht tun, bleibt es also bei dem gewünschten Eindruck. Da kann man mit Freiundlichkeit und Höflichkeit punkten und genau das wird der Herr Matar sicher tun. Ich glaube fest daran, dass er in diesen Kontexten vorzügliche Manieren an den Tag legt.

Schaut man hingegen einmal genau nach, bietet sich eine etwas andere Aussicht.

Aus den „Erfolgreich und Muslim“-Angaben:

jahrelang stellvertrender Vorsitzender des Islamischen Jugendzentrums Berlin

Zum Islamischen Jugendzentrum Berlin (IJB) aus dem Berliner Verfassungsschutzbericht 2016, das ist eine weitere verfassungsschutzrelevante Organisationsstruktur:

Diese werden von dem „Islamischen Jugendzentrum Berlin e.V.“ (IJB)*** seit 2012 veranstaltet und koordiniert.45 Die IJB bewarb eine Veranstaltung am 17. Juli in den Räumen des IZDB, um die Schulabschlüsse muslimischer Jugendlicher zu feiern und kooperierte bei der Durchführung mit allen Vereinen in Berlin sowie mit der IGD. Als gemeinsame Veranstalter fungierten IGD**** und IJB bei der Durchführung der „YouCon“, einer islamischen Jugendkonferenz, die am 24. und 25. Dezember im IZDB stattfand. Das IJB und die NBS führten gemeinsam eine „Winterhilfe“ für Bedürftige während der Kälteperiode durch, bei der die Helfer Warnwesten mit den entsprechenden Vereinsemblemen trugen.

Herr Matar ist also seit vielen Jahren in einschlägigen Kreisen unterwegs, aktiv und verantwortlich.
In dem gestrigen Beitrag war schon seine Verehrung für einen international bekannten Weiterlesen

NBS: Zurück in die Zukunft

Zur NBS, eine Fortschreibung zu Reaktionen und dem neuen Gesicht der NBS

Zur Neuköllner Begegnungsstätte ist schon einiges auf diesem blog geschrieben worden. Von der ersten Sitzung des Fatwa-Ausschusses bis hin zu weiteren Besuchen von Muslimbruderfunktionären:

https://vunv1863.wordpress.com/2016/03/18/fatwas-made-in-germany/

https://vunv1863.wordpress.com/2017/09/08/nbs-damenprogramm/

Es gibt wenige Vereine, deren Einbindungen so klar, vielfältig und auch eindrucksvoll zu belegen sind.

Nach der Berichterstattung des RBB zu wiederholten Auftritten von Hasspredigern wie

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2017/12/mansour-moschee-neukoelln-a-arifi-seyam-sabri-mueller-.html

gab es verschnupfte Reaktionen seitens der NBS, deren Stellungnahme ausdrücklich zum Lesen und zur Kenntnisnahme empfohlen wird, damit die Sicht der NBS auch hinreichend Wahrnehmung findet:

http://www.nbs-ev.de/presse/nbs-pressemitteilungen

Die aktuelle Pressemitteilung zur Berichterstattung kommt nicht ohne Verschwörungstheorien aus:

„[…]Derzeit läuft eine Klage der Neuköllner Begegnungsstätte gegen den Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hinsichtlich der aus unserer Sicht ungerechtfertigten Aufführung im Verfassungsschutzbericht. In seiner nicht öffentlichen Klageerwiderung hat der Verfassungsschutz vor 4 Wochen den Besuch im Jahr 2009 von zwei Islamisten in der Moschee benannt und uns um Stellungnahme gebeten. Kaum hatten wir diese Stellungnahme über einen Anwalt vor Gericht eingereicht, gelangten diese Fragen und Bilder zu dem Besuch der beiden Islamisten in der Moschee an den rbb-Journalisten[…]

Die Belege sind doch öffentlich einsehbar. Die kann sich jeder holen, wenn er weiß, wo.
Im Verlauf ist es auch erstaunlich, welche Testimonials sich zu Wort melden. Testimonials, die bei einer Berichterstattung zu konkreten Sachverhalten beklagen, dass man all das Gute, das ihnen vorgeführt wird, nicht gleichzeitig auch berichte:

