Predigt aus dem vergangenen Jahr – nach der Haftentlassung Lebenszeichen für Anhänger
Die 2001 verbotene Gruppierung „Kalifatsstaat“ hatte und hat in Deutschland eine erhebliche Anzahl fanatischer Anhänger. Jenseits der Hochzeiten mit über 4000 erfassten Gefolgsleuten sollen es auch heute noch über 1000 sein.:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/01/03/kalifatstaat-dependancen-weiter-aktiv/
Das geht von eher unauffällig lebenden Clans bis hin zu den Aktivisten von „Im Auftrag des Islam“, die sehr massiv die Öffentlichkeit suchen. Die Anhänger sind wohl in bestimmten Städten gruppiert.
Der Fall eines Mädchens aus Osnabrück, dessen Familie zu den Anhängern zählen soll, wurde bekannt, weil sie jahrelang mit Niqab (islamische Kopfbedeckung mit Gesichtsschleier) in der Schule erschienen ist und das geduldet wurde:
„Nach einem Bericht des „Spiegel“ sollen der Bruder und der Vater der 16-Jährigen Kontakt zum sogenannten „Kalifatsstaat“ haben, einer in Deutschland verbotenen islamistischen Organisation. Die Schülerin selber erscheint seit drei Jahren in einem Nikab zum Unterricht, einem Ganzkörper-Schleier, der nur die Augenpartie frei lässt. Das ist im Schulgesetz verboten, wird aber in diesem Fall vom Kultusministerium geduldet.
Der 20-jährige Bruder der 16-Jährigen ist dem „Spiegel“-Bericht zufolge zur Grenzfahndung ausgeschrieben. Das heißt, dass er zwar ausreisen darf, es aber dem Verfassungsschutz gemeldet wird, wenn er eine Grenze passiert. Außerdem soll er für die umstrittene Aktion „Lies!“ in der Osnabrücker Innenstadt Korane verteilt haben.„*
Auf einem youtube-Kanal der Gruppierung wird der Niqab propagiert:
Eine Kooperation zwischen Salafisten und Metin-Kaplan-Anhängern ist häufiger anzutreffen und in Göttigen z.B. nachweislich.
„In Göttingen“, erklärt Verfassungsschutz-Sprecher Frank Rasche, „ist in den letzten Jahren eine junge salafistische Szene im mittleren zweistelligen Bereich entstanden, die sich insbesondere aus der Anhängerschaft der seit 2001 verbotenen islamistischen Organisation „Kalifatstaat“ rekrutiert.“
Auch in Essen sind derartige Verflechtungen bekannt:
„Der Schonnebecker Vidam-Moschee, die sich neuerdings „Moschee Cordoba“ nennt, eilt ein zweifelhafter Ruf voraus. Ihr Imam Yalcin Icyer gilt in Sicherheitskreisen als Anhänger des Kölner Kalifen Metin Kaplan. Außerdem sagen sie ihm gute Kontakte zur Dschihadisten-Szene nach.“
https://www.waz.de/staedte/essen/schonnebecker-moschee-wirbt-mit-salafisten-id211671223.html
Der Herr Kaplan ist auch immer wieder in der Berichterstattung, hier bei einem türkischen Sender. Dabei sind in dem Beitrag auch die Bilder von einer Aktion der Sontraer Anhänger und Bernhard Falk wohl in Berlin:
Kaplan war im November 2016 vor dem Ende seiner verhängten Haftstrafe in der Türkei entlassen worden. Offizielle Begründung für die vorzeitige Freisetzung war eine schwere Krebserkrankung:
„Der als „Kalif von Köln“ bekannt gewordene Islamist Metin Kaplan (64) ist nach zwölfjähriger Haft in der Türkei auf freien Fuß gesetzt worden. Das berichtet die Online-Ausgabe der Zeitung „Hürriyet“.“
Gründe der Entlassung: Der Europäische Gerichtshof hatte erkannt, dass das Prinzip eines fairen Prozesses gegen Kaplan nicht gegeben war. Gleichzeitig ist Kaplan an Krebs erkrankt und wurde operiert.“
Das war jedoch bereits 2004 (!) angegeben worden:
„In letzter Zeit jedoch konnte Metin Kaplan seiner wöchentlichen Meldepflicht wegen seiner Erkrankung oft nicht nachkommen. Der Prediger leidet an Prostatakrebs, sein gesundheitlicher Zustand ist schlecht. Inzwischen sind nach Auskunft von Kaplans Anwältin auch Leber und Darm von Krebs befallen. […] Die Krankheit des „Kalifen von Köln“ könne zwar auch in der Türkei behandelt werden. Es stelle sich aber die Frage: „Ist Metin Kaplan reisefähig – und wenn ja, wie lange noch.“
https://www.stern.de/politik/deutschland/metin-kaplan-gefaehrlich-dumm-3074632.html
Nur einmal allgemein vom Medizinischen her**: Wenn aufgrund einer Metastasierung bereits „Leber und Darm“ befallen sind, ist man oft 14 Jahre später eingeschränkter oder bereits verstorben, bessere Verläufe kommen jedoch vor. Aber seis drum, der Kalif von Köln sendet unverdrossen:
Hier ein Interview, leider nur türkisch:
Ein Trost mag sein, dass die direkte biologisch-ideologische Erbfolge eher unwahrscheinlich ist, da der Sohn sich religiös bislang eher nicht profiliert und auch solche Schlagzeilen produziert:
„Pakete unterschlagen Kaplan-Sohn vorm Kadi […] Es waren völlig sinnlose Taten“, erklärte Verteidiger Peter Broich, „mein Mandant befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation.“
https://www.express.de/koeln/pakete-unterschlagen-kaplan-sohn-vorm-kadi-5837422
Bei Gruppierungen solcher Art wird ja durchaus dynastisch gedacht.
