Der Prozess gegen die mutmaßliche IS-Rückkehrerin Mine K. brachte in dieser Woche nur wenig neue Erkenntnisse. Als Familienangehörige am Montag die Aussage verweigerten, würdigten sie die Angeklagte dabei keines Blickes. Am Donnerstag schilderte Mine K., wie es im IS-Gebiet nach dem Tod von Murat D. zu einer kurzzeitigen Ehe mit einem anderen Mann kam. Über ihre Verhaftung nach der Landung in Deutschland war sie „schockiert“, klagte sie.

Der Hochsicherheits-Gerichtssaal des OLG Düsseldorf (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)
Beim Prozess gegen die mutmaßliche IS-Rückkehrerin Mine K. vor dem 2. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) wurde am Montag deren ehemaliger Ehemann Mohammad S. vernommen. Der 41-Jährige hatte die Polizei bereits 2015 über seinen Verdacht informiert, seine Ex-Frau könne in das von der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) beherrschte Gebiet ausgereist sein. Er sei bereits zuvor in Gesprächen mit ihr zu dem Eindruck gelangt, sie sympathisiere mit dem IS, schilderte er vor Gericht. „Das ist richtig, was die machen“, soll Mine K. etwa gesagt haben, als in den Nachrichten über den IS berichtet wurde.
Außerdem habe er in den Jahren zuvor bemerkt, dass Mine K. mit Salafisten-Größen wie Pierre Vogel, Abou Nagie und Sven Lau sympathisiere und teilweise auch in Verbindung stand. So sprach er mehrfach von einem Foto, das Pierre Vogel mit ihrem Kind zeigen soll. Allerdings legte er dem Gericht kein solches Foto vor. An anderer Stelle sprach er davon, dass Mine K. bei Koran-Verteilaktionen mitgemacht habe.
Auffällig war, dass er die gemeinsame Ehezeit völlig anders schilderte als Mine K. zwei Wochen zuvor. So sei seine Ex-Ehefrau „verwöhnt“, „verantwortungslos“ und „unselbständig“ gewesen, behauptete er. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Frank Schreiber bestritt Mohammad S. jedoch, schlecht über seine Ex-Frau zu reden, um dadurch bessere Chancen auf das alleinige Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn zu haben.
Derber Schlagabtausch zwischen Zeuge und Anwälten
Zum Eklat kam es in der Befragung des Zeugen durch die Verteidiger am späten Nachmittag. Mohammad S. begründete die Trennung von Mine K. mit derben Worten über deren angeblich geringe sexuelle Qualitäten. Nur wenige Minuten später beleidigte der 41-Jährige Mine K.s Anwälte wiederholt halblaut wegen deren muslimischen Glaubens. Martin Yahya Heising, einer der beiden Verteidiger, forderte den Vorsitzenden Richter auf, den Beleidigungen ein Ende zu machen. Frank Schreiber wies den Zeugen zurecht, lies dabei aber gleichzeitig durchblicken, dass er dessen Befragung durch die Anwälte für „psychologisch ungeschickt“ halte. Der Tonfall zwischen Mohammad S., der sich selbst als Atheisten bezeichnete, sowie den Anwälten blieb auch nach dem Schlagabtausch bis zum Sitzungsende scharf.
Mine K. verfolgte die mehrstündige Befragung ihres Ex-Mannes wild gestikulierend, so zeigte sie immer wieder den „Scheibenwischer“. Als sie lautstark dazwischenrief, musste der Richter sie zur Ordnung rufen: „Sie sind jetzt still!“ Ein völlig anderes Gesicht zeigte die 47-Jährige jedoch am frühen Montagnachmittag, als zwischendurch zwei ihrer Geschwister nebst Ehepartnern in den Zeugenstand gerufen wurden. Alle vier Verwandten verweigerten die Aussage und würdigten sie dabei keines einzigen Blickes. Aus mehreren Metern Entfernung wirkte es, als ob Mine K. weinen würde.
Am Donnerstag reagierten die Verteidiger von Mine K. auf die Aussage ihres Ex-Mannes mit einer Erklärung, in der sie ihm Unglaubwürdigkeit vorwarfen. Mohammad S. „konnte seinen Hass gegenüber unserer Mandantin und dem Islam offenkundig nicht verbergen“, hieß es zur Begründung.
