Mit Comedy gegen Salafismus?

Mitgliedern des NRW-Landtags wurde am Donnerstag das erste „Jihadi Fool“-Video gezeigt. Mit diesem Comedy-Format soll die „Absurdität von Radikalisierung, Terrorismus und Islamismus satirisch thematisiert“ werden. Das gut gemeinte Projekt des Verfassungsschutzes könnte jedoch an der Zielgruppe vorbeigehen.  

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) und Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier stellten am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags das erste „Jihadi Fool“-Video vor. Videos dieses „Sketch-Comedy-Formats“ gehen seit August wöchentlich auf dem YouTube-Kanal des Verfassungsschutzes online. Damit soll die „Absurdität von Radikalisierung, Terrorismus und Islamismus satirisch thematisiert“ werden, so das NRW-Innenministerium. Produziert werden die Videos von der Produktionsfirma BlueLaserBoys, die „viel Erfahrung im Bereich der YouTube- und Comedy-Szene hat“.

Im Ausschuss betonten Reul und Freier erneut die Wichtigkeit dieser Videos für die Salafismus-Prävention. „Wenn jemand bei Google ‚Koran‘ eingibt und dann hauptsächlich Salafisten-Propaganda zu sehen bekommt, muss dem etwas entgegengesetzt werden“, sagte Burkhard Freier. Herbert Reul sprach davon, in das Internet „einzudringen“, da die Salafisten dieses bereits für sich besetzt hätten.

Den Ausschussmitgliedern wurde die erste Folge dieses Formats präsentiert. Dabei handelte es sich um ein rund fünfminütiges Video mit dem Titel „Goodbye, Syria“, das die Probleme eines IS-Rückkehrers offenbar satirisch beleuchten sollte:

Bei den Abgeordneten kam das jedoch nur wenig an: So bat Ibrahim Yetim (SPD) darum, ihm „die Weiterlesen

Wohin des Wegs, Verfassungsschutz?

Eine kurze Betrachtung zu einigen neueren Aufgaben bei manchem Verfassungsschutz

Vor dem Hintergrund, dass islamistische Vereine und Verbände in etlichen Städten ganze Netzwerke bilden, überlegt man vermeintlich neue Wege, um einer Radikalisierung von v.a. jüngeren Muslimen entgegenzuwirken. Mangelnde Trennschärfe zwischen radikalen und extremistischen Szenen, übergreifende Haltungen und eine Anschlußfähigkeit radikalen Gedankenguts lassen guten Rat teuer sein. Wenn immer vom „Extremismus der Mitte“ gesprochen wird, so sollte festgehalten werden, dass dies  – nimmt man dies an – ebenso im übertragenen Sinne für eine angenommene muslimische Community gilt.* Radikale Sichten, Verschwörungstheorien und auch manche extremistische Haltung sind bis in konservative Kreise anschlußfähig.

In einer Ausarbeitung des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums, dem Hessischen Kompetenzzentrum gegen Extremismus und dem BKA aus dem Jahr 2016 wurde als ein Faktor im Radikalisierungsverlauf in 48% der Fälle eine (radikale) Moscheegemeinde ausgemacht. Immer wieder sind Moscheegemeinden oder Gruppierungen auch Ziel von Durchsuchungen, einige wurden verboten. Bei jenen, bei denen die Verstöße nicht genügen oder sie nicht hinreichend nachgewiesen werden können, um sie zu verbieten, die aber problematisch sind, versuchen einige Länder (und auch Kommunen), in einen Dialog zu treten. Bei Unlust politischer Entscheider, die rechtlichen Gegebenheiten einigen neuen Herausforderungen anzupassen** und auch vor dem Hintergrund, dass so mancher Koalitionspartner Erweiterungen der Befugnisse des Verfassungsschutzes oder auch die Einhegung religiös konnotierter Vereine*** kritisch sieht, stellt ein sogenannter „robuster Dialog“ eine Notoption dar, die jedoch wenig aussichtsreich erscheint. Zumindest dann, wenn das Robuste am Dialog nur so etwas umfasst (Beispiel aus Frankfurt):

Bezüglich des Fachbereichs Integration ist es Sylvia Weber ein Anliegen, den Extremismus zu bekämpfen. Daher setzt sich ihr Amt gemeinsam mit dem Verfassungsschutz und der Polizei mit Moscheegemeinden ins Benehmen. „Wir führen ‚robuste Dialoge’. Es geht darum deutlich zu sagen, was die Grundlagen des Rechtsstaates sind und welche Anforderungen die Stadt an die Zusammenarbeit stellt und auf eine Verhaltensänderung zu drängen.

https://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2788&_ffmpar%5B_id_inhalt%5D=33578572&template=nav_spez_ohne_nav

Also die positive Verstärkung erwünschten Verhaltens, während man parallel die Möglichkeiten der (milden!) Sanktion einer Benennung im Bericht kaum nutzt, die ja auch die Möglichkeit zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit bietet. So wird man kaum vorankommen. Dann wird nett hingehalten, vielleicht nimmt man auch die offerierte Zusammenarbeit an, macht aber trotzdem all die Dinge weiter, die man so tat. Man denke nur an den Deutsch-islamischen Vereinsverband. Insofern erscheint auch der hessische Bericht, der vor einigen Wochen herauskam, nicht so recht an den Möglichkeiten, aber auch teilweise Notwendigkeiten orientiert. Da wäre etwas mehr Klarheit sinnvoller gewesen.

