Religion – das missverstandene Mem

Eine kurze Betrachtung zu der Vorstellung des genenellen Friedensauftrags von Religionen: Was Religion ist – und was nicht*

Auf einer Konferenz der katholischen Laien-Gemeinschaft Sant’ Egidio trafen vor etwa drei Wochen Personen, im Wesentlichen geistliche Würdenträger und Anführer, in Münster zusammen. Die Gemeinschaft veranstaltet seit Jahren immer wieder solche Zusammenkünfte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinschaft_Sant%E2%80%99Egidio

Auch Bundeskanzlerin Merkel war anwesend und leistete einen Redebeitrag, der auf der Seite der Regierung so überschrieben wurde:

Religionen haben den Auftrag zum Frieden

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/09/2017-09-10-kanzlerin-besucht-friedenstreffen-sant-egidio.html

 

Der hier vorsichtig blickende Herr rechts neben Frau Merkel ist der Herr Dr. Al Tayeb, der Großscheich der Al Azhar-Unversität in Ägypten. Üblicherweise – d.h. wenn es nicht nützlich für ihn ist – hält er nichts davon, dass Männer und Frauen nebeneinander sitzen, beten oder sonst einen in Mitteleuropa üblichen Umgang pflegen. Unter anderem deswegen hat u.a. er eine Fatwa gegen die neue Moschee von Seyran Ates zu verantworten:

https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/standard/Imame-verurteilen-liberale-Moschee/story/21120478

Nur wenige Monate zuvor gab es eine ähnlich konzipierte Tagung im Auswärtigen Amt, zu der ebenfalls spirituelle Vordenker und Würdenträger (Eigen- und Fremdzuschreibung) eingeladen waren. Wie bei der Gemeinschaft Sant’ Egidio waren auch dort Personen eingeladen, die von Frieden ein ganz eigenes Verständnis haben:

http://www.bild.de/politik/ausland/headlines/aa-vertuscht-besuch-52147804.bild.html

https://vunv1863.wordpress.com/2017/06/02/nachgehakt-aa-wir-sind-papst/

Auch dort wurde von der „Friedensverantwortung der Religionen“ geredet:

Das zeigt auch, dass unsere Idee richtig ist, nämlich sich bei aller Vielfalt dieser Religionen und Religionsgemeinschaften und ihren unterschiedlichen Traditionen, Herkünften und Kulturen auf eins zu konzentrieren, was zumindest den Buchstaben aller Religionen nach ein gemeinsames Ziel ist: Frieden zu schaffen. Ich zumindest kenne keine Religionsgemeinschaft, die in ihren geschriebenen oder überlieferten Ideen sich nicht genau das zum Ziel macht, nämlich Frieden zwischen Menschen und vor allen Dingen mit Gott zu schaffen.

https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2017/170522-BM_Friedensverantwortung_Religionen.html?nn=382590

Das stimmt schlicht so nicht. Die alten Schriften sind voller unfriedlicher Beschreibungen gerade jenen gegenüber, die „anders“ waren, einem anderen Stamm, einer anderen Weltanschauung angehörten.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es auf Anfrage zu dieser Veranstaltung:

Ziel der deutschen Außenpolitik ist es, zu Frieden und Stabilität in der Welt beizutragen. Der enge und organisierte Austausch mit Repräsentanten von Religionsgemeinschaften aus einer Vielzahl von Ländern und Regionen ist Teil einer Außenpolitik der Gesellschaften als ergänzendes Mittel der klassischen Diplomatie. Bei der Veranstaltung ging es nicht um eine „Friedenskonferenz“ bzw. eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern um Dialog und Austausch.

Religion als diplomatisches Werkzeug, als politisches tool?

Vertreter asiatischer Religionen wurden dem Anschein nach nicht eingebunden, weiter aus dem Auswärtigen Amt:

Das Auswärtige Amt hat ca. 100 Religionsvertreter des Judentums, des Christentums und des Islam sowie Vertreter kleinerer Religionen aus über 50 Ländern (Naher und Mittlerer Osten, Nord- und Westafrika, Europa) eingeladen, um an der Konferenz „Friedensverantwortung der Religionen“ teilzunehmen und in Workshops themenbezogen zu diskutieren.

Eine Friedensverantwortung ist etwas anderes als ein in einer Religion angelegter Friede, nur nebenbei.

