BFH: Urteil zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit

Wichtige Entscheidung zur steuerlichen Bewertung islamistischer Vereine, Kontextuierung

Am 2. Mai wurde die Urteilsbegründung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) öffentlich. Geklagt hatte eine islamische Gemeinde, der die steuerlichen Vorteile einer Gemeinnützigkeit aberkannt worden waren. Gegenstand der Auseinandersetzung war, ob ein Verein als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung gelten kann, obwohl er als extremistisch oder extremistisch beeinflusst in Verfassungsschutzberichten aufgeführt wird:

Keine Gemeinnützigkeit eines im Verfassungsschutzbericht des Bundes ausdrücklich erwähnten (islamischen) Vereins

Leitsätze

1. Die widerlegbare Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft (hier: ein islamischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird (Anschluss an BFH-Urteil vom 11. April 2012 I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146).

2. Die Widerlegung dieser Vermutung erfordert den vollen Beweis des Gegenteils; eine Erschütterung ist nicht ausreichend.

3. Im Rahmen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO sind die Leistungen des Vereins für das Gemeinwohl nicht im Wege einer Gesamtschau gegen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche tatsächliche Geschäftsführung abzuwägen.

https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=36328&pos=0&anz=40

Die entsprechende Regelung im Wortlaut:

Abgabenordnung (AO) § 51 Allgemeines

(3) Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind. Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht von Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der Völkerverständigung begründen, der Verfassungsschutzbehörde mit.

https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__51.html

Der Verein, der klagte, war wohl die Islamische Gemeinde Nürnberg. Wie bei manch anderen Klagen muslimbrudernahen Vereinen auch wurde mit dem Anführen verschiedener, aber letztlich nicht entscheidungsrelevanter Sachverhalte aufgewartet. So wurde z.B. nach der Entscheidung in der Vorinstanz bekannt, dass im Verfahren auf das Engagement der Gemeinde hingewiesen worden sei.

Zudem fordert Braun den Bundesfinanzhof noch einmal dazu auf, das wertvolle Engagement der Gemeinde eben doch in die Waagschale zu werfen. Die Erstinstanz hatte die Revision im Hinblick darauf zugelassen, weil eben noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, ob nicht doch eine Abwägung erfolgen sollte.

http://www.nordbayern.de/region/nuernberg/streit-geht-weiter-ist-die-moschee-der-ign-gemeinnutzig-1.5522852

Das Urteil des BFH ist nicht nur nach dem Gesetzestext der AO folgerichtig. Das Augenmerk im konkreten Fall muss darauf gerichtet sein, gegen welche Vorschriften tatsächlich verstoßen wird. Das ist hier die Benennung in Verfassungsschutzberichten. Das Finanzgericht hat da n.m.A. wenig Ermessen, da es nicht die Aufgabe hat, zu prüfen, ob die Benennung durch den Verfassungsschutz einer gerichtlichen Prüfung standhält. Das zu prüfen, wäre ggf. Sache eines Verwaltungsgerichts. Würden sich solche „Gesamtschauen“ als Prinzip durchsetzen, würde Recht ausgehöhlt: Nicht mehr der Verstoß zählte, sondern auch, wie sich der Delinquent sonst führte oder wen er als Fürsprecher aufbieten kann. Von der Nürnberger Gemeinde wurde dem Vernehmen nach sogar ein Brief des dortigen Oberbürgermeisters vorgelegt:

Zuspruch – den bekommt die IGN von allen Seiten. In dem Streit, den die Gemeinde mit dem Finanzamt führt, haben sich bereits Vertreter der christlichen Kirchen und Hilfsvereine zu Wort gemeldet. Sogar Oberbürgermeister Ulrich Maly hat einen Brief zur Vorlage vor Gericht verfasst. Zum traditionellen Fastenbrechen geben sich hochrangige Politiker an der Hessestraße die Klinke in die Hand. Was sie alle eint: Sie bescheinigen der IGN, dass sie wertvolle Arbeit für die Stadt leistet.

https://www.idea.de/gesellschaft/detail/islamische-gemeinde-nuernberg-weiter-unter-beobachtung-104863.html

