Mine K.: Von der atheistischen Linken zur IS-Rückkehrerin?

Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht begann am Montag der Prozess gegen die mutmaßliche IS-Rückkehrerin Mine K. In ihrer Einlassung am Donnerstag schilderte sie ihren langen Weg von der atheistischen Linken zur fünf Mal täglich betenden Gläubigen. Zu den Tatvorwürfen wollte sie sich bislang jedoch nicht äußern.

Der Hochsicherheits-Gerichtssaal des OLG Düsseldorf (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) begann am Montag der Prozess gegen die mutmaßliche IS-Rückkehrerin Mine K. aus Köln. Der erste Verhandlungstag begann mit der Verlesung der Anklageschrift. Laut Anklage hat sich Mine K. im März 2015 von Köln aus der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Zwei Monate zuvor soll sie das damals in der Türkei lebende IS-Mitglied Murat D. aus Herford über Skype geheiratet haben.

Gemeinsam mit ihrem damals achtjährigen Sohn reisten beide über die Türkei nach Syrien und wurden dann vom IS in den Irak geschleust. Dort habe die Familie später ein Haus bezogen, dessen schiitische Bewohner bereits vom IS vertrieben wurden. Das sei laut Völkerstrafrecht ein Kriegsverbrechen gegen das Eigentum.

Mine K. wurde am 17. Oktober 2018 bei ihrer Wiedereinreise am Düsseldorfer Flughafen festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Verteidigt wird die 47-jährige Deutsch-Türkin von den Rechtsanwälten Serkan Alkan und Martin Yahya Heising.

Kein Wort zu den Tatvorwürfen

Bei ihrer Einlassung am Donnerstag sagte Mine K. sofort: „Ich möchte mich zum Tatvorwurf nicht äußern.“ Zu ihrem persönlichen Werdegang aber äußerte sie sich ungewöhnlich ausführlich. Wenn es um ihre Familie, insbesondere um ihren erst vor wenigen Tagen verstorbenen Vater ging, weinte sie mehrfach. Auf Nachfragen gab sie später an, unter gesundheitlichen Problemen zu leiden und seit 2016 fünfzig Kilo zugenommen zu haben.

Ihre Familie sei aus der Türkei nach Deutschland gekommen, als die Anwerbung von Gastarbeitern begann, schilderte sie. Sie sprach davon, eine „wunderschöne Kindheit“ gehabt zu haben und betonte ihr westlich orientiertes Elternhaus, in dem sie nicht religiös erzogen worden sei. „Ich war damals stolz darauf, dass meine Mutter kein Kopftuch trug“, sagte Mine K.

Gefallen an linken Ideologien

1992 machte sie Abitur, danach wollte sie Kriegsberichterstatterin werden. „Ich interessierte mich für Che Guevara“, merkte sie an. Als sie in Bonn mit dem Studium der Politikwissenschaften begann, hatte sie „zunehmend Gefallen an linken Ideologien gefunden, Kommunismus und Sozialismus, später auch am Anarchismus“. Der versprach die „totale Freiheit“ des Einzelnen, erläuterte sie. „Mich staatsgefährdend oder linksextremistisch einzubringen, war aber nie ein Thema“, schränkte sie jedoch umgehend ein. Mehrfach betonte sie, zu dieser Zeit nichts mit Religion im Sinn gehabt zu haben.

Ihr Studium lief „schleppend“, was auch an Partys und Partydrogen gelegen habe, fuhr sie fort. Später habe sie ein „unkonventionelles und abenteuerliches Leben“ führen wollen. Drogen hätten ihr „bewusstseinserweiternde Erlebnisse“ verschafft. Mehrfach sprach sie davon, während des Studiums Hilfsjobs nachgegangen zu sein. Erst gegen Ende ihrer Einlassung räumte sie auf weitere Nachfragen ein, ihr Studium um 2004 herum „wegen der Studiengebühren“ beendet zu haben. Später habe sie bei einer Versicherung gearbeitet.

„Die Ehe entpuppte sich schnell als Flop“

Ein zentrales Thema ihrer Ausführungen war die Ehe mit einem illegal in Deutschland lebenden Marokkaner, in der auch ihr heute 13-jähriger Sohn geboren wurde. Sie sei in den Mann verliebt gewesen, er aber habe zur Ehe gesagt: „Wenn’s klappt, dann klappt’s. Und wenn’s nicht klappt, dann habe ich wenigstens deutsche Papiere.“

„Die Ehe war schlimm für mich“, sagte sie. Ihr Mann sei fremd gegangen, habe getrunken und geprügelt. Ende 2010 sei sie ins Frauenhaus gegangen, „weil er uns umbringen wollte“. 2012 sei die Ehe geschieden worden.

