Adnan Oktar: Anti-Darwin-Propaganda

Über das gegenwärtig verteilte Büchlein „Wie Fossilien die Evolution widerlegen“ und kreationistische Propaganda

Manch einer wundert sich derzeit, wenn er den Briefkasten öffnet: Ein kleines Buch ist da eingelegt und der erste Gedanke geht, sofern man nur oberflächlich auf Bilder und Titel schaut, in die Richtung, die Zeugen Jehovas seien vor Ort gewesen. Bei genauer Sichtung des Umschlags wird jedoch klar, dass da nicht die Watchtower Gesellschaft am Haus war, sondern Anhänger Adnan Oktars alias Harun Yahyas, eines türkischen Kreationisten:

Oktar hat wohl wenige Semester Innenarchitektur studiert und nein, er ist kein genialer Autodidakt, der sich mit großer Geste an naturwissenschaftliche Rätsel heran wagt. In Abwesenheit einer auch nur rudimentären naturwissenschaftlichen Bildung geht er so an Funde heran, dass er sie danach auswählt, ob sie in seine vorgefertigte Sicht hineinpassen. Bücher und Lehrfilme werden durchaus liebevoll und professionell erstellt. Doch was da im Vierfarbdruck daherkommt, ist Anti-Darwin-Propaganda, wie schon der Klappentext ahnen lässt:

Er ist als Autor bahnbrechender Bücher bekannt. in denen die Hochstapelei der Evolutionisten, ihre substanzlosen Behauptungen und die dunklen Verbindungen zwischen dem Darwinismus und so blutigen Ideologien wie Faschismus und Kommunismus entlarvt werden. Alle Werke des Autors dienen einem einzigen Zweck: Die Botschaft des Korans zu übermitteln, Leser dazu zu ermuntern, glaubensbezogene Fragen wie die Existenz Gottes, die Einheit und das jenseits zu reflektieren, sowie die fadenscheinigen Grundlagen und pervertierten Ideologien irreligiöser Systeme zu entlarven.“ […]

Das vorliegende Buch zeigt durch unbestreitbare Beweise aus der Wissenshaft, dass der Darwinismus nichts als ein großer Betrug ist und dass mehr als 700 Millionen Fossilien die Evolution vollkommen widerlegen. Es führt der ganzen Welt vor, dass nicht einmal ein einzelnes Protein durch Zufall entstehen kann. In diesem Buch wird dargelegt, wie Verlogen und Dreist die Evolution von der Darwinistischen Diktatur der ganzen Welt durch falsche Beweise aufgezwungen wird. Sie finden darin wissenschaftliche Beweise, die den Darwinismus widerlegen. Demagogie wird den Darwinisten nicht länger helfen.
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Feindbild Evolutionslehre: Pierre Vogel stammt nicht vom Affen ab!

Nicht, dass jemand behauptet hätte, Menschen stammten direkt vom Affen ab, weswegen er es zurückweisen müsste. Er tut es aber als Teil seiner Darlegungen zur Evolutionslehre. Diese ist kompletter Unsinn für ihn und einige andere.

Viele Strenggläubige lehnen die Evolutionslehre ab. Sie ist mit den alten Texten, in denen meist Schöpfungsmythen, oft sogar mit Zeitangaben, beschrieben werden, nicht kompatibel. Das betrifft die abrahamitischen Religionen besonders, aber auch andere. Die Begehrlichkeiten kreationistischer Evangelikaler im berühmt-berüchtigten „bible belt“ in den USA sind bekannt. Dort versuchen Gläubige immer wieder, den Biologie-Unterricht inhaltlich zu infiltrieren, wenn sie ihn schon nicht verbieten können (was sie am liebsten täten, nur keine Fakten bitte!). Sie möchten neben die Evolutionslehre die biblische Schöpfungsgeschichte stellen, also Meinung gleichberechtigt neben Fakten. Schau zu, Kind, wie du es sortierst! Auch in Hessen gab es vor einigen Jahren übrigens solche Ideen, die aber glücklicherweise rasch ad acta gelegt wurden.

