Dem „Führer“ ein Kind schenken…

Moment mal, der Ausspruch kommt doch bekannt vor…

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Ja, das gab es mal. Eine politische Ideologie, die auch Mutterkult war. Der Mann als Krieger und Erzeuger, die Frau als Gehilfin und Mutter. Die Männer, die Söhne sollten „hart wie Kruppstahl“ sein, todesmutig, erbarmungslos im Kampf. Schlau oder gar gebildet mussten sie nicht sein. Die Frauen sollten unterstützen, vor allem aber auch Heim und Herd erhalten, und selber dabei rein und so wenig „sündig“ sein wie möglich („eine deutsche Frau schminkt sich nicht“). Lustfeindlich, leibfeindlich, wissenschaftsfeindlich, menschenfeindlich.

Unter dem Hitler-Regime gab es nicht nur den Muttertag. Es gab auch das Mutterkreuz und den Lebensborn. Frauen machten da mehrheitlich nicht gezwungen mit. Die Freiwilligen waren durchdrungen von einer Blut und Boden-Ideologie, die sie selbst überhöhte bis ins Unermessliche. Frauen, die von einem Endkampf, einer mythischen Zeit fantasierten, in denen ihre Kinder eine menschliche Elite bilden würden. Ja, es gab später auch verschleppte und gezwungene Frauen. Und es gab auch Frauen, bei denen ein starker Trieb und schwache Bildung oder die Abhängigkeit vom Ehemann eine klein geplante Familie nicht möglich machte. Es gab schließlich keine wirklich verläßlichen Verhütungsmittel. Da kam dann schon mal trotz heftigsten „Aufpassens“ der kleine 7. „Unfall“ zur Welt. Auch dafür gab es das Mutterkreuz.

Man verstellt sich aber selber den Blick, wenn man meint, Frauen seien seinerzeit nur Opfer der Umstände gewesen. Nein, es gab sie zuhauf (man schaue nur Wochenschauen), die bis an die Haarspitzen fanatisierten Frauen, die begierig waren auf das Mutterkreuz, begierig waren auf die scheinbare Anerkennung ihrer Leistung als Mutter, die doch nur den Wert hatte einer Medaille für besonders eifrige Lieferanten von Schachfiguren, Kanonenfutter.

Das war nach den als dekadent verschrieenen 20 er Jahren auch eine echte Rückbewegung. Auch damals wurde das von manchen als besondere Form von Gleichziehen mit den Männern erachtet, als Aufwertung. Statt dem zarten und hohlwangigen Vamp die stramme und tüchtige Bauersfrau als Ideal.

Auf ihre spezielle Weise hätten sich wohl diejenigen, die das Bild oben schufen, mit jenen, die das Bild unten machten, prächtig verstanden. Kinder sind für sie nicht pure Lebensfreude und Spiegelbild einer persönlichen Verbundenheit eines Mannes mit einer Frau, gehören nicht sich selbst oder vielleicht noch den Eltern, sondern einer Idee und deren Verkünder. Geboren als Ding, als Nutzobjekt, als Waffe. Stärker kann man menschliches Leben nicht entwerten, perverser kann man Kinder nicht instrumentalisieren.

 

 

Der eigene Vater, die eigene Mutter als Widersacher, während diese Kinder in dem festen Glauben aufgezogen werden, der böse Feind sei da draußen. Schlimmer kann jedoch der schlimmste Feind nicht sein. Der Feind ist die eigene Familie.

Wenn ein Mensch, ein Kind keine Zuflucht hat bei anderen Menschen, nicht mal den normalerweise Naheststehenden, dann ist er verloren. Er ist seinem internalisierten, gelernten Regelwerk unterworfen, zwischen ihm und den anderen Menschen steht dann immer eine andere Instanz. Kinder, die als Nutzobjekte geboren werden, da mangelt es schon an einer reifen Liebesfähigkeit und Empathie, an Verhaftung im Diesseits. Genauso wie damals „der Führer“ (oder auch Mao, Stalin…) mehr geliebt wurde als das Kind, so wird jetzt der Kalif, Allah mehr geliebt als das Kind. Genauso wie damals ist das eine schreckliche Vereinzelung und Vereinsamung: Es entwertet die zwischenmenschliche Beziehung, es verunmöglicht sie nahezu, denn die Liebe steht immer unter Vorbehalt, dass diese Zuneigung konform ist mit dem imaginierten Willen eines Dritten. Diese Zurückgeworfenheit auf die prinzipielle menschliche Einsamkeit macht auch roh. Wenn die eigene Liebe weniger wert ist als die Idee, dann ist auch das Geliebtwerden von anderen Menschen unwichtig(er) geworden: Die Zufriedenheit des „Führers“ oder Gottes reicht aus, man braucht die anderen Menschen gar nicht mehr, sie werden seltsam unwirklich*. Die objektive Nebenrealität der Betroffenen wird für sie selber so Hauptrealität. Das Diesseits ist im Grunde Nebenrealität geworden, die Phantasie Hauptrealität. Die Hauptrealität ist eine Blut- und Glauben**-Ideologie.

