„Generation Islam“: Werbung für das Kalifat

Die Gruppierung „Generation Islam“ ist ideologisch nahe an der 2003 in Deutschland verbotenen Organisation Hizb ut-Tahrir. Im letzten Jahr fiel GI vor allem mit einer öffentlichen Petition, für die auch in Fußgängerzonen geworben wurde, gegen ein mögliches Kopftuch-Verbot in NRW-Schulen auf. Derzeit wirbt die Hamburger Gruppierung offensiv für das Kalifat.

Die Hamburger Gruppierung Generation Islam (GI) tritt seit mehreren Jahren bundesweit mit einem Online-Angebot auf, das aus einer Internet-Seite sowie verschiedenen flankierenden Auftritten in den sozialen Medien besteht. Immer wieder versucht GI, Themen zu finden, die in den konservativen Islam hinein anschlussfähig sind. 2018 war die Gruppierung mit einer Kampagne für das Kinderkopftuch derart erfolgreich, dass sich über 170.000 Unterschriften sammeln ließen. Der Trick war dabei, dass man nicht explizit, aber in der Intention, so tat, als ginge es auch um das Kopftuch für erwachsene Frauen und allgemein in der Öffentlichkeit. So mancher der Unterzeichner – Muslime wie auch Nicht-Muslime – ließ sich da wohl über das später wieder zurückgenommene Vorhaben der nordrhein-westfälischen Landesregierung täuschen.

Ideologisch sind die allgemeinen Inhalte und einige wesentliche Akteure der 2003 verbotenen Hib ut-Tahrir (HuT) zuzuordnen. Der Hamburger Verfassungsschutz schreibt zu der Gruppierung in seinem aktuellen Bericht auf Seite 47: „Auch in den sozialen Netzwerken ist die HuT aktiv. Dort lassen sich einige Gruppierungen finden, die deutliche ideologische Überschneidungen mit der HuT aufweisen. Hier sind insbesondere die informellen Netzwerke Generation Islam (GI) und Realität Islam (RI) zu nennen. Die in diesen Netzwerken federführenden Personen sind selbst aktive Mitglieder der HuT oder sind ihrem ideologischen Umfeld zuzuordnen. Sie versuchen, gezielt Themen für sich zu besetzen oder zu vereinnahmen, die auch Nichtextremisten ansprechen.

Derzeit versucht GI, die Vorstellung von dem Kalifat als die festgeschriebene politische Gesellschaftsordnung für Muslime und nachfolgend alle Menschen zu propagieren:

 

HuT hatte auf der offiziellen Seite kalifat.com vor wenigen Wochen einen Artikel von Abdul Wahid, dem derzeitigen Vorsitzender des Exekutivausschusses von Hizb ut-Tahrir in Großbritannien, veröffentlicht. Dieser Beitrag hat den Titel „5 Gründe, warum wir über das Kalifat reden müssen“.

„Die bewaffneten Streitkräfte des IS haben die Aufgabe, die Menschen zu schützen“

Belegbild: www.kalifat.com/startseite/, Abruf 15.9.2019

Die fünf dort genannten Gründe sind im Teilauszug dargestellt:

1) Die Wiedererrichtung des Kalifats ist eine islamrechtliche Verpflichtung, da wir als Muslime dazu verpflichtet sind, mit dem zu regieren, was uns Allah (t) als Offenbarung herabgesandt hat. Ferner müssen wir unter einem gemeinsamen Regenten geeint werden, der sich der Betreuung der Angelegenheiten der Menschen gemäß den Vorgaben des Islams annimmt. Auch muss das Kalifat errichtet werden, damit es die islamischen Länder schützen und die Botschaft des Islams in die Welt tragen kann. Die Pflicht zur Erfüllung all dieser Punkte lässt sich dem Koran und der Sunna des Gesandten Allahs (s) zweifelsfrei entnehmen.[…]

2) Über bestimmte Angelegenheiten zu Schweigen kann äußerst gefährliche Konsequenzen zur Folge haben. So hat Großbritannien mit seiner Antiterrorstrategie ‚Prevent‘ dafür gesorgt, dass sich viele Muslime von Diskussionen rund um wichtige islamische Thematiken grundsätzlich fernhalten. Zu diesen Thematiken zählt z.B. auch die Frage nach den Vorgaben des Islams zu Regierungsangelegenheiten. Die Muslime schweigen sich zu solchen Themen aus, da sie befürchten als extremistisch abgestempelt zu werden. […]

