Die Gruppierung „Muslime im Dialog“ ist ein Verein, der in Hamburg aktiv ist und dort auch immer wieder Straßenmission betreibt. Derzeit wird deutlich, welche Vernetzungen vorliegen.
Aus einem aktuellen Facebook-Beitrag der Gruppierung geht nun hervor, dass auch der Anmelder der Info-Stände, die 2016 untersagt wurden, im Verein organisiert ist:
Belegbild: Facebook-Account „Muslime im Dialog“ facebook.com/MuslimeImDialog/
Der Fall des Verbots war seinerzeit durch die Medien gegangen: „Erstmals haben die Behörden eine öffentliche Koran-Verteilung in der Innenstadt untersagt. Und zwar mit der Begründung, dass der Anmelder Ahmed A. (gebürtiger Ägypter) die „innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik“ gefährde. So steht es im Ablehnungsbescheid des Bezirksamts Mitte (Az.: MR 1125/16/3172).“ Weiterlesen →
In einem Mainzer Gewerbegebiet befindet sich seit einiger Zeit eine neue Gebetsstätte. Die Einrichtung, die sich „Masjid al-Ikhlas“ nennt, weist verschiedene problematische Bezüge auf. So war erst am 28. Juli ein regional bekannter Prediger eingeladen, der seit Jahren eine feste Größe in salafistischen Netzwerken ist. In dem Mehrzweck-Gebäude werden aber auch kleine Kinder unterrichtet.
Die Gebetsstätte des Islamisch-Afghanischen Kulturvereins in Mainz (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)
Bei der Fahrt durch die Wilhelm-Maybach-Straße in Mainz fällt nicht auf, dass sich in dem Eckgebäude mit der Nummer 9 eine Gebetsstätte befindet. Der Trägerverein der Einrichtung, die sich „Masjid al-Ikhlas“* nennt, ist der Islamisch-Afghanische Kulturverein e.V. Dessen Sitz ist im Vereinsregister in der Alten Mainzer Straße 119 verzeichnet. Nach öffentlichen Angaben wurde die Organisation bereits im Mai 2015 gegründet. Ein Video von der kleinen Veranstaltung nach Fertigstellung und Bezug der Räumlichkeiten zeigt auf, dass bereits zur Eröffnung geplant war, Kinder zu unterrichten:
Vereinsvorsitzender ist Ahmad Walid Aslamzada, der abseits seiner religiösen Betätigung einen Bekleidungshandel unterhält.** Als Ansprechpartner für den Verein wird jedoch mehrfach Hamed Rassa benannt.
Bilder und Videos zeigen Unterricht von Kindern
Belegbild: Facebook-Account der Einrichtung, Abruf 1.8.2019
Von der Betreuung und dem Unterricht der Kinder finden sich im Internet eine Vielzahl an Bildern und Videos. Diese legen nahe, dass bereits sehr junge Kinder – möglicherweise bereits ab zwei oder drei Jahren – diesen Unterricht besuchen und offenbar dazu gebracht werden, Inhalte auswendig zu lernen, die sie noch gar nicht verstehen können. Aus diesem Video geht hervor, dass auch Kinder aus Wiesbaden unterrichtet werden (etwa ab Minute 13):
Die islamischen Vorträge werden oft in Dari, einer Variante des Neupersischen in Afghanistan, oder in Deutsch gehalten. Am 28. Juli nun war der Mannheimer Prediger Amen Dali in dieser Einrichtung. Dali war Imam der Mannheimer al-Faruq-Moschee und wichtiger Akteur sowie Vortragsreisender eines salafistischen Aktionsgeflechts im Südwesten (siehe dazu Beiträge zum „Ausschuss für Mondsichtung“ auf diesem Blog).
