In einem aktuellen Beitrag greift der BR eine Warnung des Verfassungsschutzes auf, wonach auch zurückkehrende Frauen aus den Kriegsgebieten eine Gefahr darstellen könnten:
„Das Gefahrenpotenzial von Frauen und Kindern, die aus Dschihad-Gebieten kommen, wird von uns ganz besonders gewichtet“, sagt Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.“
und weiter:
„In Einzelfällen habe es schon Frauenkampfverbände gegeben.“
Das fokussiert vielleicht zu sehr, auch wenn das zutrifft. Dass Frauen andere an der Waffe schulen könnten, ist zwar möglich, aber die Wahrscheinlichkeit, dass andere Wege vorgeschlagen werden, ist höher. Z.B. Selbstmordattentate, bei denen weltweit eine erhebliche Anzahl von Frauen verübt werden*. Das ist auch ohne längere Vorbereitung und einen genaueren Plan ausführbar. Dass auch Frauen in einer ganz anderen, todes- statt lebensbejahenden Form eine Art Emanzipation umsetzen wollen, dass sie nicht weniger fanatisch sind als Männer, zeigt ein kürzlich übersetzter Brief:
„WOMEN OF ISIS DEMAND EQUAL RIGHTS TO WAGE VIOLENT JIHAD, CLAIM TO BE GIRLS WITH THE SOULS OF MEN, ACCORDING TO LETTER
“To be brief, and without putting ourselves in the spotlight, our problem is that we are girls! But we are not like other girls! Our concerns are different from other girls… Our concern to raise the flag of ‚There is no God but Allah‘ over the shadow of our swords. Death for us is life… and life for us is Jihad!” reads the letter, which was translated by the SITE Intelligence group on Tuesday.“
Allgemein:
The Archivist: Stories of the Mujahideen: Women of the Islamic State
Frauen, die derart denken, stellen eine erhebliche Gefahr dar. Das bezieht sich jedoch nicht nur auf Rückkehrerinnen, sondern auch Frauen, die hier geblieben sind. Nur ein Beispiel für ein derartiges Denken:
Frauen spielen eine wichtige Rolle: Sie stehen für die Stabilität der Bewegung, sei es im Kampfgebiet, sei es in der Gesellschaft. Unterstützende und gleichermaßen überzeugte Frauen sorgen dafür, dass die Männer sich wegen körperlicher Bedürfnisse nicht aus der Szene begeben müssen, auch wenn das Rollenbild vorgibt, dass der Mann die wesentlichen Entscheidungen trifft. Ohne unterstützende, verfügbare Frauen in der Szene oder als familiärer support während des Gefängnisauffenthalts hätte man sicher sehr viele Extremisten weniger: Heiraten, auch Kinder kriegen, ist wesentlich und würden sich die Frauen hierzulande verweigern bzw. aggressive Islamisten schlicht verlassen oder gar nicht erst heiraten, wäre die Lage eine andere. Nicht umsonst wird von islamischen Fundamentalisten darauf gepocht, dass es kein weibliches Verweigerungsrecht gibt. Lysistrata wäre im islamischen Kontext keine Heldin, sondern eine Frau, der das ewige Höllenfeuer drohte.
[Im Folgenden Beispielbilder von Profilen, auf denen von Frauen eingestellt wird, die eine utopische Vorstellung von dem Kalifat haben bzw. dieses anderen Frauen nahelegen.]
An solchen Bildern zeigt sich die romantisierte Umdeutung von Gewalt und ihrer Heroisierung zum „Kampf gegen das Böse“, bei dem die Frauen die Männer unterstützen:
Das sind Männer nach dem Geschmack solcher Frauen:
Es gibt, wie dann weiter im Bericht ausgeführt wird, das Phänomen der Seöbstmordattentäterinnen, die in Russland auffielen und dort „Schwarze Witwen“ genannt wurden. Doch auch das greift zu kurz, denn das Phänomen ist nicht mal auf muslimische Attentäterinnen beschränkt, sondern findet sich auch bei hinduistischen Extremistinnen. Trotzdem ist das eine Form von Terrorismus, die ohne den religiösen ideologischen Bezug nicht auskommt: Er ist zugleich Legitimation und Verheißung. Utopia und Paradies locken manche Person. Das Utopia mag vertagt worden sein (man findet sich binnenkonsensuale Umdeutungen), aber die Verheißung auf das Paradies und die völlig egozentrische maximale Selbstaufwertung bleiben natürlich, so lange man sich im gedanklichen Sog dieser Ideologie befindet.