3) Das Kalifat stellt jenes Werkzeug dar, welches die Lösungen des Islam für die Probleme in der islamischen Welt umzusetzen vermag. […] Der Islam verfügt über Lösungen für all unsere Probleme. Traurigerweise sind sich viele derjenigen Muslime, die über die islamischen Rechtssprüche bescheid wissen, nicht darüber im Klaren, dass die Umsetzung dieser zur Lösung unserer Probleme beiträgt. Der Islam bietet den Menschen Sicherheit und Stabilität – die bewaffneten Streitkräfte des Islamischen Staates haben die Aufgabe, die Menschen zu schützen, statt, dass sie gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, wie es heutzutage der Fall ist. Die militärische Stärke der islamischen Länder ist mehr als ausreichend um das gesegnete Land (Palästina) zu befreien, das Assad-Regime zu stürzen und den Jemen zu stabilisieren. Jedoch mangelt es den Muslimen am politischen Willen. […]

4) Nicht nur die Muslime brauchen das Kalifat, sondern die gesamte Welt! Sowohl das Kalifat als auch der Islam im Allgemeinen beschränken sich nicht nur auf die Probleme der islamischen Welt. Vielmehr widmet es sich allen Problemen, mit denen sich die Welt konfrontiert sieht, da der Islam an die gesamte Menschheit gerichtet ist. […] Wir sind der festen Überzeugung, dass der Islam die Lösung für all diese Probleme darstellt, unabhängig von ihrer Komplexität.[…] Allah (t) beschreibt diese Umma als die beste Umma: ‚Ihr seid die beste Gemeinschaft, die für die Menschen hervorgebracht worden ist.‘ (3:110). Dieser kollektiven Pflicht können wir nur nachkommen, wenn wir über eine einheitliche Führung verfügen.[…] Die Ursachen dieser Probleme sind systematischer Natur und liegen in der internationalen Ordnung verborgen. Es bedarf eines Staates, der auf der internationalen Weltbühne präsent ist, um die Ursachen dieser Probleme gemäß den Vorgaben des Islams angehen zu können und die globale Vorherrschaft des Kapitalismus anzufechten.

5) Anzunehmen, dass die Wiedererrichtung des Kalifats eine utopische Zukunftsvision ist, ist schlichtweg falsch. Die islamische Welt ist von Problemen befallen, die keinesfalls zu unterschätzen sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Kalifat unmöglich zurückkehren kann.

Das Video von GI ist im Wesentlichen eine Umsetzung dieses HuT-Textes für den deutschsprachigen Raum unter besonderer Fokussierung der Darstellungen der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Es geht dabei um den Kalifatsbegriff allgemein und speziell den der bpb und deren Versuch, der Vorstellung entgegenzutreten, für Muslime gebe es nur eine statthafte Staatsform. Das allerdings missfällt Ideologen, die nur zu gerne die Gesamtheit aller Muslime vereint sähen – natürlich hinter sich. Die anderen Muslimen nur zu gerne vorgeben würden, was islamisch ist So heißt es im Video etwa bei 10:15: „Jedoch verbindet alle Muslime die feste Überzeugung des Islam. Wir haben einen Propheten, einen Koran und eine gemeinsame Lebensordnung.“ Gepriesen wird das „wahre Kalifat“, in dessen historischem Vorbild, so im Video zu vernehmen, früher Andersgläubige ihren Glauben ausleben.

„Die Bundesrepublik Deutschland und die bpb können sich am Umgang des Islam mit Andersgläubigen im positiven Sinne inspirieren lassen“, verkündet die Sprecherin im Video. „Juden, Christen, Muslime lebten Seite an Seite ohne Meinungsmache und Medienhetze gegen eine bestimmte soziale Gruppe in Frieden und Sicherheit.“ Zuvor war behaupte worden, es habe seitens der Kalifen „keinen Druck“ auf Andersgläubige gegeben. „Wir von Generation Islam rufen zu diesem respektvollen, freundlichen und verständnisvollen Umgang auch in Deutschland auf. Niemand sollte aufgrund staatlicher und medialer Kampagnen gezwungen sein, seine Überzeugungen und Glaubensinhalte ablegen zu müssen. Nur so kann ein harmonisches Miteinander verschiedener sozialer Gruppen gewährleistet werden, unabhängig ihrer Sprache, Hautfarbe oder Überzeugungen.“

Dass die Bundeszentrale für politische Bildung im aktuellen Video ein Ziel der Kritik ist, ist nicht das erste Mal der Fall. Bereits 2015 sowie in frühen Veröffentlichungen, war die bpb fokussiert worden. Das dürfte seinen Sinn darin haben, insbesondere Schüler anzusprechen und den vielfach im Unterricht verwendeten bpb-Materialien eine islamistische Deutung entgegenzusetzen. Kinder und Jugendliche sollen sich identitär nicht eigene Lebensentwürfe vorstellen können, sondern sollen verinnerlichen, dass es für einen Muslim angeblich nur eine Art zu leben gibt und nur eine Art der gesellschaftlichen Organisation. GI setzt das Kalifat als angeblich positives Utopia gegen die hiesige staatliche Ordnung und ihre Repräsentanten. Und mehr noch: Das Kalifat wird nicht nur als Utopie, als Kunde aus vergangener Zeit präsentiert. Es soll die Lösung für die Zukunft sein.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..