Aktuell hat sich der salafistisch beeinflusste Mainzer Verein „Arab Nil-Rhein Verein – Al Nur Moschee e.V“ (kurz Arab Nil) aus einem Mainzer Arbeitskreis einiger der dortigen Moscheevereine zurückgezogen. Der Arab Nil Verein ist zugleich Betreiber einer öffentlich geförderten Kita in Mainz und war über den Arbeitskreis mit organisiert, um auch hinsichtlich des Religionsunterrichts mitzuarbeiten
„Für eine weitere Zusammenarbeit beim islamischen Religionsunterricht in Mainzer Schulen hatte das Land gefordert, dass der AKMM den Arab-Nil-Rhein-Verein als Mitglied ausschließt oder den Kontakt ruhen lässt. Das soll aber auch für den Islam-Info-Service gelten, bei dem der Verfassungsschutz ebenfalls Bezüge zur Muslimbruderschaft und zum Salafismus sieht.“
Quelle: Seite der Al Nur Moschee, Arab Nil, Abruf 14.12.2018, eigene Markierungen farbig
[Rote Kreuze: Beobachtung durch das LfV, gelbes Kreuz: frühere Beobachtung des Dachverbands IGMG, A MB : Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft, Fragezeichen: mindestens konservativ bis fundamentalistisch]
Hinsichtlich der engen Verknüpfungen I.I.S. und IBIZ siehe:
Bevorstehende Veranstaltung in Hamburg
Update zu den beiden größeren Hizb ut Tahrir-nahen Gruppierungen
Die Portale bzw. Gruppierungen „Realität Islam“ und „Generation Islam“ sind beide wegen ihrer ideologischer Ausrichtung und der Betätigung des einen oder anderen Protagonisten im Hizb ut Tahrir-Umfeld zu verorten. Auf die Betätigungen der Aktivisten wurde hier auf dem blog wiederholt und seit über 2 Jahren aufmerksam gemacht. Mit den Aktionen rund um die Debatte um ein Verbot des Kinderkopftuchs an Schulen in NRW wurden sie, weil Medien dies aufgriffen, breiteren Kreisen bekannt. Vor allem war dies der Fall, als „Realität Islam“ Akteure zu einer Kampagne mit Unterschriftensammlungen in Fußgängerzonen und Geschäftsbereichen inspirierte:
Aktuell wird eine Veranstaltung für Hamburg angekündigt:
Referenten nach den Angaben in diesem Ankündigungsvideo:
Raimund Suhaib Hoffmann (Realität Islam)
Dr. Abdullah Frank Bubenheim (s. Wikipedia)
Dr. Akan Gül (Muslimische Ärzte Deutschland)
Ali Aydin (Frankfurter Strafverteidiger in vielen Islamisten-Prozessen)*
Nicolas Blancho (Islamischer Zentralrat Schweiz (IZRS)
Ahmad Tamim (Generation Islam)
Es soll um die Identität als Muslim gehen und um Strategien für die Zukunft der Muslime.
Der Veranstaltungsort wird noch geheim gehalten: Weiterlesen →
Über die Aktivitäten radikaler Akteure und Gruppen, die auch Sammlungen von Unterschriften für eine Petition zu einem „Kopftuchverbot“ im öffentlichen Raum organisieren, war schon mehrfach berichtet worden:
Eine als Ärzte-Netzwerk auftretende Gruppierung hatte flankierend zwei Ärzteverbands-Präsidenten öffentlich angegriffen wegen ihrer Zustimmung zur Initiative von Terre des femmes zum „Freien Kopf“ in Schulen:
Vor allem in Hessen wurden an öffentlichen Orten Unterschriften für die Petition gesammelt. Die Sammlungen wurden überwiegend von Männern durchgeführt und stellten verbreitet darauf ab, es drohe eine „Wertediktatur“.
In Duisburg sammelten nun Frauen Unterschriften im öffentlichen Raum für die Petition:
Da die Akteure vom eigentlichen Anlass – einem Vorschlag, in NRW-Grundschulen keine religiösen Kopfbedeckungen zu erlauben – abwichen und verbreitet bzw. assoziiert wurde, das Kopftuch stünde generell zur Disposition, ist nicht nur die Petition, sondern auch die generelle Haltung anschlußfähig. Obige Organisatorin nimmt dies zum Anlass, Frauen zum Kopftuch zu bewegen und lädt deshalb in eine DITIB-Moschee ein:
Auch hier auf der Seite einer türkischen Moschee, die „Kopftuch-Challenge“:
[Man beachte im Video sowohl die sehr junge Stimme als auch den totalitären Gedanken, dass das religiöse (hier eher politische) Bekenntnis bzw. die Sichtbarmachung ÜBERALL akzeptiert werden müsse und das untrennbarer Teil der Identität sei. Ihre Entscheidung sei „einfarbig und klar“.]
