Vom Jäger zum Gejagten?

Welche Auswirkungen der verlorene Krieg in Afghanistan für Deutschland haben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Dass Islamisten jeglicher Couleur die Ereignisse aufmerksam verfolgen und sich dadurch bestärkt und ermutigt fühlen, zeigen erste Beispiele aber schon jetzt. Ein simples Hochfahren der Terror-Abwehr wird hier nicht mehr ausreichen. Am verheerendsten dabei ist, dass die Aufwertung der Taliban die roten Linien weiter zugunsten von Islamisten verschoben hat.

Der A.400M der Luftwaffe geriet zum Symbol einer Evakuierung aus Kabul, die von politischer Seite desaströs eingefädelt wurde. Zuletzt kam heraus, dass sich unter den rund 4.500 Evakuierten gerade mal etwa 100 sogenannte Ortskräfte befunden haben (Bild: Privat)

Bereits seit Wochen halten Bilder aus der von den Taliban eingenommenen afghanischen Hauptstadt Kabul die deutsche Politik und die Öffentlichkeit in Atem. Was vor fast genau 20 Jahren als Reaktion auf die Terror-Anschläge in New York und Washington DC als „War on Terror“ begann, endete mit einer Evakuierung westlicher Staatsbürger und besonders gefährdeter Afghanen, die eher einer Flucht als einem regulär beendeten Militäreinsatz gleicht. Waren die Taliban vor rund 20 Jahren noch einer der Kriegsgegner, sprachen westliche Generäle laut mehrerer englischsprachiger Medien nach dem Anschlag einer afghanischen IS-Gruppe am Flughafen Kabul, der am Donnerstag rund 170 Tote zur Folge hatte, plötzlich davon, sich in einer „Sicherheitspartnerschaft“ mit der fundamentalistischen Terror-Gruppe zu befinden.

Diskussionen darüber, welche Auswirkungen der verlorene Krieg auf die Situation in Deutschland und in anderen westlichen Ländern haben wird, waren aufgrund des Situationsdrucks bislang kaum möglich. Eine der wenigen Ausnahmen war der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn, der unmittelbar nach dem Anschlag von Kabul im Interview mit Bild-TV dazu riet, die Sicherheitsbehörden sollten sich neben dem Rechtsextremismus auch wieder verstärkt dem nunmehr zu erwartenden islamistischen Terror widmen.

Hier hat Professor Wolffsohn natürlich völlig recht. In einem Punkt sollten wir uns doch bitte nichts vormachen: Dass die Politik derzeit so tut, als sei das nur irgendein gescheiterter Militäreinsatz gewesen, bei dem es nur Probleme beim Abzug und der Evakuierung gegeben habe, ändert nichts daran, dass Islamisten aller Couleur das als großen Sieg der Taliban über den Westen wahrnehmen. Weil es das ja auch ist. Und damit ist es jetzt unausweichlich, dass sich Islamisten aller Schattierungen, auch bei uns, gestärkt und zu neuen Taten ermuntert fühlen.

Dasselbe Ziel, nur andere Methoden

Die Jihadisten fühlen sich gestärkt, weil sie jetzt deutlich sehen, welche Einschüchterung sie mit ihren Anschlägen bewirken. Die Salafisten fühlen sich bestätigt, weil sie wahrnehmen, dass der Westen es mit der Verteidigung seiner Werte im Zweifelsfall ja doch nicht ernst meint. Und die legalistischen Islamisten wittern Morgenluft, weil sie sich als ,die Guten‘ darstellen und sich wieder als diejenigen präsentieren können, die mit den anderen reden können und damit Teil einer Lösung sein können. Was sie nicht sind, denn alle Gruppen verfolgen dasselbe Ziel, nur eben mit unterschiedlichen Methoden.