Wenn Verfassungsschützer verbreitet in einen solchen „robusten Dialog“ gehen, so bedingt dies nämlich, dass die andere Seite in Grenzen mitmacht. Sofern die eine Seite als vorrangiges Ziel hat, diesen Dialog unbedingt zu führen, die andere Seite aber wenig Lust oder Interesse verspürt oder sie gar nur zum Schein „mitmacht“, ist der Dialog assymmetrisch von den Voraussetzungen her. Die Drohung des Gesprächsabbruchs wirkt nur in die eine Richtung. Wenn für die eine Seite Gesprächsabbruch keine Option ist und man schlicht wenig anderes noch in der Hinterhand hat oder Schärferes nicht einsetzen will, so werden mittelfristig Haltungen aufgeweicht. Es besteht die Gefahr, letztlich inhaltlich erfolglose Gespräche als etwas positives darzustellen. Dialog wird zum Selbstzweck. Beide Seiten verkaufen das als Erfolg, das ist ein wenig wie die Dialogformate der Kirchen: Auch dort haben sich islamistische Akteure im Grunde nicht bewegt, ihre Gesprächspartner haben sich über die Jahre jedoch umpositioniert, immer in der irrigen Hoffnung und Selbstüberschätzung, dass ihre Gespräche etwas beim Gegenüber bewirkten. Bewirkt wurde jedoch meist allenfalls, dass man sich noch besser verkaufte und die Gesprächspartner nunmehr als Testimonials benutzen kann. Wer würde schon zugeben wollen, dass die jahrelangen Bemühungen letztlich ohne inhaltliche Bewegung blieben. Eine Mahnung und Lehre hätte spätestens sein müssen, dass die DITIB sich aus einer Position heraus, in der sie Gesprächs- und vielerorts Kooperationspartner ist bzw. war, hin zu einer Organisation wandelte, die nunmehr ersichtlicher noch eine Doppelstrategie verfolgt und immer nationalistischer und islamistischer wird. Dialog und Einbindung wurden zwar in die eine Richtung benutzt, blieben aber hinsichtlich der ideologischen Basis nicht relevant.

Die Erfahrungen aus vielen Jahren, die andere Akteure mit ideologisch gefestigten Personen bzw. Weiterlesen

Ich, du, der andere

Ein paar Gedanken zu „Othering“ und  „Empowerment“

„Othering“ ist ein Konzept aus der Sozial- und auch Erziehungswissenschaft. Deutsche Übersetzungen gehen jedoch oft am Kern des Gemeinten vorbei, deshalb hat sich der Begriff im englischen Original eingebürgert. Es beschreibt ganz grob eine Haltung, die die eigene Gruppenzugehörigkeit bei anderen Menschen nicht nur sozial bevorzugen läßt, sondern die Angehörigen anderer Gruppen abwertet und die eigene Gruppe aufwertet:

https://de.wikipedia.org/wiki/Othering

Es gibt ein wenig Überscheidungen  bzw. Ähnlichkeiten in der Bedeutung mit dem, was als Chauvinismus bezeichnet wird:

https://de.wikipedia.org/wiki/Chauvinismus

Othering ist also eine Vorstellung, die sich – bestehend aus verschiedenen Teilaspekten – um Identität und Eigenbeschreibung und -zuordnung in der Resonanz und Interferenz mit einem „anderen“ erst beschreiben lässt. Das können sogar sehr kleine Unterschiede sein, die eine solche Abgrenzung ermöglichen, es müssen sich nur genügend Personen finden, die diese Meinung teilen und dieses Merkmal ebenso zur Abgrenzung nutzen wollen. Merkmale, die sowieso allen Menschen gemein sind, können also zwar in ihrer Ausprägung und Gewichtung Teil der eigenen Identitätsverortung und auch gruppenspezifisch sein, werden aber weniger einem othering zugeordnet.

In manchen migrantischen Milieus wird nach verschiedenen Untersuchungen* häufig ein autoritärer Erziehungsstil bevorzugt (das betrifft z.B. indischstämmige Personen mit hinduistisch-religiösen Eltern ebenso wie Türkischstämmige etc; hier soll es mehr um die Erziehung gehen, die in manchen muslimischen Familien gelebt wird aus verschiedenen nationalen Herkünften). Kinder sollen nicht auffallen, sollen gehorchen. Mädchen und Jungen sehen sich oft früh unterschiedlicher Behandlung und Normen ausgesetzt. Es gibt weitere Vorgaben und Erwartungen, die an Jugendliche gestellt werden und die sich manchmal unterscheiden (das ist wiederum nun die Erwartung der Gesellschaft; diese sollen aber hier einmal hintan gestellt werden), somit also dieses Gefühl, „anders“ zu sein, erst wecken oder verstärken.

Ein wertvoller Vortrag von Prof. Dr. Ahmet Toprak (FH Dortmund) zum Thema „Erziehungsziele und Geschlechterrollen in unterschiedlichen Familientypen“, gehalten am 15. 10. 2015, fasst da einiges zusammen (ich möchte Lehrer nur anregen, sich damit zu beschäftigen, es gibt mittlerweile einiges an Literatur dazu. Dieser Artikel soll nur in knapper Form insbesondere Lehrer neugierig machen, ihre Schüler besser verstehen zu wollen, damit sie sie besser unterstützen können):

In strikt religiös ausgerichteten Milieus sind die Vorgaben oft stark bindend. Zudem wird in diesen traditionellen bis fundamentalistischen Milieus auch häufig stark genau auf die Identitätsbildung hingewirkt. Die Ziel-Identität ist oftmals identitär-kollektiv, mit einer Betonung der jeweiligen Ethnie oder Nationalität. Das fällt in der Diaspora besonders ins Gewicht und je mehr Personen ähnlicher Grundhaltungen in einem gegebenen Rahmen interagieren, desto stärker ist oftmals dieser Rückbezug (gegenseitige soziale Kontrolle auf ein konserviertes Heimatverständnis) auf die dann idealisierte Ursprungsregion. Die Kinder sollen also – grob – ihr „anderssein“ behalten, damit sie der Familie „ähnlich genug“ bleiben (v.a. in ihrem sozialen Nahfeld). Zugleich sollen sie in der Diaspora möglichst erfolgreich sein, sollen also – so die häufigen Wünsche von Eltern – z.B. Ärztin oder Anwalt werden. Dies erfordert Anpassungsprozesse an die und in die Mehrheitsgesellschaft. Diese sollen jedoch nicht im sozialen Nahbereich wirksam werden. So wird häufig erwartet, dass nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen bis zur formellen und kollektiv abgesegneten eigenen Hausstandsgründung, die nach Binnensicht oft erst mit der Heirat erforderlich wird, bei den Eltern wohnen bleiben. Die Freiräume für eigene Identitätsgestaltung, die in der Phase Jungerwachsener zwischen Kinderzeit und eigener Familiengründung wirksam werden, kommen in diesen Konstallationen oft nicht zum Tragen und sind allenfalls bei Studium oder Ausbildung in einer anderen Stadt begründbar. Die Kontrolle, die Eltern ausüben, erschwert so eine Individuation, wie sie in der Mehrheitsgesellschaft für normal gehalten wird.

