Das Nador-Netzwerk

Wie Tarik ibn Ali eine spezielle marokkanische Diaspora vernetzt

Nach Jahren nahezu ungehinderten Wirkens waren zwei geplante Auftritte des belgischen Predigers Tarik ibn Ali oder Tarik Chadlioui gestern und vorgestern etwas breiter in den Medien. Konkreter Anlass waren die Attentate in Brüssel und seine bevorstehenden Besuche in Duisburg und Essen. Beide Gemeinden widerriefen die Einladungen auf erheblichen öffentlichen Druck hin. Nach außen hin wurde bekundet, man kenne den Prediger nicht so gut und seine Inhalte auch nicht. Nun wird ibn Ali – seine Predigten gelten als unterhaltsam, aber theologisch nicht sehr entwickelt – weniger der Gelehrsamkeit halber geladen, sondern wegen seines Bekanntheitsgrades und seiner Verbindungen. Beides nun nicht gewußt haben zu wollen, erscheint befremdlich. Immerhin holte man ihn aus dem Ausland herbei; wäre es nur um die Erbauung gegangen, hätte es vielleicht auch ein Kollege aus Köln getan. Doch wie sehen diese Einbindungen nun aus?

 

Tarik ibn Ali Mitte Februar in Frankfurt Bild: Tarik ibn Ali-fb-Account

 

Ibn Ali kommt wie viele Personen im Rhein-Main-Gebiet, im Ruhrpott und auch in Molenbeek aus Nador, Weiterlesen

Der unterschätzte Gegner

Nach den gestrigen Anschlägen in Brüssel wird wieder kollektiv laut nachgedacht: Was ist es, das diese jungen Menschen antreibt?

Ganz wichtig: Wir sehen jetzt nur die Täter. Die Unterstützer-Szene denkt jedoch genauso und es fehlt nur entweder eigener Antrieb oder Befehl. Der Sympathisantenkreis ist leider viel größer als wir uns das hoffen können, wie sich nicht nur in den sozialen Netzwerken spiegelt. Rechtfertigungsmuster wie „Rache für xyz“ machen die Runde, klammheimlich freut sich mancher.

Wer sich noch nie mit Menschen unterhalten hat, die sehr ähnlich strukturiert sind wie die aktuellen Täter, mag tatsächlich rätseln und hilflos sein. Zu fern ist das autoritäre Denken, zu Weiterlesen

Netzwerke, Clans, Familien

Ein paar Gedanken zu den Unterstützerstrukturen, nicht nur in Brüssel

Letzte Woche wurde der lang gesuchte belgische Terrorist Abdeslam festgenommen. Er wurde in der Nähe seines Wohnorts nach 4 Monaten Versteckspiel festgesetzt. Dass er sich dort, wo er gesucht wurde, dort, wo er bekannt war, so lange einem Zugriff entziehen konnte, ist seinem ausgedehnten Unterstützer-Netzwerk zu verdanken. Aus diesem Unterstützer-Netzwerk heraus sind möglicherweise aktuell die Anschläge geplant worden.

Verschiedene Wohnungen standen zur Verfügung und wenn Abdeslam einmal auf die Straße ging, wurde er wohl entweder nicht erkannt – wie er sehen viele aus – oder nicht gemeldet. Man wird jetzt fragen müssen, wer da alles informiert war.

Das funktioniert nur, wenn viele denken wie er und ihre Loyalität im Zweifelsfall auch einem Terroristen eher gilt denn unschuldigen Mitmenschen. Es ist eine diffuse Loyalität, die entweder der Ethnie, der Nation oder der Religion gilt oder auch nur dem, der empfunden ebenfalls gegen die als feindlich wahrgenommene westliche Welt eingestellt ist. Auf dem Boden dieser Loyalität, die einer völligen Gegenhaltung zur westlichen Gesellschaft entspringt, ist auch möglich, was verschiedene Medien zu Begleithandlungen während der Zugriffs auf Abdeslam berichteten: Es habe Zusammenrottungen gegeben von Passanten, die gegen Polizisten vorgehen wollten. Es mangelte da wohl nicht am Willen, sondern nur an der Möglichkeit, wie man leider nach Sichtung einiger Eindrücke annehmen kann.