„[…]Interessant ist der Zeitpunkt Ihrer Veröffentlichung: Sie fällt in die zeitliche Nähe zur anwaltlichen Antwort der NBS auf eine nichtöffentliche Anfrage des Verfassungsschutzes. Diese Anfrage wurde im Zusammenhang eines Rechtsstreits zwischen NBS und Landesverfassungsschutz gestellt. Dabei geht es um die Frage, ob die NBS zu Recht im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Der in Ihrem Artikel zum Skandal stilisierte Vorgang vor acht Jahren mit einem Hassprediger und seiner kameratragenden Hilfskraft, der bei seinem Besuch in Neukölln keine vortragende Rolle innehatte, passt da gut in das konstruierte Bild einer salafistischen Moschee.
Noch interessanter ist, was in Ihrem Artikel nicht erwähnt wird und welche Schlussfolgerungen darum nicht gezogen werden […]“

http://nachtderreligionen.de/171220-2/

Man verwechselt dort deutlich Marketing und die Realität. Man übernimmt anscheinend das Marketing und gibt dies nun seinerseits für die Realität aus. Ähnlich wie bei der „Doku“ neulich über Taha Sabri wird den begründeten Vorhalten nicht nachgegangen und nur der persönliche Eindruck zentriert.

Als neues Gesicht wird nunmehr ein junger Mann als weiterer Akteur von der NBS nach vorne gebracht. Es handelt sich um Mohamed Matar.

http://www.culturaldiplomacy.de/mediacenter/index.php?mohamed-matar-nbs-moschee-kulturzentrum-1

Der junge Mann trat am Dienstag bei der Gedenkfeier für die Opfer des Terroranschlags am Breitscheidt-Platz auf:

http://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/islamismus/imam-gedaechtniskirche-54263824.bild.html?wt_eid=2151366001300531826&wt_t=2151388939700294520#_=_

Auf BILD-Nachfrage antwortete die Pressestelle, dass Matar „jegliche Form von Terror und Gewalt ablehnt, unabhängig von wem eine solche ausgeht“.“

Matar gibt zu sich an:

Ich habe 2012 ein Studium und eine Ausbildung als Kriminalkommissar absolviert, wo ich u.a. Staats- und Verfassungsrecht, Strafrecht, Kriminologie und weitere Fächer studiert habe.

Nach dem Diplom als Verwaltungswirt habe ich mich umorientiert und studiere nun seit 2 1/2 Jahren Islamwissenschaften an der FU Berlin und Islamische Studien am Europäischen Institut für Humwanwissenschaften und an der Unversität Hassan II. in Marokko und bei einigen Imāmen und Gelehrten.“

http://erfolgreichundmuslim.com/interview-mit-mohamed-matar-dipl-verwaltungswirt-student-islamwissenschaften/

Update 25.12.2017, 23:30: Diese Seite wurde anscheinend entfernt, es kommt nur noch 404. Deswegen die zu Beleg- und Dokumentationszwecken gespeicherte Version hier:

Interview mit Mohamed Matar – Dipl. Verwaltungswirt & Student Islamwissenschaften (Lesezeit 3,5 min

Das ist das in Frankfurt residierende Institut*, das vom Hessischen Verfassungsschutz der Muslimbruderschaft zugeordnet wird. Man orientiert sich nicht nur dort an den Vorgaben u.a. von Qaradawi.

Dass unter dieser Grundstimmung die Kritik wegen der Veranstaltungen mit Al Arifi & Co angeblich nicht verstanden wird, ist nicht allzu fernliegend. Für Herrn Matar sind das ja anscheinend auch alles nur gute Muslime und kritische Nachfragen und Belege versucht er mit dem modernen Begriff „haten“ umzudeuten:

„Keine Macht den Hatern […]Ich finde es fatal, wie wir in unserer Gesellschaft mit muslimischen Verantwortungsträgern umgehen. Diese Art von Schwarz-Weiß-Malerei und Freund-Feind-Schema wie es bei Sascha Adamek beim rbb und Frank Jansen beim Tagesspiegel Einzug findet, trägt eher dazu bei, dass die zweifelsfrei vorhandenen Gräben zwischen Muslimen und Mehrheitsgesellschaft vertieft werden und dass Leute wie Taha Sabri, die guten Willens sind und in positiver Weise auch zu Themen wie Homophobie, Gleichstellung von Frauen, Gewalt, Grundgesetzorientierung usw, vor den Kopf gestoßen, geächtet und diskreditiert werden. Ich halte das für den völlig falschen Weg. Natürlich darf und soll man Kritik üben an Muslimen – aber sie sollte fair und untendenziös sein!“

aus:

Nein, das ist nur die recht unverfrorene Meinungsmache der NBS-Akteure, die Hasspredigern Zugang gewähren möchten, aber dann, wenn es offenbar wird, nicht dafür geradestehen mögen oder sich verantworten.

