Urteil Bilal Gümüs

Frankfurter Kammer geht über Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus

Der Frankfurter Bilal Gümüs wurde heute nach 20 Hauptverhandlungstagen von der 27. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt zu 3 Jahren 6 Monaten Haft verurteilt.  Gümüs, der jahrelang die Logistik für die Verteilungen von Koranen und anderen Materialien auf der Straße verantwortet hatte, wurde vorgeworfen, jungen Männern die Ausreise nach Syrien ermöglicht, erleichtert und angeregt zu haben. Ein 16-Jähriger, in dessen Pläne er verwickelt war, war 2013 ausgereist. Gümüs soll u.a. das Flugticket besorgt haben. Der Frankfurter Junge hatte nachfolgend an Kriegshandlungen in Syrien auf Seiten des IS teilgenommen. Der Junge wurde getötet.

Gümüs war Anfang März dieses Jahres nach langen Ermittlungen festgenommen worden. Pierre Vogel hatte dies seinerzeit als „großen Rückschlag für die Dawa“ (Mission) bezeichnet:

https://vunv1863.wordpress.com/2018/03/04/pierre-vogel-grosser-rueckschlag-fuer-die-dawa/

Der Prozess hatte am 9. April begonnen:

https://vunv1863.wordpress.com/2018/04/09/prozessauftakt-bilal-guemues/

Die Staatsanwaltschaft hatte auf 2 Jahre und 6 Monate plädiert, die Verteidigung wollte einen Freispruch erwirken. Die Schuld des Angeklagten sei nicht hinreichend dargelegt.

An vielen Verhandlungstagen war die Familie von Gümüs anwesend, insbesondere auch ein jüngerer Bruder. Bernhard Falk reiste das eine oder andere Mal an, um sich zum Fortgang des Verfahrens zu informieren. Die Mutter des getöteten Jungen war als Zeugin vernommen worden. Bei einer Gelegenheit waren ihr vom Vorsitzenden die übermittelten letzten Worte ihres Sohnes vor ihrer geplanten Aussage mitgeteilt worden. An diesem Tag war ihre Vernehmung nicht mehr möglich, da dieses Vorgehen in der Verhandlung zu Weinkrämpfen der Mutter führte. Weitere Aussagen verdeutlichten jedoch, dass die Familie des getöteten Jungen – letztlich vergeblich – um ihn gerungen hatte. Zu stark war der Einfluß der Gruppe um Gümüs auf den 16- Jährigen.

Neben der engeren Familie waren zur Urteilsverkündung auch mehrere Männer aus der Szene sowie Pierrre Vogel angereist. Ein traditionell gewandeter Glaubensbruder, der häufiger teilgenommen hatte, war die Ablehnung der Ausführungen des Vorsitzenden immer wieder anzumerken. Er lachte vor sich hin.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Gümüs bei der Ausreise von Frankfurter Reisegruppen in Weiterlesen

Koranverteilungen: Wieder Mißverständnisse

Projekte an sich wurden entgegen Presseberichten nicht verboten

Koranverteilungsprojekte wie „LIES!“ oder „Siegel der Propheten“ sind in vielen Innenstädten vorzufinden. Stolz präsentiert und dokumentiert wird das meist mit Fotos oder Videos auf der Facebook-Seite „Die wahre Religion“ bzw. der entsprechenden Seite von „Siegel der Propheten“.

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LIES, Beispiel-Bild

Diese Betätigungen sind den Kommunen natürlich wegen ihres bekannten Radikalisierungs-potentials ein Dorn im Auge. Ordnungsämter, Polizei und Verfassungsschutz haben jedoch mit dem  Problem zu kämpfen, dass die Aktion als solche, das Verteilen des Korans, als freie Religionsausübung aufgefasst wird (was durchaus mal zu prüfen wäre nach den mittlerweile vorliegenden Erkenntnissen). Sondernutzungen werden daher oftmals erteilt, weil man in fast 5 Jahren es in der Breite nicht schaffte, den Herausforderungen angemessene Sondernutzungssatzungen zu erstellen und man oftmals auch sonst hofft, das Problem werde sich entweder von selbst erledigen oder der Bundesinnenminister werde es schon richten. Die gewerbliche Komponente der LIES-Aktionen wurde – trotz Hinweises – anscheinend als wenig aussichtsreich erachtet.

