Spätes Abrücken vom IKV Bochum?

Dass der IKV Bochum im NRW-Verfassungsschutzbericht aufgeführt wird, war keine Überraschung. Der Verein war schon bei seiner Gründung mit muslimbruder-nahen Organisationen verwoben. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Aktivitäten des Gemeinde-Imams auch nach 2019 weitergegangen sind. Die Bochumer Lokalpolitik ist erst letzte Woche vom IKV abgerückt, obwohl seit 2019 bekannt war, dass der Verein vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Islamischer Kulturverein Bochum

Im Dienstag letzter Woche vorgestellten nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz-Bericht war der Islamische Kulturverein Bochum (IKV), der Trägerverein der Bochumer Khaled-Moschee, erstmals namentlich aufgeführt. „Der IKV stand im Berichtszeitraum aufgrund seiner Bezüge zur Muslimbruderschaft in der öffentlichen Kritik und war bemüht, durch einen Maßnahmenkatalog extremistische Einflüsse zu unterbinden. Die daraufhin durch den Verein initiierten Maßnahmen lassen zwar auf eine Reduzierung der Einflussmöglichkeiten von Islamisten schließen, es besteht aber weiterhin die Möglichkeit, dass sie auf die Ausrichtung des Vereins einwirken können. Es bleibt abzuwarten, ob der geäußerte Wunsch zur Reform dazu führt, dass weitere Maßnahmen des Vereins eine nachhaltige Unterbindung extremistischer Tendenzen zur Folge haben“, hieß es dazu erläuternd.

Die Bezüge des IKV zur Muslimbruderschaft waren aufgrund von hier veröffentlichten Recherchen seit Februar 2019 öffentlich bekannt. Nur einen Monat später wurde sogar publik, dass der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz den IKV deswegen beobachtet.

Verfassungsschutz nicht ernst genommen

Die Bochumer Lokalpolitik nahm die Beobachtung des IKV durch den Verfassungsschutz jedoch überwiegend nicht ernst. So wurde eine Entscheidung über die seit längerem geplante Förderung einer neuen IKV-Moschee im Juli 2019 nicht abgesagt, sondern lediglich in den nicht-öffentlichen Teil einer Rats-Sitzung geschoben. Einem Artikel des Blogs Ruhrbarone vom 29. Juli 2020 zufolge stellte sich die FDP sogar hinter den vom Verfassungsschutz beobachteten Verein. Zur CDU heißt es in dem Artikel: „Die CDU antwortete auf unsere Fragen ebenfalls nicht schriftlich, aber ein Vertreter der Partei ließ uns im Gespräch wissen, dass der IKV dabei sei, sich von seinen Kontakten zur Muslimbruderschaft zu lösen und man den Menschen auch mit Vertrauen entgegentreten müsse, wenn Integration gelingen soll.“

Auch nach der Veröffentlichung des NRW-Verfassungsschutzberichtes waren so manche Reaktionen eher verhalten. So hatte die Stadt Bochum in einer ersten Erklärung am Dienstag die Erwartung geäußert, „dass der Verein seine Hausaufgaben macht und sich die demokratischen Kräfte durchsetzen“, so Stadtsprecher Thomas Sprenger laut der WAZ. Lediglich die Ratsfraktion der Grünen wurde deutlicher: „Dem im letzten Jahr neu gewählten Vereinsvorstand des IKV ist es offensichtlich nicht gelungen, sich von islamistischen Kräften zu distanzieren und dem Verein ein klar verfassungskonformes Profil zu geben“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Barbara Jessel. Am Ende ihrer Erklärung heißt es: „Die vielen Bochumerinnen und Bochumer muslimischen Glaubens, die diese Moschee besuchen, haben ein Recht darauf, ihre Religion unbeeinflusst von einer radikalen politischen Ideologie auszuüben. Wir fordern den Verein auf, als ersten Schritt einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu treffen. Mitglieder des Vereins dürfen per Satzung nicht gleichzeitig für die Muslimbruderschaft oder andere radikal-islamische Organisationen tätig sein. Die Verbreitung solcher Lehren muss außerdem konsequent unterbunden werden.“