Mit der Stärke dieses Kollektivs steigen lokal unterschiedlich die soziale Kontrolle des imaginierten Weiterlesen

Muslimbrüder: Ein Puzzle mit vielen Teilen

Eine kleine Einordnung der Muslimbruderschaft in ihren verschiedenen Handlungsebenen

Im Rahmen der Debatte um die Neuköllner Begegnungsstätte ist in den letzten Tagen auch immer wieder die Frage aufgetaucht, wie diese Bewegung in ihren Betätigungen in Deutschland zu bewerten sei. Dabei wird einerseits von jenen Personen, die ihr zugerechnet werden, in Abrede gestellt, ihr zuzuordnen zu sein; beliebt ist die Behaupt, dass die Bewegung nur im Ausland existiere. Andererseits scheint auf, wer mittlerweile alles mit Strukturen und Akteuren kooperiert, die ihr zuzurechnen sind. Da die Muslimbruderschaft aber sowohl international als auch lokal als Akteur in Erscheinung trttt, es recht sichere Merkmale gibt, seien einige kleine Punkte zur Einordnung aufgeführt.

Die Muslimbruderschaft wirkt in Deutschland weitgehend nach außen hin legalistisch, d.h. Akteure halten sich nach außen hin an die Gesetze und rufen nicht offen zum Kampf auf. Problematische Weisungen etc. sind eher eine Sache der Hinterzimmer – oder von Referenten, die man aus dem Ausland holt. Dass das die Vordenker anders sehen, wird somit weniger häufig öffentlich thematisiert. Die Muslimbruderschaft kann jedoch nicht losgelöst gesehen werden von ihren internationalen und ideologischen Bezügen (s. dazu auch relativ frische Einschätzung des VGH

http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8021065

Dass sie davon losgelöst gesehen werden will, ist Marketing und Wunschziel.

Einer der führenden Köpfe der Muslimbruderschaft (MB), Yusuf al Qaradawi, hat immer wieder unter bestimmten Bedingungen den bewaffneten Kampf als Pflicht definiert:

Im Sommer 2009 veröffentlichte Qaradawi ein weithin beachtetes Buch über die islamische Rechtsauslegung bezüglich des Dschihads. Darin nahm er die von ihm so genannte „Mittelposition“ ein: Auf der einen Seite grenzt er sich von dschihadistischen Strömungen ab, die auch Muslime bekämpfen, wenn diese von ihrer eigenen Deutung des Islam abweichen. Auf der anderen Seite erhebt er Einspruch gegen Muslime, die die Bedeutung des Dschihads auf den spirituellen Aspekt eines „Kampfes für die Sache Gottes“ beschränken wollen. Der gewaltsame Dschihad gegen die Besatzung von islamischen Ländern, zu denen er Israel und die Palästinensischen Gebiete rechnet, zählt für ihn zur unabdingbaren Pflicht der Muslime.

http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/jugendkultur-islam-und-demokratie/125168/al-qaradawi-yusuf

In diesem Kontext ist ganz fluide, was als „Besatzung“ definiert wird. Das können auch „ehemalige Gebiete“ sein, in denen in der Vergangenheit islamische Anführer die politische Gewalt innehatten.

Im November 2017 appellierte er an die Gemeinschaft der Muslime, die Ummah:

Islam has spread from the Arabian Peninsula to China, from the Samarkand to the Indian peninsula, Asia and Europe“ in a short time. Now „it is our duty to restore the glory of the nation of Islam (Ummah) back to the level of those days, back to the days where the Muslims were rulers of the world. This is our promise to the Ummah“ said al-Qaradawi.

http://www.aljazeera.com/news/2017/11/al-qaradawi-calls-islamic-awakening-171107094013049.html

Erst in 2017 wurde auch seine Position zu Selbstmordattentaten erneut bekräftigt, nachdem er sie im Jahr 2016 zurückgestellt hatte. Nicht, weil er zum allgemeinen Menschenfreund geworden wäre, sondern aus Erwägungen heraus, was das nützlichste sei:

http://www.israelhayom.com/opinions/qaradawis-flexibility/

https://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/232881

Dabei sollte nicht vergessen werden, dass er auch als Vordenker der Hamas gilt

Quelle: Eigene Grafik

Ein anderer Protagonist der MB, Ashraf Abdelghaffar, möchte die jihadistische Tradition der MB wiederbeleben; schon nach dem Gründer, Hassan al Banna, war der religiös konnotierte Kampf, der Jihad, der Weg:

http://archive.is/xt3W7

Ein anderer, jüngerer Anführer hatte diese Grundlinie bzw. die Ausrichtung auf das Kalifat erst im August 2017 bekräftigt, man möchte die Gemeinschaft der Muslime auf dieses Ziel einschwören:

In an effort to reinvigorate the Muslim Brotherhood, one of the group’s leaders — Magdy Shalash — reminded supporters that the organization’s main objective is establishing an “Islamic Caliphate” based on “Sharia” law. “The Muslim Brotherhood was established for a general overall purpose, namely, the return of the comprehensive entity of the Umma (Muslim community)…the Islamic Caliphate, which is based on many Sharia proofs,” Shalash wrote in a Facebook post on Wednesday that was translated by the Investigative Project on Terrorism (IPT). 