Ab und an geistert durch die Medien, die Koranverteilungen seien von Kommunen verboten worden. Das war im letzten Jahr der Fall in Wiesbaden, wo der Ordnungsdezernent Franz stolz verkündete, man habe zielführend gegengewirkt:

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/koranverteilung-in-wiesbaden-verboten-13407438.html

Bei genauer Nachforschung stellte sich dann heraus, dass es Bürgerbeschwerden gab, denen man einzeln nachgegangen war. Teilweise hatte man auch den fliegenden Verteilern vorgehalten, sie benötigten eine Sondernutzungssatzung (die sie nicht vorweisen konnten, weil sie halt nicht notwendig ist bei der Art der Betätigung, wie sie in Wiesbaden ausgeübt wurde; andernorts mit richtigen Ständen natürlich schon):

http://www.jurablogs.com/2015/02/04/wiesbaden-ordnungsamt-untersagt-koranverteilung-durch-salafisten

Aktuell rauscht der Hamburger Innensenator durch den Blätterwald; Andy Grote, so geht Weiterlesen

Das Schweigen der Muslime II

Fortsetzung zu

https://vunv1863.wordpress.com/2015/11/29/das-schweigen-der-muslime/

Verbände und Organisationen sind nach wie vor nicht in der Lage oder Willens, etwas öffentlich Sichtbares, Nachhaltiges oder auch nur in der Breite Symbolisches gegen die Strassenradikalisierung zu unternehmen. Erstaunlicherweise fragen auch Journalisten nicht oder nicht mehr nach. Verbände und Vereine müssen sich gar nicht erst wegducken, wenn sie nicht mit dem gesellschaftlichen Problem konfrontiert werden. Die Medien lassen sie durchkommen mit dem Schweigen. Die Medien als Erfüllungsgehilfen der kollektiven Verdrängung.

Und doch sind die Anwerber auf der Strasse nach wie vor präsent.
In Frankfurt, Hamburg oder Bielefeld. Und vielen weiteren Städten.
Überall dort wird für die Ideologie geworben, werden junge Menschen aus der Bahn geworfen, werden vornehmlich muslimische Familien zerstört, werden Klassen durch Missionierung aufgemischt, werden junge Menschen angefüllt mit einer überschiessend fundamentalistischen und dann faschistoiden Ideologie. Ältere werden ermahnt, ein sittenstrengeres Leben zu führen oder zu spenden für das Projekt. Das findet statt und niemand stellt sich konsequent dagegen.

Wie sieht es nun mit mit der Absage an schon eigenes Engagement aus? Wie wird eigene Untätigkeit hinsichtlich der Gefahr für Jugendliche, Labile und Gesellschaft begründet? Weiterlesen

Mahnwache vom 14.11.2015

Von 16-18 Uhr vor dem „My Zeil“. Herzlichen Dank der Frankfurter Polizei für den umsichtigen Schutz.

Frankfurt Zeil, der Tag danach. Es ist kalt, windig und es nieselt. Kein Wetter, um stehen zu bleiben und zu reden. Wir sind heute nur ganz wenige. Verschiedene Mitstreiter laufen ohne Plakate herum und versuchen, die Menschen ins Gespräch zu ziehen.

Zwei kleine Jungen, vielleicht 7,8 Jahre alt, kommen auf mich zu und erzählen mir, es sei nicht gut, was ich da mache. Offenkundig wurden sie ausgeschickt. Warum ich denn da stünde? Ich will es einfach machen und sage, weil in Paris was Schlimmes passiert sei. Nein, meinen sie, Paris wäre nicht schlimm, sondern gut. Das macht mich einen Moment sprachlos, in dem sie weglaufen.

Mehrere junge Frauen, die schon vergangene Samstage da waren, sind wieder zugegen. Sie fangen wieder von vorne an mit der Frage nach Islamismus. Auf die Entgegnung, das hätte ich nun doch schon erklärt, verneinten sie vehement. Offenkundig weiden sie sich darin, dass ich das natürlich nicht nachweisen kann. Mehrere fordern aggressiv eine Erklärung, rücken immer näher. Ich weise auf Paris hin. Das interessiere sie nicht, sie hätten was gefragt und ich hätte noch nicht geantwortet. Sie formierten sich und rückten ständig näher. Wollte man Platz schaffen, kreischten sie hysterisch, man solle ihnen nicht zu nahe kommen. Bizarr und theatralisch.

Einer Mitstreiterin, die doch mal auf das Thema Paris bringen konnte, wurde aggressiv vorgehalten, SIE sei schuld an Paris.

Besuch bekamen wir heute von einem jungen Mann, der für LIES aktiv ist:

 

Rechts im Standbild.

