Im Gegensatz zu anderen Verfassungsschutzbehörden wird in Thüringen nur noch sehr dezent vor der Muslimbruderschaft gewarnt. Der Präsident des dortigen Verfassungsschutzes, Stephan J. Kramer, geht offensichtlich einen anderen, einen eigenen Weg. Kramer macht legalistische Islamisten hoffähig und setzt sich auch persönlich für sie ein. Mit seinen jüngsten Aussagen zu einem CDU-Papier fällt er sogar anderen Verfassungsschützern in den Rücken.

Stephan J. Kramer (2019) (Bild: Wolfram Schubert, Bildrechte: CC BY-SA 4.0-Lizenz, Link zum Originalbild)
Bundesweit warnen die Verfassungsschutzbehörden seit Jahren vor dem wachsenden Einfluss der extremistischen Muslimbruderschaft. Im Thüringer Verfassungsschutzbericht spiegelt sich das nicht mehr wider, obwohl früher auch dort darüber ausführlicher berichtet wurde. Im letzten Bericht des Thüringer Verfassungsschutzes nehmen die Ausführungen zum legalistischen Islamismus in der Übersicht nur noch eine Viertelseite ein. Angaben über die genauen Zahlen der Anhänger dieser Art des Islamismus sucht man im weiteren mittlerweile vergebens; vier größere Strömungen werden zusammengefasst und man kommt zu einer so niedrigen Anzahl (ca. 20 insgesamt), dass man sich fragt, ob das stimmen kann. 2017 sah Verfassungsschutzchef Stephan J. Kramer nämlich noch ein „flächendeckendes Problem“ in seinem Bundesland. Weggezogen, wegdefiniert oder was ist mit den Muslimbrüdern in Thüringen?
Wo sind Muslimbrüder organisiert?
Der größte Verband, in dem sich Muslimbrüder hierzulande organisieren, ist die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG, Islamische Gemeinschaft in Deutschland, IGD). Die DMG ist ein wichtiges und auch ein Gründungs-Mitglied im Zentralrat der Muslime (ZMD). Organisatorisch wird der ZMD vom Islamischen Zentrum Aachen (IZA) dominiert, in dem sich syrische Muslimbrüder engagieren. Das IZA hat eine eigene Struktur assoziierter Vereine; in früheren Jahren schätzte der Verfassungsschutz die Anzahl dieser Anhänger auf 400 bis 500. Das IZA wurde lange Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet. Im ZMD sind jedoch noch weitere islamistische Organisationen wie sie schiitischen Islamisten des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) und die türkischstämmigen Islamisten der ATIB. Außerdem sind in diesem Dachverband auch noch viele Einzelvereine und Akteure aus dem Netzwerk der Muslimbruderschaft. Das IZA dominiert jedoch, weil es fast immer den Vorsitzenden des ZMD gestellt hat.
Seit nunmehr mehr als vier Jahren gibt der ZMD seine Mitglieder nicht mehr öffentlich bekannt. Als Grund werden „Sicherheitsbedenken“ vorgeschoben, die aber weniger rechten Schurken als vielmehr neugierigen Journalisten gelten dürften. Denn viele ZMD-Einzelmitglieder stehen – wie auch die große DMG und die noch größere ATIB – unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dass der Gesamtverband noch nicht unter Beobachtung stehen soll, erschließt sich nach den letzten Jahren immer weniger, da er überwiegend aus Personen und Organisationen besteht, die eine Beobachtung zumindest vermuten lassen. Also ein höchst fragwürdiger und intransparenter Verband und damit keine Struktur, von der man annehmen würde, dass sie öffentliche Mittel erhält. Das ist jedoch bei einigen Projekten des ZMD der Fall, zum Teil mit eigens gegründeten Unternehmungen und Organisationen. Etwa dem vom ZMD initiierten Projekt „Juden und Muslime (JuMu) – Vielfalt zum Anfassen“, das trotz Bezügen eines Gesellschafters und Geschäftsführers zu Strukturen aus dem Netzwerk der Muslimbruderschaft vom nordrhein-westfälischen Integrationsministerium mit jährlich 136.000 Euro gefördert wird.
Lobbyist der Verbände?
In einem Positionspapier hatten sich vor einigen Tagen Mitglieder der Unions-Bundestagsfraktion dafür ausgesprochen, islamistischen Organisationen keine Förderung zukommen zu lassen. Neben der Türkisch-regierungsnahen DITIB, der kaum weniger regierungsnahen Milli-Görüs-Bewegung und der ATIB selber dürfte das neben dem Koordinationsrat der Muslime (KRM), in dem diese Organisationen mittelbar oder unmittelbar vertreten sind, also auch den ZMD betreffen.