While many Islamist apologists attempt to defend the use of terms like “caliphate” or “jihad” as purely religious and peaceful concepts, Shalash does not try to hide the Brotherhood’s true colors. He calls for “the return of all states Islam ruled, such as Andalusia and others, to the quarters of the coming Caliphate.” Andalusia is part of modern-day Spain.

https://www.algemeiner.com/2017/08/07/muslim-brotherhood-leader-reaffirms-islamic-caliphate-ambition/

Bei gemeinsamen Interessen wie dem Voranbringen islamistischer Handlungskonzepte in Europa, Weiterlesen

Leicht gemacht

Eine Meinung zu dem Fernseh-Beitrag „Warum macht Allah es uns so schwer“

Man stelle sich einmal eine Sport-Berichterstattung vor: Der Reporter beschreibt, dass eine „niedrige zweistellige Zahl an Personen“ auf dem Feld sei. Sie teilten sich auf in zwei Gruppen, die lustige bunte Hosen tragen. Sind das die Löwen Frankfurt, die da spielen? Gegen die Rhein-Neckar-Löwen? Boateng (?) gibt ab an – wer ist das? Steffi Graf? – und schießt. „Ja, ja, alle neune!“. Hinterher, nach der Pressekonferenz, wird verkündet, es sei ein spannendes Spiel gewesen mit vielen schönen Gelegenheiten „einzulochen“. Roger Federer und Sebastian Vettel hätten angegeben, eine sehr gute Saison gehabt zu haben.

So etwas wäre undenkbar. Man würde von dem Reporter berechtigt annehmen, dass er nicht weiß, welche Mannschaften auf dem Platz sind, was überhaupt ablief und vor allem: Welche Sportart war das noch mal?

Bei der Bearbeitung des komplexen Themenfeldes Islam ist es hingegen manchmal ein bisschen anders. Da geht mancher heran, ohne sich über die Protagonisten eingehender zu informieren, ja anscheinend ohne grundlegende Recherche-Lust, zu erkunden, mit wem er überhaupt zu tun hat. Die Eigenauskunft genügt und wird nicht hinterfragt. Wenn man so herangeht, also die Personen vornehmlich in ihrer Eigenwahrnehmung und Selbstdarstellung zentriert, dann kann man lange „begleiten“ und bleibt doch nur an der Oberfläche. Eine solche journalistische Arbeit war neulich schon einmal zu der Neuköllner Begegnungsstätte vorgelegt worden:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/09/25/ein-werbefilm-fuer-taha-sabri/

Es ist natürlich journalistisch statthaft, so zu verfahren. Das wäre auch akzeptabel, ginge es nur um den Alltag der Weinkönigin von Michelstadt.* Da wäre das ein Bild aus der Gesellschaft, mehr Unterhaltung als Aufklärung, nahezu belanglos jenseits des Unterhaltungswerts. Da es beim Thema Islam jedoch komplexer ist und bei den jeweiligen Akteuren auch die Frage nach der Verortung relevant ist, da es um Einschätzungen des Verfassungsschutzes geht, um gesellschaftliche Einbindungen und oft genug auch kurz- oder mittelfristig um öffentliche Gelder, kann dieser Ansatz bei diesem Thema nicht genügen. Da kann es nicht ausreichen, naiv an eine Darstellung zu gehen, weil man sonst Gefahr läuft, sich instrumentalisieren zu lassen. Oder alternativ eine eigene Agenda nur zu bebildern (was man aber nicht unterstellen solle).

Der Bericht:

http://www.ardmediathek.de/tv/Gott-und-die-Welt/Warum-macht-Allah-es-uns-so-schwer/Das-Erste/Video?bcastId=2833732&documentId=47694310

fängt dramatisch an, es wird auf das Berliner Attentat verwiesen. Solche Vorfälle polarisierten, schüfen Angst und den Vorwurf, Muslime selber täten nicht genügend gegen Radikalisierung. Muslime, die sich aktiv gegen Radikalisierung einsetzen, wollte man finden. Der Autor Niko Apel hat sich offensichtlich aber nicht eingehender über seine Protagonisten informiert. Die Reportage lebt nur vom Augenblick, in dem die Kamera dabei ist und und gefilmt wird. Apel wollte Muslime finden, die sich für ein gutes Miteinander einsetzen. Ja, die gibt es. Die beiden zentrierten Personen sind das jedoch eher nicht, sofern man nicht nur die Absage an physische, selbst ausgeübte Gewalt darunter versteht. Die Ansprüche werden niedrig gehalten: „Ron versucht ein Islamverständnis zu vermitteln, das den Jugendlichen helfen soll, in Deutschland konfliktfrei zu leben.“ In seinem Gespräch mit den Schülern am Anfang leuchtet bei der Diskussion zu nichtehelichem Sex auf, wie er die unterschiedliche Sicht der Geschlechter auflöst: Beides [gemeint ist die nichteheliche sexuelle Betätigung von Frauen und Männern] sei „gleich schlimm“. Auf die Idee, dass Religion sich nicht in die persönliche und schon gar nicht die fremde Sexualität einzumischen habe, kommt man nicht, ist zu tief verhaftet in der reaktionären Sicht. Ist wirklich etwas gewonnen, wenn in einer fiktiven Zukunft nicht nur Brüder Schwestern überwachen, sondern auch Schwestern ihre Brüder? Woher diese rückwärtsgewandte Sicht kommt, kann man ergründen.** Der Herr Weber machte, bevor er zusammen mit anderen von VPN rekrutiert wurde, u.a. den Verein „Lichtjugend“:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/09/21/religion-als-geeigneter-zugang/

Nicht nur in Berlin sollte man wahrnehmen, wofür die steht. Nicht nur, weil er seit einiger Zeit für VPN arbeitet, sondern auch, weil er – das ist dem Beitrag zu entnehmen – (wieder) eine „Akademie“ gründen will. Ein paar sympathische Bilder genügen nicht, um die Haltungen da zu erfassen und auch auf dem Hühnerhof wird man da wenig schlauer.