Der junge Mann schien bemüht, mit Unterstellungen so zu arbeiten, dass ich nachfolgend meinerseits falsche Behauptungen aufstellen sollte. Er schien ständig die Behauptung rausholen zu wollen, dass ich selber eine Anwerbung am LIES-Stand mitbekommen hätte. Im Nachhinein habe ich den Verdacht, dass vielleicht ein Tonmitschnitt lief. Nun denn.

Zwei junge armenische Christen erkundigten sich. Sie hatten die Szenen eine Zeit lang beobachtet und waren bestürzt. Zwei Mal wurde zwischendrin „allahu akbar“ gerufen. Dabei blieb es glücklicherweise. Es war gespenstisch genug.

Mehrere junge Männer versammelten sich hinter meinem Rücken und sprachen bestimmt 20 Minuten halblaut Abfälliges über mich als Person. Sie besprachen nicht mal die Inhalte der Plakate, sondern äußerten rein persönlich Herabsetzendes. Jede Äußerlichkeit von mir wurde durchgehechelt. Die Masche sollte mich offenkundig reizen und aus der Fassung bringen. Kurz danach machten sich mehrere 13 Jährige den „Spaß“, so zu tun, als brächten sie einen Sprenggürtel zur Explosion. Die Gesten sollten leider genau das heißen.*bumm* machten sie, lachten und liefen weg.

Zwischendrin stürmte eine junge Frau an mir vorbei und es gab einen kleinen Schlag gegen mein Plakat. Als ich nachsah, bemerkte ich einen Aufkleber der „Antifaschistischen Aktion“. Aufkleben ist natürlich einfacher als Diskutieren und verstehen, wobei man das auch wollen muss. Es gab schon verschiedene ähnlich kenntnislose Antifa-Aktionen, bei denen auch die Erläuterung nichts brachte, da man nicht zuhörte oder verstand.

Als ich einmal zu einer stark umdrängten Mitstreiterin wollte, die in 4er Reihe umringt war und mein Plakat – es ist unhandlich – versehentlich die Schulter einer LIES-Unterstützerin streifte, machte sie keifend eine Riesengeschichte daraus. Das Plakat hatte ihr sicher nicht weh getan, aber sie beschwerte sich die ganze Zeit danach, lief mir nach. Auch dieses Verhalten ist aus anderen Ländern bekannt. Es ist bitter, dass man einige Stereotype aus Israel-Videos auch auf der Zeil erleben kann.

Mehrere junge Frauen, alle „westlich“ gekleidet, wollten mich „nach Hause schicken, damit ich dort was Sinnvolles tue“. Da lernt man doch gleich, dass „westliche“ Kleidung nichts über die Sichten aussagen muss.

Ein Mann Mitte 40, der sich später als Mitglied einer marokkanischen Gemeinde outete, stand mit seiner Frau und Tochter nahe und machte sehr abfällige Bemerkungen über mich als Frau. Was ich denn gegen den Märtyrertod hätte? Männer würden dann viele Jungfrauen bekommen. Ich solle doch auch übertreten, dann würde ich wenigstens nach dem Tod einen Mann kriegen, das wäre doch gut. Oder ob er mich heiraten solle? In diesem Tenor setzte er vor einer Runde feixender muslimischer Passanten verschiedenen Alters fort. Nachdem ich mit meinem eigentlichen Gesprächspartner geendet hatte, drängte er sich vor. Seine sehr unverschämte Art war auf diese Weise neu: Er kam sehr nah und lächelte dabei auf eine böse Art. Es wurde offenkundig, dass er beschäftigen wollte. Immer wenn ich mich abwandte, versuchte er – vor der Gruppe – erneut zu provozieren: Er hätte gewonnen. Er sei gut und ich nichts. Der marokkanischstämmige Mann versuchte somit etliche Minuten lang, in Nonsense-Gespräche zu ziehen. Der Umstand, dass man trotz seiner unverschämten Gesprächsführung ruhig blieb, schien ihn zu ermutigen. Er machte dann das selbe bei einem Mitstreiter. Seine Frau schob sich dann vor und hielt mir ein Bild eines Fötus unter die Nase. Der Fötus war am Kopf beschädigt, sie meinte, die Mutter sei erschossen worden. Auf den ersten Blick schien mir das Bild eher eine Darstellung eines Präparats einer Spätabtreibung (die Wunden waren für Schussverletzungen zu glatt). Aber um das sicher sagen zu können, hätter es mehr bedurft als eines wackeligen Handy-Bilds, das man kurz unter die Nase gehalten bekommt. Warum ich nicht gegen dieses „Opfer Israels“ protestiere?