Dazu passt, dass Matar nicht nur bei der Konstituierung des Fatwa-Ausschusses anwesend war, sondern auch auf seinem Facebook-Profil eine zeitlang Inhalte eben dieses Fatwa-Ausschusses teilte. Dass dieses Gremium berechtigt als sehr problematisch angesehen wird, sollte er bei seiner Ausbildung (die ja auf eigenen Angaben beruht) eigentlich wissen. Das scheint ihm aber egal.

Quelle: Facebook, Abruf 12.04.2016

 

Matar im Vordergrund neben Ferid Heider, dahinter Abdul Adhim Kamouss.
In dieser Reihe zwei Plätze weiter sitzt wohl Nicholas Blancho, ein bekannter Schweizer Salafist. Das Bild stammt von eben dieser Veranstaltung letzten März.

Da verwundert es auch nicht, dass der Herr Matar so seine Vorlieben äußert: Weiterlesen

Eine kurze Anmerkung zu RADAR-iTE

Heute wird in den Medien über eine neue Bewertungsmethode hinsichtlich der Einstufung islamistischer Gefährder berichtet. Das Verfahren, mithilfe dessen eine Einstufung der fraglichen Personen erfolgt, wird RADAR-ITE genannt und ist in der Erprobung. Diese Vorgehensweise wird unter Mitarbeit der Universität Konstanz entwickelt. Zwei der Berichte:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-12/terrorismus-gefaehrder-radar-ite-bundeskriminalamt

oder

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/viele-gefaehrder-in-deutschland-wohl-nicht-so-gefaehrlich-wie-gedacht-a-1183829.html

In der Berichterstattung werden die Grenzen dieses Verfahrens nicht ausreichend erkannt oder ausgeführt.


RADAR-iTE ist nur anwendbar, sofern eine Vielzahl an biographischen Daten und Auskünfte zu Handlungsweisen etc. vorliegen. Durch die Rahmenbedingungen findet bei RADAR-iTE eine Selektion aus dem Pool der geführten Gefährder statt. Diese Selektion umfasst v.a. länger bekannte Personen und Personen, bei denen aus anderen Gründen diese Daten zur Verfügung stehen.

Diese modellbedingte Vorselektion nicht wahrzunehmen, ist zwar verständlich, aber nicht sachgerecht.

Es ist weiterhin nicht sachgerecht, nun aus den Einstufungen nach RADAR-iTE zu schließen, dass die anderen Einstufungen nicht zuträfen im Allgemeinen. Die anderen Einstufungsverfahren haben andere Rahmenbedingungen und richten sich auf andere Kreise oder andere Sichtweisen. RADAR-iTE ergänzt also mehr die bisherigen Verfahren als dass es alternativ anzuwenden ist. Informationen bietet das BKA u.a. hier:

Somit stehen der Polizei nun drei standardisierte Einstufungssysteme mit unterschiedlichen Zielrichtungen zur Verfügung:

– Achtstufiges Prognosemodell: Wenn ein Sachverhalt bekannt wird, der auf ein konkretes Schadensereignis hindeutet wie beispielsweise einen Anschlagsplan durch bislang polizeilich unbekannte Personen, wird mittels eines achtstufigen Prognosemodells eine Wahrscheinlichkeitsaussage hinsichtlich des potenziellen Schadenseintritts getroffen.

– Gefährdereinstufung: Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Person in unterschiedlicher Art und Weise an politisch motivierten Straftaten beteiligen wird oder eine bestimmte Rolle in der Szene einnimmt, erfolgt eine Einstufung als Gefährder oder Relevante Person und führt zu polizeilichen und/oder strafrechtlichen Maßnahmen.

– RADAR-iTE: Mit RADAR-iTE wird eine Person, zu der eine Mindestmenge an Informationen zu Ereignissen aus ihrem Leben vorliegt, hinsichtlich des von ihr ausgehenden Risikos, in Deutschland eine schwere Gewalttat zu verüben, bewertet und einer Risikoskala zugeordnet, um darauf aufbauend Interventionsmaßnahmen zu priorisieren.

https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2017/Presse2017/170202_Radar.html

Es ist wichtig, diese unterschiedlichen Ansatzpunkte wahrzunehmen, die deshalb unterschiedlichen Ergebnisse in ihren jeweiligen Rahmenbedingungen zu beachten und nicht aus den Ergebnissen des einen Modells auf die Ergebnisse eines anderen zu schließen bzw. dessen Ergebnisse nicht in dessen Rahmen wahrzunehmen.