Besonders verheerend ist, dass sich nach dem Anschlag in Kabul die Taliban auch noch als diejenigen darstellen können, mit denen man noch Absprachen treffen kann. Denen man Geld anbieten kann, damit sie noch ein wenig stillhalten, bevor sie die überlassenen Waffen einsetzen – und zwar gegen alle, die ihnen im Weg stehen oder auch nur missfallen. Durch diese Aufwertung der Taliban wird Islamisten weiterer Raum gegeben, wer – notgedrungen – noch als Gesprächspartner gilt. Und je weiter diese roten Linien in Richtung von Islamisten verschoben werden, umso schneller kommen wir an den Punkt, an dem der gesamte Westen, nicht nur Deutschland, beim Kampf gegen den Islamismus vom Jäger zum Gejagten wird.

„Niederlage der USA ein Erfolg für die Muslime“

Wie schnell die ersten Islamisten diese Verschiebung begriffen haben, zeigen aktuelle Beispiele: So schrieb Samir Falah, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) und derzeitiger Vorsitzender des Councils of European Muslims (CEM), bereits am 15. August auf seiner Facebook-Seite: „Neue Verhältnisse in der Weltpolitik zeichnen sich ab.“ Die CEM und deren Mitglied DMG werden vom Verfassungsschutz der Muslimbruderschaft zugerechnet.

Ahmad Tamim, Aktivist des Hizb ut-Tahrir-nahen Internet-Portals „Generation Islam“ stellte am 22. August in einem auf YouTube veröffentlichten Video fest, dass die „Niederlage der USA“ ein „Erfolg für die Muslime“ sei. Vier Tage zuvor hatte Tamim das Bild eines Taliban-Terroristen als sein neues Facebook-Profilbild hochgeladen und dazu geschrieben: „Dieses Profilbild zeigt einen afghanischen Muslim, der seine Familie vor der unrechten Besatzung schützen tut. Es zeigt meinen Bruder, zu dem ich stehe.“

Träume von Ende des „USraelischen Imperiums“ geweckt

Yavuz Özoguz, Bruder der SPD-Politikerin Aydan Özoguz und schiitischer Aktivist aus dem Umfeld des Iran-nahen Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) phantasiert nach dem Fall von Kabul bereits den Untergang Deutschlands und vor allem den Israels herbei: „Deutschland muss sich entscheiden, ob es weiterhin jedes Verbrechen des USraelischen Imperiums mittragen und im Untergang des Imperiums mit untergehen, oder sich endlich befreien will. Denn die Flucht aus Afghanistan war sicherlich nicht die letzte Flucht des untergehenden Imperiums. Syrien und Irak werden schon bald folgen, und nach dem Fall Jemens kann die USA auch alle ihre Könige und Prinzen einsammeln und bei sich aufnehmen. Nicht zuletzt wird auch das besetzte Palästina befreit werden, denn keine Besatzung währt ewig. Obwohl es in der westlichen Welt nur von Historikern wimmelt, die den historischen Ablauf eines untergehenden Imperiums hinreichend erforscht haben, und obwohl es keinen Zweifel mehr daran gibt, dass das USraelische Imperium nicht mehr zu halten ist, hängt die deutsche Politelite immer noch am Zipfel der brennenden US-Flagge“, schrieb Özoguz am 21. August auf der islamistischen Internet-Seite „Muslim-Markt“.

Wenn sich Islamisten so bestärkt und ermutigt fühlen, muss die Politik jetzt schnell reagieren. Hier geht es längst nicht nur um die Frage, wie man jetzt den Einsatz deutscher Soldaten in Mali zu bewerten hat. Sondern darum, was uns nach dieser Zäsur in nächster Zeit in Deutschland erwartet. An die Jihadisten muss jetzt das Signal gehen, dass man sich nicht einschüchtern lässt. Die Politik darf nicht nur Lippenbekenntnisse zu den eigenen Werten verbreiten. Und an die legalistischen Islamisten muss jetzt das Signal gehen, dass sie eben nicht die Guten sind, sondern Teil des Problems. Dass die Politik mit jenen, die guten Willens sind, auch selber sprechen kann und muss und dass jene, die nicht guten Willens sind, bekämpft werden müssen. Diese Signale müssen jetzt schnell und konsequent erfolgen, denn sonst verfestigt sich für den Westen die Defensive gegenüber dem Islamismus.