Das ruft offenbar den Protest von Lobbyisten auf den Plan. Der Thüringische Verfassungsschutzpräsident Stephan J. Kramer unterstützt eine öffentliche Förderung muslimischer Verbände. So hat er sich zuletzt gegenüber der Rheinischen Post (RP) dazu geäußert und dabei die Forderung der Unions-Politiker zurückgewiesen: „Solange wir das (die Förderung mit öffentlichen Mitteln, Anm. d. Autorin) nicht ermöglichen, haben wir keinen Partner auf der anderen Seite und können auch lohnenswerte Strukturen nicht fördern, mit dem Ergebnis, dass sich die Gemeinden die finanzielle Unterstützung woanders holen“. Obwohl sich der andere von der RP befragte Verfassungsschützer, der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV), Burkhard Körner, im Artikel gänzlich anders positioniert, titelt die RP: „Verfassungsschützer plädieren für staatliche Hilfen für muslimische Verbände“. Nach Lesen des Artikels bleibt aber nur der Verfassungsschützer aus Thüringen, was im Zusammenhang mit dem Titel der RP den schalen Eindruck hinterlässt, dass dies lanciert wurde.
Und zwar genau um das zu tun, was auf der Seite des thüringischen Verfassungsschutzes zurückgewiesen wird: „Wir sind weder eine Prüfinstanz für politische Ansichten und Meinungen, noch lassen wir uns als Behörde politisch instrumentalisieren.“ Gegen eine Instrumentalisierung einer Behörde durch ihren eigenen Präsidenten ist natürlich wenig Kraut gewachsen. Das Papier der CDU-Politiker ist nämlich eine politische Meinung. Kramer meldet sich also politisch zu Wort. Und zwar nicht in beratender Absicht, wie die RP suggeriert, sondern um einer politischen Aussage den Nimbus der verfassungsschützerischen Sorge zu verleihen.
Nun ist es nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes, der Politik Partner zu suchen; das ist deren eigene Aufgabe und wenn sie keine finden, müssen sie die Frage anders stellen. Der Verfassungsschutz muss nur dann beraten, wenn Partner keine sein sollten, wenn die Politik also sich über die Eigenschaften und Ziele potentieller Partner täuscht. Das ist hier noch gar nicht der Fall. Was Kramer als „lohnenswerte Struktur“ versteht, wird bei der Betrachtung eines anderen langjährigen Engagements deutlich. Vor Jahren, also schon zu Zeiten, als er noch Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland (ZdJ) war, war Kramer stets zur Stelle, wenn der ZMD kritisiert wird. Ist denn der ZMD mit den antisemitischen Grauen Wölfen, dem antisemitischen IZH und vielen Akteuren der Muslimbruderschaft im Gepäck, wirklich der natürliche Ansprechpartner anderer Religionsgemeinschaften oder der Politik? Wie kann man darüber hinwegsehen, dass der ZMD zusammengesetzt ist, wie er nun mal zusammengesetzt ist? Und vor allem: Dient es wirklich jüdischen Interessen, mit dem ZMD gemeinsame Sache zu machen? Als Repräsentant einer Religionsgemeinschaft mag das noch angehen, denn letztlich entscheidet diese, was ihr nützt und was nicht. Aber Kramer ist nicht mehr Repräsentant einer Religionsgemeinschaft, sondern er vertritt jetzt den Verfassungsschutz. In dieser Funktion muss er neutral sein und darf sich nicht mit Organisationen gemein machen, die ganz oder teilweise unter dessen Beobachtung stehen.
Unterstützung fragwürdiger Projekte
So unterstützt Stephan Kramer das Projekt Schulter an Schulter (SaS), eine Initiative der „Stiftung gegen Rassismus“ von Jürgen Miksch. Der Theologe hatte seit den 90er-Jahren, zunächst im Auftrag der evangelischen Kirche, begonnen, Muslime als Gesprächspartner für die Politik aufzubauen. Langjähriger Partner in dem „Interkulturellen Rat“ von Jürgen Miksch war Nadeem Elyas, der den ZMD mitgründete. Elyas vertritt ein fundamentalistisches Weltbild, wie schon in einem Bericht von Report Mainz im Jahr 2003 aufgedeckt wurde. Elyas ist auch wieder dabei in der Nachfolge-Organisation des Interkulturellen Rates, dem Abrahamischen Forum. Neben ihm sind dort auch andere Vertreter des ZMD mit dabei, wie Aiman Mazyek und Abdassamad El Yazidi. Unter dem Deckmantel einer gemeinsamen Interessenvertretung von Juden, Christen und Muslimen werden hier Islamisten gefördert und hoffähig gemacht. Die Islamisten werden dabei im Sinne einer Entgrenzung neben jüdische Funktionäre gestellt, die oftmals gar nicht wissen dürften, wen sie da decken und wofür die Personen tatsächlich stehen.