Wegen des nachwachsenden Personenpotentials in einigen Städten ist jedoch die Strömung auch weiterhin nicht ganz zu vernachlässigen. Sollte Metin Kaplan als geistiges Oberhaupt einmal wegfallen, wird sich sicher ein Nachfolger, ein neuer Emir der Bewegung, herauskristallisieren. Man kann durchaus spekulieren, dass das jemand aus der Sontraer Gruppe sein wird, deren Sendungsbewußtsein sehr stark ist und die die Idee eines Kalifatstaat Kaplanscher Prägung an eine junge Generation Fundamentalisten weitergeben.
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Zur Causa wurde auch der Herr Schiffauer befragt. Schiffauer ist seit langer Zeit der Ansicht, dass man gegen Islamismus eher nichts unternehme solle. So auch hier:
„Wenn es keine Probleme in der Schule gebe – warum werde der Fall dann zum Problem gemacht, fragt Islamismus-Experte Werner Schiffauer, Professor für vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Das Anlegen des Nikab könne auch seinen Grund in der Pubertät des Mädchens haben. „Aus pädagogischen Gründen halte ich das nicht für sinnvoll, daraus eine Staatsaffäre zu machen“, sagt Schiffauer. „In diesem Fall erhöht man den Druck auf das Mädchen, und das führt oft zu einer Radikalisierung.“ Er würde zu einem „weichen Kurs“ raten und das Mädchen nicht unter Druck setzen, was sie weiter von der Gesellschaft entfremde.“
https://www.n-tv.de/politik/Verschleierte-Schuelerin-beschaeftigt-Politik-article19567281.html
Schiffauer verkennt völlig, dass das Mädchen bereits maximal von dieser Gesellschaft fern gehalten wird. Da ist nichts mehr zu „entfremden“, das ist bereits die maximale Distanz. Offensichtlich gibt es doch Probleme: Dass junge Menschen derart eingeschränkt werden, derart indoktriniert werden, ist ein Problem.
Zu Schiffauers Standpunkten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Schiffauer#Standpunkte
Daraus:
„Er warnt auch davor, auf islamistische Gruppen panisch zu reagieren, denn dort gebe es eine doppelte Öffentlichkeit: Nach außen radikal, nach innen nicht; dies sei mit den Grünen in ihrer Frühphase vergleichbar.“
Zwischen angeblicher „Panik“ und dem Aufblähen der eigenen Suggestibilität zu Haltung und Handlungsvorschlag gibt es viele feine Zwischentöne. Schiffauers „Rezept“ ist ähnlich zu werten und ähnlich geeignet zur Bewältigung der Herausforderungen wie Münklers Rezept zur IS-Bekämpfung:
https://www.vorwaerts.de/artikel/land-gegen-frieden
Siehe auch Kommentare.
Solche „Vordenker“ sind die Garantie dafür, Probleme in die nächste Generation zu vertagen. Eine fatale Erbschaft.
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In dem stern-Bericht auch noch interessant:
„Bereits früh wurden bei Metin Kaplan neurologische Probleme auffällig. Eine „frontale corticale Hirnatrophie“ attestieren deutsche Ärzte später im Rahmen eines Prozesses – einen Verlust an Gehirnsubstanz „in auffälligem Ausmaß“. Die Imam- und Predigerschulen in Ankara und Adana hat Kaplan junior mit Müh und Not und „ausreichend“ absolviert. Hier, im Kölner Exil, hat der Alte Metin zu seinem Privatsekretär gemacht. Der Filius gibt den islamischen Kalender der Kaplan-Gemeinde heraus. Viel falsch machen kann er da nicht.“
https://www.stern.de/politik/deutschland/metin-kaplan-gefaehrlich-dumm-3074632.html