Graue-Wölfe-Funktionär tritt aus CDU aus

Nach dem Skandal um die Hetzrede in einer Grauen-Wölfe-Moschee einigten sich die Neusser CDU und ihr Mitglied Tansel Ciftci, zukünftig getrennte Wege gehen. Ciftci konnte jahrelang gleichzeitig als kommunalpolitisch aktives CDU-Mitglied und als hochrangiger Graue-Wölfe-Funktionär agieren.

Graue Wölfe 2016 bei einem Aufmarsch in Düsseldorf (Bild: Privat)

Im Januar gab es bundesweite Empörung und Schlagzeilen, weil der türkische AKP-Politiker Mustafa Acikgöz in der Yunus-Emre-Moschee in Neuss eine Rede gehalten hatte, in der er die „Vernichtung“ von Anhängern der kurdischen PKK und der sogenannten Gülen-Bewegung gefordert hat. „Mit Allahs Erlaubnis werden wir sie überall auf der Welt aus den Löchern, in die sie sich verkrochen haben, herausziehen und vernichten“, soll er laut eines inzwischen gelöschten Twitter-Videos gesagt haben. Dem Video konnte auch entnommen werden, dass das stadtbekannte CDU-Mitglied Tansel Ciftci diese Rede mit Beifall bedacht hatte.

Das führte zu Vorwürfen der Neusser SPD gegen ihre Nachbarn von der CDU. Dabei erinnerten die Sozialdemokraten auch daran, dass der Neusser CDU-Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings die Moschee, in der die Hetzrede gehalten wurde, erst im Landtagswahlkampf 2022 mit seinem Besuch beehrt hatte. Die Kritik wurde von der Neusser CDU empört zurückgewiesen. Pikant dabei ist: Die Yunus-Emre-Moschee gehört zur Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF, auch ATF). Und die wird wegen ihrer Zugehörigkeit zum Spektrum der Grauen Wölfe vom Verfassungsschutz beobachtet. Was zum Zeitpunkt von Geerlings‘ Moschee-Besuch auch längst bekannt war. Geerlings wiederum vertritt die CDU im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages. Dort meldet er sich zwar nur höchst selten zu Wort. Dennoch sollte ein Mitglied eines Ausschusses, der sich unter anderem mit der Bekämpfung von Extremismus befasst, nicht gleichzeitig verfassungsschutzbekannten Extremisten seine Aufwartung machen.

Damit ist es leicht zu verstehen, dass in Neuss wesentlich länger über diese Hetzrede diskutiert und berichtet wurde als im übrigen Bundesgebiet. Und diese Debatte konzentrierte sich schnell auf die Person von Tansel Ciftci und dessen CDU-Mitgliedschaft. Denn Ciftci dürfte wohl kaum zufällig dort gesessen haben, denn die Neusser Lokalpresse hatte bereits im September 2014 darüber berichtet, dass er die ADÜTDF-Moschee als Vereinsvorsitzender vertritt. Auch die Beobachtung der ADÜTDF durch den Verfassungsschutz wurde dabei nicht verschwiegen.

Auffällig schnelle und einvernehmliche Einigung

Anfang Februar teilte der Neusser CDU-Fraktionsvorsitzende Sven Schümann mit, dass Ciftci aus der Partei austreten und seine kommunalpolitische Tätigkeit als sogenannter sachkundiger Bürger aufgeben werde. „Auf Inhalte des Gesprächs möchte Schümann zwar nicht eingehen, allerdings erschien die Sachlage bereits im Vorfeld des Austauschs relativ eindeutig, sodass eine Zukunft Ciftcis bei den Christdemokraten eher unwahrscheinlich war“, hieß es dazu in der Neuß-Grevenbroicher-Zeitung (NGZ).

Was könnte mit diesen Zeilen gemeint gewesen sein? Möglicherweise wollte niemand eine Diskussion darüber, dass die Neusser CDU Ciftci weiter als Mitglied geduldet hatte, obwohl über dessen Zugehörigkeit zum Spektrum der Grauen Wölfe bereits 2014 berichtet wurde. Das wäre zwangsläufig damit verbunden gewesen, dass der Besuch von Jörg Geerlings in der Grauen-Wölfe-Moschee 2022 erneut zu Debatten geführt hätte, bei denen die Neusser CDU schlecht ausgesehen hätte.

CDU-Mitglied und hochrangiger Graue-Wölfe-Funktionär

Möglicherweise gab es aber auch Sorgen darüber, ob durch die bundesweite Aufmerksamkeit auf die Hetzrede nicht noch weitere Dinge an die Öffentlichkeit geraten, die für den gesamten Landesverband Nordrhein-Westfalen der CDU unangenehm geworden wären: Denn als Vorsitzender der Yunus-Emre-Moschee hat Ciftci die Einladung von Mustafa Acikgöz zu verantworten. Seine nachträglich Distanzierung von dessen Rede hätte ihm also nichts mehr genutzt. Hinzu kommt, dass Ciftci seit mindestens 2015 in anderen ADÜTDF-Gemeinden der Region als „Präsident“ der „Region NRW West“ aufgetreten ist (Beispiele hier, hier und hier). Diese ADÜTDF-Region umfasst nicht weniger als Düsseldorf, den linken Niederrhein, das Bergische Land und die Rheinstrecke bis herunter nach Bonn. Er konnte also in der CDU kommunalpolitisch und gleichzeitig in der Region als hochrangiger Graue-Wölfe-Funktionär aktiv sein.

Wäre das bekannt geworden, wäre aus dieser kommunalpolitischen Causa möglicherweise schnell eine landespolitische geworden. Und das wäre für einen CDU-Landesverband, der seit 2014 immer wieder durch Graue-Wölfe-Skandale auffällt, wenig angenehm geworden. Denn dann hätte sich nicht nur die Neusser SPD dem angenommen, sondern möglicherweise auch die Opposition im Landtag. Und das wurde durch die schnelle und einvernehmliche Trennung der Neusser CDU und Tansel Ciftci abgewendet.

Nur ist es beileibe nicht so, dass die Neusser CDU, wie ein Leser der NGZ lobt, „schnell und konsequent gehandelt“ hat. In Wahrheit hat die Neusser CDU erst in allerletzter Minute gehandelt. Denn von seiner Zugehörigkeit zum Grauen-Wölfe-Spektrum wussten die Neusser seit spätestens September 2014. Trotzdem hat die Neusser CDU ihn wissend weiter bei sich geduldet. Und hätte es nicht die bundesweite Aufmerksamkeit für die Hetzrede in der Yunus-Emre-Moschee gegeben, hätte Tansel Ciftci sein Doppelspiel als kommunalpolitisch aktives CDU-Mitglied sowie gleichzeitig als hochrangiger Funktionär einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften und deswegen beobachteten Organisation aufzutreten, wohl noch auf Jahre hinaus ungehindert fortsetzen können.