Bei jungen Frauen wird das Eintreten für das Kopftuch zusätzlich* über diese „Kopftuch-Challenge“ Weiterlesen →
In der „Zeit“ findet sich heute ein langer Bericht zu Abdel Adhim Kamouss mit der Überschrift „Der Wandel des Salafistenpredigers“. Thema ist der Prediger Kamouss, der nunmehr eine Stiftung gegründet hat. Zur Stiftung:
Dass er mit dieser Stiftung Aufsehen erregt, liegt auch einem geschickten Marketing. Dieses geschickte Marketing greift auf bereits bekannte Muster und Helfer zurück. So wird anscheinend nicht hinterfragt, wird nur angeschaut, was man auch anschauen soll:
„Man kann diesen Wandel nachverfolgen, wenn man sich durch seine Videos klickt. Von religiösen Pflichten ist in den ersten die Rede, von „Ungläubigen“ und dem Übel der westlichen Welt. Man sieht Kamouss darin mit den Armen fuchtelnd in der Al-Nur-Moschee stehen. Mit einer Zornesfalte im Gesicht und einem Grinsen.
Ein anderer Kamouss präsentiert sich in einem Video vom März 2016. Nachdenklich, stockend, der Blick verliert sich immer wieder im Nichts. „Wenn ich etwas durch meinen Wandel gelernt habe“, sagt er, „dann, dass ich Kritik mag.“ Und dann, fast ungläubig, schiebt er hinterher: „Auch Selbstkritik.“ Eine halbe Stunde dauert der Film, der wirkt wie ein öffentlich geführtes Selbstgespräch. Kamouss entschuldigt sich darin für seine Emotionalität und den Allgemeinheitsanspruch seiner Predigten.„
Ja, es gibt neue Videos, die zur aktuellen Darstellung besser zu passen scheinen. Die Vergangenheit wird dezent abgekürzt, auch da wird wohl nicht hinterfragt:
„Bei Jauch habe man ihn als Salafisten gecastet und vorgeführt – dabei hatte er sich da längst gewandelt. Überhaupt hätten die Medien vieles falsch dargestellt.“
Die Jauch-Show war am 28.09.2014.
Noch drei Monate vorher ein Auftritt mit Marcel Krass:
Diese Stellungnahme ist auch enthalten und erklärt evtl., warum wohl wenig an der Selbstdarstellung überprüft wurde:
„Am Ende dieser zehn Jahre wird die Extremismusforscherin Claudia Dantschke über ihn sagen, er sei eine „Leitfigur für alle, die eine friedliche und integrative Form suchen, den Islam zu leben.“ Wer ist dieser Mann? Und was steckt hinter seinem Wandel?“
Ähnlich warme Worte fand Frau Dantschke allerdings auch zu Hesham Shashaa* und einigen anderen, die mit einer offenen Gesellschaft wenig anfangen können, aber vermutlich wohl persönlich Wirkung erzeugen.** Anscheinend wurden die Betätigungen von Herrn Kamouss im Musmbruder-Kontext nicht wahrgenommen. Alternativ findet man, wie so einige Präventionsdienstleister mittlerweile, die Muslimbrüder gar nicht so schlimm. Schließlich macht man ja gemeinsame Sache mit Strukturen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft in der „Bundesarbeitsgemeinschaft gegen religösen Extremismus“.*** Man kann demnach schon den Eindruck erhalten, dass nicht nachvollzogen oder wahrgenommen wurde, dass Herr Kamouss sich mittlerweile eher in Muslimbruder-Kreisen bewegt. Sollte es wahrgenommen worden sein, tut man es zumindest nicht kund. Und der Journalist überprüft natürlich auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit, wenn ein solcher Persilschein ausgestellt wird.
Hier im Jahr 2016, im März, einer Zeit, in der Herr Kamouss angeblich schon „längst gewandelt“ war, bei der Konstituierung des muslimbruderdominierten Fatwa-Ausschusses Deutschland (s. diesen blog und den Berliner Verfassungsschutzbericht 2016):
Quelle: fb-Profil Chooli, Abruf 18.03.2016
Die beiden Herren links im Bild neben Herrn Kamouss (2. Reihe, 2. v.r.) sind die Schweizer Extremisten Nicolas Blancho und Qaasim Illi. Im Vordergrund die beiden bundesweit bekannten Prediger Ferid Heider und Mohamed Matar (Bild: „Radikal-Imam“).