Und der zweite Protagonist, der Herr Mustapha Lamjahdi, vom Herrn Apel zum Präventionsarbeiter geadelt, der in Frankfurt agiert? Bei der Atassamoh Moschee, bei T.U.N unter anderem und in einem Jugendrat? Der vorgeführt wird als Person, die für ein gutes Zusammenleben eintritt? Ja, der Herr Apel hat das Gesicht zur Mehrheitsgesellschaft hin dokumentiert. Mehr aber auch nicht.

Denn da gibt es die anderen Seiten. Solche z.B.:

 

Das ist der Herr Lamjahdi mit dem Herrn Qaradaghi (s. Beiträge auf diesem blog). Das findet man SOFORT, wenn man das Profil vom Herrn Lamjahdi anschaut und auf die Fotos geht. Das ist also völlig offen. Nur wenn man Weiterlesen

Religion als geeigneter Zugang?

Einige Betrachtungen zur Berliner VPN-Beratungsstelle Bahira

Die Berliner Beratungsstelle „Bahira“ ist an der Sehitlik-Moschee angesiedelt, die der DITIB angehört. Es handelt sich nach eigenen Angaben um  ein Kooperationsprojekt des „Violence Prevention Networks“ (VPN) und der DITIB – Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V., also VPN und DITIB:

http://www.violence-prevention-network.de/de/aktuelle-projekte/bahira-beratungsstelle

Zu Beginn war noch der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) zumindest nominell am Projekt beteiligt, Webarchiv von Ende Dezember 2015:

https://web.archive.org/web/20151231230627/http://www.violence-prevention-network.de/de/aktuelle-projekte/bahira-beratungsstelle

Auch im September 2016 war man noch mit von der Partie. Erst beim nächsten Screenshot des webarchivs im März dieses Jahres fehlt dann der ZMD plötzlich.

VPN beschreibt sich selbst so:

Violence Prevention Network ist ein Verbund erfahrener Fachkräfte, die seit Jahren mit Erfolg in der Extremismusprävention sowie der Deradikalisierung extremistisch motivierter Gewalttäter tätig sind. Das Team von Violence Prevention Network arbeitet seit 2001 erfolgreich im Bereich der Verringerung von ideologisch motivierten schweren und schwersten Gewalttaten von Jugendlichen.“

http://www.violence-prevention-network.de/de/ueber-uns/portfolio

[„Seit 2001“ bezieht auf die Arbeit mit rechtsextremen Gewalttätern. Im Bereich Islamismus sind es relevant weniger Jahre der Betätigung. Während man beim Bereich Rechtsextremismus eine gewisse Wirksamkeit der Antigewalttrainings nach Evaluationslage nicht auschließen kann, ist die Wirksamkeit der VPN-Konzepte im Bereich Islamismus schlicht nicht ausreichend belegt.]

Aus dem selbstdefinierten Auftrag von Bahira:

Innerhalb der Şehitlik Moschee und darüber hinaus trägt BAHIRA zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Moscheegemeinden zum Thema Radikalisierungsprävention bei. Zugleich beabsichtigt BAHIRA, die Moscheegemeinden als Orte und als „Anbieter“ von Radikalisierungsprävention zu etablieren.

http://www.violence-prevention-network.de/de/aktuelle-projekte/bahira-beratungsstelle

Projektleiter ist Thomas Mücke, einer der Geschäftsführer von VPN. In der Beratung wirken aktuell Pınar Çetin und Levent Yükçü. Vorher war länger Gülhanim Karaduman-Cerkes in der Beratung, die jetzt beim VPN-Projekt Almanara geführt wird.

Beispiel Deradikalisierungsarbeit, aus der aktuell herunterladbaren Broschüre von Bahira, S. 15:

In einem Einzelgespräch in angenehmer Atmosphäre wird der Erstkontakt mit dem/der radikalisierten Jugendlichen aufgenommen. Es geht in den ersten Stunden darum, eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung aufzubauen, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Deradikalisierungsarbeit ist. Über gemeinsame Interessen oder ähnliche Erfahrungen wird zunächst Nähe aufgebaut. Hat man dies erreicht, wird durch gezielte Fragen versucht, den/ die Jugendliche/n zum Reflektieren des eigenen Islambilds und der eigenen Weltanschauung zu bewegen. Durch Verweise auf die Handlungen des Propheten Muhammed wird deutlich gemacht, dass die Anschauung des/der Jugendlichen im starken Konflikt zur Lebensweise des Propheten steht. Das eigene, angenommene Islambild basiert auf unzureichendem Wissen und ist mit dem tatsächlichen Islambild nicht konform. Selbstkritik und die Bewusstwerdung der eigenen Unkenntnis bringen den/die Jugendliche/n in einem langen Prozess von radikalen Ansichten ab.

http://www.violence-prevention-network.de/de/aktuelle-projekte/bahira-beratungsstelle

Das Angebot ist natürlich freiwillig. Das heißt, die Person muss sich selber schon als hilfebedürftig begreifen, woran es bei tatsächlich radikalen Personen allermeist mangelt. Zur direkten Ansprache Weiterlesen

Leipzig: Imam-Franchise

Kopie eines vermeintlichen Erfolgsmodells

Über die Einbindungen des in der Deradikalisierungsarbeit eingesetzten Hesham Shashaa u.a. war gestern berichtet worden:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/09/13/hesham-shashaa-der-janus-imam/