Bei dem Projekt SaS nun deckt Kramer als Beiratsmitglied Aiman Mazyek und Abdassahmad El Yazidi ab und verleiht ihnen neben dem „Koscher-Stempel“ über seine Funktion auch den Anschein von Verfassungstreue. Zu Mazyeks Heimatgemeinde IZA wurden erst im letzten Jahr auf dieser Seite neue Erkenntnisse veröffentlicht: „Aachener Finten I“ und „Aachener Finten II“. El Yazidi durfte als Imam in hessischen JVAs nicht mehr wirken, als dem dortigen Landesjustizministerium dessen Bezüge zur Muslimbruderschaft bekannt wurden. Der hessische Dachverband „Deutsch-Islamischer Vereinsverband“, dem El Yazidi länger vorstand, kam 2016 direkt aus einer Förderung in die Beobachtung des Verfassungsschutzes, darunter auch die von Mitgliedern des Vorstandes. Ein anderer Funktionär dieses Verbandes ist der Stellvertreter Mazyeks beim ZMD, Mohammed Khallouk.
Legitimierung von Beobachtungsobjekten
Ob auch El Yazidis Heimatgemeinde unter Beobachtung steht, ist nicht bekannt. Mazyek bildet über seine Heimatgemeinde IZA eine Vertretung der syrischen Muslimbrüder ab, El Yazidi die marokkanisch-nordafrikanische Sektion. Stephan Kramer legitimiert als Thüringer Verfassungsaschutzpräsident also jene Personen, deren Organisationen von anderen Verfassungsschützern beobachtet werden. Er betätigt sich als Lobbyist mindestens für den ZMD und zieht Personen des Zentralrats der Juden mit in diesen Sumpf aus Kennverhältnissen, Männerfreundschaften und undurchsichtigen Amigo-Beziehungen. Sowohl bei Mazyek als auch El Yazidi spielen Kennverhältnisse und Männerfreundschaften der speziellen Art durchaus eine Rolle, wie man breit beobachten kann. Hier fühlt man sich an eine alte deutsche Redensart erinnert, die da lautet: „Zeig‘ mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist.“ Was aber bei Stephan Kramer eben nicht dazu führen würde, ihn auf der Seite derer zu sehen, die die Verfassung schützen.
Und spätestens mit seiner jüngsten Einlassung hat Kramer das Neutralitätsgebot seiner Behörde verletzt. Denn ein solches Neutralitätsgebot ist auch immer ein Fraternisierungsverbot. Und zwar vor allem mit jenen Strukturen, die im Fokus der eigenen Behörde stehen oder stehen könnten. Die sind keine „Partner“, das können und sollen sie nicht sein. Sondern Beobachtungsobjekte, selbst verschuldet durch extremistische Haltungen und Handlungen. Ein Verfassungsschützer, der Islamisten schützt, schützt allerlei, aber eben nicht die Verfassung. Er stellt sich selbst und seine Meinung über seine Funktion und seinen Auftrag. Kramer agiert wie ein Lobbyist in Funktion, nicht wie ein Verfassungsschützer. Er gibt über seine Einbindungen jenen Kreisen in CDU und CSU, die ebenfalls ein Interesse daran haben, auch fragwürdige Organisationen zu unterstützen, ein Alibi und eine Unterstützung. Sozusagen einen doppelten Koscher-Stempel. Das ist jedoch in doppelter Hinsicht völlig inakzeptabel: Er steht bei Juden für den Verfassungsschützer, weil das nun mal sein Amt ist, und lässt diesen damit kaum Raum für mögliche eigene Bedenken. Ob sein Eintreten für Aiman Mazyek nun Ausfluss einer Männerfreundschaft oder einfach auf eine Kumpanei unter – ehemaligen – religiösen Funktionären zurückzuführen ist, ist letztlich irrelevant. Entscheidend ist, dass Kramer eine Meinung in politischer Absicht äußert, die unter Verfassungsschützern eine Mindermeinung ist. Da sollte einmal ergründet werden, ob der zuständige Innenminister auch Muslimbrüder für nicht extremistisch hält.
Stephan Kramer wird das alles jedoch egal sein, denn er hat seinen Wunsch nach dem nächsten Wechsel in eine neue Funktion bereits angekündigt. Nun will er noch in diesem Jahr in den Bundestag gewählt werden. Und zwar auf dem Ticket der SPD, nach Möglichkeit auf dem sicheren Listenplatz 3. Damit hätte er schon wieder eine neue Funktion, an seiner Rolle als Lobbyist dürfte das jedoch nur wenig ändern.