Über eine Anhörung im Düsseldorfer Landtag – eine Einordnung
Gestern fand eine Anhörung im Innenausschuss des Landes NRW statt. Gegenstand der Anhörung sollte eine Information der Ausschussmitglieder zu dem Präventionsprogramm gegen Salafismus des Landes sein. Dem Projekt „Wegweiser“ gehören landesweit etliche Beratungsstellen an, die sich in unterschiedlicher Trägerschaft befinden. Da es mehrere Träger gibt, muss sich eine nicht damit dauernd befasste Person erst einmal einen Überblick verschaffen, wer da agiert. Konkreter Anlass war eine Planung, wonach das Programm finanziell verstetigt werden sollte.
Eine Verstetigung ist prinzipiell nichts Schlechtes. Nur sollte man nur solche Programme oder die konkrete Ausführung verstetigen, die entweder konzeptionell solide sind bei Neubetrauung eines Trägers oder – sofern der Träger schon länger in der öffentlichen Förderung ist – ein erfolgreiches Agieren nachweist. Der reine Nachweis, man habe die öffentlichen Mittel dem Zweck entsprechend verwandt, kann da nicht ausreichen. Der Zweck muss auch erfüllt werden. Die Verwendung von Landesmitteln ist nämlich in der Landeshaushaltsordnung NRW (LHO) so gefasst:
„§ 6
Notwendigkeit der Ausgaben und
Verpflichtungsermächtigungen
Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind nur die Ausgaben und die Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben in künftigen Jahren (Verpflichtungsermächtigungen) zu berücksichtigen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind.“
„§ 7
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit,
Kosten- und Leistungsrechnung
(1) Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
(2) Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen.
(3) In geeigneten Bereichen ist eine Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen.“
siehe:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=3920031009101837119
Die Notwendigkeit der öffentlichen Förderung von Maßnahmen gegen nicht nur religiös legitimierten Extremismus ist sicherlich unstrittig. Dem Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot genügen jedoch nur solche Maßnahmen, die auch geeignet sind, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen. Dazu muss ein Erfolg der Maßnahmen entweder (sofern sie in der Zukunft liegen) über vernünftigen Zweifel erwartbar sein oder (sofern sie in der Vergangenheit liegen) ein Erfolg, d.h. nicht nur Zweckerfüllungswille, sondern auch ein realer Erfolg, nachweisbar sein. Unabdingbar ist an diesem Punkt, vorher als öffentliche Hand zu definieren, was als Erfolg einer Maßnahme gelten soll. Wenn das bei einem Bauwerk beispielsweise noch recht einfach ist (aber auch schief gehen kann, siehe manche öffentliche Großprojekte), ist das bei einer Dienstleistung, die sich auf Haltungen von Menschen richtet, sehr viel schwieriger. Aber auch dort gibt es Hinweise auf ein strukturiertes, professionelles Vorgehen, das zu fordern ist. Im betrachteten Feld sind das zum Beispiel die Erstellung und Erarbeitung strukturierter Hilfepläne mit der Klientel, Auflistung von durchgeführten Maßnahmen, Evaluationen, konkrete Angaben, ob die Maßnahmen zum Erfolg führten oder nicht. Die Art der Durchführung muss also belegt werden und sie läßt eine Abschätzung zu, ob Maßnahmen zum Erfolg führen können – oder auch nicht. Ein reiner Abwehrzauber gegen religiösen Extremismus oder eher rituelle Handlungen, wie das Beschwören des Geistes der Völkerfreundschaft, reicht da nicht.
Das Projekt „Wegweiser“ hat jedoch diesbezüglich eine Reihe von Schwächen. Es ist sicher auch gut gemeint seitens der politischen Akteure, die es initiierten. Die Frage jedoch, ob es seitens der Fördermittelnehmer auch gut ausgeführt wird, d.h. die geförderte Leistung auch erfolgreich erbracht wird, ist weniger leicht zu beantworten. Dazu hätten seitens der öffentlichen Hand erst einmal Standards mit den Fördermittelnehmern vereinbart werden müssen, die die Zweckerfüllung auch belegen jenseits der Zweckerfüllungsabsicht.* Dazu hätte man Ziele der Zweckerfüllung definieren müssen, was wohl im Wesentlichen unterblieb. Man wollte ein Angebot bereitstellen für Information, Prävention und Deradikalisierung. Das hat man. Aber welche Erfolge man bei letztgenanntem Punkt, also da, wo es kritisch wird, erzielte, ist ganz unklar. Evaluationen fehlen breit, wie auch in einer Übersichtsarbeit des Nationalen Zentrums für Kriminalprävention erfasst wurde.
