Urteil gegen Mine K.: Keine ersichtliche Reue

Die IS-Rückkehrerin Mine K. wurde am Mittwoch zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Ihr Anwalt Martin Yahya Heising schrie bei seinem Plädoyer eine Oberstaatsanwältin an und beschimpfte sie. Mine K. ließ auch in ihrem letzten Wort jede Kritik an sich selbst oder der Ideologie des IS vermissen. Stattdessen verwies sie unter Tränen darauf, krank zu sein und deswegen aus der Haft zu wollen.

Der Hochsicherheits-Gerichtssaal des OLG Düsseldorf (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Die 47-jährige Mine K. ist am Mittwoch vom 2. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) wegen Mitgliedschaft in der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) sowie Kriegsverbrechen gegen das Eigentum der Zivilbevölkerung zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Die Kölnerin war nach ihrer Rückkehr aus dem IS-Herrschaftsgebiet und der Türkei vor rund einem Jahr am Düsseldorfer Flughafen verhaftet worden.

Argumentativ wie auch im Strafmaß folgte das Gericht damit dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Die Staatsanwälte hatten zuvor in ihrem rund 90-minütigen Plädoyer davon gesprochen, dass sich die Tatvorwürfe gegen Mine K. „in vollem Umfang bestätigt“ hätten. Sie habe als „überzeugtes IS-Mitglied gehandelt“. Damit, für ihren später durch eine Drohne getöteten Mann, dem Herforder Jihadisten Murat D., in einem vom IS beschlagnahmten Haus im Irak gekocht und geputzt zu haben, habe sie „dessen Kampfkraft gestärkt“.

Mit der Salafisten-Szene verbunden

Auch habe sie sich bereits vor ihrer Ausreise in das IS-Gebiet radikalisiert. So habe Mine K. bei der Koran-Verteilaktion „Lies“ mitgemacht, auf Facebook für den Salafisten-Prediger Pierre Vogel und den IS geworben sowie mit Sven Lau den Verein „Schlüssel zum Paradies“ gegründet. Dies habe sie zwar bestritten, „konnte aber nicht erklären, wie ihre Unterschrift auf die Gründungsurkunde gekommen ist“, erläuterte der Staatsanwalt. Dass sie die IS-Mitgliedschaft bestritten habe, sei ebenso „als Schutzbehauptung widerlegt“, wie ihre Darstellungen, sie sei nicht radikal gewesen. Dabei erinnerte die Anklage auch daran, dass sie „Zehn Argumente, in den IS auszureisen“ auf Facebook gepostet habe.

Beim Betreten des Gerichtssaals hatte Mine K. ihr Gesicht hinter einem Aktenordner verborgen. Während der Plädoyers der Staatsanwälte grinste sie mehrfach. Sie wirkte sehr unruhig und warf ihren Kopf immer wieder hin und her. Lediglich als der Staatsanwalt daran erinnerte, sie habe ihre Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung damit begründet, nur Allah dürfe Gesetze machen, nickte sie knapp mit ernstem Gesichtsausdruck.

Aggressiver Anwalt spricht von „BGH-Quatsch“

Die Anwälte von Mine K., Serkan Alkan und Martin Yahya Heising, hatten einen Freispruch, hilfsweise höchstens zwei Jahre Haft zur Bewährung, beantragt. Sie betonten, die Vorwürfe gegen ihre Mandantin seien nicht erwiesen. Dass sie im Haushalt eines IS-Terroristen gekocht und geputzt habe, reiche nicht, um sie zu verurteilen, kritisierten die Anwälte. Damit habe sie nur ihre „gesetzlichen Pflichten als Ehefrau“ erfüllt. Auch habe sie keinen Treueid auf den IS geleistet.