In der Ehe habe sie aber auch den Koran, Dawa-Schriften, „Die Glaubenslehre der Salafiyya“ sowie andere Bücher gelesen. An dieser Stelle begannen ihre Darstellungen widersprüchlich zu werden: „So was überzeugte mich sehr“, sagte sie. Und: „Ich erfuhr, an was man alles glauben musste, um eine Muslima zu sein.“ Andererseits betonte sie mehrfach, sie habe sich zu dieser Zeit nur deshalb mit dem Islam auseinandergesetzt, um den marokkanischen Freunden ihres Mannes „etwas entgegenhalten“ zu können.

Hass auf USA, Israel und Juden

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 seien ihr Mann und seine Freunde „vor Freude außer sich gewesen“. Die USA, Israel und Juden seien deren Feindbilder gewesen. Sie selbst habe die Freude aber nicht verstanden: „Was gibt es da zu feiern?“ Zu diesem Zeitpunkt sei sie noch keine praktizierende Muslima gewesen. Ihr Mann hatte „so einen Hass auf Israel und Juden und er hatte Kassetten von Hass-Predigern“, schilderte sie. „Mich hat das selber damals nicht interessiert.“

Ihre fast zweistündigen Ausführungen beendete Mine K. mit den Worten „Danke für Ihre Aufmerksamkeit“. Der Vorsitzende Richter Frank Schreiber aber fragte sofort mehrfach nach. Der Senatvorsitzende wollte insbesondere wissen, wann Mine K. religiös wurde. Sie antwortete, 2010 „mit dem Praktizieren“ begonnen zu haben. So habe sie im Meditationsraum des Frauenhauses mit dem Beten begonnen. „Da habe ich mich zum ersten Mal als Muslima gefühlt“, erläuterte sie. „Heute ist es so, dass ich fünf Mal am Tag in meinem Haftraum bete“, sagte sie, als Frank Schreiber ihre derzeitige Religiosität erfragte. „Die islamische Kleidung habe ich aber im November abgelegt.“

Moderatorin bei islamistischen Facebook-Seiten

Schwierig wurde es, als der Vorsitzende Richter sie zu ihren mehrfachen Tätigkeiten als Moderatorin bei islamistischen Facebook-Seiten befragte. Als er sie auf die Seite „Einladung zum Paradies“ ansprach, behauptete sie, dies sei eine „ganz normale Facebook-Gruppe“ gewesen und habe „nichts mit Pierre Vogel oder Sven Lau zu tun gehabt, gar nichts“. Als Schreiber spitz nachfragte, ob es sich denn dabei um eine „zufällige Bezeichnungsgleichheit“ mit dem Mönchengladbacher Salafisten-Verein gehandelt habe, antwortete sie: „Genau.“

Ähnlich antwortete sie, als sie zu dem Verein „Schlüssel zum Paradies“ befragt wurde: Sie räumte ein, zusammen mit Sven Lau und Dennis R.* eines der Gründungsmitglieder gewesen zu sein. Gleichzeitig aber betonte sie: „Ich habe da nur Postings auf der Internet-Seite gemacht.“ Als von einer Facebook-Seite eines „kleinen Verlags in Hannover“ die Rede war, gab sie sich erstaunt: „Ich bin etwas verwundert, dass das als extremistisch eingestuft wird.“ Die Facebook-Seite habe sich nur mit „normalen“ islamischen Themen befasst, meinte sie.

Die biographischen Angaben der Angeklagten zeigen auf, dass Frauen, auch wenn sie für die Öffentlichkeit weniger präsent sind, wichtige Unterstützerfunktionen in den Strukturen der Männer wahrnehmen oder eigene Strukturen unterhalten. Gänzlich unbedarfte Frauen, die sozusagen nur den sprichwörtlichen Kaffee oder Tee kochen, aber nicht eingeweiht sind, würden nicht in solche Neubildungen eingebunden. Zu groß wäre die Gefahr, dass sie sich versehentlich versprechen. Auch würden sie nicht mit organisatorischen Aufgaben wie der Verantwortung für einen Facebook-Auftritt betraut. Möglicherweise bietet der weitere Prozessverlauf weitere Einblicke in die Mine K. umgebenden Strukturen.

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Dennis R., der mittlerweile mit Marcel Krass die Organisation und die  Homepage der Islamischen Föderalen Union betreibt, ist laut Vereinsregister auch Vorsitzender von „Schlüssel zum Paradies“: