NRW: Freie Fahrt für Muslimbrüder?

Eine Antwort von NRW-Innenminister Herbert Reul auf eine Kleine Anfrage zum IKV Bochum offenbart, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über die „Muslimbrüder-Moschee“ nicht direkt an die Politik weitergegeben wurden. Gleichzeitig werben Landesintegrationsminister Joachim Stamp und Staatssekretärin Serap Güler für ein Netzwerk, bei dem einige Teilnehmer Bezüge zum Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft haben. Damit drohen die Warnungen von Herbert Reul und Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier vor der Muslimbruderschaft wirkungslos zu verpuffen.

Landesintegrationsminister Stamp und Staatssekretärin Güler werben für CLAIM (Belegbild: Facebook-Seite „Chancen NRW“ des NRW-Integrationsministeriums, Abruf 24.06.20)

In der jüngeren Vergangenheit warnte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) mehrfach mit eindringlichen Worten vor der Muslimbruderschaft. „Zum anderen sind islamistische Bewegungen wie die Muslimbruderschaft gut verankert und vernetzt. Sie versuchen, im Sinne ihrer extremistischen Ideologie Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen“, schrieb Reul erst vor wenigen Wochen im Vorwort des neuen Verfassungsschutzberichts des Landes NRW. Noch deutlicher wurde der CDU-Politiker im September letzten Jahres, als er den „traditionelle Islamismus, der zunehmend in die Gesellschaft eindringt“, im Landtag als „Gefahr für die Demokratie“ bezeichnete. Als Beispiel dafür nannte er die Muslimbruderschaft, die sich seinen Worten zufolge „zunehmend als gesellschaftlich akzeptable Alternative zum Salafismus präsentiert“.

Abseits dieser Warnungen verfestigt sich jedoch der Eindruck, dass die Bedrohung durch die Muslimbruderschaft von der nordrhein-westfälischen Politik nicht sonderlich ernst genommen wird. Dies offenbarten etwa die Auseinandersetzungen um den Islamischen Kulturverein Bochum (IKV): Im März 2019 teilte das Landesinnenministerium mit, dass der IKV wegen Bezügen zur Muslimbruderschaft vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Damit bestätigte das Ministerium auch entsprechende Recherchen und Veröffentlichungen der Autorin. Dennoch stimmten die Fraktionen im Bochumer Stadtrat im Juli 2019 mehrheitlich für eine finanzielle Unterstützung der neuen IKV-Moschee. Die CDU Bochum gratulierte dem IKV Ende Mai aus Anlass des Fastenbrechens gar öffentlich zu seiner neuen Moschee.

Verfassungsschutz-Chef spricht von „Muslimbrüder-Moschee“

Die Empörung darüber führte dazu, dass Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier im TV-Sender RTL noch einmal daran erinnerte, dass es sich bei der IKV-Moschee um eine von seiner Behörde beobachtete „Muslimbrüder-Moschee“ handelt. „Dann erwarte ich vom Verfassungsschutz und den zuständigen Behörden, dass sie entsprechende Signale an die Stadt Bochum geben, die dann auch verwertbar sind. Sonst hält sich das alles in einer Grauzone“, verteidigte Roland Mitschke, stellvertretender Vorsitzender der Bochumer CDU-Fraktion, in derselben RTL-Sendung die Position seiner Partei zum IKV.

Diese Signale hat es aber offenbar nicht gegeben. In einer am Dienstag letzter Woche veröffentlichten Antwort von Herbert Reul auf eine Kleine Anfrage der AfD-Landtagsfraktion stellte der CDU-Minister klar, dass sich „die Bewertungen des Verfassungsschutzes im Hinblick auf die Muslimbruderschaft (MB) und bezüglich einer Verbindung zwischen dem IKV Bochum und der MB grundsätzlich nicht geändert haben“. Entlarvend war jedoch seine Antwort auf die Frage, wann und wie der Bochumer Stadtrat über die Erkenntnisse seines Ministeriums zum IKV unterrichtet wurde: „Eine Unterrichtung der Stadt Bochum über die Aktivitäten und Ziele der Muslimbruderschaft erfolgte im Rahmen der üblichen Berichtswege. Hierzu gehören zum Beispiel der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen und die zuständigen Gremien wie der Innenausschuss des Landtags. Zum IKV Bochum wurde dort am 14.03.2019 berichtet.“

Im Bericht des Landesverfassungsschutzes war der IKV jedoch nicht erwähnt. Faktisch räumte der CDU-Politiker mit dieser Antwort ein, dass es keine direkte Unterrichtung der Bochumer Ratsfraktionen über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zum IKV durch sein Ministerium gegeben hat.

Werbung für umstrittenes Netzwerk

Nur einen Tag nachdem die Antwort von Herbert Reul zum IKV bekannt wurde, wurde auf der Facebook-Seite des nordrhein-westfälischen Integrationsministeriums ein Beitrag veröffentlicht, in dem Landesintegrationsminister Joachim Stamp (FDP) und Staatssekretärin Serap Güler (CDU) für die antirassistische Aktionswoche des Netzwerkes CLAIM werben. Ebenso wie der IKV wurde auch CLAIM hier bereits mehrfach thematisiert. Das Netzwerk, das sich selbst als Allianz bezeichnet, ist mit fragwürdigen Akteuren und Organisationen geradezu durchsetzt. So finden sich unter den von CLAIM genannten Teilnehmern nicht wenige mit Bezug zum Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft.

Beispiele dafür sind der Berliner Verein Inssan sowie die Muslimische Jugend in Deutschland (MJD). Beide Organisationen standen schon verschiedentlich wegen dieser Bezüge in Verfassungsschutzberichten. Aber auch bei anderen Mitgliedern, wie etwa dem Studentenverein RAMSA oder dem Frauenverein Rahma, sind solche Bezüge in der Organisationsgeschichte nachweisbar.*

Dass es in diesem Fall um ein Projekt gegen Rassismus geht, macht die Sache nicht besser. Diese Netzwerke und Geflechte haben sich in den letzten Jahren darauf spezialisiert, sich immer auf die Themen zu fokussieren, die gerade medial und politisch als gut und wichtig eingestuft werden. Da sehen sie ihre größte Chance, selber als gut und wichtig wahrgenommen zu werden und damit an das demokratische Spektrum Anschluss zu finden. Verfassungsschützer bezeichnen diese Strategie, die auch bei Links- und Rechtsextremisten immer bedeutsamer wird, als „Entgrenzung“. So spielt im Marketing der Muslimbruderschaft seit etwa zwei Jahren Klima- und Umweltschutz eine besondere Rolle. Weshalb die Autorin auch nicht überrascht ist, dass der IKV Bochum jetzt eine „grüne“ Moschee propagiert. Natürlich weiß die Muslimbruderschaft genau, dass sie den Verfassungsschutz mit solchen Tricks nicht täuschen kann. Aber sie spekuliert darauf, Politik und Medien damit täuschen zu können.

Nicht der erste Fall dieser Art

Auch bei der Werbung für CLAIM handelt es sich um keinen Einzelfall: Als das nordrhein-westfälische Integrationsministerium im Juli 2019 mit viel medialem Wirbel sein Projekt „Muslimisches Engagement in NRW“ gestartet hatte, fanden sich auf einer vom Ministerium selbst veröffentlichten Teilnehmerliste neben anderen problematischen Vereinen auch die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) sowie Islamic Relief Deutschland (IRD). Bei der DMG handelt es sich laut des bayerischen Verfassungsschutzes um die „Deutschland-Vertretung der Muslimbruderschaft“. Auch im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW ist die DMG seit Jahren wegen ihrer Bezüge zur Muslimbruderschaft aufgeführt. IRD verfügt ebenso wie deren Mutterorganisation Islamic Relief Worldwide laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage mehrerer FDP-Politiker vom April 2019 „über signifikante personelle Verbindungen zur Muslimbruderschaft oder ihr nahestehende Organisationen“.

Es bleibt Irrsinn, dass das Innenministerium immer wieder vor der Muslimbruderschaft warnt, aber andere Teile der Politik nicht an den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes teilhaben lässt. Dies führt im Ergebnis immer wieder dazu, dass sich die Muslimbruderschaft trotz Beobachtung in Nordrhein-Westfalen munter weiter ausbreiten und sogar öffentliche Mittel bekommen kann. Dass das Landesinnenministerium nur den Innenausschuss des Landtags über seine Erkenntnisse informiert, ist Dienst nach Vorschrift. Viel wichtiger ist es aber, dass Ministerium und Verfassungsschutz politische Entscheider informieren, etwa die Ratsfraktionen. Das ist im Fall des IKV Bochum ganz offensichtlich nicht geschehen. Und ganz besonders dringlich dürfte es sein, dass Herbert Reul mal seinen Kabinettskollegen Joachim Stamp darüber in Kenntnis setzt, mit was für Organisationen sich dessen Ministerium immer wieder gemein macht.

*
Informationen zu weiteren Organisationen im Netzwerk mit Bezügen zur Muslimbruderschaft auf Nachfrage bei der Autorin.

 

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