In letzter Zeit auf der Strasse zunehmend schiebt man sich sehr übergriffig dazwischen. Es ist kaum mit einzelnen Passanten zu sprechen, was Absicht zu sein scheint. Man versucht durch reindrängen und aggressives Gespräch-Übernehmen zu verhindern, dass man mit normalen Passanten spricht oder überhaupt zu einem vernünftigen Satz kommt.

Eine jüngere Muslima – verschleiert – lies sich den Anlass der Demo erläutern. Sie verstand das Anliegen und teilte die Sicht, dass den Straßenverteilungen etwas entgegengesetzt werden sollte.

Eine größere Frauengruppe mit Kindern blieb bis zuletzt, rückte dicht auf, keifte auf enervierende Art. Alle waren „westlich“ gekleidet, teilweise sehr stark geschminkt. Auch mit ihnen war eine Sachdebatte nicht möglich, alles endete immer in aggressiven Zuschreibungen und rabulistischen Versuchen. Eine Kindergruppe, vielleicht 8-9 jährige, die ihnen zuzuordnen war, ging zuletzt auf uns und eine Polizeigruppe zu und versuchte, auch dort aufmüpfig zu sein. Dort blieb es allerdings beim Versuch.

Man sah mir heute sicher meine Betroffenheit an. Da man mir dies ansah, wurde es häufiger thematisiert, es diente mehrfach der Erheiterung bzw. wurde höhnisch kommentiert.

Das war klassisches Bullbaiting als Sport in der Fußgängerzone.

Die muslimischen Passanten, die heute bei uns waren, schienen irgendwie, es ist schrecklich diese Empfindung zu schreiben, aggressiv und mehrheitlich – voller Genugtuung. Gewalt muss nicht immer physisch ausgeübt werden – sie kann auch psychischer Natur sein. Männer, Frauen, Kinder – ein Reizwort, das sie nicht verstehen oder missverstehen wollen und schon tritt diese spontane Affektentladung auf. Es ist erschreckend, dass auch Attentate wie in Paris nichts an der Art des Herangehens ändern. Ich hätte mir heute wenigstens bei einigen ein anderes Verhalten gewünscht als das gezeigte.

Die Hoffnung, sagt man, stirbt zuletzt. Heute ist bei mir ein Stückchen zu Grabe getragen worden.

Mahnwache vom 19.09.2015

Von 17-19 Uhr vor dem „My Zeil“.

Vor Beginn waren bereits zwei junge muslimische Männer am Platz, die ich aus vorangegangenen Debatten kannte. Sie warteten schon auf den Beginn der Mahnwache. Sie diskutierten diesmal gar nicht länger mit, sondern beobachteten nur, wechselten die Kreise, bei denen sie zuhörten. Für manch einen ist die Mahnwache Anlaufpunkt geworden, an dem man über diese Dinge einmal offen redet.

 

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Drei Mädchen, vielleicht 15, „westlich“ durchgestylt und geschminkt, waren erbost und regten sich über den Begriff Islamismus auf. Sie fühlten sich angegriffen, wollten die Definition aber gar nicht hören und verfielen in eine Art Hysterie, die in ein Keifen umschlug. Bei einer Mitstreiterin verkündeten sie dann, den IS „irgendwie gut“ zu finden. Solche Mädchen sind leichte Opfer für die mittlerweile spezialisierten Mädchen-Anwerberinnen.

Mehrere Passanten machten Mut. Viele standen – wie häufig – herum, unschlüssig, aber positiv berührt.

Eine Dreiergruppe „westlich“ gekleideter junger Frauen mit starkem Makeup kam forschen Schritts näher und verlangte selbstbewußt, dass ich das Schild herunternehmen solle. Die Wortführerin wollte es sich deutlich nicht erklären lassen, äffte mich aggressiv nach und verstieg sich dann in verschiedene Beleidigungen. Nachdem sie mich mehrfach „Nazi“ genannt hatte, lies ich ihre Personalien feststellen.

Ein alter Mann stellte sich hin und schrie laut herum. Er sammelte eine Gruppe Menschen um sich herum, worunter auch ein häufig anwesender, auch arabisch sprechender LIES-Sympathisant und der unten erwähnte LIES-Anhänger waren. Beide fanden es offensichtlich großartig, wie laut der alte Mann war und versuchten halbherzig, weil sie meinen Blick sahen und auch merkten, dass die Polizei einen Schritt nach vorne machte, ihn herunter zu bringen. Er schrie weiter, als ich ihm die Aktion zu erklären versuchte. Er ging dann. 10 m weiter verwandelte er sich in einen friedlichen scheinenden alten Mann zurück.