http://journals.sfu.ca/jd/index.php/jd/article/view/105/88
Zu dieser Arbeit:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/09/09/metamagie/
Daran mangelt es auch bei Wegweiser, wie aus einer Antwort der NRW-Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen Verena Schäffer hervorgeht:
Klicke, um auf MMD17-469.pdf zuzugreifen
Das Wegweiser Programm wird ja immer als erfolgreich bezeichnet. Wenn der Erfolg jedoch – zumindest in einem Teilbereich – gar nicht definiert wurde? Papier und Pixel sind geduldig und es spielen eine Reihe von Interessen eine Rolle, das Programm auch jenseits des Faktischen als erfolgreich zu bezeichnen: Die der politischen Entscheider, die Tatkraft demonstrieren möchten, und die der Fördermittelnehmer, die natürlich gerne immer mehr Geld haben wollen. Wenn der Fördermittelgeber den Erfolg nicht ausreichend definierte, kann man als strategisch denkender Akteur auch auf die Idee kommen, selber zu definieren, was der Erfolg der eigenen Arbeit sei und dann versuchen, das gemeinsam mit anderen Leistungserbringern per Interessenvertretung durchzusetzen:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/02/19/wer-schuetzt-vor-dieser-praevention/
Unter den Mitgliedern dieser Interessenvertretung sind auch Träger, die im Rahmen des Programms „Wegweiser“ Leistungen erbringen sollen. Das „Multikulturelle Forum e.V.“ etwa oder die „Aktion Gemeinwesen und Beratung e.V.“:
Wegen der Bedingungen der LHO ist jedoch der politische Akteur gefordert, die angemessene Mittelverwendung zu kontrollieren. Hier spielt herein, dass politische Akteure Generalisten sind, die schon das Feld des Islamismus nicht durchdringen können (dazu fehlt einfach die Zeit**) und nachfolgend auch mit der Beurteilung der Wirksamkeitsaussicht von Maßnahmen völlig überfordert sind. Das ist die Stunde der Experten, die ihre fachliche Sicht beisteuern.
Das sind die Fälle, in denen man Anhörungen macht. So auch hier. Bei einer Anhörung, die den Zweck haben soll, zu einer Entscheidungsfindung der Parlamentarier vor der Mittelvergabe beizutragen, lädt man zwar oftmals auch Personen oder Vertreter von Institutionen, die von einer politischen Handlung betroffen sind oder sein könnten. Dies ist jedoch stets offen darzulegen. Daneben werden neutrale Experten geladen. Sind als Experten geladene gleichzeitig Betroffene, ist auch dieses zwingend offen zu legen, weil es sich um einen Interessenkonflikt handeln könnte: Die eigenen Bezüge, hier also die finanziellen Anreize, positiv zu urteilen als Experte, müssen bekannt sein, weil nur das eine sachgerechte Wahrnehmung der persönlichen Stellungnahme durch die Parlamentarier erlaubt.
Diese Anhörung zum Programm „Wegweiser“ fand gestern statt. Geladen waren als Experten zur Beurteilung des Programms Wegweiser:
Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, FH Münster, Fachbereich Sozialwesen
Samy Charchira, Universtität Osnabrück, Institut für Islamische Theologie
Kenan Kücük, Geschäftsführer Multikulturelles Forum e.V.
Eike Schulz, Tannenbusch Gymnasium, Bonn
Dr. Marwan Abou-Taam, LKA RP
Klicke, um auf Verteiler_-_Neosalafismus_-_ohne_Adressen.pdf zuzugreifen
Für die Ausschussmitglieder wurde allerdings nicht offen gelegt, dass die beiden markierten Herren – dem Anschein nach auch vornehmlich – selber für „Wegweiser“ tätig sind. So wurde das dann auch von den meisten anwesenden Medienvertretern offensichtlich nicht erkannt:
Charchira ist Kassierer von Wegweiser Düsseldorf:
und agiert auch sonst für Wegweiser immer wieder öffentlich, beispielhaft:
http://ali-bas.de/neosalafismus-vor-unserer-haustur-einladung-zur-veranstaltung-am-11-dezember/
Herr Kücük ist mit seinem Verein auch für Wegweiser Dortmund aktiv:
https://www.wegweiser-dortmund.de/
Hier im Vereinsregister:
Zwei der fünf geladenen Experten waren also auch als Experten in eigener Sache anwesend. Ihre Darstellungen wären also unter dem Gesichtspunkt ihrer Einbindungen zu werten gewesen. Diese schwierige Abwägung aber wollte man wohl den Mitgliedern des Innenausschusses nicht zumuten und enthielt ihnen (und v.a. auch den anwesenden Medienvertretern!) daher diesen Interessenkonflikt vor. Auch die Experten selber klärten wohl nicht vorab über ihre Befangenheit auf: Das alleine zeigt, das Klarheit und Wahrheit über den Erfolg des Programms anscheinend nicht Ziel der Anhörung war. Die Anhörung sollte wohl eher den Anschein erwecken, man habe sich ernsthaft befasst.