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Dietzenbacher Netzwerke

Wie erst Ende Juni durch eine Pressemitteilung bekannt wurde, hat sich bereits im März ein neuer Deutsch-Marokkanischer Rat (DEMARAT) gebildet. Gründungsmitglieder waren Vertreter beziehungsweise Vorstände von „neun deutsch-marokkanischen Vereinen und Organisationen aus den Bereichen Kultur, Bildung, Religion und Soziales“. Welche Organisationen und Vereine dies konkret sind, blieb jedoch unklar, da die Organisationen nicht ausdrücklich benannt werden.

Der Sitz des DEMARAT in Dietzenbach, bei dem rechts angrenzenden Gebäude handelt es sich um die Tawhid-Moschee (Bild: Privat)

Den Vorsitz des DEMARAT führt nach eigenen Angaben Abdelmalek Hibaoui. Seinen Sitz hat das Gremium im hessischen Dietzenbach – unmittelbar neben der Tawhid-Moschee, die schon vor Jahren durch radikale Bezüge aufgefallen ist. Deren Jugendarbeit ist seit einiger Zeit umgesiedelt worden. Unter dem Namen Förder- und Kulturverein Dietzenbach (FKD) wird diese Jugendarbeit jetzt von ehemaligen Beauftragten des Moschee-Vereins geleitet.

Neben Abdelmalek Hibaoui werden weitere DEMARAT-Vorstandsmitglieder aufgeführt: Abdelhak El Kouani, Mohammed Assila, Mustapha Azerfane, Rachid Madmar, Hassan Annou, Mimoun El Madaghiri, Salima Diouch sowie Hafida El Achak. Aufnahmen von der Gründungsversammlung zeigen auch Abdassamad El Yazidi, den ehemaligen Vorsitzenden des Landesverbandes Hessen des Zentralrats der Muslime (ZMD) und derzeitigen Generalsekretär des ZMD Bund. Einige Mitglieder des Vorstandes sind mehr oder weniger bekannt und fielen teilweise schon durch Funktionen in Organisationen auf, die vom Verfassungsschutz beobachtet wurden oder im Geflecht der Muslimbruderschaft zu verorten sind.

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NRW: Sensibilität für Muslimbrüder?

In der Rheinischen Post bezeichnete der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide die Muslimbruderschaft am Samstag als „Gefahr für die Demokratie“. Dabei verwies er auch darauf, dass diese im ZMD vertreten sei und forderte das Ende „jeglicher Zusammenarbeit mit solchen Organisationen“. Womit er natürlich recht hat. Aber mit seinem Engagement für den Verein „Begegnen“ hält er sich selber leider nicht daran.

Die Abu-Bakr-Moschee in Wuppertal gehört zu einer Mitgliedsgemeinde des ZMD (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

In seiner Kolumne in der Rheinischen Post bezeichnete der österreichische Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide die Muslimbruderschaft am Samstag als „Gefahr für die Demokratie“. Indirekt forderte der in Münster lehrende Professor das Ende jeglicher Zusammenarbeit: „Die Muslimbruderschaft ist im Zentralrat der Muslime (ZMD) vertreten und somit Teil der islamischen Strukturen in Deutschland. Vielen Akteuren im Land fehlt die notwendige Sensibilität dafür zu erkennen, dass es sich hierbei um eine für das friedliche Zusammenleben gefährliche und in vielen islamischen Ländern als islamistisch eingestufte Organisation handelt, die überall anstrebt, einen Staat im Staat zu errichten. Es ist an der Zeit, jegliche Zusammenarbeit mit solchen Organisationen in Deutschland zu stoppen, denen die Demokratie lediglich als Mittel zum Zweck dient.“

In der Sache hat Mouhanad Khorchide natürlich völlig recht. Nahezu alle, die sich in ernsthafter und seriöser Form mit Islamismus beschäftigen, allen voran die Verfassungsschützer, haben schon seit Jahren Konsens, dass man mit der Muslimbruderschaft nicht zusammenarbeiten darf. Und in diesem Kontext darf auch der ZMD nicht unerwähnt bleiben. Nur geht Khorchide da selber mit einem eher schlechtem Beispiel voran, wie man an seinem Engagement für den Verein „Begegnen“ erkennen kann.

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