Im Verlauf seines Plädoyers wirkte es, als ob Heising große Schwierigkeiten hatte, sich zu Weiterlesen

Werbung für ein Damen-Doppel

Über einen „Ermittlungsblog“ ohne Ermittlungen

Der Journalist Yassin Musharbash hatte vor zwei Jahren für die Zeit den Artikel „Schluß mit Dschihad“ verfasst. Es ging im Artikel um Deradikalisierungsarbeit im Allgemeinen und den Leipziger Imam Hesham Shashaa im Besonderen. Für diesen Artikel wurde dem Anschein nach zwar ein bisschen gereist, aber eher weniger selber gründlich recherchiert. Vieles wirkt wie frei von der Leber geschrieben, der Herr Musharbash schreibt ja auch Fiktives – da tut man sich mit Ausschmückungen leicht. Aktuell haben andere Journalisten diese Vorgänge bei einer Deradikalisierung kritisch aufgegriffen, nachdem Shashaa im April in Spanien festgenommen worden war. Zwar gibt es wenig Neues aus Spanien und auch sonst nach der Berichterstattung des BR und des MDR. Wegen der Kritik scheinen es jedoch einige Kreise für nötig zu halten, das Thema Shashaa aufzugreifen und aus all den alten, aber wohl nicht ganz die Realität darstellenden Beiträgen noch einmal etwas „neues“ brauen zu lassen: Klischee-Patchwork at its best, da v.a. in Alt-Artikeln „ermittelt“ wurde, wie es scheint. Der Autor wurde in dem „Fall Peter“, über den er hier neutral zu „ermitteln“ vorgibt, gegenüber der Presse als „Fachjournalist“ von Claudia Dantschke angeführt. Er ist also Beteiligter in der Sache, was auch seine Sicht beeinflussen mag. Am Nikolaustag war dies schon hier betrachtet worden:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/12/06/abu-adam-gescheiterte-ermittlungen/

Da Musharbash aber tatsächlich – keine Satire – aus all dem alten nunmehr eine ganze Serie zu produzieren sich anschickt, muss auch hier wohl eine Einordnungsserie entstehen. Das neueste Stück:

Einst hielt der Leipziger Imam Abu Adam den jungen Deutschen Peter davon ab, in den Krieg zu ziehen. Jetzt sitzt er selbst als Terrorverdächtiger in Untersuchungshaft.  Folge 2 unseres Ermittlungsblogs.

http://blog.zeit.de/radikale-ansichten/2017/12/08/der-fall-peter/

Inhalt kurz gefasst: Kein aktueller Besuch bei „Peter“ in Spanien, kein Gespräch mit Hesham Shashaa, dafür reichlich Raum für das mit dem „Fall Peter“ beruflich befasste und zuständige Damen-Doppel Claudia Dantschke und die Leipzigerin Solveig Prass für weitere, aber inhaltlich nicht weiterbringende Erklärungen. Zu Frau Prass und ihr von Frau Dantschke kopiertes Imam-Modell:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/09/14/leipzig-imam-franchise/

Doch ein paar Passagen einzeln betrachtet:

Claudia Dantschke kannte Abu Adam damals schon gut zwei Jahre. Sie hatte ihn kennengelernt als einen orthodoxen, konservativen, aber dezidiert nicht-radikalen Islamgelehrten. „Ich habe ihn zwei Jahre lang intensiv geprüft“, sagt sie. „Ende 2013 habe ich ihn besucht, habe alle seine Frauen und alle seine Kinder kennengelernt. Ich habe ein langes Interview mit ihm zum Thema Deradikalisierung und zu seiner Art, das anzugehen, gemacht. Wir hatten einen ähnlichen Ansatz. Dass es vor allem auf stabilisierende Beziehungen ankommt, zum Beispiel.