RADAR-iTE stellt zwar eine wichtige Erweiterung dar, sofern sie gute Prognosen liefert. Das muss sich in der Anwendung erst noch zeigen. Man kann natürlich Täterprofile und die erfolgten Taten mit den Verfahren nachvollziehen und damit testen, wie gut die prognostische Qualität dort gewesen wäre. D.h. ob die Einstufung nach diesem Modell eine verbesserte Prognose ermöglicht hätte. Die Sichten, auf die sich die aktuelle Berichterstattung bezieht, stellen genau einen solchen Schritt dar, also eine Ergänzung der polizeilichen Betrachtungsweise durch dieses neue Modell.

Wie alles eins wird

Einzelfälle und das große Ganze – über „nützliche“ Extrapolationen

Im Bereich des Islamismus besteht erheblicher Forschungsbedarf, einige wichtige Phänomene sind im Detail noch nicht strukturiert erfasst. Zu anderen wichtigen Phänomenen lässt sich jedoch aus dem Vergleich mit anderen Ländern lernen oder grundsätzliche Strategien und Haltungen aus Schriften und Reden wichtiger Akteure ableiten und herauslesen. Hinsichtlich der Radikalisierung von jungen Menschen erfreuen sich allerdings einige Forschungsfelder größerer Beliebtheit und Akzeptanz als andere. Oftmals lässt sich ja auch bei soziologischen Untersuchungen schon ahnen, welche Ergebnisse bei bestimmten Fragestellungen zu erwarten sind und wie auch Methodisches wie Fragestellung und Probandenauswahl das Ergebnis beeinflussen mag. Auch Forschung im Themenbereich Integration findet nicht im luftleeren Raum statt, sie unterliegt manches Mal der Erteilung von Aufträgen, der Zusicherung der Finanzierung und politischen Vorgaben.

Interessant war vor einigen Monaten die Auswertung der Protokolle einer Whatsapp Gruppe durch die Autoren Michael Kiefer et al.:
„Lasset uns in shaʼa Allah ein Plan machen“
Fallgestützte Analyse der Radikalisierung einer WhatsApp-Gruppe
Die Chat-Protokolle: Erste empirische UntersuchungRekonstruktion des Radikalisierungsprozesse anhand von Daten“

Auch wenn sich die Zahl der erfassten posts mit 5700 gewaltig anhört, basieren die ganzen Überlegungen, die auf diese Auswertung den Medien gegenüber erfolgten, auf den Sichten von 12 jungen Männern. So wertvoll diese Auswertung auch ist, darf man nie vergessen, dass eine solche Auswertung die Analyse einer bestimmten Gruppe in einem relativ kurzen Zeitraum ist und  Verallgemeinerungen deshalb mindestens schwierig sind. Natürlich lassen sich bestimmte Muster und Narrative erkennen, die gängig sind. Aber bei manchen Eigenschaften der Handelnden und hinsichtlich der sich entwickelnden Gruppendynamik kann man eben nicht auf alle oder auch nur sehr viele der jungen (Neo-)Salafisten Deutschlands schließen. Zumindest sollte man da insbesondere gegenüber den Medien vorsichtig formulieren. Manchem Wunsch nach Zuspitzung darf man da insbesondere als mediengewohnte Person einfach nicht nachgeben bzw. muss immer dazu erwähnen, dass das sozusagen wenige Bilder aus einem ganzen Film sind.

In einem aktuellen Bericht im Deutschlandfunk werden verschiedene Stimmen zur Radikalisierung junger Menschen unter dem Titel „Wenn aus Nazis Islamisten werden“ eingeholt. Neben Thomas Mücke werden noch Michaela Glaser und Bernd Wagner mit ihren Sichten herangezogen.

http://www.deutschlandfunk.de/radikalisierung-in-deutschland-wenn-aus-nazis-islamisten.724.de.html?dram%3Aarticle_id=406185

Solche Fälle gibt es, aber sie sind selten. Man erinnere sich an die gute Regel aus der Medizin: Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten.