Hätte man sich ernsthaft befassen wollen und wäre nicht nur die Ruhe und das „Glück“ der politischen Entscheider eine mutmassliche Zielgröße (das der Zuwendungsnehmer, die sich klammheimlich selbst begutachten durften, sowieso), hätte man zum Beispiel Fachkundige vom Nationalen Zentrum für Kriminalprävention geladen, die genau Präventionsprogramme hinsichtlich der nachweislichen Erfolge untersuchten. Eine solch unerhörte Klarheit hätte jedoch anscheinend den Lobbyismus im Expertengewand gefährdet. Hätte man dann doch die fehlenden Nachweisenoch nachdrücklicher, als das Abou-Taam und El-Mafaalani darlegen konnten, zur Kenntnis nehmen müssen und wäre damit im Sinne der LHO verantwortlich. Wer jedoch nichts weiß, kann auch nicht – so dem Anschein nach die eher schlichte Schlußfolgerung – zur Verantwortung gezogen werden. So leistete man lieber – anders kann man das kaum werten – Beihilfe bei der Verdeckung der Interessenkonflikte.
Das ist jedoch weder im Sinne der LHO noch der Bevölkerung. Show-Veranstaltungen, in denen sich politische Entscheider – die Informationen liegen öffentlich vor! – den Erfolg wiederum ihrer Entscheidungen bestätigen lassen, lassen nämlich neben Wahrheit und Klarheit ggf. auch Betroffene und die öffentliche Hand sowieso als Geschädigte zurück.
Neben den Zielen für die Fördermittelnehmer sollten sich die politischen Entscheider daher auch einmal über ihre eigene Zielerfüllung Gedanken machen. Schwierige Probleme darf man nicht wegloben, dafür ist man nicht gewählt. Sondern für echte Lösungen. Mögen sie auch schwierig sein, in eine dauerhafte Herausforderung münden und ihr Erfolg ungewiss sein. Das allererste Ziel muss bei allen, die Bescheid wussten, aber Ehrlichkeit sein. Die hört dann auf, wenn man Interessen verdeckt, wenn man Lobbyismus unterstützt. Wenn man Vorteile (sich selbst begutachten ohne Offenlegung) gewährt, um selber Vorteile zu erzielen (öffentliche Wahrnehmung als erfolgreiche Macher), ist die Grenze n.m.M. deutlich überschritten.
Es ist zu hoffen, dass die Ausschussmitglieder mehr Gewicht auf die guten, differenzierten und lösungsorientierten (El-Mafaalanis Ausführungen sind da wegweisend) Stellungnahmen von El-Mafaalani und Abou-Taam legen. Diese Ausführungen sind klar und zielorientiert, nicht an eigenen Interessen orientiert.
Die Klarheit ist wichtiger als (temporäres) Glück, denn nur Klarheit und Wahrheit lassen nachhaltige Lösungen such – und vielleicht auch finden.
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Da man aber wohl wie in einigen anderen Bundesländern auch – nach jahrelangem Aufschieben und Hoffen, dass such das Problem von selbst erledige – dann eilig etwas zur Verfügung stellen musste und auch seitens der politischen Akteure Aktivität und Tatkraft vorweisen können wollte, muss es dann plötzlich oftmals flott gehen. Nachdem die öffentlich finanzierte Jugendarbeit jahrelang vielerorten kaputt gespart wurde und sich viele fähige Sozialarbeiter anderen Broterwerb suchen mussten, stand man vor der Herausforderung, etwas der Bevölkerung präsentieren zu müssen, zumal sich an den Schulen schon die Probleme überschlugen. Da war dann guter Rat teier und es musste schnell was her. Doch woher nehmen, wenn man nicht zaubern aknn? Also wurde alles genommen, was für präsentabel gehalten wurde. Parallel sah man Programme in anderen Ländern scheitern (UK, Frankkreich etc.).
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… und oftmals eine entsprechend konzentrierte und priorisierte Darstellung: man kann die wichtigen Linien, Problematiken etc. in zwei Stunden darstellen, aber das muss halt jemand machen, der mit den Strukturen ausreichend vertraut ist.