Baden-Württemberg erweitert Stelle „Konex“ am Innenministerium
Wie in einigen anderen Bundesländern auch sieht man sich in Baden-Württemberg einer steigenden Zahl Personen gegenüber, die islamistisches Gedankengut vertreten. Im letzten Verfassungsschutzbericht sahen die konservativen Schätzungen z.B. so aus:
Das Land geht aktuell mit dieser Meldung an die Presse, wie hier zu lesen ist:
„Konex wird dann Lehrer, Schulsozialarbeiter, Bewährungshelfer oder Mitarbeiter von Jugendämter darin schulen, früh zu erkennen, welcher junge Mensch sich zu radikalisieren droht. Konex will die unterschiedlichen Präventionsprojekte im Land vernetzen.“
Das nun alleine wäre so neu nicht. Auch Hessen hat mit dem „Hessischen Kompetenzzetrum gegen Extremismus“ (HKE) eine Einrichtung dieser Art. Auch dort wird über die verschiedenen Extremismusformen die zivilgesellschaftlichen Betätigungen gebündelt (das rheinland-pfälzische Modell ist übrigens ebenfalls an einem Ministerium angesiedelt, jedoch nicht am Innenministerium). Das HKE und auch die Stelle in Baden-Württemberg waren jedoch eher weniger in der eigenen (Multiplikatoren-)schulung oder gar Beratung von Angehörigen oder Betroffenen aktiv. Lehrer etc. konnten sich aber z.B. beim HKE melden und dort bekamen sie dann einen Ansprechpartner genannt. Hessen hat – wie auch Baden-Württemberg – für die konkrete Beratung Betroffener und Schulungen im Bereich Islamismus das „Violence Prevention Network“ (VPN) engagiert. In beiden Ländern baute VPN dann Beratungsstellen auf (siehe dazu auch diesen blog).
Noch in einer Antwort auf eine kleine Anfrage heißt es im Januar dieses Jahres:
„Diese Beratungsstelle wird von dem externen Träger „Violence Prevention Network“ (VPN) betrieben, der im November 2017 bei einem europaweiten Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hat. Zur Finanzierung der externen Unterstützung sind jährlich Haushaltsmittel in Höhe von bis zu 450.000 € eingeplant. […] Die Mitarbeiter des VPN werden einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen, um Aktivitäten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung auszuschließen.“
Klicke, um auf 16_3416_D.pdf zuzugreifen
Im Zeitungsartikel oben heißt es aber weiter:
„Und Konex will diejenigen beraten, die sich in extremistischen Netzen verfangen haben, sich davon aber lösen wollen.“
Das umfasst also wohl auch die direkte Betreuung Radikalisierter.
Anläßlich des Artikels kommentierte Kerstin Sischka, die früher bei Hayat arbeitete, auf Twitter:
„Baden-Württemberg glaubt, keine zivilgesellschaftlichen Deradikalisierungsprojekte zu brauchen und alles verstaatlichen zu können. Na dann viel Glück mit dem Experiment… –
Wenn man so bundesweit schaut, was mittlerweile alles an unterschiedlichen Trägern am Start ist und wie viele namensmäßig, aber nicht zwingend von den Inhalten her unterschiedliche Konzepte angeboten werden, könnte man eher davon sprechen, dass da viele, viele Experimente liefen – mit den NGO. Denn sogar die bekannteren haben letztlich Probleme damit, die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen nachzuweisen (nur auf den Islamismus bezogen). So mancher Rückgang ist nicht kausal auf die Betätigung der NGO zurückzuführen, auch wenn mancher den Schwung der schlichten zeitlichen Korrelation mit dem Niedergang des IS gerne am eigenen Revers tragen möchte
Das wesentliche Marketing-Argument hinsichtlich der Einbindung von NGO in die Extremismus-Bekämpfung war ja, dass man als NGO besser an die Betroffenen herankomme. Was beim Thema Rechts- oder Linksradikalismus noch vielleicht verfing, erweist sich beim Thema Islamismus als schwieriger. Da einige NGO keine weitergehenden und genaueren Kenntnisse des Islamismus am Anfang hatten, bauten einige darauf, dass man gezielt Muslime einbinden müsse. Wegen unzureichender Kenntnisse hatte man da aber nicht immer eine glückliche Hand.* Gegen die in Baden-Württemberg erforderliche „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ könnte man NGO-seitig nach den Erfahrungen in Hessen etwas haben. In Hessen hatten sich ja etliche NGO im Verbund einem ähnlichen Ansinnen verweigert:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/12/03/berechtigte-sorge/
Vielleicht wären aber auch die nackten Zahlen ein Argument, das doch überwiegend oder ausschließlich in staatliche Hände zu nehmen:
[Es empfiehlt sich, das in Gänze zu lesen.]