Clans und Familien sind weitere Unterstützer. Das ist leider nicht selten. Das muss man aber Weiterlesen

Sandwiches aus Molenbeek

Der Trick, eine Art von Geschäften offiziell laufen zu lassen und andere, weniger bekömmliche, nebenbei, ist nicht ganz neu. Auch bei den Herren Salafisten und auch in Frankfurt war das z.B. beim Mekka-Shop bekannt geworden. Abdellatif Rouali, der Betreiber, ist marokkanischstämmig und war Kopf des verboteten Netzwerkes Dawaffm. Nach außen hin ein Kleider- und Kramladen, in der Hinterstube dann die logistische Zentrale von Koranverteilungen und anderen Betätigungen (z.B. Geld-Sammmlungen für Syrien). Roualis eigenes Geschäft besteht nicht mehr. Der Laden seiner Tochter in der Lange Straße in Frankfurt erscheint unauffällig. Nach der Schließung der Moschee in der Albusstraße fällt auch diese als Treffpunkt in der Innenstadt weg. Ein weiterer Szene-Treff, das Grillhaus in der Schwalbacher Straße in Frankfurt, fiel bei einer Festnahme eines Beschuldigten auf:

http://www.bild.de/regional/frankfurt/polizei/kommando-nimmt-islamist-fest-43418598.bild.html

Man stellte schwere Hygiene-Mängel  fest, die zu weiteren Folgen führten.

Treffpunkte gibt es natürlich trotzdem. Als ein möglicher neuer Szene-Treff stellt sich das „Le Summum“ in der Rotlintstraße 3 dar. Es wird auf Muslim Mainstream, einem Nachrichtenportal von fundamentalistischen Muslimen, beworben. Recht neu ist es doch schon Ziel behördlicher Aufmerksamkeit geworden, wie auf der Seite von Muslim Mainstream dargestellt wird:

Gastronomie Kontrolle oder Razzia ?

Eine ganz normale Gastronomie Kontrolle läuft so ab, dass ein Mitarbeiter vom Gesundheitsamt und zwei Beamte von Ordnungsamt anwesend sind, um die Gesundheits Kontrolle durchzuführen.

Aber am Dienstag, den 05.01.2016, gegen Abend, wurde bei dem seit einer Woche neueröffneten Fast Food Restaurant „Le Summum“ in Frankfurt am Main die Gesundheits Kontrolle ganz anders durchgeführt.

Die Kontrolle verlief wie folgt.Kurz vor 19:00 Uhr treffen fünf Polizeiautos mit ca. 20 bis 25 Polizisten in die Rotlintstrasse ein.
Drei Polizisten klettern über den kleinen Zaun, um die Rückseite des Restaurants zu sichern. Dabei verhalten sie sich sehr grob und beschädigen den Zaun.Die anderen Beamten, die natürlich voll ausgerüstet waren, mit allem drum und dran, stürmen das Restaurant „Le Summum – Halal Sandwicherie“ ein. Um diese Uhrzeit war sehr viel Kundschaft im „Le Summum“, Vollbetrieb.Die Türen wurden von innen von den Beamten verriegelt, so dass niemand raus kann.

Mit dieser Aktion wurde die Kundschaft verschreckt.
Auch die Kunden mussten ihre Daten geben und erst nach ca. 40 Minütigen Durchsuchung und Personalkontrolle durfte man das Restaurant verlassen. Es wurden kleine Mängel festgestellt, was man aber in Hand umdrehen sofort korriegieren konnte, nichts weltbewegendes. Die Mitarbeiter hatten ihre Gesundheitszeugnisse nicht zu Vorlage da, sondern zu hause. Somit haben die Beamten sich einen Grund gesucht und gefunden, um das Restaurant für den Tag zu schliessen.

Nach dieser ganzen Aktion, hieß es, dass es eine ganz normale Gastronomie Kontrolle war.

Empfohlen wird das Lokal auch von einem Asadullah Allahadin Aslani:

 

Er ist verantwortlich für „Asadullah TV“. Die Aktivitäten des Herrn „Aslani“ (bzw. Aksoy) wie United Network Cells sind dem salafistischen Spektrum zuzuordnen wie auch die von Muslim Mainstream.

Die Sandwich-Kleinkette scheint marokkanisch geführt*, was nicht das Problem ist. Sogar der Name könnte – muss aber nicht – einen Bezug haben. Das Problem sind die, die das empfehlen und die das in Zusammenhänge stellen. Es soll wenige weitere Läden der kleinen Kette in Frankreich und Belgien geben, alles sei „familiengeführt“. Bei dieser Art der Expansion stellt sich die Frage, ob das rein ökonomisch bedingt ist. Ketten wachsen üblicherweise erst lokal, bevor sie Ländergrenzen überwinden. Läuft dies nicht nach diesem ökonomisch begründeten Wachstumsschema ab, steht eine Verknüpfung über andere, Zusatzaspekte im Raum. Das kann harmlos familiär bedingt sein. Es kann aber auch sein, dass man „Familie“ sehr, sehr weit fasst und eher die ideologische Familie meint.

Die salafistische Szene in einigen Städten ist marokkanisch dominiert. Die Vernetzung der marokkanischen salafistischen Szene im Rhein-Main-Gebiet mit der belgischen, französischen und noch der einiger anderer Länder wird seit Jahren über den salafistischen Wanderprediger Tarik ibn Ali, der erhebliche Summen für den bewaffneten Kampf einsammelt, geleistet.