Die Gemengelage ist viel komplizierter

Der Vorstoß der Grünen geht natürlich in die richtige Richtung. Im Gegensatz zu CDU und FDP, die beim Islamismus offenbar nur noch dem Prinzip Hoffnung folgen, hat man das Problem richtig erkannt und spricht es auch offen aus. Nur dürfte die Gemengelage, mit der die Bochumer Politik beim IKV konfrontiert ist, viel komplizierter sein, als es sich die Grünen vorstellen können: Denn der IKV ist, wie jeder Verein, von einer Vereinshistorie geprägt. Und wer sich alte Verweise aus dem Vereinsregister anschaut, der sieht schnell, dass der IKV schon bei seiner Gründung eng mit anderen muslimbruder-nahen Organisationen verbunden war. Damit ist etwa gemeint, dass der heutige IKV aus dem Verein Union Muslimischer Studenten-Organisationen in Europa – Bochum hervorging. Dessen Mutterorganisation, der Union Muslimischer Studenten-Organisationen in Europa, stand länger Nadeem Elyas vor. Elyas, Gründungsvorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD), ist vor allem mit dem Islamischen Zentrum Aachen (IZA) verbunden, das vor Jahren wegen seiner Bezüge zur Muslimbruderschaft ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.

Schon an dieser ursprünglichen Verbindung, die einem Netzwerk muslimbruder-naher Studentenorganisationen gleicht, sieht man deutlich, dass der Einfluss der Muslimbruderschaft beim IKV nichts ist, was später hinzugekommen ist. Sondern ein Teil der Gründungs- und Vereinshistorie, also in gewisser Weise auch ein Teil der Vereinsidentität. Solche Strukturen zu reformieren sind keine „Hausaufgaben“, sondern fast ein Ding der Unmöglichkeit. Denn hier fordern Grüne und Stadt ja nicht weniger, als dem Verein eine verfassungskonforme Identität zu geben, die gleichzeitig seiner Gründungshistorie widerspricht.

Neuer Vorstand, aber gleicher Imam

Und so ist möglicherweise eine Loslösung gar nicht wirklich angestrebt. So wurde hier bereits vor über einem Jahr darauf hingewiesen, dass der Gemeinde-Imam des IKV, Hedi Brik, im Aktionsgeflecht der europäischen Muslimbruderschaft sehr aktiv ist und auch keine Hemmungen hat, sich dazu auf Internet-Seiten, die zur muslimischen Community hin gerichtet sind, zu bekennen.

Und wie hat der IKV auf das Bekanntwerden der Verfassungsschutz-Beobachtung reagiert? Der Verein hat sich zwar einen neuen Vorstand mit dem Vorsitzenden Hamza Sati gegeben, aber Hedi Brik durfte trotz seiner fragwürdigen Aktivitäten bleiben. Zuletzt trat der Gemeinde-Imam Anfang Mai in einer Veranstaltung auf, bei dem der IKV-Vorstand Spenden für den Moschee-Neubau sammeln wollte. Nach einer vereinseigenen Finanzaufstellung sollen Ankauf und Umbau der Liegenschaft fast fünf Millionen Euro kosten. Etwa nach eineinhalb Stunden sitzt dann nach einer Gebetsunterbrechung eben jener Hedi Brik mit auf dem Podium. Er hält dann einen halbstündigen Vortrag in arabischer Sprache, in dem er den Gläubigen und potentiellen Spendern ins Gewissen zu reden scheint. Auf dem von der Autorin gesicherten Video der Veranstaltung wurde neben den Kontoverbindungen als Motto „Bau dir ein Haus im Paradies“ eingeblendet.

Fazit: Bis heute hat sich weder der IKV von diesem Imam noch dieser Imam von der Muslimbruderschaft distanziert. Worüber also ist der neue Vorsitzende Sati so „äußerst verärgert“, wie er der WAZ gegenüber verlauten ließ? Das wirkt schon so, als ob man gegenüber der Bochumer Politik Reformwillen demonstriert, aber in der ideologischen Ausrichtung des Vereins alles so belässt, wie es vorher war.

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