Musharbash stellt seinen Lesern die „intensive Prüfung“ von Dantschke als von ihm nicht hinterfragtes Faktum dar. Im Jahr 2013 konnte man bereits wissen, dass

– Hesham Shashaa wiederholt international bekannte Hassprediger (Al Mosleh z.B.) in seine Moschee einlud
– dass es Fragwürdigkeiten hinsichtlich des Vorwurfs der Körperverletzung gab (zurückgezogene Anzeige)
– dass das Münchner Verwaltungsgericht hinsichtlich seiner Person zu einer begründet negativen Einschätzung gekommen war:

Ideologisch seien die Darul-Quran-Moschee und Herr Shashaa dem sog. Mainstream-Salafismus zuzuordnen. Die Moschee diene als Anlaufstelle salafistischer Prediger und deren Anhängerschaft. Die Mainstream-Salafisten, auch politische Salafisten genannt, hätten ein verstärktes Interesse an gesellschaftlichen Aspekten und politischer Einflussnahme. Sie seien junge Gelehrte, die stark vom Aktivismus der Ideologie der Muslimbruderschaft beeinflusst worden seien und den Anspruch erheben, die Probleme der Gegenwart und insbesondere die internationale Politik besser zu verstehen als ihre älteren puristischen Lehrer. Das von der Muslimbruderschaft angestrebte Herrschaftssystem weise deutliche Züge eines totalitären Herrschaftssystems auf, das die Selbstbestimmung des Volkes sowie die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit der Menschen nicht garantiere. Ein Großteil der ideologischen Grundsätze sei somit unvereinbar mit den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. Nach Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) seien in der Darul-Quran-Moschee ab Ende August 2009 mehrere Broschüren verteilt worden, darunter die Broschüre „Frauen im Schutz des Islam“. Die Broschüre werde in der Liste jugendgefährdender Medien geführt, da sie zu Gewalttätigkeiten anreize und verrohend und frauendiskriminierend wirke. Im Zuge eines bundesweiten Ermittlungsverfahrens seien am 20. Januar 2010 die Räumlichkeiten der Moschee durchsucht und mehrere Exemplare dieser Schrift aufgefunden und sichergestellt worden. Nach Erkenntnissen des BayLfV habe der Vereinsvorsitzende und Imam Herr Hesham Shashaa an dem auf die Durchsuchungsaktion folgenden Freitagsgebet am 22. Januar 2010 eine Predigt gehalten, die er dem Thema „Verräter innerhalb der muslimischen Gemeinschaft“ gewidmet habe, die sich offensichtlich auf die vorangegangene Durchsuchungsmaßnahme bezogen habe. Er habe davon gesprochen, dass die Verräter tief in der Hölle schmoren würden. Einzelne Muslime würden durch ihr Verhalten Zwietracht in der muslimischen Gemeinschaft säen. Wer Informationen an die Behörden weiterleite, sei mit einem Bruder gleichzusetzen, der das Fleisch seines muslimischen Bruders esse.

https://openjur.de/u/493723.html

Shashaas „Deradikalisierungsansatz“ war also jenseits des Eigenmarketings zur Mehrheitsgesellschaft hin einer auch mit problematischen Predigern? Glückwunsch! Waren das nicht die Herrschaften, von denen man als Präventionsdienstleister die jungen Leute weg bringen sollte? Oder ist gar Deradikalisierung das, als was es salafistische Prediger selber definieren? Die Eigenbezeichnung wird nicht hinterfragt? Noch mal Glückwunsch!

Der Verdacht liegt nahe, dass die „intensiven Überprüfungen“ vor allem im persönlichen Eindruck bestanden. Dass manche Personen, wenn sie es für nützlich halten, durchaus gewinnend sein Weiterlesen

Die Diskreditierung der Angst

Ein Plädoyer gegen Panik – aber für eine angemessene Sorge

Ein Mantra bei sehr vielen der jüngeren Entwicklungen im Zusammenhang mit Islamismus ist, „Angst sei kein guter Ratgeber“. Das wird bei jedem möglichen Anlass verbreitet, vom Terroranschlag bis zur viel beschworenen Islamophobie. Bei genauer Betrachtung ist Furchtlosigkeit manchmal aber noch ein sehr viel schlechterer Ratgeber oder gar eine infantile Sorglosigkeit. Vor jemandem mit fraglicher Weste erst einmal wegzurennen, mag im Falle eines Scherzes albern aussehen. Ist es jedoch Ernst, kann der Unterschied zwischen Angst und Sorglosigkeit der sein, dass man die Sorglosigkeit nicht überlebt.