Leider haben sowohl Frau Merkel als auch Herr Gabriel (bzw. einige Berater und Referenten) den Charakter von Religionen bzw. ihre Anhänger als Akteure eher weniger durchdrungen**. Um Weiterlesen

Wer definiert, gewinnt

Diese alte Soziologen-Weisheit ist von unveränderter Aktualität. Begriffe ermöglichen Diskussion, ja erst das Denken. Ist etwas ohne Namen, dann bleibt es nur diffus.

Realität spiegelt sich in Begriffen. Der Begriff „Islamismus“ wird seit einiger Zeit offensiv bekämpft von allerlei Personen und Organisationen, die zwischen normalem Muslim und dem Terroristen keine weiteren Grenzziehungen wünschen. Überspitzt: Alles bis Jihadi-John soll nur Muslim sein. Der wiederum hat dann gar nichts mit dem Islam zu tun, denn er ist ja – Terrorist. Diese Exkommunizierung hat natürlich u.a. den Sinn, den Islam als eine Ursache von Terrorismus außen vor zu lassen. Die gleichen Personen, die den Ansatz von Olivier Roy gut finden – er sieht verkürzt im islamischen Terror ein Phänomen, das sich sozusagen nachträglich islamisiere: „Terror hat keine Religion“ – wollen gerne, dass die Muslime, alle Muslime als Schutz vor der Ideologie stehen. Ideologiekritik kann so zu Rassismus umgedeutet werden. Damit wird eine Ideologiekritik unmöglich, denn sie wird sofort in einen Rassismusdiskurs überführt. Diese Linie wird anscheinend von den großen muslimischen Verbänden verfochten, und man muss sich schon wundern, wo da die Linie gezogen werden soll: Radikale Muslime, Islamisten sollen so in Deckung gehen können zwischen allen Muslimen, seien sie auch klar säkular eingestellt oder sogar nur aus einem muslimisch dominierten Gebiet herstammend (aber womöglich Atheisten o.a.). Verfassungsfeinde gibt es dann nicht mehr, sondern nur Terroristen und fromme Brüder.

Das ist im Grunde auch die Auseinandersetzung, wie und wo sich die Muslime der Mitte positionieren können. Kann das Gemeinwesen sie als Leumundszeugen und Kombattanden für Freiheit und Demokratie benennen oder können die muslimischen, meist ultrakonservativen Verbände sie als Testimonials für sich und noch islamistischere Strömungen benennen? Welche Seite sie mitzählen kann, ist in der Einschätzung der Gemenge- und Stimmungslage ja relevant. Identifizieren sich diese liberalen oder ggf. auch nur wenig an Religion interessierten Weiterlesen

Kriminell organisierte Religion oder religiös organisierte Kriminalität?

Der Kampf gegen die religiös motivierten oder verbrämten Netzwerke, die fanatisierte Anhänger zu den verschiedensten Straf- und Untaten anstiften, ist eine Querschnittaufgabe. Bislang stehen an vorderster Front dieses Kampfes vor allem Islamwissenschaftler, manchmal Soziologen und Sicherheitspolitiker. Doch zur erfolgreichen Bekämpfung bedarf es neben einer wachsamen Gesellschaft auch Politikwissenschaftler,  Sektenspezialisten (wegen manchen Aspekts der Mitgliederwerbung) und Personen, die Erfahrung in der strukturellen Erfassung organisierter Kriminalität haben. Es wird womöglich auch der einen oder anderen Gesetzesanpassung an die aktuellen Herausforderungen bedürfen.

In Belgien wurden Anfang des Jahres etliche Mitglieder des Netzwerks „shariah4belgium“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Vorhalt und Ansatzpunkt war dort, man habe eine kriminelle Vereinigung gebildet:

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Lange-Haftstrafe-fuer-den-Guru-der-Islamisten/story/17964006

Auch in Deutschland gibt es einen entsprechenden Paragraphen im StGB, den § 129, dessen Anwendbarkeit auf die sich bildenden Strukturen man immer wieder prüfen sollte. Sicher ist dazu mehr notwendig als ein vager Anfangsverdacht und ganz sicher mehr als Spekulation. Fakt ist jedoch, dass man bereits aus öffentlich verfügbaren Quellen die Bildung von Strukturen erahnen kann, deren Existenz beunruhigen muss.