Bei Claudia Dantschke muss man annehmen, dass sie die ideologische Grundhaltung Shashaas erkennen und sie ebenso wie die von z.B. Muhamed Ciftci oder Hassan Dabbagh zuordnen konnte.
Sogar derart problematische Personen als Gesprächspartner in Betracht zu ziehen, lässt vermuten, dass Grenzziehungen eher diffus und von der persönlichen Wirkung abhängig waren. Wer mit jedem redet, kann dem Irrglauben verfallen, dass schon das Gespräch ein Gewinn sei, dass seine persönliche Wirkung dies ermögliche und nicht die äußeren Bedingungen und die Absichten seines Gegenübers. Die Selbsttäuschung, man könne selber prinzipiell nicht getäuscht werden oder sich schlicht irren in der Beurteilung einer Person, ist möglicherweise Ausdruck einer Selbstüberschätzung. Ausnahmslos jeder kann sich mal irren. Insbesondere bei Personen, die es auf Täuschung anlegen, kann die Authentitäts-Simulation äußerst eindrucksvoll und einnehmend sein. Um so wichtiger ist es, bei problematischen Personen einen mindestens zweiten Blick auf die Person und die Handlungen werfen zu lassen. Dialog ist kein Selbstzweck. Dialog, der die „schwierigen Themen“ außen vor lässt, ist wenig weiterführend. Sicher gab es nicht öffentlich genug warnende Stimmen.

Nach der aktuellen Berichterstattung des BR gibt das BAMF an, bereits 2015 gegenüber Hayat bekundet zu haben, dass man Shashaa als Deradikalisierer für ungeeignet halte. Stimmt dies, so hat sich Hayat über die Sichten nicht nur der Sicherheitsbehörden, sondern auch die eines seiner Zuwendungsgeber hinweggesetzt. Letztlich zu verantworten hat das Dr. Bernd Wagner, der als Geschäftsführer von Hayat und dem ZDK fungiert:

http://hayat-deutschland.de/impressum

http://zentrum-demokratische-kultur.de/zdk/

Das wurde also von der Leitung zumindest nicht unterbunden. Die Leitung ist die einzige Instanz, die das hätte unterbinden KÖNNEN. Bitten und Forderungen von außen müssen von der Leitung berücksichtigt werden; schlussendlich bleibt einem Auftraggeber bei einem Dissens nach vergeblichem Anmahnen zur Ausführung nur die Aufkündigung der Beauftragung. Auch Einflüsse von Kollegen sind letztlich nicht zielführend. In einer Firma wird zu Recht von den Angestellten erwartet, dass sie Kritik zuerst intern äußern und dies nicht öffentlich tun*. Im Gegensatz zu einem Verein, den man meist ohne größere Folgen verlassen kann, ist eine Arbeitsstelle etwas anderes.

Warum das ZDK die Einbindung von Shashaa wohl sogar gegen einen der Zuwendungsgeber weiter verfolgt hat, lässt sich kaum noch mit pekuniären Gründen erklären. Man hält sich m.M.n. anscheinend nicht nur für unfehlbar, sondern auch für unersetzlich? Es erscheint als Selbstüberschätzung und eine Kette von Vertrauensvorschüssen, die wie bei einer Spekulationsblase zu einer deutlichen Überbewertung führte. Existiert eine solche Blase erst einmal, wird eine sachgerechte Beurteilung der einzelnen Handlung schwierig, denn die Beteiligten am Ende der Blase haben oft viel mehr zu verlieren als die am Anfang.

Strukturell ging man andere Wege. Vernetzung ist ein Weg, die eigenen Interessen zu sichern. Die eigenen Interessen können auch schwierige eigene Meinungen oder Handlungsmaximen umfassen, die man aber durchsetzen will.

In einer Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG) wird dies auch deutlich. Man organisiert sich u.a. gegen die Zuwendungsgeber, macht in gewisser Weise sein eigenes Ding:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/02/19/wer-schuetzt-vor-dieser-praevention/

Als Gesprächspartner zur Politik hin kann man dann – theoretisch – Gegennarrative gesellschaftlich installieren, wenn man wollte. Hat man flankierend Zugang zu Meinungsbildnern, z. B. einen speziellen Zugang zu Medien oder bestimmten Medienvertretern, kann man das – theoretisch – medial flankieren. So ist Claudia Dantschke (wie übrigens Daniel Bax auch**) bei den „Neuen Deutschen Medienmachern“ (NDM) aktiv, die für oft durchaus berechtigte und nachvollziehbare Anliegen eintreten, aber n.m.M. auch manchmal eher schwierige Dinge propagieren. Wer hört noch auf die Sicherheitsbehörden, wenn Medienvertreter das freundliche Gesicht von Claudia Dantschke präsentieren, die naturgemäß mehr zu jedweder Sache sagen darf als Sicherheitsbehörden? Hat man Zugang zu Informationen, die für Journalisten interessant sind, kann man dies auch jenseits direkter Kontakte durchaus – theoretisch – für sich nutzen. Gegenseitige Dependenzen könnten da eine Rolle spielen. Das Image ist besonders dann wichtig, wenn es an fassbarem wie Zahlen mangelt***.

Eine weitere dieser Strukturbildungen besteht seit letztem Jahr in Sachsen:

https://www.projekt21ii.de/kompetenzverbund-extremismus-kve-sachsen-gegruendet/

Neben Claudia Dantschke arbeitete auch Solveigh Prass nicht nur mit Hesham Shashaa:

Doch der Imam kooperiert erfolgreich mit Claudia Dantschke und Solveigh Prass und bespricht am Rande des Leipziger Treffens nächste Maßnahmen. Adam sagt, er betreue derzeit etwa zehn bis zwölf Jugendliche in ganz Sachsen und darüber hinaus.„****

Klicke, um auf swr2-wissen-20160409.pdf zuzugreifen

Dort läuft überdies mit „eigenem“ Imam so eine Art Salafi-Imam-Franchise mit der Kindervereinigung Leipzig e.V.:

Klicke, um auf Programm_Fachtag.pdf zuzugreifen

Frau Solveig Prass, die durchaus m.M.n. ihre Verdienste im Bereich der Aufklärung zu Sekten hat, bietet anscheinend seit einiger Zeit Deradikalisierung an:

https://eine-frage-des-glaubens.de/leipzig/stationen/

Der dort eingesetzte Imam heißt richtig (Eigenangabe!)  Muhammad Mansour.

