Obwohl sie einräumt, mit mehreren IS-„Kämpfern“ verheiratet gewesen zu sein, mit Zustimmung des IS eine Villa bezogen und im Namen von IS-Frauen Spenden gesammelt zu haben, will Monika K. keine Anhängerin der Terror-Organisation gewesen sein. Zumindest versucht die 28-Jährige das dem Gericht in Düsseldorf weiszumachen. Namen von potentiellen Zeugen will sie aber nicht preisgeben. Auf Zweifel an diesen Darstellungen reagieren ihre Anwälte mit Empörung.
Seit 8. November muss sich Monika K. vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, sich gemeinsam mit ihrem damaligen Mann 2014 in Syrien der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen zu haben. Die Führung des gemeinsamen Haushalts soll vom IS finanziert worden sein. 2015 soll der IS dem Paar eine Villa samt hochwertiger Einrichtung, darunter auch ein Whirlpool, zur Verfügung gestellt haben.
Nach ihrer Festnahme im März 2019 soll sie im Gefangenenlager Al-Hol ein Internet-Spendennetzwerk namens „Justice for Sisters“ zugunsten weiblicher IS-Mitglieder betrieben haben. Auch nachdem sie Ende 2019 von einem höherrangigen IS-Mitglied aus dem Lager geschleust wurde, soll sie weiterhin den Kontakt zwischen Geldbeschaffern in Deutschland und IS-Frauen in Syrien gehalten haben. Dabei wurde sie im September 2020 festgenommen. Im März 2022 wurde sie nach Deutschland ausgeflogen und unmittelbar nach ihrer Landung in Frankfurt in Untersuchungshaft genommen.
Abweichende Sitzregelung für Frauen?
Ein Blick zurück auf den Beginn des Prozesses: Als Monika K. zum ersten Mal den Gerichtssaal betritt, hält sie ihr Gesicht hinter einem Aktenordner verborgen. Üblicherweise ein Zeichen dafür, dass sich Angeklagte ihrer Taten schämen. Aber kaum haben die Fotografen den Saal wieder verlassen, ist der Aktenordner auch schon weg. Zum Vorschein kommt eine dunkelblonde, westlich, schon fast körperbetont gekleidete und eher unscheinbar wirkende kleine Frau. In der Öffentlichkeit würde ihre Erscheinung kaum Aufmerksamkeit hervorrufen, schon gar nicht den Gedanken, eine Terror-Unterstützerin vor sich zu haben.
Die inzwischen 28-Jährige wirkt gut aufgelegt, mit ihren Anwälten kommuniziert sie lächelnd und lebhaft. Was ihr auch einfach gemacht wird, denn im Gegensatz zu männlichen Terror-Verdächtigen, die auf der Anklagebank hinter einer Glaswand abgeschirmt von ihren Verteidigern sitzen müssen, darf sie zwischen ihren Anwälten Platz nehmen. Und mit insgesamt vier Anwälten, darunter auch Johannes Pausch und Martin Yahya Heising, ist das Aufgebot zu ihrer Verteidigung beträchtlich – qualitativ ebenso wie quantitativ.
Zielgerichtet in die Szene
Im Gegensatz zu anderen IS-Rückkehrerinnen, die ihre Erklärungen durch Anwälte verlesen lassen, trägt die gebürtige Polin ihre ausführliche Einlassung selbst vor. Dabei wirkt ihre Stimmlage emotionslos, aber gleichzeitig frei von erkennbarer Nervosität oder Unsicherheiten. Ihre Darstellungen zu ihrem persönlichen Werdegang wirken plausibel, etwa ihre Schilderungen zu ihrem ungewöhnlich frühen Alkohol- und Drogenkonsum, den sie als „orientierungslose, sinnfreie Betäubung“ darstellt. Sie macht keinen Hehl daraus, sich dem Islam zugewandt zu haben, um Beständigkeit und Orientierung in ihr Leben zu bringen. Dabei spielten auch Videos der Salafisten-Prediger Pierre Vogel und Abu Jibril eine Rolle. Auch 2012 einen Stand der später verbotenen Lies!-Koranverteilungskampagne zum Zwecke der Kontaktaufnahme aufgesucht zu haben, wird von ihr nicht bestritten.
Aber zielgerichtet in der Islamisten-Szene Kontakte zu knüpfen ist nicht strafrechtlich relevant. „Radikal-islamistisches Gedankengut“ gehabt zu haben, so ihre eigene Wortwahl, sowie die Verhüllung nach ihrer Konvertierung sind es auch nicht. Und so verwundert es auch nicht, wie freimütig sie darüber plaudert, der später unter anderem wegen IS-Unterstützung verurteilte Mirza Tamoor B., von ihr liebevoll „Onkel Timoor“ genannt, habe die Heirat mit ihrem ersten Mann organisiert. Spätestens damit räumt sie freimütig ein, wie konsequent und schnell sie in der entsprechenden Szene gelandet ist – vermutlich wohl wissend, dass all dies strafrechtlich ohne Belang ist.