In den modernen europäischen Gesellschaften sind wir nach dem Ende des Kalten Krieges (und Tschernobyl!) echter, existenzieller Angst oftmals entwöhnt. Sorgen gibt es, ja. Auch Kummer der verschiedensten Art ist nicht abgeschafft – vom Liebeskummer bis hin zum Kummer, wenn die eigenen Leistungen und die Anerkennung nicht dem eigenen Wunsch entsprechen. Ängste hingegen sind oftmals vermindert worden: Es gibt eine moderne Medizin, Sicherheitsgurte und im Regelfall kann man sich darauf verlassen, nicht überfallen zu werden. Wir haben uns daran gewöhnt, relativ angstfrei sein zu können. Das ist ein seltener und ganz unerhörter Luxus im weltweiten Vergleich, den viele nicht ausreichend zu schätzen wissen, weil ihnen der Vergleich fehlt.

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Quelle: youtube, Trailer „Time Machine“

Ungeachtet dieser relativ sicheren Lebensweise sind wir jedoch Umständen ausgesetzt, denen wir nicht ausweichen können und dort ist die Angst wie zu Urzeiten da: Krankheiten, der Tod lassen sich auch mit modernster Medizin nicht abschaffen, nur unwahrscheinlicher machen und aufschieben.Vor Zufällen gar sind wir nicht gefeit. Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein kann fatal enden. Diese Unwägbarkeiten zählen zum normalen Lebensrisiko.

Diese nicht vermeidbaren Lebensrisiken schieben wir üblicherweise beiseite und lassen uns davon nicht nicht beeinträchtigen. Diese Art der Verdrängung ist durchaus normal und hilft dabei, ein normales Leben aufrecht zu erhalten.

Verdrängung ist jedoch nur hilfreich, wenn eine Gefahr beseitigt bzw. eingegrenzt ist oder sie in der das Hintergrundrauschen üblicher Lebensrisiken zurücktritt, also unvermeidlich ist. Bei allen Umständen, in denen Handlungen eine Minderung des Risikos bewirken können, ist Verdrängung jedoch schädlich, weil sie verhindert, dass nach einer Strategie gesucht wird. In einer repräsentativen Demokratie verhindert kollektive Verdrängung das diejenigen, die an einer Lösung bzw. Verminderung des Risikos arbeiten sollten, dazu gebracht werden, dies zu tun, wenn sie es nicht oder nicht ausreichend tun.

Bei den Gefahren des Terrors wird oftmals demonstrativ Ängsten entgegengewirkt, so weit, dass relative Sorglosigkeit für links und klug, Sorgen und Ängste schon als dumm und rechts gelten. Es mag unwahrscheinlich sein, jedoch sind diese Ängste zunächst einmal nicht unbegründet oder ganz Weiterlesen

Der Feind in meinem Bett

COVENTRY, UNITED KINGDOM - 4 DECEMBER, 2012: Kian's bed just after the phone had exploded.  See NTI story NTIBB. An 11-year-old boy suffered burns to his legs from a mobile phone that exploded and set fire to his bed. Kian McCreath from Coventry, woke up screaming when his brother's Blackberry erupted into flames setting his duvet and mattress alight in the bedroom they share. The schoolboy had melted plastic stuck to his legs and was taken to hospital.     (Photo by Newsteam)

 

Zu den gestrigen Anschlägen schreibt Mouhanad Khorchide auf seiner Facebook-Seite:

„Heute war ein schwarzer Tag im Namen des Islams: eine schiitische Moschee in Kuwait wurde in die Luft gejagt (viele Tote), in Frankreich ein grausames Attentat auf eine Gasfabrik, in Kobane ein Überfall von IS, der viele Menschenleben gekostet hat und ein Anschlag auf ein Hotel in Tunesien mit vielen Toten. […] Die Verbrecher sind nicht nur die unmittelbaren Attentäter selbst, sondern auch diejenigen, die jegliche Reformversuche im Islam bekämpfen.“

https://www.facebook.com/Prof.Mouhanad.Khorchide?fref=ts

Man muss noch hinzufügen: Nicht nur diese. Die klammheimlichen Unterstützer, die Mitläufer, die ganzen Personen, die das als Problem sehen wollen, das nichts mit dem Islam zu tun hat, sind auch verantwortlich. Die, die es völlig externalisieren wollen. Die diese Struktur verschleiern, weil sie sich persönlich nicht zuordnen und denen schon das Benennen nicht schmeckt, selbst wenn sie die Konsequenzen dieser Haltung nicht verantworten wollen.

Die totalitären Regimes in Europa kosteten im 20. Jahrhundert viele Mio. Menschenleben. Soldaten, eigene Zivilbevölkerung und die des jeweiligen Gegners, und Menschen, die rein der Ideologie geopfert wurden. In erklärten Kriegen und wenn in Lagern Menschen anderen Menschen das Leben nahmen.

Diese bösartigen und menschenverachtenden Taten konnten Regierungen zugeordnet werden, sie waren weniger Einzelentscheidungen der Ausführenden. Man gehorchte Befehlen. Nach jedem Krieg wurde in Genf die Genfer Konvention erweitert, die selbst die Kriegshandlungen in gewisser Weise humanisieren sollte, die menschliche Bösartigkeit in Bahnen lenken sollte.

Der Islamische Staat hat keine anerkannte Regierung. Und auch die Anführer der verschiedenen anderen Gruppen sind zwar bekannt, aber nicht anerkannt. Das hindert nicht, dass sie als solche agieren können. Die zeitliche Koordination zwischen den einzelnen Gruppen ist kaum erforderlich, denn es gibt offenkundig Zeiten, in denen die Anhänger auch von sich heraus wahrscheinlicher agieren. Das ist mehr als bloßer Terrorismus, denn das zeitliche Zusammentreffen ist keine einfache Korrelation, Zufall. Das ist nicht wie bei der Menge an Störchen und Kindern. Das ist ein Guerilla-Krieg, weil da die radikalisierte Ummah agiert. Und die Soldaten sind perfekte Soldaten, denn sie gehorchen, haben keine eigene Wertung mehr und geben nichts auf ihr Leben. Letzteres ist etwas, worauf man bei allem Säbelrasseln im Kalten Krieg immer noch vertrauen konnte: Am anderen Ende der roten Leitung sitzt ein Mensch, der Angst um sein Leben hat. Das hat die Situationen gerettet, viele Male. Man konnte oft ebenso darauf zählen, dass man sich die Mühe gab, die Genfer Konvention einzuhalten. Schon deshalb, weil man nicht wollte, dass bei den eigenen Soldaten diese auch nicht eingehalten wird. Auch dieses, die Einhaltung zivilisatorischer Grundregeln, tritt da zurück: Durch die Entmenschlichung ist der Gegner, der Gefangene nichts wert und den Glaubensbruder wähnt man in den Händen Gottes. Man muss die Regeln nicht einhalten, weil man zum einen nichts auf die Einhaltung gegenüber den eigenen Leuten gibt und zum anderen, weil man sicher darauf vertrauen kann – sofern man noch nicht so glaubensstark ist – dass der Gegner sich an die Regeln hält.

Es sind also in vielerlei Hinsicht ungleiche Bedingungen.