Die Frankfurter Gruppierung Dawaffm wurde im Jahr 2013 verboten. Dort waren unter der Leitung von Abdellatif Rouali, einem ehemaligen Hausmeister, seit Jahren gemeinsame Aktivitäten organisiert worden. Weitere Personen, die in diesem Umfeld agierten, nennen sich Abu Dujana (Said El Emrani), Abu Abdullah (Brahim Belkaid) oder agieren unter Klarnamen wie Bilal Gümüs, Ilyas K. oder Tunay R. (Namen bekannt). Bis zum Verbot agierte man öffentlich eher getrennt, nach dem Verbot waren die Gruppen zunehmend unter dem LIES-Logo aktiv.

Schon 2012 unternahmen Dawaffm-Akteure eine Gruppenreise mit Abou Nagie in die Türkei, wo sie auf den dortigen Sportminister Kilic trafen:

 

Dawaffm Türkei 2012

Von links: Abu Dujana, Abu Abdullah, Sportminister Suat Kilic, Abou Nagie Bild: http://www.der-kosmopolit.de/2015/07/lies-aktion-turkischer-minister.html

 

Was die Herrschaften miteinander besprochen haben, ist nicht bekannt, auch nicht, ob es sich um ein zufälliges Zusammentreffen bei einer Veranstaltung oder einen ausgemachten Gesprächstermin handelte.

Bilal Gümüs, Frankfurter „Filialleiter“ der LIES-GmbH ist seit Monaten immer wieder in Berlin, um sich dort mit Ashraf Rammo zu treffen.

 

Ashraf Rammo Gümüs Bildschirmfoto 2015-04-21 um 12.14.00

Ashraf Rammo, Bilal Gümüs, April 2015 Belegbild: fb-Seite von Gümüs

 

 

Bilal Berlin 150707

Gümüs vor Al Nuur Moschee, Berlin Anfang Juli 2015, Belegbilder: fb-Seite von Gümüs

 

Und aktuell:

Ashraf Rammo Gümüs 150730

Rammo, Gümüs Belegbild von Ende Juli 2015 Bild: fb-Seite von Gümüs

 

Das erscheint mehr als eine bloße Männerfreundschaft. Ashraf Rammo ist nicht nur Musikmanager, sondern auch Teil eines arabischen Netzwerks. Er hat vor einigen Wochen ein schönfärbendes Lied über Gümüs Geschichte herausgebracht. Schon 2010 schrieb die Bild (wohl unwidersprochen) über ihn:

Es ist Ashraf Rammo (28), Araber und Manager des Gangster-Rappers Massiv (27). Und: Er ist kein unbeschriebenes Blatt. Er ist Mitglied einer der schlimmsten Gewalt-Gangs aus Berlin! Er war schon in Schießereien verwickelt, saß insgesamt wegen Raubüberfällen und Körperverletzung drei Jahre im Knast!

http://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ex-knacki-banden-mitglied-manager-von-gangster-rapper-massiv-11791502.bild.html

Als im Mai zwei Brüder, Berliner Unterweltgrößen, bei einem Unfall ums Leben kamen, postete er auf fb einen Hinweis auf deren Beerdigung und bezeichnete sie als „Löwen“:

 

 

Macht Bitte duah für diese beiden Brüder Allah yerhamken 2 Brüder 2 Löwen wie eine Wand die sich von ihrer Familie trennen mussten.möge Allah den angehörigen viel Geduld schenken.ahmad aref und Aziz aref möget ihr in Paradies weilen.euer tot war qualvoll daher bitten wir Allah euch in jenseits mit dem paradies zu belohnen.AMIN!

https://www.facebook.com/ashraf.rammo.12?fref=ts

Rammo war früher nicht sehr religiös. Seinen, nun ja, wohl rechtsstaatlich problematischen Ambitionen scheint er nicht abgeschworen zu haben bzw. da nach wie vor reichlich Kontakte zu haben. Seit Monaten postet er gelegentlich Inhalte von „Die wahre Religion“ und vernetzt sich mit deren Mitgliedern. Das wird Gegenstand weiterer Recherche sein.

Was sich da bildet und zeigt, kann man für Kooperationen halten. Welchen Zweck die für die Beteiligten haben werden, wird die Zukunft zeigen.