 

Der Herr Mansour ist ein Wegbegleiter von Hesham Shashaa seit Münchner Tagen und er findet diese Weiterlesen

Metamagie

Über Schweigen und Magie in der Präventionslandschaft

Islamistische Betätigungen und Radikalisierung erzielen ein hohes Maß an medialer und gesellschaftlicher Aufmerksamkeit. Spätestens nach einem Anschlag stellt sich auch der Bürger die Frage, was jenseits der direkten Einwirkung auf ausgemachte potentielle Täter und repressiven Maßnahmen noch geschieht, um das Problem einzugrenzen. Sicherheitsbehörden und Politik sind zwar schon seit etlichen Jahren an der Thematik dran, aber die Papiere aus Innenministerkonferenzen, aus Länder-Gremien (sofern sie überhaupt öffentlich gemacht werden) oder die Ergebnisse kommunaler Sicherheitsdialoge und runder Tische werden weniger wahrgenommen. Natürlich ist das zu speziell und nicht jeder Bürger kann sich mit diesen Dingen beschäftigen. Der Bürger liest und hört dann in Zeitungen oder im Fernsehen Statements von Personen, die sich – aus Steuermitteln und aus mancher gut gemeinten Spende finanziert – darum bemühen, das gesellschaftliche Problem zu bearbeiten.

Da das Problem schwerwiegend ist und nicht wenigen Bürgern ernste Sorgen und Ängste bereitet, wird in den letzten Jahren viel Geld angefasst, um das anzugehen. Da man sich nicht auf Bundesebene festlegen mag, ein Masterplan fehlt nach wie vor, sind da eine Menge unterschiedlicher Programme und ein ganzes Netz von Anbietern entstanden. Die Festlegung auf eine Strategie im Bund beinhaltete die Möglichkeit des Scheiterns im großen Maßstab (wie es im europäischen Ausland schon vorkam). Patentrezepte sind bei komplexen Lagen schwierig, denn sie beinhalten immer Reduktionen der Komplexität. So wird die Gefahr des Scheiterns sozusagen verteilt: Man gibt dieses Risiko weiter an die Länder und diese an viele verschiedene NGO und Initiativen. Die Hoffnung mag wohl auch sein, dass sich unter all den Versuchen (und Irrtümern) auch eine Herangehensweise herausschälen möge, die besser sei als andere. Um jedoch diese besseren Verfahren zu erkennen, müsste man im Grunde evaluieren, also strukturiert erfassen, ob die Vorgehensweise nachweislich besser ist als nichts zu tun oder eine andere Maßnahme. Für die Politik ist natürlich das Zuwarten keine Option, zumindest keine, die man öffentlich zugeben könnte. Nichtstun wäre politische Arbeitsverweigerung und wäre direkt vorhaltbar. Nichts zu tun ist aber in der Politik trotzdem eine Option: Reduzierte Betätigung oder Entscheidungsunsicherheit  dürfen nur nicht öffentlich als solche erkannt werden. Wenn über ein Thema, eine Problemlage oder schlichte Ratlosigkeit nicht öffentlich geredet wird, existiert das Problem sozusagen erstmal nicht.

Schon 2011 oder 2012 brachten auf einer Innenministerkonferenz Sicherheitsbehörden Bedenken vor, dass sich Dienstleister in der Prävention, die allermeist keinen sicherheitsbehördlichen Hintergrund haben, sondern meist einen sozialpädagodischen oder islamwissenschaftlichen Background, sich weniger an Sicherheitsaspekten orientieren könnten. Dass man sich also dann konträren Haltungen und Sichten gegenüber sehen könnte, deren Träger zwar grob Aufgaben im Bereich der Sicherheitspolitik übernehmen sollten, da aber eigene Schwerpunkte und Sichten haben könnten.

In gewisser Weise haben sich diese Vorbehalte und Befürchtungen bewahrheitet.

In einem „Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des AK IV unter Beteiligung des AK II zur Bekämpfung des gewaltbereiten  islamistischen Extremismus – Erfolgsfaktoren für Aussteigerprogramme „Gewaltbereite Islamisten“ vom Ende letzten Jahres fehlen eine Menge Zahlen, die man eigentlich hätte erheben müssen und auch hätte erheben können. Wieso gibt es z.B. aus Berlin, wo man mit am längsten an der Problematik arbeitet, über den Stand der Bemühungen keine ordentliche Rückmeldung und Auflistung?

Seit Jahren sind in Berlin verschiedene Dienstleister beauftragt, dort Arbeit zu leisten. Da hat man sich sicher auch im Einzelfall schwerstens bemüht. Nur mit der Rückmeldung, Evaluation und Erfassung dessen, was getan wird, scheint es – bei aller Sympathie – Schwierigkeiten zu geben. Warum?

Bei der Tabelle 3 „Angaben zur Gesamtanzahl der bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bzw. der Aussteigerinnen und Aussteiger seit Programmstart und der abgebrochenen Betreuungsverhältnisse“ finden sich häufig keine Angaben.

http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2016-11-29_30/nummer%204%20abschlussbericht%20aussteigerprogramme.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Nur mit passabler Rückmeldung wird man aber das Gute vom weniger Zielführenden scheiden können. Denn im Gegensatz zu jenen, für die der Weg bereits das Ziel sein mag, müssen Entscheidungen über (weitere) Mittelvergaben z.B. ja anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgen. Weiterlesen

PPP – ade?

Über die Abgabe der Prozessherrschaft bei wichtigen Aufgaben, z.B. bei der Islamismusprävention

Prolog:

Mit dem griffigen „PPP“ werden sogenannte „private public partnerships“ abgekürzt. Damit werden Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und privaten, meist gewerblichen Partnern bezeichnet, die für die öffentliche Hand Aufgaben übernehmen sollen: Kostenersparnisse durch andere Tarifgestaltungen, freie Mitarbeit statt Festverträgen (Rentenkassen!) locken und überhaupt all die schwierigen Dinge, die man selber nicht regeln konnte oder wollte, werden ausgelagert.