Beim Verein „Tauhid e.V.“ macht Kamouss auch ein wenig mit – als „Berater“: Weiterlesen →
Über die muslimische Landschaft im Frankfurter Osten an der Achse Borsigallee – eine kleine Übersicht
Im Frankfurter Osten treffen in einem Viertel gleich vier Stadtteile zusammen. Zwei sind aus Arbeitersiedlungen entstanden, die anderen waren eher bürgerlich geprägt. An den stark frequentierten Straßen Borsigallee/Am Erlenbruch und Wächtersbacher Strasse liegen überwiegend Gewerbeflächen.
In der Berührungszone zwischen Bergen-Enkheim, Fechenheim, Riederwald und Seckbach finden sich aber auch eine Reihe islamischer Kulturvereine, z.T. mit Gebetsstätten. Der Islam wird sehr vielfältig gelebt dort im Frankfurter Osten. Eine weitere Einrichtung soll entstehen. Zu dieser Einrichtung, die im Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft zu sehen ist:
Die Muslimbruderschaft will allgemein als panislamistische Bewegung mit internationalem Anspruch durchaus Gläubige aller Richtungen (außer den liberalen und säkularen Muslimen; wohl jenseits der Verbandszusammenarbeit als sunnitische Richtung eher auch keine Schiiten) ansprechen. Natürlich mit eigenem Führungsanspruch.
Nun gibt es, mal länger, mal kürzer, bereits bestehende Strukturen in dieser Frankfurter Binnenzone, die dort vor Ort der Betrachtung lohnen und die ein überaus komplexes Bild schon im Umkreis von 500 m (Luft) um die Ecke Borsigallee/Gwinnerstraße ergeben. Als wäre das aktuelle Bild nicht komplex genug, haben manche Vereine wohl die Örtlichkeiten immer mal gewechselt und getauscht. Nimmt man also die Zeitachse hinzu, ist ein echtes Verwirrspiel komplett.
In der Friesstraße 2 befindet sich z.B. der Hauptsitz der ADÜTDF, kurz ATF. Das ist der älteste Vereinsverband aus dem Graue Wölfe-Spektrum, von dem sich die anderen abgespalten haben. Derzeit freut sich der aktuelle Vorsitzende Sentürk Dogruyol über das vierzigjährige Bestehen:
Die Grauen Wölfe sind türkisch-nationalistisch mit islamistischer Konnotation. Zwischen Grauen Wolfs-Aktiven und anderen Türkeistämmigen gibt es – allgemein – immer wieder einmal relevante Auseinandersetzungen. Im Hinblick auf die Lage in der Türkei sollte man dies im Auge behalten.
In der Friesstraße befindet sich eine weitere muslimische Einrichtung, die bei der Radikalisierung des wegen verurteilten Kreshnik B. eine Rolle gespielt haben soll:
„B. soll die Frankfurter Ahmed-Ibn-Hanbal-Moschee besucht haben. Aus deren Umfeld zogen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bereits mehrere junge Männer in den Dschihad nach Syrien. B.s Reise nach Syrien soll auch aufgefallen sein, weil seine Eltern sich besorgt bei der Polizei gemeldet hatten.“
Da könnte der Name schon Programm sein.* Der Verein scheint dem salafistischen Spektrum zuzuordnen zu sein. Es stellt sich die Frage, ob und wie der Verein diese jungen Männer wahrnahm. Manche Vereine fangen erst an, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, wenn öffentliche Wahrnehmung und auch Kritik erfolgen. Der junge Mann war übrigens uneinsichtig:
In der Edisonstraße hat ein afghanischer Kulturverein seinen Sitz mit Moschee. Der Imam der Einrichtung, Said Khobaib Sadat, ist ein hessenweit bekannter Prediger, der wegen problematischer Botschaften schon erhebliches politisches und Medieninteresse auf sich zog und auch hier bereits mehrfach Thema war:
In der Parallelstraße zur Friesstraße befindet sich die Moschee des Pak Darul Islam Vereins. Die Pak Darul Islam Moschee ist eine Einrichtung Pakistanisch- und Afghanischstämmiger (sie haben auch noch etwas in der Münchner Straße in der Nähe des Hauptbahnhofs).
Man macht einiges an Jugendarbeit, die jedoch wahrscheinlich recht identitär ausgerichtet ist. Alles eins zum Unabhängigkeitstag: Weiterlesen →
Die Türkei ist täglich in den Nachrichten. Sei es mit Gräueltaten gegenüber Minderheiten oder politischen Gegnern der AKP, sei es als gegenwärtig geschätzter Gesprächspartner der EU. Wer nun meint, dies passe nicht zusammen, der fehlt: Das passt. Erdogans Macht wächst ins Unermessliche durch die selbstverschuldete Erpressbarkeit der EU. Nicht wenige Mitläufer berauschen sich daran, Teil einer selbstempfundenen neuen Wichtigkeit zu sein. Macht zieht an und wer den falschen Menschen mehr Macht gibt, als sie vertragen, versündigt sich mit. Groß- und sogar Weltmachtträume werden immer ungenierter geäußert und finden Zulauf. Parallel findet eine erhebliche Rückbesinnung auf Religion statt, wird der angebliche wirtschaftliche und tatsächliche politische Erfolg (wenn man Erfolg daran bemisst, dass andere Staaten Problematisches wenig thematisieren) spirituell überhöht. Nicht nur Erdogan selber träumt nunmehr davon, das angeblich glorreiche Osmanische Reich wiedererstehen zu lassen.
Jenseits der Außenpolitik bleibt das nicht ohne Wirkung auf manche hier lebende Türkischstämmige. Weiterlesen →
Die Wünsche eines Menschen sagen viel aus über ihn. Hätte einer drei Wünsche frei, würden sich manche persönliche Gesundheit, ein dickes Auto, nur eigenes wünschen und andere den Weltfrieden, ein Ende der Not, kurz, etwas für alle Menschen. Man könnte also den einen Typus als materialistischen Egozentriker bezeichnen und den anderen als idealistischen Altruisten.
Das ist bei den Vorstellungen vom Paradies, also einem imaginären Ort, an den man nach den Vorstellungen vieler glaubender Menschen nach einer göttlichen Bewertung des irdischen Lebens die restliche Ewigkeit verbringt, nicht anders. Es soll ein Ort sein, an dem alle Wünsche in Erfüllung gehen.
Manche der vielen gläubigen Menschen weltweit haben auch noch eine Hölle im Sinn. Während dies bei den anderen abrahamitischen Religionen (mittlerweile) in den Hintergrund tritt, ist diese Vorstellung beim Islam noch recht lebendig. Vielen sehr konservativ und traditionell Gläubigen ist das gängiges Konzept, an dem sie selbst sich orientieren und vor dem sie auch andere warnen, wenn nicht ihren Vorstellungen vom Leben im Diesseits gefolgt wird. Man fürchtet sich und will, dass auch andere sich fürchten, zumindest aber die Furcht ernst nehmen, auch wenn sie auf persönlichen Imaginationen, Behauptungen und Tradition (und mehr ist nicht haltbar) beruht.
Das recht häufige Stoßgebet „Möge ihn Allah rechtleiten oder vernichten“, also im Grunde eine Verfluchung, ist da wegweisend, auch wenn dieser „fromme“ Wunsch sich durchaus auch aufs Diesseits bezieht. Ein Teil wird sich die Strafe dann weiterhin fürs Jenseits der Person wünschen und die Wunscherfüllung aufschieben, ein anderer Teil wird aus Ohnmacht ebenfalls aufs Jenseits warten, ein dritter Teil wird bei Gelegenheit dem angeblichen Willen Gottes schon im Diesseits Geltung verschaffen. Dies führt im Exzess dann zu solchen Taten wie bei IS, aber auch zu den Strafen, wie sie in einigen Ländern für nicht „Rechtgeleitete“ vorgesehen sind..
Die Hölle als Ort einer angeblich göttlichen Gerechtigkeit ist also Teil eines Wunschdenkens. Man wünscht sich das Paradies, während man anderen die Hölle wünscht (vor der man selber Furcht hat).
In einem interessanten Gespräch mit einem jungen Christen legt nun der Herr Abou Nagie seine Wunschvorstellungen bloß:
Ehrlichkeit und Verstand führen nach Abou Nagie ohne Zweifel zu seinem Glauben hin. Alle, die nicht gläubig sind, sind also entweder unehrlich oder dumm, denn sein ist die absolute Wahrheit. Sie verdienen die Hölle.
Abou Nagies Paradies beinhaltet Genuss für die Gläubigen. Einer diese „Genüsse“ ist – erstaunlicherweise erwähnt er z.B. Essen, Sex aber nicht – auch, die Ungläubigen mitleidlos brennen zu sehen. Man habe auch deshalb kein Mitleid, weil Gott gerecht sei. Bei Unterwerfung unter diesen ist Mitleid entbehrlich, ja geradezu Zweifel an göttlicher Gerechtigkeit, und so ergötzt man sich im Paradies des Herrn Abou Nagie denn auch am höllischen Feuer und am Leid. Das hat etwas Sadistisches, Brot und Spiele, ein himmlicher Circus Maximus mit einem auf ewig absenkten Daumen.
Das ist auch deshalb interessant, weil nach einem anderen Gedankengang dieser extremen Gläubigen nichts ohne Allahs Willen geschehe. Ob jemand gläubig oder ungläubig sei, ist demnach von ihm bestimmt (man lasse einmal die fehlende Binnenkonsistenz außer Acht, denn dann müsste man keine Bücher verteilen, man müsste überhaupt nichts lesen oder tun, denn das ist alles vorherbestimmt). Denkt man das in dieser Logik zu Ende, sind Ungläubige geborene Shaytane, Teufel, die als Person eigentlich gar nicht relevant sind. Sie sind schlicht keine Personen wie man selbst, sondern Kreaturen rein zur Prüfung der Gläubigen.
Abou Nagie bezeichet Atheisten im Video mehrfach konkret als „schlimmer als das Vieh“. Jeder hat seinen Platz in seiner Welt und da rangiert der Atheist unter Ochs und Esel*. Er ist sich sehr sicher, dass diese sowie Christen und Juden in die Hölle kommen. Bei den IS-Anhängern ist er sich nicht sicher. Da will er es „dem Schöpfer“ überlassen. Wenn er sich da nicht sicher ist, heißt dies, dass er deren Taten nicht bewertet, weil er sie als andere Muslime sieht. Sein Islam ist also der des IS. Das ist kompatibel. Bei all dem ist er sich völlig sicher, dass dies nicht sein eigenes Urteil ist, sondern der Wille und der Befehl Gottes. Da Gott aber per definitionem gerecht ist, ist kein Platz für Mitleid. Es ist so bestimmt. Folgt man dieser Bestimmung, ist somit kein Raum für Reue. Man ist ja nur Befehlsempfänger.
Das ist natürlich nur die Ebene von Abou Nagies Eigensicht. In der Fremdbetrachtung sind das die Wünsche des Herrn Abou Nagie. Man wünscht anderen Leid, wenn sie sich dem eigenen Willen nicht unterwerfen, ganz banale Macht- und Größenphantasien. Man könnte es als Sonderform eines pathologischen Narzissmus sehen, der den anderen, sofern er ein bestimmtes Kriterium erfüllt, gar nicht mehr als andere Person wahrnimmt. In dieser Wunschwelt ist kein Platz für Mitleid, denn der Umweg über den Glauben verdeckt nur die eigenen Machtphantasien und tatsächlich einen Hass auf Menschen, die sich ihm nicht unterwerfen. Dieser Hass wird über die genannten Umwege in der Selbstsicht sozial kompatibel umbenannt und dann projiziert. Zumindest in seinen Kreisen sozial kompatibel. Bei aller Psychologisierung sind das Botschaften, die er so auch an seine Anhänger transportiert. Da wird aus der Psychologie dann Politik und das ist ein Problem unserer Gesellschaft, denn mit dieser Ideologie instruierte Jugendliche sind mittlerweile weitläufig zu finden.
Mehrheitsgesellschaft, Medien, andere Menschen, alles teuflische Versuchungen. Diese Wahnwelt hat die Eigenschaft, alle Kommunikation, die Brücke sein könnte, zu entwerten und abzubrechen. Aus dieser mentalen Wagenburg dringt nur noch nach außen, hinein kommt nichts mehr. Deshalb muss man mehr machen, bevor der Kreis geschlossen ist. Denn im Gegensatz zu anderen totalitären Ideologien winken nicht nur der narzisstische Gewinn durch realen Bedeutungszuwachs und elitäre Eigensicht, sondern auch noch Belohnung im Jenseits. Zumindest die Abwesenheit der Strafe. So schrecklich schon das Paradies des Abou Nagie wirken mag, die Hölle, die er anderen wünscht, ist schlimmer.
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Es muss schlimm sein in der aufgeblasenen Sicht des Herrn, dass mindestens 20% in dieser Gesellschaft diese Weltanschauung haben, nicht nur nicht bestraft werden, wie er es sich wünscht, sondern das Wahlrecht innehaben und auch über seine Handlungen mitbestimmen (indem sie ihm nämlich die Grenzen der hiesigen Gesetze aufzeigen ggf.). Und natürlich, dass diese „schlimmen Personen“ ihn „nur“ als gleichberechtigten Menschen sehen.
Freiheit ist immer auch etwas, das ausgenutzt werden kann eben von Gegnern der Freiheit, die sie gebrauchen, um ihre Interessen nach vorne zu bringen. Die demokratische Gesellschaft muss sich auf eine andauernde Herausforderung einstellen, etwas, was vielen trotz vielerlei Hinweisen nicht bewußt war oder noch nicht ist. Islamismus und islamistischer Terror sind keine Phänomene, die übermorgen wieder verschwunden sein werden wie die Mode vom letzten Jahr.
Wer nicht begreift, dass die Anschlagspläne, die verhindert wurden, nur ein Symptom sind für eine größere gesellschaftliche Bewegung, der verschließt die Augen vor einer bitteren Realität: Unsere Gesellschaft hat nicht auf alle die gleiche Strahlkraft und das Angebot des zumindest ideell Egalitären nicht auf jeden Wirkmacht. Offenheit ist manchem kein Wert, Vielfalt ist manchem kein Gewinn, Gleicher unter Gleichen sein ist manchem kein Angebot, kein erstrebenswertes Ziel. Wer meint, man müsse nur offen sein, dann werde automatisch jeder Mitbürger sein wollen, sich bescheiden damit, Gleicher zu sein, der ist blind für die politische Agenda, ist blauäugig hinsichtlich der Macht des Fanatismus und der Droge Selbstaufwertung. Er ist blind für die Macht des Elitären, die Verführungskraft des faschistoiden Gedankengutes, das schon bei Kindern verfängt: Du bist was Besseres als die anderen.
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Bildquelle: MGM
Bei allen sozialen und vor allem politischen Gruppen gibt es die Vordenker und die Mitläufer. Das ist beim Islamismus nicht anders. Die Mitläufer tragen inhaltlich mit, unterstützen vielleicht etwas, besitzen selber aber nicht genügend Antrieb oder Intelligenz, ihre Vorstellungen auch in Taten umzusetzen. So wie seinerzeit radikale linke Studenten dem staunenden Arbeiterjugendlichen die Welt erklärten, vermittelten, dass der Genosse Stalin leider irgendwie nicht anders handeln konnte, um den Sieg der Arbeiterklasse, die reiner, edler und verdienter sei als die dekadente Bürgerklasse, davon zu tragen und zu sichern, so machen das die Vordenker der Szene heute in ähnlicher Weise. Massenmord als Notwendigkeit wird auch heute gerechtfertigt, verharmlost, als Aufbauschung der „Systemmedien“ dargestellt oder schlicht als Propagandalüge diskreditiert. Diese Vordenker, aus deren Kreisen dann auch einige zur Tat schreiten – man erinnere: die Attentäter waren vornehmlich Studenten – sind zu wenig im Fokus der Aufmerksamkeit. Auch damals in den 70ern sah man an vielen Stellen Flugblattverteiler für die diversen Gruppen, die jede für sich und Stalin mit allen um Anhänger warben.