Die einzelnen und konkreten Hintergründe der gestrigen Taten wird man teilweise aufklären können. Im Hintergrund steht jedoch ganz sicher schon allgemein die totalitäre Haltung, die Menschenverachtung, die Verachtung auch für das eigene Leben. Mitläufer, Unterstützer und die Täter von morgen sind schon unter uns. Paranoia führt zwar nicht weiter, aber eine klare Haltung zu Mitläufern und Unterstützern muss sein und ist auch der einzige Weg. Diesen Personen muss man Verantwortung zuordnen, auch wenn sie sie nicht tragen wollen. Um ihr persönliches Wohlbefinden und ihre Verdrängungsstrategien kann es nicht mehr gehen, denn es geht um Menschenleben. Das müssen auch die politischen Entscheider erkennen und Personen, die die Struktur verschleiern wollen, eine klare Absage erteilen. Wir müssen darüber reden. Wer als muslimischer Funktionär das Wort Islamismus schon bekämpft (alte Soziologen-Regel: „Wer definiert, gewinnt.“), damit wir nicht über die Struktur reden KÖNNEN, muss dieses Wort lernen und akzeptieren. Denn wir müssen Worte haben zur Differenzierung und die kann nicht nur die betroffene Gruppe selber definieren. Das ist ein Angebot an beide Seiten. Man muss den „Feind im Bett“ als Feind benennen können und nicht als manchmal ein bisschen schlecht gelaunten Ehemann beschönigen müssen.

Der organisierte Totalitarismus nach Europa zurückgekehrt. Das muss so erkannt und benannt werden.

Extremistische Wiedergänger

Der Islamist und bekennende Al Qaida-Anhänger Bernhard Falk macht immer wieder durch extremistische Propaganda und seine spezielle Art der bundesweiten Gefangenenbetreuung auf sich aufmerksam. Mal verschafft er inhaftierten „Geschwistern“, die für ihn allesamt „politische Gefangene“ des „BRD-Apparates“ sind, Zugang zu Szene-Anwälten, mal sorgt er dafür, dass durch szeneöffentlichen Druck die Gefangenen auf ihrem fatalen Weg bleiben, mal führt er Gespräche mit Medienvertretern. Eine Eigendarstellung:

 

Falk, der alleine mit seiner Erscheinung, weniger wegen der kurzen Hosen und Militärjacke, mehr mit Körpergröße und „Verhandlungsmasse“ den einen oder anderen Inhaftierten beeindrucken könnte, ist so jedoch nicht vom Himmel gefallen. Er hat eine extremistische Vorgeschichte, die ihn von einer kleinen RAF-Nachfolge-Organisation in die Arme Bin Ladens führte.

Als Mittzwanziger und Physikstudent hatte er etliche Anschläge und Mordversuche begangen als Kopf einer „Antiimperialistischen Zelle“, einer RAF-Nachfolgegruppe:

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Antiimperialistische_Zellen

 

Für diese Taten saß er viele Jahre ein. In dieser Zeit konvertierte er zum Islam.
Auch heute noch hört man diese ideologische Vorgeschichte aus seinen Vorträgen heraus. Die Sprache wurde nur leicht modifiziert und durch islamische Floskeln ergänzt. Beispielhaft sein Kurz-Vortrag vom 07.09.2013, dem Tag, als Pierre Vogel in Frankfurt auf dem Goethe-Platz war:

 

Oder kurz ein ZDF-Interview von diesem Tag, in dem aber nicht so klar wird, wo er seine ideologische Heimat hat:

 

[Man beachte die Symbolik Fahne – Weltkugel und das Messer-Geräusch.]

Das Ziel, nämlich den Kampf gegen den Imperialismus und Kapitalismus fortzusetzen, ist im Grunde ähnlich geblieben. Nur wurde das Proletariat, das er als einheitliche Gruppe wähnte, aber real wenig aktivierbar war für diese politische Idee, ersetzt durch die Ummah, also alle Muslime. Das Utopia des RAF-Ablegers wurde ersetzt durch den „Islamischen Staat“ (der von Falk gedachte ist nicht identisch mit dem derzeit real existierenden). Alter Wein im neuen Schlauch also.