„Keiner wird hier ohne Grund getötet“
Der Charakter ihrer Darstellungen ändert sich jedoch abrupt, als sie von der Einlassung zur Person in die Einlassung zur Sache, also zu den Vorwürfen der Anklage, wechselt. Denn von nun an sind ihre Darstellungen strafrechtlich relevant, von nun an muss sie damit rechnen, dass jede ihrer Aussagen, jede einzelne Formulierung, gründlich auf ihre Motivation sowie auf einen möglichen Vorsatz der IS-Unterstützung hin überprüft wird. Und hier ist sie in einer eher schlechten Ausgangsposition, da die Ermittler offenbar nicht wenig ihrer Spuren im Internet gesichert haben. Darunter finden sich auch Aussagen wie: „Wenn wir Deutschland einnehmen, lasse O. und ihre Familie in Ruhe. Die werden Schutz-Steuer zahlen müssen und können dann im Islamischen Staat leben.“ Auf Hinweise aus Deutschland, dass der IS morde, soll sie verständnislos reagiert haben: „Keiner wird hier ohne Grund getötet.“ Und auf die Frage, wofür sie und ihre Mitstreiter kämpfen, soll sie geantwortet haben: „Für Allahs Gesetz, dass die Welt nach (der) Scharia regiert wird.“ Mit derlei Eroberungsphantasien hinterlassen ihre Chats den Eindruck einer eher fanatischen IS-Unterstützerin.
Ihr Umgang damit zeichnet sich schnell ab: All dies wird von ihr nicht in Abrede gestellt, der Vorsatz, den IS unterstützen zu wollen, wird jedoch vehement bestritten. Damit aber erlangt ihre Einlassung den Charakter „alternativer Erklärungen“: Mit schon fast blumigen Darstellungen versucht sie den Eindruck zu erwecken, sie habe sich auf einer religiös begründeten Reise durch die arabische Welt befunden, bei der sie mit dem IS und dessen Ideologie nichts im Sinn hatte, aber durch Zufälle sowie ihre mehrfachen Ehemänner immer wieder unbeabsichtigt in dessen Strukturen gelandet sei.
Das beginnt mit ihrer Darstellung, ihr erster Mann habe zwar in den Jihad gewollt, sei aber wegen seiner Diabetes mit ihr zusammen erst einmal nach Ägypten ausgereist. Von dort aus sei man nur deswegen nach Syrien gegangen, um den durch das Assad-Regime unterdrückten Muslimen „helfen“ zu wollen. Unfreiwillige Komik erlangt dieser Teil der Geschichte, als sie später beteuert, vom IS erst erfahren zu haben, als ihr erster Mann von der al-Nusra-Front zu diesem wechseln wollte. Spätere Ehemänner habe sie erst kennengelernt, „nachdem diese für den IS tätig waren“.
„Große Häuser gehen an wichtiges Personal“
Ähnlich auf die Spitze treibt es die gebürtige Polin, als sie schildert, mit ihrem Einzug in ein luxuriös anmutendes Haus im IS-Gebiet seien dessen Eigentümer einverstanden gewesen. Die Eigentümer, die nicht zuhause waren, hätten das ihrem Mann über andere Personen vor Ort mitgeteilt. Erst als ihr der Vorsitzende Richter Jan van Lessen entgegnet, ihre Darstellung sei nicht plausibel, räumt Monika K. ein, der IS hätte den Bezug des Hauses „abgesegnet“. Für einen kurzen Moment führt die strafrechtliche Brisanz dieses Punktes – die Nutzung von Häusern vertriebener oder geflohener Eigentümer durch IS-Mitglieder gilt als Kriegsverbrechen – zu einer lebhaften Diskussion über die Nutzung von Immobilien während der IS-Herrschaft. Dabei werden auch mehrfach Fragen an Guido Steinberg gerichtet, der den Prozess als Gutachter verfolgt. Zum konkreten Fall von Monika K. äußert sich der Islamwissenschaftler nicht, aber seine Einordnung der damaligen Praxis des IS ist eindeutig: „Große Häuser gehen an wichtiges Personal.“
Dazu gehört zu haben, bestreitet die Angeklagte aber weiter. Dabei macht sie gelegentlich Anmerkungen, die nicht zur inneren Logik ihrer übrigen Darstellung passen und weiten Interpretationsspielraum bieten. So etwa als sie plötzlich sagt: „Ich möchte, dass mal verstanden wird, dass man, wenn man sich vom IS abwendet, man keine moderate Muslimin sein muss. Ich hatte noch meine radikal-islamistischen Haltungen.“
In der Gesamtbetrachtung aber bleibt sie bei ihrer Linie, es sei ihr nie um Unterstützung des IS gegangen. Auch dann nicht, als sie im Internet für IS-Frauen in Al-Hol Spenden gesammelt habe. Mit diesen Spenden habe sie in Wahrheit ihre Flucht aus dem Lager vorbereiten wollen. Die „Identifikation mit dem IS“ habe dabei nur dem Zweck gedient, die Geber zu entsprechenden Spenden zu motivieren. Garniert wird dieser Teil der Geschichte mit Darstellungen, sie hätte sich im Lager auch zuweilen farbig gekleidet und wieder geraucht. Das aber käme, hätte es sich wirklich so zugetragen, in einem Gefangenenlager mit anderen IS-Frauen einer ausgeprägten Lebensmüdigkeit gleich – und die stünde dann in klarem Widerspruch zur Vorbereitung einer Flucht.