Auf die Vorstellung, dass diese Frauen ihre Haltungen wesentlich geändert haben, sollte man sich nicht fixieren. Der Kreis der Desillusionierten, die der ganzen Sache nicht nur äußerlich den Rücken kehren, dürfte kaum höher sein als bei den Männern. Und auch wenn insbesondere die Bilder mit den Kindern erbarmungswürdig wirken, sollte man sich nicht zu sehr auf diese Wirkung verlassen – die Frauen waren oft sehr wohl in der Lage, sich noch selber zu entscheiden, sich in diese Kontexte zu begeben. Sie haben das oftmals aktiv aufgesucht und der narzisstische Gewinn wurde über alles andere gestellt. Und auch der Auftritt ist nicht unerheblich: Wer im Niqab zurück will, muss sich fragen lassen, ob er wirklich mit der Ideologie gebrochen hat. Neben dem sozialpädagogischen Ansatz ist der der Sicherheit durchaus relevant.
In den Veröffentlichungen des IS wie DABIQ gab es immer wieder auch Seiten und Beiträge, die sich konkret an Frauen richteten. In Ausgabe 7 von DABIQ wird die Frau eines Pariser Terroristen, Amedy Coulibaly, interviewt. Ab Seite 50.
„My sisters, be bases of support and safety for your husbands, brothers, fathers, and sons. Be advisors to them. They should find comfort and peace with you. Do not make things difficult for them. Facilitate all matters for them. Be strong and brave. It is essential that you make all your deeds sincerely for Allah’s face and hope for His reward. Know that the Companions (radiyallāhu ‘anhum) did not spread Islam in these vast lands except with their righteous wives behind them. Do not waste your time and energy in play, futility, and what does not concern you. Learn your religion! Learn your religion! Read the Qur’ān, reflect upon it, and practice it. Nourish your love of Allah and His Messenger. It is essential for you to love Allah and His Messenger more than your own selves, your husbands, your children, and your parents. Follow the example of Āsiyah – the wife of Pharaoh – who left the Dunyā for Allah and the Hereafter although she was a queen and had the wealth of the Dunyā. She was tortured and killed because of this choice, but Allah kept her firm and raised her above many women. And all praise is due to Allah, the Forgiving and Generous. Follow the example of Maryam (‘alayhassalām) in her chastity, modesty, obedience of Allah, and truthfulness, which was one of her greatest traits, and so Allah chose her and raised her above many women. And all praise
is due to Allah, the Majestic. There were many righteous women in history, so follow their example. Be patient. Patience is a great virtue. May Allah, the Bestower, provide you with patience. The life of the believer is full of trials and tribulations. So be patient while hoping for Allah’s reward. Life is short, even
if it appears sometimes – during times of sorrow – to be long. By Allah, what awaits us is better and ever-lasting, inshā’allāh. We ask Allah for support and success. And there is no might nor power except by Allah.“
Klicke, um auf islamic-state-dabiq-magazine-issue-7-from-hypocrisy-to-apostasy.pdf zuzugreifen
Ihr Mann hatte sie nach eigenen Angaben in das Kalifat entsandt. Er wurde bei der Stürmung des koscheren Supermarkt, wo er u.a. zur Freipressung von Charlie-Hebdo-Attentätern Geiseln genommen hatte und 4 Menschen zuvor ermordete, erschossen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amedy_Coulibaly
Bei Rückkehr kann die neue Rolle darin bestehen, andere anzuleiten. Sei es Frauen für den Jihad zu gewinnen – oder die eigenen Kinder in diesem Geist zu erziehen (Beispielbild, da geht es um Mehrehe).
Besonderes Augenmerk richtet sich im BR-Bericht auf tschetschenische Frauen:
„In der Salafisten-Szene im In- und Ausland sind insbesondere Tschetschenen gut vernetzt. Der Historiker Christian Osthold hält sie für „ideologisch sehr gefestigt, was sie stark unterscheidet von Syrern oder Afghanen“. Deshalb kommt er zu der Einschätzung, dass „die gefährlichsten Terroristen aus Tschetschenien kommen“. Osthold hat umfangreiche Feldforschung im Nordkaukasus betrieben und gilt als Experte für Tschetschenien und Islamismus. Tschetschenische Clans sind in ganz Europa verstreut und halten grenzübergreifend Kontakt zueinander.“
Zur Vorgeschichte tschetschenischen Terrors aus einem Beitrag zu den Attentätern auf den Boston Marathon:
„When the Soviet Union collapsed in 1991 the Chechens fought for independence from the rump Russian state. They wanted what Ukraine, Kazakhstan, Latvia, Armenia etc. got: independence. Against all odds the Chechens achieved independence in 1996 after winning a brutal war against mighty Russia. But during the war, Arab jihad fighters from the Middle East joined the outgunned Chechens and taught them about their ancestral faith which many lost during the period of Soviet atheism. Gradually, political Islam returned to Chechnya in the late 1990s.