Ein junges Mädchen aus dem direkten Dawaffm-Umfeld war wieder vor Ort und hatt eine Freundin, autochthon und wohl Nichtmuslima mitgebracht. Sie standen so 8 m entfernt, wobei die Muslima uns ihrer Freundin mit Deuten etc. erläuterte, wie man das wohl mit Affen im Zoo auch tut. Man kann sich vorstellen, dass dieses junge Mädchen von der gleichaltrigen Fanatikerin eine sehr spezielle Geschichte zu hören bekam.

 

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Nach 2 Wochen traf ich wieder auf einen jungen Mann, ungefähr 18, dicklich, in Sportkleidung, der mir das vorherige Mal angeboten hatte, ich könne für 7,50 € für ihn arbeiten, da täte ich wenigstens etwas Anständiges, würde mehr als Harzt IV kriegen und müsste nicht mehr solche Schilder halten. Ich solle das Schild herunter nehmen, meinte er wieder. Gestern sagte er mir zudem, ich solle Deutschland einfach verlassen. Der junge Mann schien marokkanischstämmig und ich bezweifle, dass er es je zu mehr bringt als dem Hauptschulabschluß von Diktion und Verhalten her. Aber er war völlig überzeugt von sich, dass er (mein) Chef sei.

Bei uns schauen auch häufig Touristen vorbei und lassen sich die Aktion erklären. Gestern stach ein älteres Par aus Israel heraus, das Grund und Haltung sehr gut nachvollziehen konnte. Wir bedanken uns für ihre geäußerte Anerkennung.

Ein junger Mann, der vor 3 Wochen in traditioneller Kleidung und mit Käppchen versucht hatte, zu diskutieren, war wieder anwesend, diesmal in üblicher Straßenkleidung. Er ordnet sich selber eindeutig LIES! zu, glaubt an den Shaytan und Jinns. Er hält sich für überaus wissend und wertet Wissen, das er für nicht islamisch hält, massiv ab. Um das subjektiv in Deckung zu bringen, vertritt er verschiedene Verschwörungstheorien. Er blieb die ganze Zeit. Dabei versuchte er streckenweise „Manndeckung“ bei mir, um, sobald ich in ein Gespräch einsteigen wollte, dieses zu torpedieren durch Zwischenfragen oder Ablenkungen. Mehrfach bekundete er, nach Syrien gehen zu wollen, mit einer Hilfsorganisation. Ich wies ihn auf VPN hin und dass ihm dort geholfen werden könne, es dort Ansprechpartner gebe. Er lehnte dies ab. Er benötige keine Hilfe. Alternativ dachte er laut darüber nach, sich hier etwas aufbauen zu wollen. Er besuche die Schule, habe aber schon Führerschein, er wolle heiraten. Er zitierte „die Heirat ist die halbe Religion“. Er sei Waise, meinte er. Was wohl seine Zieheltern davon halten?

Sehr aufgeregt gerierte sich ein weiterer älterer Mann, der auch sehr laut wurde und der sich an den Schildern störte. Auch um ihn bildete sich umgehend eine Traube Passanten und einen Moment schien die Lage problematisch zu werden. Auch der oben erwähnte arabischsprechende LIES-Sympathisant und der putative Syrien-Reisende gesellten sich hinzu. Der Mann bezeichnete sich als Schiit, meinte aber, er sei aus dem Gaza-Streifen. Es fand zwischen dem angeblichen Waisen und dem Mann ein Wortwechsel statt, an dessen Ende man sich sehr emotional um den Hals fiel, man sei doch unter Brüdern. Der Arabischsprechende schaute finster und versuchte, den Syrienreisenden auf arabisch zurechtzuweisen. Ich verstand kein Wort, sah aber die Körpersprache und hörte den Wortklang. Es hörte sich nach: „Wie kannst du nur!“ an. Der Palästinenser schrie dann, Israel habe ihn sein Bein gekostet, eine Rakete (es blieb unklar, ob er unter dem Beschuss oder beim Selberabfeuern den Verlust erlitt) sei schuld. Er krempelte sein Hosenbein hoch und es kam eine Stahlprothese zum Vorschein. Er schrie weiter und verfiel dann ins Weinerliche: Jahrelang sei er in Gaza nicht ausreichend versorgt worden, aber hier in Deutschland nach 2 Monaten… Er fiel auf die Knie und küsste den Boden. Die größere Gruppe diskutierte noch weiter, als wir den Platz verließen. Es war 19 Uhr.