Die Furkan-Gemeinschaft steht in mehreren Bundesländern unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Am Montagabend trafen sich Anhänger in der Dortmunder Innenstadt. Auf der martialisch anmutenden Kundgebung wurde die Einordnung durch die Verfassungsschutzbehörden als „islamfeindlicher Terrorismus“ bezeichnet.
Die Furkan-Gemeinschaft, eine islamistische Gruppierung türkischstämmiger Personen, steht in mehreren Bundesländern, darunter auch Nordrhein-Westfalen, unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Ihr Begründer und Anführer ist der gegenwärtig in der Türkei einsitzende Alparslan Kuytul. Die Bewegung will eine „islamische Zivilisation“ begründen oder wiederfinden und ist im salafistischen Spektrum zu verorten. Wichtige Gruppen sind in Dortmund, Hamburg, Bonn und München ansässig und organisiert.
Am Montagabend gab es eine Versammlung der Furkan-Gemeinschaft in der Innenstadt von Dortmund. Die Kundgebung war auch – wie die Polizei Dortmund auf Anfrage bestätigte – ordnungsgemäß angemeldet. Auch Verfassungsfeinde und Extremisten dürfen Versammlungen anmelden. Je nach Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit mal mehr, mal weniger Auflagen der örtlichen Polizeibehörde bis hin zum Verbot. Das wird allerdings erst ausgesprochen, sofern erkennbar ist, dass auf der angekündigten Versammlung zum Beispiel Gewaltaufrufe erfolgen werden oder gegen die Völkerverständigung verstoßen wird.
Von der Veranstaltung am Montag veröffentlichte die Furkan-Gemeinschaft ein Video:
Die Zuschauer sollten dabei offenbar stark emotionalisiert werden. Unter anderem mit Erzählungen von Übergriffen auf muslimische Mädchen und Frauen, welche aber „nicht den Weg in die Presse gefunden“ hätten. Es fragt sich, wie dann der Redner davon erfahren haben will. Ausgeführt wird, dass „nach mehreren Statistiken innerhalb von ein bis zwei Jahren über tausend muslimische Frauen“ Opfer von Übergriffen geworden seien. Wo sich diese Statistiken finden, erzählt der Redner jedoch nicht. Niemand spreche gegen diese „Ungerechtigkeit“. Er führt den Fall einer schwangeren australischen Muslima aus, die geschlagen worden sei, wobei ihre Freundinnen Schlimmeres verhindert hätten. Aber auch in der australischen Presse lassen sich dazu keine entsprechenden Medienberichte finden.[siehe update] In islamischen Medien, etwa Al-Jazeera, auch nicht.
Möglicherweise diente das aber auch nur dazu, das Publikum so richtig aufzuwühlen und eine Verteidigungshaltung zu provozieren, es dient einer aggressiven und gegen die Mehrheitsgesellschaft gerichteten Stimmung und Selbstvergewisserung. Der Redner vermisst nämlich die Berichterstattung in Deutschland über den australischen Fall und kritisiert, dass anlässlich des Tages gegen Gewalt gegen Frauen von der Tagesschau anstelledessen darüber berichtet worden sei, dass die Gewalt gegen Frauen in Afghanistan im allgemeinen zugenommen habe. So seien sie, die deutschen Medien, die deutsche Bevölkerung solle gegen den Islam und gegen die Muslime eingenommen werden. Man „würde Tage brauchen“, um da alles „detailliert zu erklären“. Der Täter von Christchurch sei auch aus Deutschland und Österreich finanziert worden.
Der Redner bekennt, seine Gruppierung erkenne lediglich Gott als Autorität an. Und dann ergeht er sich darin, die Zuordnung seiner Gruppe als „legalistische Islamisten“ als „Hetze“ zu bezeichnen. Diese Beschreibung sei Ausdruck von Hass, „sie möchten, dass die Muslime radikale Islamisten sind. Das passt ihnen auch. Oder liberale Muslime sind. Das passt ihnen auch.“ Die Ummah leide sehr stark. Weltweit breite sich ein „islamfeindlicher Terrorismus“ aus. Dies sei allerdings schon vor 1.400 Jahren vorhergesagt worden. An die Frauen gerichtet: „1.000 Brüder stehen hinter ihnen.“ Allah entscheide, ob sie sich bedecken sollten, nicht „sie“ (die Mehrheitsgesellschaft).
Sie erwarteten keine Zuneigung von jenen, die „Pläne gegen sie“ schmiedeten. Diese „sollten wissen, dass Allah auch Pläne schmiede und Allah sei der beste Pläneschmied“. Die Zeit des Friedens, des Islams werde wiederkehren, die Menschen würden den Islam annehmen.
Die Zuordnungen des Verfassungsschutzes, wonach sie als legalistische Islamisten gelten, wertete der Redner als „islamfeindlichen Terrorismus“.
Immer wieder wurde zwischendurch skandiert, oft mit einem aggressiven Ton, einige Male „Allahu akbar“ im lauten Chor gerufen. Immer wieder auch „Stoppt die Islamfeindlichkeit“.
Der Schriftführer des Dortmunder Vereins, Sencer Cetin, verkündete auf seiner Twitter-Seite immer wieder Botschaften, die den fundamentalistischen Charakter der Strömung aufzeigen. In dieser Woche löschte er seine Twitter-Seite nach öffentlicher Kritik.
Im Verfassungschutzbericht des Landes NRW 2018 stellt die Furkan-Gemeinschaft die relativ am stärksten gewachsene Bewegung dar; die Anhängerzahlen haben sich von 2017 auf 2018 mehr als verfünffacht. Für ganz NRW sind etwa 80 Anhänger verfassungsschutzbekannt (Seite 31). Auf Seite 266 wird dazu ausgeführt: „Der angestrebte Expansionskurs scheint im Berichtszeitraum Erfolge hinsichtlich der Anzahl der Anhänger zu bringen. Eine Schwächung der Organisation durch die zuletzt festzustellenden Repressionen des türkischen Staates ist insofern in NRW nicht feststellbar.“ Zur Grundhaltung gehört auch eine prinzipielle Gegnerschaft zur Demokratie (Seite 265): „Die Furkan-Gemeinschaft geht davon aus, dass die Demokratie die Rechte Gottes vereinnahme und die Teilhabe am politischen Prozess zu Kompromissen zwinge, die im Widerspruch zu Gottes Gesetzen stünden. Solche Kompromisse dürften keinesfalls eingegangen werden. Aus dieser Auffassung resultiert eine prinzipielle Ablehnung der Demokratie, die sich auch im Verbot der Teilnahme an Wahlen widerspiegelt, während zugleich der „Westen“ zum Feindbild stilisiert wird.“ Der Verfassungsschutz stellt fest, dass das Religionsverständnis der Furkan-Bewegung mit der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung kollidiert.
Jenseits dieser fachlichen Ebene kollidiert das Auftreten der Furkan-Bewegung mit ihren aggressiv wirkenden Sprechchören aber auch mit dem Sicherheitsempfinden der Bürger. Man kann durchaus verstehen, wenn es den Passanten beim Anblick solcher Aufzüge gruselt.
update und Korrektur 29.11.2019: Es finden sich Medienberichte dazu:
In dem Beitrag ist ein Video, das den Vorfall zu zeigen scheint. Der Mann sucht sich allerdings das Opfer gezielt aus (neben ihr sitzt eine weitere, ähnlich gekleidete Frau). So schlimm das sein mag und so inakzeptabel, stellt sich daher die Frage, ob die zum Video erzählte Geschichte zutrifft.