Then, in 1999, a small group of Chechen and Arab jihadists invaded the neighboring Russian republic of Dagestan. Russia responded with a full scale invasion. This time Russia fought more brutally than before and wiped out the Chechen capital of Grozny. As many as 200,000 Chechens died in this and the previous Chechen conflict. At the time you could see Chechen cities burning from space in google.earth pictures.“
https://www.huffingtonpost.com/brian-glyn-williams/the-missing-chechen-conte_b_3123592.html
Derweil wird in NRW, einem Bundesland das an islamistischer Vielfalt mit bundesweit führend ist, in einer Antwort auf eine kleine Anfrage über die Maßnahmen nachgedacht:
„Neben einer verstärkten aktiven Ansprache islamistischer Frauen durch das API wird beispielsweise auch Rückkehrerinnen das Angebot der Aufnahme ins API unterbreitet, um frühzeitig eine intensive Begleitung im ideologischen Distanzierungsprozess zu ermöglichen.“
Klicke, um auf MMD17-1873.pdf zuzugreifen
Was nicht betont wird: Das sind i.d.R. freiwillige Angebote für Hilfe und Bildung. Mit dem Modell von Kruglanski**, wonach bei Personen „Need, Narratives and Network“ zusammentreffen müssen, um radikale Haltungen zu erzeugen oder zu verfestigen, kann man sich das gut verdeutlichen. Man kann alternative Netzwerke bieten. Man kann Gegenarrative anbieten. Das Kernproblem besteht jedoch im Bedürfnis (Need). Personen, die sich weder als hilfsbefürftig empfinden noch als durch die Gegenangebote bildungsbedürftig sehen, haben einfach keine Notwendigkeit, sich aus ihrer Filter- und Ideologieblase zu begeben. Das wäre ein Abstieg. Denn das Selbstbild, der narzisstische Gewinn durch dieses Selbstbild ist ebenso größenwahnsinnig wie schmeichelnd: Sich zu einer auserwählten Gruppe zugehörig zu fühlen, sich über den Rest der Menschheit (auch die meisten Muslime!) erhaben zu fühlen, das ist derart nicht zu überbieten. Das wäre nur durch mehr Bedürfnis anzuregen. Da ginge n.m.M. über Sanktionen sehr viel mehr (zumal man es mit autoritär primär oder sekundär sozialisierten Personen zu tun hat). Die aber werden nicht einmal angedacht.
Das „funktioniert“ also nur bei Personen, die selber WOLLEN. Haben die keine Lust auf den Abstieg aus dem selbstgezimmerten Olymp, steht man mit leeren Händen da. Danke fürs Gespräch.
Die fraglichen Personen sehen das z.B. so. Das Angebot von Gleichheit ist für sie keine Option:
Die Angebote und Erklärungen, die meist geboten werden sind etwas, das den eigentlichen Radikalisierungs-Narrativ (u.a. Muslime als die neuen Juden, die sich zur Wehr setzen müssten. Muslime als Opfer von Medienkampagnen und ähnliche Verschwörungstheorien) eher noch befördert und befüttert.
Mit den Ansätzen wie Diskriminierungserfahrungen bearbeiten etc. kommt man an die ganz Überzeugten nicht heran. Das ist bereits Bestandteil ihres Weltbildes oder wird zwanglos inkorporiert. Selbst dann, wenn sie selber keine relevanten Diskriminierungeserfahrungen haben. Dann wird das Kollektiv bemüht, das unterdrückt wird, die Stunde antiwestlicher Narrative. Das zu verstärken, ist nicht hilfreich (wenn man auch Gerechtigkeitsdefizite, die es zuhauf gibt, aber eben nicht nur gegenüber Muslimen, bearbeiten sollte). Das ist eher etwas für Angehörige, wenn man sich keinen Rat weiß, warum Sohn oder Tochter denn nun radikal wurden, also eher für nichtmuslimische oder säkulare Eltern. Eltern, die die vergiftete Süße der totalitären Herrschaftsimagination und des maximalen Egozentrismus nicht verstehen und nicht kennen. Die sich nicht in die aus Abstand psychotisch anmutende Vorstellung hineinversetzen können, alles, all das reale Leben sei nur zur Prüfung für das wahre Leben im Jenseits gedacht. Dazu noch mal den Kernsatz aus dem newsweek-Beitrag von oben:
„Death for us is life… and life for us is Jihad!”“
Wenn man den Jihad als zentrales Moment sieht – den kann man verschiedenen ausführen. Die Umdeutungen des Begriffs sind da evtl auch nicht hilfreich (zumal die Muslimbrüder in Gestalt eines Funktionärs vor einiger Zeit auch a<n den Jihad wieder als bewaffneten Kampf erinnerten).
Es führt also wenig daran vorbei, an die Ideologie zu gehen. Ganz basal. An das Überlegenheitsgefühl. Das Selbstbild muss man mit der Realität konfrontieren, wenn man eine dürre Spur aus Brotkrumen aus dem Wald der Ideologie legen will. Die Saat des Zweifels säen. Letztendlich wird man jedoch bei den meisten scheitern wie bei allen psychischen Faktoren bei Menschen, die maßgeblich zur Selbststabilisierung dienen. Wenn die Religion zur Brille geworden ist, durch die man die Welt sieht, ist es schwierig. Wenn identitär gedacht wird, kommt man mit all der schönen angebotenen Gleichheit nicht weiter. Das ist einfach nicht genug.
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Verschiedene Hypothesen kann man mithilfe dieser Datenbank prüfen: