Einige Eindrücke vom 2. Verhandlungstag im Prozeß gegen Bilal Gümüs vor dem Frankfurter Landgericht
Eine Einschränkung vorab: Die Verhandlung war sehr turbulent, was sich auf die Qualität der Notizen auswirkte. Das ging teilweise sehr flott und mit Normen-Ping-Pong.
Fortsetzung zu:
https://vunv1863.wordpress.com/2018/04/09/prozessauftakt-bilal-guemues/
Prolog:
Auf der Anwaltsseite hat der eine Verteidiger, Ali Aydin, ein Brecht zugeschriebenes Zitat zentriiert: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zu Pflicht“.
https://www.aliaydin.de/
Nun ist mit dem Zitat eigentlich etwas ganz anderes gemeint als die professionelle juristische Interessenvertretung in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Es ist mehr der Widerstand gegen eine ungerechte höhere Autorität, gegen ein Herrschaftssystem, das auch staatlich organisiert sein kann, gemeint. Das kann aber sicher bei einem Anwalt nicht gemeint sein. Vielleicht richtet sich das eher diffus an manche Mandantschaft, die sich selber als Widerständler sehen mag (das erscheint als das Selbstbild von z.B. Bernhard Falk). Das Zitat klingt halt gut und vielleicht nimmt man es nicht so genau. Prolog Ende.
Am zweiten Tag sollen weitere Zeugen gehört werden. Auf der Verteidigerbank fehlt Frau Barsay-Yildiz. Im Zuschauerraum Bruder und Vater des Angeklagten, zwei Freunde (?), einer davon in traditioneller Kleidung mit Gebetsmütze. Die vier kennen sich und sitzen zusammen. Einige Polizisten hören zeitweise zu.
Erschienen ist auch ein Zeugenbeistand. Eine solche Hinzuziehung ist möglich, das muss nicht unbedingt ein Anwalt sein. Insbesondere aber wenn absehbar ist, dass der Zeuge evtl. sich selber belasten könnte, was er nach § 55 StPO nicht muss, ist ein solcher Rechtsbeistand ratsam, zumal der Laie nicht immer ganz überblickt, welche Folgen diese oder jene Aussage für ihn haben könnte oder ob das Gericht aus Darstellungslücken Rückschlüsse ziehen könnte. Oder ob eine zunächst unproblematisch erscheinende Aussage mittelbar dadurch schwere Folgen auslöst wie z.B. die Aufnahme oder Wiederaufnahme eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen, wenn diese „harmlose“ Aussage bereits bestehende Erkenntnisse soweit ergänzt, dass strafbares Handeln fassbar wird. Siehe dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mosaiktheorie
Die erste Zeugin, Georgina J., tritt ganz in Schwarz auf. Einen Gesichtsscheier, der nur schmal die Augen freilässt, ist wie ein Piratentuch umgebunden- Man kann es kaum glauben, dass die sehr kleine schmale 23 Jährige bereits drei Kinder hat und das vierte erwartet. Einen Beruf hat sie nicht erlernt, gibt sie an. Sie soll mit ihrem islamisch getrauten Mann im September 2013 nach den Vorstellungen der Polizei nach Syrien ausgereist sein und soll nach wenigen Monaten zurück gekommen sein. Ein Verfahren gegen sie war nach § 170 (2) eingestellt worden, weil wohl die Beweislage für eine Anklage nicht ausreichte.
https://dejure.org/gesetze/StPO/170.html
Der Vorsitzende möchte, dass die junge Frau ihre Verhüllung im Kopfbereich abnimmt. Er sagt „Kopftuch abnehmen“, was den Zeugenbeistand, flankiert von Herrn Aydin zu Gegenrede veranlasst. Es folgt ein zunehmend aufgeregter Abtausch, der in einem Befragen der Prozessbeteiligten mündet, Weiterlesen →