Seitdem sich die Ideen der Prediger Vogel, Lau, Nagie und Co. verbreiten, feiern solche Vorstellungen zur Evolution jedoch auch hier wieder Urständ. In so manchem Klassenzimmer sehen sich Pädagogen mit Schülern konfrontiert, die sich im Netz Tipps vom „Evolutionsbiologen“ Nagie, vom „Zoologen“ Lau, vom „Astrophysiker“ Krass oder vom „Geologen“ Scheich Rouali holen. Sie finden also teilweise keine Schüler vor, denen sie etwas beibringen können und die lernen wollen, sondern Personen, die sich hier „informiert“ haben und schon feste Vorurteile haben:

Abou Nagie erklärt die Welt und erklärt gleich mit, warum die Lehrer „irren“: Das ist von Allah so gewollt. Der hat ihre Sinne „versiegelt“. Die Lehrer haben einen „Verstand kleiner als eine Mücke“. Verflucht sind sie obendrein, Affen und Schweine. Die Muslime hingegen stammen von Adam ab, meint er. Das ergibt eine geschlossene Weltsicht, an die so leicht nichts mehr herandringt. Man kann sich vorstellen, wie die Inhalte eines so abgewerteten Lehrers auch in anderen Fächern angenommen werden.

Der Herr Krass kommt sich sehr schlau vor mit seinen falschen Metaphern. Er verkennt die langen Zeiträume und die chemischen und astrophysikalischen Abläufe. Er wird aber bei seinem Klientel punkten können, denn er ist Ingenieur von Haus aus. Auch er stellt die Lehrer als unwissende Personen dar. Jugendliche, die seinen falschen Vorträgen zuhören, sind wegen der einfachen, falschen Darstellung und der eher mühsamen Widerlegung des Unsinns schlecht zu erreichen. Das brauchte eigentlich Einzelunterricht.

Herr Dabbagh glaubt an Jinn. Der Sinn des Lebens ist die Anbetung. Damit wird klar, dass die Unterwerfung unter die Regeln zentral ist, denn das Leben ist nur Bewährungsprobe. Ein völlig jenseitiger Lebensentwurf.

Er versteht sehr viel falsch und merkt es nicht mal (und verwechselt Darwinismus und Sozialdarwinismus bzw. zieht letzteren heran, um ersteren abzuwerten).

Viele, v.a. türkischstämmige Schüler, beziehen sich auch auf den Kreationisten Harun Yahia. Der ist zwar im wirklichen Leben einer, der sein Innenarchitekturstudium abbrach, fühlt sich aber seit vielen Jahren berufen, Kenntnisloses über Evolution zu verkünden.

Zudem leidet er wohl an einer paranoiden Schizophrenie, was hinsichtlich seiner bunten Aussagen zusätzlich befremdet:

https://www.psiram.com/ge/index.php/Adnan_Oktar

In vielen islamischen Ländern ist die Evolutionslehre im Unterricht nicht regelhaft vorgesehen. Insofern können die hier angekommenen Eltern da auch wenig helfen oder konterkarieren das aus eigener Unkenntnis. Beispiel Marokko:

http://www.maroczone.de/forum/archive/index.php/t-87246.html

Im mittlerweile geschlossenen Extremistenforum Ahluh Sunnah fragten ab und an Schüler nach, wie sie Lehrer am besten „aushebeln“ könnten.

Das wird dann z.T. so diskutiert:

http://islam-forum.info/archive/index.php?thread-6592-5.html

Ein Pädadoge meldet sich hier zu Wort:
„aber ich habe den Eindruck, dass es unter unseren muslimischen Jugendlichen gerade ein Umdenken gibt. Fälscher wie Harun Yahya schüren Zweifel, und zur Zeit stehen bei uns die Salafisten vorm Saturn-Hansa und predigen ihre Weltsicht – und das ist für türkischstämmige Kinder in der Pubertät, die gerade aus verschiedenen Gründen nicht wissen, ob sie Fisch oder Fleisch sind, ziemlich anziehend. Daher ist gerade ein muslimischer Kreationismus auf dem Vormarsch, dem ich gerne etwas entgegensetzen würde.“

http://www.atheisten.org/forum/viewtopic.php?f=5&t=7931

Es ist also keine einfache Aufgabe, zum Teil bereits fehlinformierten Schülern da etwas beizubringen. Denn sowohl der Inhalt als auch die Lehrperson werden abgewertet. Gegensteuern kann man da nur mit mehr naturwissenschaftlichem Unterricht, nicht mit mehr Religionsunterricht. Da solcher Aberglaube und Unsinn nicht singulär im Raum stehen und mit einer antiwestlichen und antiegalitären Weltsicht einhergehen, sind dringend mehr Gegenmaßnahmen erforderlich. Pädagogen müssen fit gemacht werden für diese oft feindseligen Debatten, die man als friedlicher Pädagoge, der eine Klasse über lange Zeit betreut, schwer erträgt. Es darf nicht dahin gehen, dass diese Inhalte vermieden werden.

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Zur Erheiterung noch ein besonders törichter Beitrag von Abul Baraa über Wissenschaft. „In einem Flügel der Fliege ist Krankheit, im anderen ist Heilung.“ Er nimmt das nicht wirklich als Metapher… :