Salafistenkinder – Katastrophe mit Ansage

Der NRW-Verfassungsschutz warnt vor 100 salafistischen Familienverbänden. Deren Kinder werden einer normalen Sozialisation, die auf ein gedeihliches Miteinander in dieser Gesellschaft gerichtet ist, entzogen. Welche Herausforderungen stellen sich dadurch?

Salafistin mit Kind (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Am zweiten Weihnachtsfeiertag veröffentlichten mehrere Medien eine Antwort des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes auf eine dpa-Anfrage zur Salafisten-Szene. Die Antwort brachte hervor, dass sich die Zahl der Salafisten alleine in NRW im letzten Jahr um rund 100 auf nunmehr etwa 3.200 erhöht habe. Der leichte Anstieg werde auch darauf zurückgeführt, „dass sich die Zahl und der Anteil der Frauen im Salafismus erhöht habe“.

Bereits deutlich wahrnehmbar sei ein Anstieg der Aktivitäten von Frauen in den sozialen Netzwerken. Ausreisende, Zurückgekehrte und in Deutschland verbliebene Salafistinnen seien zunehmend gewaltbejahend und gewaltbereit“, hieß es weiter. Dabei seien durch die Geburt von Kindern inzwischen rund 100 salafistische Familienverbände entstanden. „Die Szene schotte sich ab. Die Salafistinnen schickten ihre Kinder nicht in den Kindergarten. So wachse eine zweite Generation von Salafisten heran, die bereits im Kindesalter radikalisiert werde.

An diesem Punkt ist guter Rat teuer. Die Hoffnung, dass diese Kinder durch Kindergarten und Schule doch in diese Gesellschaft finden werden, könnte sich als illusorisch und Einzelfällen vorbehalten erweisen. Denn die Kinder sind so bis zur Schulpflicht dem Einfluss einer radikalen Weltanschauung ausgesetzt.

Etwa um das sechste Lebensjahr sind viele Weichen hinsichtlich der Sozialisation bereits gestellt; es ist schwer, gegen ein derart früh vermitteltes geschlossenes Weltbild anzukommen. Es ist besonders schwer, wenn es mit Angst verbunden ist. Wenn schon Zweifel an einer vorgegebenen Deutung Angst auslösen, sind solche Vorprägungen schwer aufzulösen. Das gilt um so mehr, als sie mit einer Selbstüberhöhung sowie Abwertung anderer einhergeht und den Kindern Imaginationen einer angeblich feindlich gesonnenen Umgebung eingeschärft werden. Die Kinder lernen teilweise bereits, so der Verfassungsschutz, das Zählen mit Waffenbildern.

Wer Kinder derart indoktriniert, hat den Wunsch, sie nicht als Kinder zu sehen, als Garanten einer friedlichen Zukunft, sondern will sie als Fackelträger der Ideologie und schlimmstenfalls als eine Art Armee im Inneren. Mit anderen Worten: Er will Terroristen erziehen. Der Psychologe Ahmad Mansour schlägt deshalb vor, solchen Eltern wie etwa IS-Rückkehrern die Kinder zu entziehen. Auch wenn das ein erheblicher Schritt wäre: In einigen Fällen wird das erwogen werden müssen, um den Kindern eine Chance in dieser Gesellschaft zu geben und die Gesellschaft auch – das ist legitim – vor radikalisierten Kindern zu schützen.

Doch dieses frühe Alter ist nicht alleine die Zeit, auf die Fundamentalisten Einfluss nehmen wollen.

Es ist absehbar, dass einige salafistisch orientierte Eltern versuchen werden, auch der Schulpflicht zu entgehen. Solche Versuche („Homeschooling“) gab es auch schon von Sekten und anderen weltanschaulichen Gruppen, die die gesellschaftlichen Einflüsse auf ihre Kinder minimieren wollten. Vor einigen Jahren machte etwa die Sekte „12 Stämme“ auf sich aufmerksam. Die Väter nahmen sogar Gefängnisstrafen in Kauf, da sie nicht wollten, dass die Kinder in die Schule gehen. Es gibt mittlerweile genügend selber salafistisch orientierte Rechtsanwälte, die sicher behilflich sind, Gesetzeslücken oder -freiräume auszuschöpfen oder auszuloten.

Eigene Kitas und Schulen?

Ein weiterer Weg wird darin bestehen, eigene Kitas und Schulen einzurichten. Auch wenn bundesweit bekannte Prediger Schwierigkeiten haben dürften, eine Kita einzurichten, wird es dennoch versucht. Der Leipziger Hassan Dabbagh alias Abul Hussain scheiterte zwar durch OVG-Entscheidung mit seinem Vorhaben. Andere durften hingegen jahrelang eine Kita betreiben, die sogar öffentlich bezuschusst wurde. Pikant an letzterem Fall ist auch der zeitliche Ablauf: Die Behörden waren seit 2015 im Bilde, Beiratsmitglieder schwiegen in der Öffentlichkeit bis 2018 aus anderem Grunde öffentlich deutliche Kritik laut wurde. Dann erst, als die Tätigkeit in der Öffentlichkeit nicht mehr so schmückend war wie vordem, machten sie ihre nunmehr jahrelang im Verborgenen gehegten Bedenken öffentlich.

Einige aktuelle Planungen von muslimbrudernahen Gemeinden zielen auf die Errichtung eigener Kindertagesstätten ab. Solchen Gemeinden sollte das Unterhalten von Kitas ebenfalls untersagt werden, da erhebliche und relevante Schnittmengen zur salafistischen Ideologie bestehen. Schon der Betrieb von Koranschulen muss bei unter Beobachtung stehenden Moscheevereinen auf den Prüfstand. Erst recht gilt dies für Kitas. Es ist notwendig, dort hinsichtlich der vom Gesetzgeber geforderten Zuverlässigkeit einen genauen Einblick zu fordern und solche Betätigungen zu verbieten. Notfalls sollte auch der Gang zum Verwaltungsgericht nicht gefürchtet werden. Dies sind Jugend- und Schulämter nicht nur den Kindern schuldig, sondern auch der öffentlichen Hand, die sonst möglicherweise Zuschüsse leisten muss.

Die Schulpflicht schützt also nicht unbedingt. Das Ersatzschulwesen ist im Hinblick auf diese neuen Akteure revisionsbedürftig. Erste Fälle, bei denen die Erfüllung der Schulpflicht fraglich war, wurden bereits entschieden.

Wenn die Zahl 100 die Angabe für Nordrhein-Westfalen ist, wird es bundesweit sicher über 500 solcher Familien geben. Da kommt sehr viel Arbeit auf Jugendämter und Polizei zu, von den Gerichten ganz zu schweigen. Ob das Gemeinwesen auf diese Herausforderung angemessen vorbereitet ist, darf bezweifelt werden.

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