An der Rekrutierung von IS-Frauen beteiligt?
Anschließend wurde ein Polizist aus Köln vernommen, der bis zur Verhaftung von Mine K. mit ihr E-Mail-Kontakt hatte. Der 53-jährige Beamte schilderte, er sei auf K. aufmerksam geworden, nachdem ihr Ex-Mann eine Anzeige wegen Kindesentzugs gestellt hatte. Im Rahmen seiner Ermittlungen habe er auch mit der Familie von Mine K. gesprochen. Außerdem sei untersucht worden, ob sie an der Rekrutierung anderer IS-Frauen beteiligt gewesen sein könnte. „Mine K. tauchte immer am Rande auf, wenn Frauen in die Türkei ausgereist sind“, begründete er diese Ermittlungen. Stichhaltige Beweise dafür ergaben sich jedoch nicht.
Nachdem Mine K. seine E-Mail-Adresse von ihrer Familie erhalten hatte, habe sie ihn direkt angeschrieben und ihm mitgeteilt, „dass sie gerne ausreisen würde“. Er sei von diesem direkten Kontakt sehr überrascht gewesen, habe ihn aber in der Hoffnung auf Informationen „über die Monate“ gehalten. Nachdem Mine K. unmittelbar nach ihrer Rückkehr im November 2018 verhaftet wurde, habe sie der Polizei vorgeworfen, sie „hierhergelockt“ zu haben. Wenn sie gewusst hätte, dass sie verhaftet wird, wäre sie in der Türkei geblieben, soll sie geschimpft haben.
Ehe mit Murat D. war „Liebesheirat“
Nach der Befragung des Polizisten äußerte sich die Angeklagte selber. Mine K. schilderte, ihr „größter Horror“ nach dem Tod von Murat D. sei gewesen, sie könne in ein IS-Frauenhaus kommen. Denn dies hätte die Trennung von ihrem Sohn bedeutet, der dann in einem „Männerhaus“ untergebracht worden wäre. „Er wurde ja älter“, sagte sie. Dass ihr Sohn Y. damals etwa neun Jahre alt war, erwähnte sie nicht.
Zu dem getöteten Herforder Murat D. sagte Mine K., dass sie „ihn sehr geliebt“ habe; die Heirat sei „eine Liebesheirat“ gewesen. Von den 17 Monaten ihrer Ehe hätten sie allerdings nur zwei miteinander verbracht. Dann sprach sie davon, dass sie aus Deutschland 8.000 Euro mitgebracht hatte. Davon habe Murat D. viel „an Brüder, die nicht so viel haben“, verschenkt. Das Witwengeld des IS in Höhe von 1.000 Dollar habe sie nicht haben wollen, auch weil sie nicht im „Witwenbüro“ registriert werden wollte, lautete ihre Darstellung.
Sohn um die Hand der Mutter gebeten
Nach dem Tod ihres Mannes habe sie eine „Wartezeit“ von vier Monaten einhalten müssen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bereits weg gewollt, habe aber als Frau keine Reisegenehmigung gehabt. In dieser Zeit seien „viele Anfragen“ gekommen, sie zu heiraten, auch von „jüngeren IS-Kämpfern“, schilderte Mine K. Daran habe sie aber kein Interesse gehabt. Nachdem „viele Heiratsgespräche geführt“ worden seien, habe sie einen Iraker gewählt, der überlegt hatte, „Y. um ihre Hand zu fragen“. Die Ehe habe aber nur kurz bestanden, da sie der neue Ehemann nicht so bei den Ausreiseplänen unterstützen konnte, wie sie sich dies vorgestellt habe. Vor ihrer Einlassung hieß es mehrfach, die Ehe habe eine Woche bestanden.
Den Moment, als sie das vom IS beherrschte Gebiet wieder verließ, beschrieb Mine K. als den schönsten ihres Lebens. Dann folgten ausführliche Schilderungen dazu, dass sie in der Türkei zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Bei diesem Urteil sei sie „zusammengebrochen“. Ein Anwalt habe dann aber dafür gesorgt, dass sie nach Deutschland ausreisen durfte. Dort aber war sie „schockiert“, weil sie bei der Einreise verhaftet wurde. Mine K. machte deutlich, dass sie sich von dem nur kurz zuvor befragten Polizisten hintergangen fühlte. Der Prozess wird am 9. September fortgesetzt.