Heute wird in den Medien über eine neue Bewertungsmethode hinsichtlich der Einstufung islamistischer Gefährder berichtet. Das Verfahren, mithilfe dessen eine Einstufung der fraglichen Personen erfolgt, wird RADAR-ITE genannt und ist in der Erprobung. Diese Vorgehensweise wird unter Mitarbeit der Universität Konstanz entwickelt. Zwei der Berichte:
oder
In der Berichterstattung werden die Grenzen dieses Verfahrens nicht ausreichend erkannt oder ausgeführt.
RADAR-iTE ist nur anwendbar, sofern eine Vielzahl an biographischen Daten und Auskünfte zu Handlungsweisen etc. vorliegen. Durch die Rahmenbedingungen findet bei RADAR-iTE eine Selektion aus dem Pool der geführten Gefährder statt. Diese Selektion umfasst v.a. länger bekannte Personen und Personen, bei denen aus anderen Gründen diese Daten zur Verfügung stehen.
Diese modellbedingte Vorselektion nicht wahrzunehmen, ist zwar verständlich, aber nicht sachgerecht.
Es ist weiterhin nicht sachgerecht, nun aus den Einstufungen nach RADAR-iTE zu schließen, dass die anderen Einstufungen nicht zuträfen im Allgemeinen. Die anderen Einstufungsverfahren haben andere Rahmenbedingungen und richten sich auf andere Kreise oder andere Sichtweisen. RADAR-iTE ergänzt also mehr die bisherigen Verfahren als dass es alternativ anzuwenden ist. Informationen bietet das BKA u.a. hier:
„Somit stehen der Polizei nun drei standardisierte Einstufungssysteme mit unterschiedlichen Zielrichtungen zur Verfügung:
– Achtstufiges Prognosemodell: Wenn ein Sachverhalt bekannt wird, der auf ein konkretes Schadensereignis hindeutet wie beispielsweise einen Anschlagsplan durch bislang polizeilich unbekannte Personen, wird mittels eines achtstufigen Prognosemodells eine Wahrscheinlichkeitsaussage hinsichtlich des potenziellen Schadenseintritts getroffen.
– Gefährdereinstufung: Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Person in unterschiedlicher Art und Weise an politisch motivierten Straftaten beteiligen wird oder eine bestimmte Rolle in der Szene einnimmt, erfolgt eine Einstufung als Gefährder oder Relevante Person und führt zu polizeilichen und/oder strafrechtlichen Maßnahmen.
– RADAR-iTE: Mit RADAR-iTE wird eine Person, zu der eine Mindestmenge an Informationen zu Ereignissen aus ihrem Leben vorliegt, hinsichtlich des von ihr ausgehenden Risikos, in Deutschland eine schwere Gewalttat zu verüben, bewertet und einer Risikoskala zugeordnet, um darauf aufbauend Interventionsmaßnahmen zu priorisieren.“
https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2017/Presse2017/170202_Radar.html
Es ist wichtig, diese unterschiedlichen Ansatzpunkte wahrzunehmen, die deshalb unterschiedlichen Ergebnisse in ihren jeweiligen Rahmenbedingungen zu beachten und nicht aus den Ergebnissen des einen Modells auf die Ergebnisse eines anderen zu schließen bzw. dessen Ergebnisse nicht in dessen Rahmen wahrzunehmen.
RADAR-iTE stellt zwar eine wichtige Erweiterung dar, sofern sie gute Prognosen liefert. Das muss sich in der Anwendung erst noch zeigen. Man kann natürlich Täterprofile und die erfolgten Taten mit den Verfahren nachvollziehen und damit testen, wie gut die prognostische Qualität dort gewesen wäre. D.h. ob die Einstufung nach diesem Modell eine verbesserte Prognose ermöglicht hätte. Die Sichten, auf die sich die aktuelle Berichterstattung bezieht, stellen genau einen solchen Schritt dar, also eine Ergänzung der polizeilichen Betrachtungsweise durch dieses neue Modell.