Kinder sind die Zukunft.
Gegen den IS waren die Nazis aber direkt noch eine lebensfrohe Ideologie, zumindest für sich selbst: Das Tausendjährige Reich war ein diesseitiges. Das Reich des IS ist im Grunde ein jenseitiges. Wer seine Kinder an einen „Führer“ verschenkt, der ein solches Reich aufbauen will, ist manchmal noch zu aufzuhalten, wenn das erkenntlich nicht funktioniert. Es ist ein Rest von Empathie und Diesseitigkeit da, der wenigstens vor den eigenen Kindern, wenn sie sinnlos geopfert werden, Halt macht. Eine Person, die die eigenen Kinder jedoch an einen Todeskult verschenkt, ist – bei festem Glauben – nicht aufzuhalten bis in den eigenen Tod hinein und den der Kinder. Denn der im Diesseits sinnlose Tod hat einen jenseitigen Sinn: Er sichert das Paradies. Es ist eine zutiefst psychotische Sicht, die eigentlich auch Wissen, Schulen etc. überflüssig macht. Es steht alles schon geschrieben, man muss das Wort nur lernen und sich ihm unterwerfen. Diesseitiges Wissen hat im Grunde keinen Wert und keinen Sinn, weil es den Zugang zum „echten Leben“ nicht reguliert. Das Fatale an dieser psychotischen Sicht ist, dass diese Eltern subjektiv ihre Kinder sogar mögen. Sie wünschen ihnen die höchste Stufe im Paradies und das furchtbare Märchen erzählt genau diese Geschichte: Das geopferte Kind ist das gerettete Kind (eigentlich müssten die Männer, die ihre Söhne so widmen, diese nach Binnenlogik auch nicht mehr beschneiden: Sie werden Gottes Willen geopfert.).

Das passt alles nahtlos zu manchem arabischen Kinderprogramm, in denen Kinder singen, wie schön und erstrebenswert es sei, als Märtyrer zu sterben.

Solchen Kindern werden auch wir uns in den nächsten Jahren gegenüber sehen, denn auch hier leben Menschen, die fanatisch genug sind, ihre Kinder so zu sehen und so zu dressieren. Nicht jedes dieser Kinder werden wir durch die Schulpflicht erreichen, denn das Ersatzschulwesen erlaubt Auswege. Es ist auch fraglich, inwiefern Sechsjährige, deren erste Steine des Sozialverhaltens gelegt wurden, durch Lehrerinnen zu beeinflussen sind, wenn ihnen eingeschärft wurde, dass Frauen minderwertig sind. Mir begegnen immer wieder auch Kinder, die – nach eigenem Bekunden! – mich gerne töten würden und nur durch die aktuelle Unmöglichkeit (z.B. durch Polizeipräsenz) sich darin gehindert sehen. Das sind Kinder, die hier zur Schule gehen wie viele andere auch, die jetzt in Syrien kämpfen.

Wir als Gesellschaft müssen da intensiv gegenwirken und es ist mehr als fraglich, ob wir das selbst bei intensivster Betreuung können. Wir müssen jetzt nicht nur gegen eine politisch fragwürdige und demokratiefeindliche Haltung angehen, sondern es geht um tief empfundene und verankerte Sichten, die die Kinder intensiv in ein Kollektiv einbinden, die Denkstrukturen anders prägen.

Jedes „verschenkte“ Kind ist ein für die Demokratie und unsere Gesellschaft erst einmal verlorenes Kind, auch wenn es zunächst in dieser Gesellschaft funktionieren kann. Es wird auf den Kontext ankommen, was da zum Vorschein kommt. Kinder von fanatischen Eltern haben schlechte Chancen. Nicht unbedingt auf gute Schulnoten, die religiös-politische Indoktrinierung ist ja bei völlig erhaltener Intelligenz möglich. Jedoch wird sich im Sozial- und Gruppenverhalten zeigen, wie die Kinder erzogen wurden. Das wird nicht einfach.

Wir werden trotzdem um jedes einzelne kämpfen müssen.

 

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* Das Ehepaar Goebbels hat übrigens 1945 nicht nur sich selbst, sondern damals auch seine 6 Kinder getötet.
** Mit Blut ist hier jedoch nicht die Abstammung gemeint; tatsächlich finden sich im IS mittlerweile bei Übergewichtungen doch viele Ethnien. Nein, hier ist die Obsession an spritzendem Blut gemeint, mit dem in den Propagandavideos des IS nicht gespart wird.