„Namen möchte ich nicht nennen“
Auch wird mit jedem Verhandlungstag immer mehr auffällig, dass sich Monika K. konsequent weigert, die Namen anderer Deutscher zu nennen, die sie im IS-Gebiet oder später im Lager Al-Hol kennengelernt hatte. Weder sie selbst noch ihre Anwälte gaben bislang eine Begründung für diese Weigerung ab.
Auf den ersten Blick mag dies unlogisch wirken, denn gerade vor dem Hintergrund ihrer bislang wenig plausiblen Darstellungen sollte sie eigentlich ein starkes Interesse daran haben, dass diese Personen als Zeugen geladen werden und ihre Darstellungen bestätigen. Zumindest so sie denn ihre Darstellungen bestätigen würden – denn von der Annahme ausgehend, dass Monika K. nicht will, dass sich Personen, die zur selben Zeit am selben Ort waren, zu ihren Darstellungen äußern, ergäbe ihre konsequente Weigerung, Namen zu nennen, doch noch einen logischen Sinn.
Empörung bei kritischen Nachfragen
Damit ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Gericht und die Vertreter der Bundesanwaltschaft, die die Darstellungen der Angeklagten anfänglich mit unbewegter Miene verfolgt haben, zuletzt eher gereizt reagierten. Dienstagmittag dieser Woche führte dies zu einem kurzen, aber offenen Schlagabtausch zwischen Jan van Lessen und dem Strafverteidiger Gabor Subai. Wie schon zuvor bei einer kritischen Nachfrage der Bundesanwaltschaft wurde auch hier die Strategie des Verteidiger-Aufgebots deutlich, auf Zweifel und kritische Anmerkungen sofort mit – professionell wirkender – Empörung zu reagieren.
Dabei verstieg sich Gabor Subai am Dienstag gar zu der Behauptung, die Erklärungen seiner Mandantin seien eine „geständige Einlassung“. Indirekt und unausgesprochen wurden Gericht und Anklage damit erneut aufgefordert, dafür doch dankbar zu sein und diese nicht weiter zu hinterfragen. Eine Chuzpe, die zu Zeiten der RAF-Prozesse völlig undenkbar gewesen wäre – die aber bei heutigen IS-Prozessen von Seiten der Verteidiger immer wieder wirkungsvoll eingesetzt wird. Monika K. bleibt während solcher Auseinandersetzungen ruhig; ihre bequeme Sitzhaltung lässt zumindest äußerlich keinerlei Anspannung oder Nervosität erkennen.
Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?
Und auch eine Besonderheit der deutschen Justiz könnte Monika K. im Ergebnis entgegenkommen: die Jugendgerichtshilfe. Da die heute 28-Jährige zu Beginn des ihr vorgeworfenen Tatgeschehens erst 19 Jahre alt und damit eine sogenannte Heranwachsende war, muss deren Einschätzung nämlich noch vor dem Urteil gehört werden – um zu entscheiden, ob das Urteil nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht erfolgen soll.
Der Normalbevölkerung mag dies bei einem Terror-Verfahren absurd und grotesk vorkommen. Dass diese Elemente deutscher Strafjustiz aber auch in extremen Fällen stoisch beachtet werden, belegt ein ebenfalls dieser Tage stattfindender Prozess gegen eine ehemalige KZ-Sekretärin, der nicht weniger als Beihilfe zum heimtückischen und grausamen Mord in mehr als 10.000 Fällen zur Last gelegt wird. Und obwohl dies alles andere als eine jugendtypische Straftat darstellt, forderte die Staatsanwaltschaft für die inzwischen 97-Jährige eine Jugendstrafe auf Bewährung. Und wenn Jugendstrafen bei fast Hundertjährigen möglich sind, können sie auch für eine 28-Jährige nicht ausgeschlossen werden.
Hinzu kommt, dass Monika K. eine Frau ist. Dieser banale Umstand hat bei diesem Gericht in den letzten Jahren eben nicht nur zu dem Privileg geführt, zwischen seinen Anwälten sitzen zu dürfen. Sondern, abgesehen vielleicht vom Fall Mine K., zumindest bislang auch zu deutlich milderen Strafzumessungen.