Legalistische Stuhlpolka

Über Wiederholungen gleicher Fehler in der Religionspolitik

Es gibt ein beliebtes Kinderspiel, das gerne bei kleineren Gruppen und Geburtstagspartys gespielt wird: die Stuhlpolka, auch bekannt als „Reise nach Jerusalem“ oder „Reise nach Rom“. Die Kinder tanzen nach Musik im Kreis um eine Reihe Stühle und sobald die Musik aufhört, müssen sie sich hinsetzen. Es steht jedoch ein Stuhl weniger als Kinder zur Verfügung und so findet ein Kind keinen Platz. Dieses scheidet aus. In der nächsten Runde wird die Zahl der Stühle um einen reduziert und der Vorgang wiederholt. Am Ende des Spiels ist nur noch ein Kind übrig. Das ist der Gewinner der Stuhlpolka.

An dieses Spiel erinnern ein wenig die gegenwärtigen Vorgänge rund um DITIB und einige andere Verbände, die als Ansprechpartner der Politik für islamische Belange dienen sollen. Zwar haben noch nicht alle realisiert, dass die DITIB nach den Vorkommnissen des Wochenendes rund um die Eröffnung der großen Moschee in Köln nicht mehr teilnehmen sollte. Noch gibt es weiterhin Akteure, die an ihrem (auch schon falschen) Bild von DITIB aus den 80er Jahren festhalten wollen. Das ist manchmal einem unerschütterlichen, aber realitätsfernen Optimismus geschuldet, manchmal dem Überwiegen von persönlichen Eindrücken auf kommunaler Ebene und nicht selten auf schlichte Ratlosigkeit zurückzuführen: Wenn man keinen Plan B hat, kein anderes Spiel als jene Stuhlpolka spielen will oder kann, aber keine Entscheidung will, dann lässt man die Musik spielen, bis die Kinder von den Eltern abgeholt werden von der Party.

Quelle: eigene Grafik, zur Beachtung: relevante Anteile der Aleviten sehen sich selber nicht als Muslime u.a. wegen anderer Riten und Vorstellungen. Sie sehen sich als eigenständige Religion aus dem islamischen Kulturraum. Das Bild dient nur der Veranschaulichung der Vielfalt alleine in diesem Bereich. Enthalten sind auch einige problematische Gruppen.

An einem Plan B fehlt es auch in der Religionspolitik, da die Kirchen als wichtige religionspolitische Lobbygruppe lieber die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften auf ihrem Niveau sähen denn Rückführung ihrer eigenen Privilegien. Sie selber sitzen also schon und wollen lieber anderen einen Platz zuweisen, denn das Spiel zu verändern. Bei diesen anderen ist man nicht wählerisch und schaut auch so manches Mal über verfassungsfeindliche Haltungen und Handlungen hinweg. Legalisten werden zu „normalen Muslimen“ umgedeutet unter der in Kauf genommenen Gefahr, dass man all jene, die nun wirklich nicht auf ein islamisches Gemeinwesen hinauswollen, sozusagen in Geiselhaft nimmt. Dass die Kirchen mit all ihren Dialogrunden, mit all ihrem Einfluss versuchen, islamische Verbände zum Mitspielen bei der politischen Stuhlpolka zu bewegen, hat im Grunde eigennützige Motive und dient der (Wieder-)Ausweitung des religiösen sozialen Raums ebenso wie dem Schutz der eigenen Interessenlagen. Vor über zwei Jahren schon äußerte sich der Direktor des katholischen Kultur- und Begegnungszentrums „Haus am Dom“ in Frankfurt am Main, Dr. Joachim Valentin, zur sich abzeichnenden Veränderung der DITIB:

Sie wird sich bald entscheiden müssen, und zwar möglichst dazu, der deutschen Gesellschaft ein klares Zeichen ihres Respekts vor dem Grundgesetz zu geben und dem Abdriften Erdogans und der Türkei ins Nirvana eines Despotentums nach Putins oder eines Polizeistaates nach Assads Vorbild eine ebenso klare Absage zu erteilen.

Weniger geht leider nicht. Die Geduld kirchlicher und staatlicher Gesprächspartner, die die DITIB jahrelang mit viel Aufwand in die Rolle eines geschätzten Kooperationspartners gebracht haben, ist zu Ende.

https://www.katholisch.de/aktuelles/standpunkt/ditib-muss-sich-entscheiden

Nicht nur in Frankfurt sorgten die Kirchenvertreter dafür, dass sozusagen die Musik weiter spielte, bis sie, um im Bild zu bleiben, einen Klapphocker organisiert hatten, damit keine Verlierer produziert würden im Spiel.* Ausgeschiedene verringern nämlich die eigene behauptete Vertretungsmacht, die Machtfülle. Doch im aktuellen Moment der Stille wurde offensichtlich, dass das misslang. Die Konstruktion scheitert an der Realität, der Klapphocker brach. Nicht misslungen ist jedoch, dass man bereits eifrig seit einigen Jahren daran arbeitet, einem anderen Akteur einen Sitzplatz zu verschaffen. Gegenwärtiger vorrangiger Günstling ist der Zentralrat der Muslime (ZMD). Konnte man jedoch bei der Weiterlesen