Diese Mitläufer von damals sind entweder mittlerweile abgerückt, haben die fatale Menschenfeindlichkeit erkannt und sich gefangen, sind also in den normalen gesellschaftlichen, einen demokratischen Rahmen zurückgekehrt, oder sie sympathisieren immer noch mit einer neuen Zeit. Ein Utopia ging verloren, man hat aber Verständnis für die Utopien anderer, auch wenn sie Opfer fordern. Ihnen heiligt der Zweck so manches Mittel. Letztere Haltung macht milde gegenüber anderen Menschen, die ähnlich strukturiert sind. Diese Sicht macht auch blind für die brutale Menschenfeindlichkeit, die schon bei den islamistischen Mitläufern aufscheint: Eigentlich wollen sie ja nur spielen, kämpfen einen im Grunde gerechten (da antiwestlichen) Kampf, sind eigentlich Opfer der Gesellschaft. Sie passen daher nicht so recht in die Täterschemata Ultralinker. Eine Einstellung ähnlich dieser hat z.B. Rotherham erst möglich gemacht (neben Feigheit und erschütternder Gelichgültigkeit).
Auch wenn die Chance, einen Mitläufer zu überzeugen, wieder in die Gesellschaft zu holen, besser sind als einen überzeugten Ideologen, so darf man die Anstifter keinesfalls übersehen oder vernachlässigen. Man muss sie als politische Akteure begreifen. Sie laufen nicht zwangsläufig in der Szenekleidung umher, die Mitläufer so gerne als Zeichen des Dazugehörens tragen. Ihnen genügt das Bewußtsein, einer kommenden Elite anzugehören, in der Hierarchie einer neuen, ihrer Weltordnung ganz oben zu stehen. Ihnen genügt, mehr im Stillen, mehr konspirativ zu wirken. Sie drängen auch nicht nach vorne auf Bildern, denn das Verteilen und Anwerben überlassen sie anderen. Sie selber werben allenfalls Multiplikatoren an. Sie studieren nützliche Fächer, etwas, was man nach der imaginierten Zeitenwende brauchen kann, keine „nutzlosen“ Orchideenfächer. Lehramt, Gesellschaftswissenschaften allenfalls, um die neue Generation zu lehren. Sie leiten die Mitläufer an: Hier ist eine Gesetzeslücke, dort eine Möglichkeit, da eine sinnvolle Heransgehensweise, hier eine Option, den Boden für die erwünschte Zeitenwende durch eine Gewöhnung an im Grunde menschenfeindliche Inhalte oder einen Marsch durch die Institutionen vorzubereiten.
Wenn man auch an diese Gruppe der politischen Ideologen mit dem Vorurteil herangeht, diese Gesellschaft habe ihnen nur nicht genügend Chancen geboten, geht man fehl. Das mag für so einige Mitläufer ja durchaus gelten. Es gibt Diskriminierte unter ihnen, welche, die ihre Chancen nicht nutzten, welche mit Stockholm-Syndrom, einfache psychisch Beeinträchtigte. Man kann aber alle Chancen erhalten, in dieser Gesellschaft ein Mitglied zu sein, und sie doch völlig ablehnen. Man muss nicht diskriminiert worden sein, um selber zu diskriminieren oder ein generell antiegalitäres Weltbild zu haben. Man kann mitten in der Gesellschaft stehend erscheinen, integriert wirken, mit Studium, mit allem. Inspiration und Selbstvergewisserung sind religiös begründet, ja. Das Handeln aber ist politisch. Ein Blick nach Großbritannien lohnt auch da.
Die Vordenker sind keine religiös verirrten Schafe mit einem Intelligenzdefizit, sondern sie setzen ihre völlig erhaltene Intelligenz in den Dienst der Sache. Ihre politische Agenda setzen sie um, indem sie die Ideologie verbreiten und verbreiten lassen, vernetzen, planen. Und manchmal, um direkt aktiv zu werden.
An einigen Universitäten gibt es mittlerweile Studentenzirkel, in denen die Abschaffung der westlichen Demokratien auf der Agenda steht. Paranoia ist sicher nicht der richtige Weg. Eine offene Gesellschaft kann sich nicht vorauseilend abschaffen. Es ist dann zu wenig da, was zu retten ist, wenn die Mittel zu ähnlich werden. Aber aufmerksam kann und muss sie sein.