Zumindest der Punkt, die Betrauung einer NGO erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Klientel aus eigenen freien Stücken an Berater wende, kann mit der einen Person, die dies in den drei Jahren tat, als gescheitert betrachtet werden. Bei den Fallbeispielen wird nicht deutlich, was sonst noch an Maßnahmen erfolgte (dass z.B. möglicherweise ein Sorgerechtsentzug für das Kind drohte).
Die Klientel sieht nämlich schon die Bezahlung durch den Staat als das Argument, warum man auch Glaubensbrüdern nicht trauen könne. Und auch mit der sonstigen Anerkennung als Glaubensbruder ist es bei der Klientel schwierig: Auch andere Muslime werden aus Gründen, die dem Aussenstehenden banal oder esoterisch anmuten, bestenfalls noch in das Lager der Unwissenden, schlimmstenfalls auch als expliziter Feind gesehen: Derjenige ist nach Binnensicht „kein echter“ Muslim (so wie man selber). Ob man das über den Glauben tatsächlich auflösen kann oder ob man nicht besser mit aller Bemühung diesen Glauben und die soziale Einengung schwächt, sei dahin gestellt.
Auf jeden Fall sind die Zahlen in Relation zur eingesetzten Summe nicht so richtig überzeugend:
Wenn man solche Summen erhält, sollte man mindestens eine Veranstaltung pro Woche machen, damit mindestens einmal im Jahr (update!) jeder Lehrer im Land die Möglichkeit hat, sich fortzubilden.
Man kann davon ausgehen, dass das schon die freundlich gerundeten Zahlen sind.
Unabhängig davon, wie das nun bewertet wird, erschiene eine Bündelung in der Hand des Innenministeriums folgerichtig: Man kann den Einsatz besser steuern und muss sich nicht damit zufriedengeben, was eine beauftragte NGO, die sich für unentbehrlich hält, denn so leistet. Man kann ggf. unerwünschte Nebenwirkungen, wie eine Unterwanderung, durch zu viel Vertrauensseligkeit zu den eigenen (oder potentiellen) Mitarbeitern, oder ganz banal eine befremdliche Gewinnoptimierung (mangelndes Leistungsbewußtsein und mangelnde Kontrolle in der NGO), besser regulieren. Auch hat man so mit der Interessenvertretung der einschlägigen NGO weniger zu schaffen:
https://vunv1863.wordpress.com/2017/02/19/wer-schuetzt-vor-dieser-praevention/
Kurzum: Da die Vorteile einer NGO, wie klarere Benennung von Problemorganisationen oder der in Aussicht gestellte bessere Zugang zur Klientel, nicht wirklich darstellbar erscheinen, kann man geneigt sein, das in die eigene (staatliche) Hand zu nehmen. Der Verfassungsschutz selber sollte es zwar n.m.M. eher nicht tun (s. Beitrag „Wohin des Wegs, Verfassungsschutz?“ vom 10.08.2018), aber angebunden an das Innenministerium bieten sich Möglichkeiten. Insofern stellt die mögliche neue Strategie in Baden-Württemberg vielleicht den Versuch dar, die Prozess-Herrschaft zurückzugewinnen.
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Man muss allerdings einräumen, dass der Markt an präventionsdienstleistungewilligen Personen muslimischer Religionszugehörigkeit, die auch noch zumindest ansatzweise erklärbar pädagogische Fähigkeiten auf- und ausweisen konnten, zeitweise leer gefegt war. Man fand schlicht wohl nicht genügend geeignetes Personal und nahm dann auch Personen minderer Eignung. Auch sollte vieles sehr schnell gehen – zaubern allerdings kann niemand.
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Man erinnere sich an die Einbindung eines Salafisten, der seit über einem Jahr in Spanien einsitzt wegen Verdachts der Terrorunterstützung:
https://www.br.de/nachricht/kooperation-beratungsstelle-is-sympathisant-100.html
Bei einer Anhörung im Mai, anzuhören und zu lesen hier:
https://www.vozpopuli.com/espana/preso-yihadismo-ofrecio-CNI-Espana_0_1135687657.html