So wird Thomas Mücke zitiert mit seiner Sicht auf die Jugendlichen:

Nach Identitätssuche, nach Geborgenheit, nach Gemeinschaft, nach Zugehörigkeit, nach Halt. Und auf der Basis dieser emotionalen Bedürfnisse versuchen sie dann, diese jungen Menschen, an der Szene zu halten, und erst dann beginnt der Ideologisierungsprozess.

Einmal davon abgesehen, dass es extremistische Personen fast aller Altersgruppen gibt (die nur mit unterschiedlich stark bei seinen Klienten vertreten sind und mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit gewalttätig werden) und seine Kontakt-Gruppe i.W. nur die Freiwilligen sind nebst einigen, denen die Behörden eine „Freiwilligkeit“ ernsthaft nahelegten, sind als wichtige Gründe auch Narzissmus und Sinngabe zu sehen. Die extreme Selbstaufwertung ist es, die Menschen aller Altersklassen und Bildungsstände anfällig macht, denn das Gefühl, einer gottgewollten Elite anzugehören, ist nicht zu übertreffen. Mückes Fokussierung auf die Geborgenheit macht aus Menschen, die Selbstaufwertung durch Abwertung anderer betreiben, zu reinen Opfern. Das mag anfangs mit ein Grund sein und vorkommen, aber spätestens wenn sie sich für diese Form des schnellen narzisstischen Gewinns entscheiden, sind sie keine ausschließlichen Opfer mehr. Die zunehmende soziale Isolation, die er zutreffend beschreibt, geht ja mit einer extremen Abwertung der nicht zur erwählten Gruppe gehörenden Menschen einher*. Das ist also mindestens ein unvollständiges Bild und bei Rechten würde er es wohl auch kaum so eindimensional darstellen. Zudem werden alle, die bereits ideologisiert aufwuchsen, ausgeklammert.

Zum Vergleich:
Zur Zeit sind etwa 10.800 Salafisten behördlicherseits erfasst:

http://www.faz.net/aktuell/politik/zahl-der-salafisten-auf-allzeit-hoch-15333965.html

Über die Beratungsstelle
Seit Schaltung der Hotline Anfang 2012 haben die Mitarbeitenden der Beratungsstelle Radikalisierung mehr als 3.400 Telefonate geführt.

http://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Beratung/beratung-node.html

Mehrfacherfassungen einer Person sind nicht aufgeführt, auch nicht, wenn zu einem Fall bereits BAMF-seitig mehr als ein Gespräch geführt wurde. Das ist also – sofern ich das richtig verstehe – die „Brutto-Gesprächs“-Anzahl.

Zwei Drittel „einsame Wölfe“? Sicher nicht. Auch diese Personen haben ein Umfeld, haben Familie, Kollegen, Freunde. Nur niemanden, der sich an eine staatliche Stelle wenden mag, die Wandlung überhaupt als problematisch ansieht oder dem es überhaupt auffällt, weil eben jenes soziale Umfeld genauso strukturiert ist.

Forscherin Michaela Glaser warnt davor, dass Diskriminierung junge Migranten in die Fänge extremistischer Szenen treiben könne.

Das mag vorkommen. Zentral erscheint das aber nicht. Sondern die Verlockung der Selbstüberhöhung durch eine zutiefst bösartige Ideologie. Welche Art von Diskriminierung mögen denn die tausenden foreign fighters des IS aus den muslimischen Gesellschaften erlitten haben?

Quelle: Infografik von der Soufan Group, nach RFE, Abruf 17.12.2017

https://www.rferl.org/a/where-do-is-foreign-fighters-come-from/28853696.html

Dazu auch:

Klicke, um auf Beyond-the-Caliphate-Foreign-Fighters-and-the-Threat-of-Returnees-TSC-Report-October-2017-v3.pdf zuzugreifen

Das, was Frau Glaser wiedergibt, ist vielleicht das, was Forscher bei ihren Befragungen freiwilliger Probanden als Entschuldigungs-Narrativ zu hören bekommen, in dem auch gleichzeitig der beliebte Verteidigungs-Gedanke mitschwingt. Zumindest ist dieser nicht fern. Erfährt man nämlich keine Diskriminierung als Person, so ist spätestens die angebliche weltweite Unterdrückung aller Muslime eine wohlfeile Erklärung für geneigte und gutwillige Personen. Das erklärt aber z.B. nicht, dass bei weniger als der Hälfte der Einwohner z.B. Saudi-Arabien ca. dreimal so viele „Gotteskrieger“ stellte. Was wohl deren Motiv gewesen sein mag? Wie passt dies in die Herleitungen dieser Art?

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