Kirchen, politische Entscheider, man muss sich fragen, warum diese Akteure allgemein Betätigungen, die der Eigenwerbung eines Vereins dienen und der Ausbreitung der eigenen Ideologie sowie der Gewinnung von Testimonials, derart belobigen. Sie verkennen die Rechtsstaatlichkeit, in der für alle gleichermaßen die gleichen Regeln bei Verstößen gelten. Sie vergessen zu beachten, dass Justizia blind sein muss. Anstelle dessen wird eine sehr paternalistische Haltung eingenommen. Der Rechtsstaat bzw. die Frage, ob eine Beobachtung notwendig ist, ist jedoch nicht wie eine Zeugniskonferenz in der Schule gestaltet (sondern in den rechtlichen Vorgaben für den Verfassungsschutz): In der Schule mag gelten, dass das Karlchen im „Betragen“ noch eine 3 bekommt, wenn er zwar immer wieder den Unterricht stört und andere Kinder auf dem Schulhof hänselt, aber auch mal das Klassenzimmer aufräumte und dem Lehrer nach dem Mund redete. Bei Erwachsenen hingegen gibt es kein Lob für rechtstreues Verhalten – das ist die gesetzte Norm. Testimonialbriefe von Oberbürgermeistern lassen an dessen Durchdringung, wie der Staat, in dem er eine wichtige Funktion einnimmt, funktioniert, zweifeln. Hätten Briefe von Oberbürgermeistern eine Wirkung auf die Beurteilung von Sachverhalten, katapultierte das direkt in die Bananenrepublik. Insofern sollte sich – sofern das zutrifft – Herr Maly in jeder Hinsicht schämen, so ein Schreiben überhaupt verfasst zu haben.

Folgte man dem, wären konkrete Verstöße aufzuwiegen mit anderen Betätigungen. Anstatt also ein Fehlverhalten abzustellen, müssten nur genügend „gute Taten“ stattfinden und das nicht regelgetreue Verhalten könnte ungeniert fortgesetzt werden. Das mündete in Anarchie, in das jeweilige Aushandeln, ob Verstöße zu ahnden sind – oder auch nicht. In sehr ähnlicher Weise wird jedoch nicht nur in Verfahren um eine Gemeinnützigkeit von muslimbrudernahen Vereinen rechtlich argumentiert.

Auch bei der kürzlich ergangenen Berliner Verwaltungsgerichtsentscheidung, ob die ebenfalls muslimbrudernahe Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) im Verfassungsschutzbericht benannt werden darf, wurde – sachfremd – mit den sonstigen Aktivitäten argumentiert.

Der Verdacht ist nicht abwegig, dass die „Begegnungsstätte“ dem Umfeld der islamistischen Muslimbruderschaft zuzurechnen ist. Diese versucht schon lange, bundesweit ihren Einfluss in muslimischen Milieus auszuweiten, auch bei Flüchtlingen. Die Bruderschaft agiert jedoch geschickter als die polternden Salafisten. Anstatt den Staat mit martialischen Parolen zu provozieren, verpacken die Muslimbrüder ihre gottesstaatlichen Ambitionen mit rhetorischer Watte.

https://www.tagesspiegel.de/politik/begegnungsstaette-in-neukoelln-der-verfassungsschutz-laesst-sich-vom-moscheeverein-nicht-taeuschen-gut-so/21220520.html

Dazu auch:

https://vunv1863.wordpress.com/2018/04/27/berlin-verwaltungsgericht-bestaetigt-sicht-des-verfassungsschutzes-zur-nbs/

Die NBS will in die nächste Instanz:

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Eintragung unserer Moscheegemeinde in den Verfassungsschutzbericht 2016 Bestand hat, obgleich es nie Predigten in unseren Räumlichkeiten oder anderweitige Publikationen gab, die in irgendeiner Weise grundgesetzwidrig waren“, äußerte der Imam der Moschee, Mohamed Taha Sabri, am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Der Verein will sich an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wenden, um den Beschluss „prüfen“ zu lassen.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/dar-as-salam-moschee-in-berlin-neukoellner-moscheeverein-geht-weiter-gegen-verfassungsschutz-vor/21234506.html

Ebenfalls ähnlich wurde in einem Verfahren von Islamic Relief Deutschland, einer muslimbrudernahen Wohltätigkeitsorganisation, vorgegangen. Geklagt worden war gegen die öffentliche Wiedergabe eines Zitats aus einer privilegierten Quelle. In das Verfahren wurden – ernsthaft – Testimonialaussagen von Akteuren eingeführt, die die britische Partnerorganisation von diesem und jenem freisprachen (mit der man – so an anderen Stellen in den Schriftsätzen – aber nicht zusammenhänge), oder es wurden seitenlang Personen und Organisationen aufgelistet, mit denen man zusammenarbeite. All dieses sachfremde Vorbringen irritierte zwar, änderte aber nichts daran, das eine privilegierte Quelle eine privilegierte Quelle ist – auch wenn die Aussage nicht gefällt. Ein demokratischer Rechtsstaat zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass die „Verbindungen“ einer Person oder einer Organisation nicht ins Gewicht fallen, ob das für alle gleichermaßen geltende Recht zur Anwendung kommt oder nicht.

Insofern fügen sich die Argumentationsmuster im aktuellen Urteil nahtlos ein in die allgemeine Doppelstrategie. Spätestens bei Gerichten jedoch enden diese Manöver. An Gerichten wird Recht gesprochen, keine Politik gemacht. Das sollten gerade auch politische Entscheider wahrnehmen.

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