Die Filiale des „Le summum“ ist in Belgien nicht irgendwo. Sie ist in Molenbeek:

http://www.shopinbrussels.be/FR/16012216-LeSummum.html

Molenbeek ist ein Stadtteil von Brüssel. Dort ist die Dichte an Salafisten auf die Bevölkerung gerechnet, bezogen auf die Personen, die tatsächlich in den Jihad zogen, besonders hoch. Dort fanden auch erhebliche Polizeimaßnahmen nach den Pariser Anschlägen letzten November statt.

Trotz der Angabe, die Kette stamme aus Frankreich, finden sich dort wenig Hinweise. Das befremdet zusätzlich (für anderslautende Hinweise bin ich dankbar).

Zunächst erscheint das nach dem was auf die ersten Blicke erkennbar ist, als eine weitere Verknüpfung nach Belgien, nach Molenbeek. Man wird sehen, ob es dort nur Sandwiches geben wird oder mehr.

 

* Eine Erstbewertung fand schon über das größere Maroczone-Portal statt, eine Kommunikationsplattform für marokkanischstämmige Mitbürger:

Halalfood im Test: „Le Summum“ in Frankfurt

Nachtrag:
In Dijon scheint es noch ein Lokal zu geben:

Molenbeek – eine Enklave?

In dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek gab es in den vergangenen Tagen erhöhte Aktivität. Razzien, Festnahmen, weil Spuren und Verbindungen der Pariser Täter dorthin führten. Molenbeek hat etwa 100.000 Einwohner. Seit Jahren gibt es dort eine verfestigte islamistische Szene.

Der belgische Innenminister gab zu, den Stadtteil nicht unter Kontrolle zu haben:

„Speaking to public broadcaster VRT Sunday, Interior Minister Jan Jambon said that the authorities had lost control over this area of the EU capital, which culprits in several recent terrorist attacks in Europe, including Friday’s carnage in Paris, have called home.“

http://www.politico.com/tipsheets/morning-money/2015/11/pro-morning-money-211281

 

Zwar gibt es auch andere Stimmen, die jedoch mehr mit persönlichen Eindrücken und weniger mit der konkreten Sicherheitslage zu tun haben. Immer wieder liest man, dass auch Terroristen im täglichen Umgang höflich gewesen seien. Sogar der eine Bruder von zwei Pariser Attentätern verkündete aktuell vor der Presse, seine zwei Brüder seien „ganz normale Brüder gewesen. Das mag bei ihm Schutzbehauptung sein oder sein wirkliches Empfinden, es könnte auch seine Definition von „Normalität“ fragwürdig machen. Aber manchmal wird es tatsächlich nicht bemerkt.

Normal nach deutschen Maßstäben ist der Stadtteil sicher nicht:

„Allerdings ist bekannt, dass aus Molenbeek rund 40 Menschen nach Syrien gereist sind, um sich dem „Islamischen Staat“ anzuschließen. In Molenbeek leben 100.000 Menschen. Das muss man in Relation setzen. Außerdem gibt es in Belgien problematischere Orte. Vor allem in Flandern ist es viel schlimmer.“

http://www.tagesspiegel.de/politik/islamismus-in-belgien-molenbeek-ist-harmlos-im-vergleich-zu-anderen-orten/12598546.html

Übertragen auf hessische Verhältnisse mit 6 Mio. Einwohnern wären das 2400 Personen und nicht die 120, die letzten veröffentlichten Zahlen von Juli entsprechen. Diese sind sicher zu gering, aber auch bei der belgischen Angabe mag es eine Dunkelziffer geben. Das Verhältnis macht klar, wie sehr der Stadtteil betroffen ist. Andernorts ist man aber auch kaum geringere Probleme:

„In Antwerpen – und die Stadt ist viel kleiner als das sowieso kleine Brüssel – hat 100 Dschihadisten hervorgebracht.“

Antwerpen hat nicht nur diese Jihadisten hervorgebracht, sondern auch das Netzwerk shariah4belgium. In Belgien werden aktuell empfindliche Strafen verhängt. Der Haupttäter Mohammed Belcasem – angeklagt war Bildung einer kriminellen Vereinigung – wurde im Frühjahr zu 12 Jahren Haft verurteilt.

http://www.tijd.be/politiek_economie/belgie_algemeen/12_jaar_cel_voor_Sharia4Belgium_leider_Belkacem.9599209-4002.art?ckc=1&ts=1447854568

Bei Rückkehrern sind die Strafen ebenfalls hoch, angeklagt war Terrorismus:

http://brf.be/national/906011/

Auch bei Frauen sind die Strafen deutlich:

http://deredactie.be/cm/vrtnieuws.deutsch/nachrichten/1.2343261

Solche Enklaven gibt es in Deutschland auch, oft grob nach Ethnie bzw. Herkunftsland strukturiert. Nicht ganz so groß, nicht ganz so sichtbar. Man wird da in Zukunft sicher genauer hinschauen müssen, auch wenn einige Randbedingungen anders sind..