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlich-private_Partnerschaft

 

Anfangs insbesondere von Linken pauschal und generell nahezu als Teufelswerk gesehen, haben diese Konstruktionen in manchen Bereichen einen regelrechten Boom durchlebt. Nicht selten folgte ein erheblicher Kater. Verantwortlichen wurde – die privaten Partner wollten ja ins Geschäft kommen – nicht selten nicht nur erhebliche Kosteneinsparungen und eine nachgerade unerhörte Flexibilität („hire and fire“ geht bei einem öffentlichen Dienstherrn oder auch nur ordentlichen Arbeitsverträgen nicht so einfach, auch nicht die sub-sub-sub-sub-Vergabe) versprochen, sondern auch im Nu sozusagen blühende Landschaften in Aussicht gestellt. Da wurde geschwurbelt, gepower-pointet und versprochen, was Pixel und Kehle hergaben. Die öffentlich Verantwortlichen gerieten unversehens in den Strudel von Verkaufsgesprächen. So mancher wird das nicht so recht gemerkt haben und hinterfragte die „Beratung“ zu wenig. Hinweise auf allzu freizügiges Schönrechnen der Kostenersparnisse verhallten manches Mal ungehört. Die Verträge selber wurden inhaltlich oftmals sogar jenen, die sie im Auftrag der Öffentlichkeit genehmigen mussten, vorenthalten: Geschäftsgeheimnis! Man schloss also manchmal sogar relativ blind Verträge, trat Verantwortung ab und rieb sich die Hände. Das würde man als sparsamer Haushälter dem Steuerzahler gut verkaufen können.

Bei stark umschriebenen und genau eingegrenzten Aufgaben mag das angehen. Bei anderen hingegen, die langfristige Herausforderungen oder Großprojekte abdecken sollen, muss sich schon alleine die Frage stellen, ob eine zusätzliche Verwaltungsebene und Gewinne, die der öffentliche Auftraggeber ja auch mitzahlen muss, nicht am Ende des Tages die Sache teurer machen oder bei der Qualität der Leistung an Orten gespart wird, die man – die Prozess-herrschaft ist ja abgetreten – so nicht wollte. Je weniger umschrieben die Aufgabe oder die Dienstleistung sind, je weniger die Ergebnisse tatsächlich messbar sind, desto anfälliger sind solche Konstruktionen dafür, reine Meinung statt Fakten zum Maßstab der Dinge zu machen. Im Verkaufsgespräch und als reine Meinung gelingt schon mal problemlos die Quadratur des Kreises.

Das ist in gewisser Weise auf den Sektor der Auslagerung von Deradikalisierung, Prävention und Information übertragbar. Prolog Ende.

Die grundsätzliche Schulbildung ist eine hoheitliche Aufgabe und daher jenseits von Privatschulen, die Weiterlesen

Hesham Shashaa: Was nun?

Der palästinensische Imam Hesham Shashaa war länger als eine Art „Geheimwaffe“ bei bestimmten Radikalisisierungsprozessen erachtet worden. So wurde er zumindest in Medien und auch in manchen Präventionskreisen gesehen:

 

Dass er bei manchen Situationen nützlich sein gewesen sein mag, wird nicht bestritten, wobei allerdings öffentlich verfügbare Nachweise darüber zu fehlen scheinen. Es soll sie aber geben und so mancher äußerte sich so:

He has a complex relationship with German law enforcement officials, who see his message as crucial and unique here and continually press him to do more.

We know that he speaks and works against terrorism groups like Al Qaeda or the Taliban, and that is important,” said a senior German security official, speaking on the condition of anonymity because he was not authorized to make official statements about Mr. Shashaa. “He is the only example who is doing it in this way here in Germany, and in this sense he is effective.”

At the same time, Mr. Shashaa said, he must keep the trust of his congregants, who feel singled out by law enforcement agencies.

Vor einigen Tagen wurde er nun in Spanien, wo er ein Domizil unterhält, festgenommen. Vorwurf der spanischen Behörden ist Unterstützung des IS:

Nun wurde er festgenommen. Wie mehrere spanische Zeitungen berichten, wird ihm vorgeworfen, dschihadistische Kämpfer beherbergt und Propaganda-Material der Terrormiliz Islamischer Staat verbreitet zu haben. Wie das spanische Portal „Información“ berichtet, wird ihm vorgeworfen, dem IS anzugehören. Dem spanischen Innenminister zufolge steht er im Verdacht, Dschihadisten aus dem Irak und Syrien aufgenommen und unterstützt zu haben. Er soll ihnen Geld und Dokumente beschafft haben.

http://www.focus.de/politik/ausland/festnahme-in-spanien-imam-abu-adam-inszenierte-sich-als-deradikalisierer_id_7090167.html

Das war wohl ein größerer Einsatz:

 

Die Kernfragen werden auch sein, in welche Richtungen mögliche Unterstützungsleistungen liefen und ob es dafür einen Auftrag gab oder nicht. Oder ob er dort seine eigenen Vorstellungen und Ziele verfolgte.

Bedenken hinsichtlich der tatsächlichen Haltung Shashaas konnte man schon früher haben. Diese Bedenken wurden jedoch hintangestellt, da eine überwiegende Nützlichkeit im Hinblick auf die genannten Problemlagen behauptet wurde. Nun sind aber z.B. Doppelagenten – um einen Vergleich zu ziehen, sollten sich die Vorwürfe erhärten – immer irgendwie nützlich für beide Seiten und eine potentielle Nützlichkeit für deutsche Behörden mag in Spanien weniger interessieren.

Fragen konnten auch wegen solcher Treffen z.B., hier in Oslo 2014 aufkommen: Weiterlesen