Auch Falks Mittäter, Michael Steinau, soll zum Islam konvertiert sein:

http://www.beucker.de/2009/juwo09-08-20.htm

 

Was Steinau heute macht, ist nicht bekannt.

Wie Falk und Steinau werden sich auch andere aus der ultralinken und gewaltbereiten Szene neue Spielwiesen für ihren angeblich klassenkämpferischen Extremismus und ihre Menschenverachtung gesucht haben. Horst Mahler zum Beispiel, der aktuell immer noch einsitzt wegen Volksverhetzung, den sein Weg zur NPD und islamistischen Gruppen führte. Aber auch Extremisten, die weniger stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen, könnten ihre frühe Legitimation von Gewalt gegen Personen aus einem angeblich linken Kampf gegen den Westen bezogen haben. Zum Beispiel Marc-Daniel Jungnitz, Hintermann von Millatu Ibrahim, danach Tauhid Germany. Kontakte zur terroristischen Sauerland-Gruppe werden vermutet. So schließt sich vielleicht der Kreis.

Trotz islamischer Formeln wirken diese Personen so, als habe man nur ein Etikett vertauscht. Dieses lag nahe. Da beide Gruppierungen, Millatu Ibrahim, und Tauhid Germany nun verboten sind, darf man gespannt sein, wohin Jungnitz Weg nun führt. Sicher nicht ins normale Leben, denn dazu haben all diese Protagonisten ein zu festgefahrenes Selbstbild von sich als letzte aufrechte Kämpfer.

Dabei sind sie nur Wiedergänger des extremistischen und gewaltbereiten Klassenkampfes, aus dem sie nun den Kampf der Kulturen gemacht haben.

Wehrsportgruppe Sabri?

Das neue Projekt des Herrn Sabri Ben Abda wurde bereits erwähnt:

https://vunv1863.wordpress.com/2015/03/06/kindergehirnwasche-voraus/

In den Videos, die er aus Syrien übermittelte, gab er sich ja als „echter Mann“ aus, der andere junge Männer inspirieren wollte, ebenfalls ihre Virilität auf fragwürdige Weise durch Mithilfe bei einer terroristischen Vereinigung zu beweisen. Nun wieder in Deutschland seit wenigen Monaten, kann aber davon ausgegangen werden, dass es diesbezüglich keine Läuterung gab. Man beschränkt sich hier in den Fußgängerzonen nur darauf, Army-Kleidung zu tragen. Das muss hier bislang genügen, um die selbstempfundene martialische Männlichkeit zu demonstrieren, selbst wenn das Army-Shirt schön mit Weichspüler gewaschen wurde.

Das Fernziel scheint aber für Herrn Sabri nicht aus den Augen verloren. So meint er auf der Seite seines neuen Netzwerkes unter der Rubrik „Gesundheit“ explizit „Wir suchen Geschwister mit Kampfsporterfahrung und Kampfsportschulen mit muslimischen Betreibern“:

http://www.unitednetworkcells.com/gesundheit/

Das ist bislang der einzige Eintrag, der mithin der Wichtigste zu sein scheint. Vielleicht tue ich Herrn Ben Abda Unrecht. Vielleicht geht es ja nur um sozialverträgliche Körperertüchtigung.

Herr Ben Abda lehnt aber unser Gemeinwesen nachweislich ab. Es fragt sich nebenbei, wovon er gegenwärtig lebt (offiziell und inoffiziell).

Bei einem, der zudem in Syrien in der beschriebenen Weise warb, besteht jedoch der begründete Verdacht, dass es eben nicht nur um Gesundheit geht. Kampfsport ist weder Tai Chi noch Nordic Walking.

So etwas weckt zumindest bei mir ungute Erinnerungen und Assoziationen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wehrsportgruppe_Hoffmann

Hoffentlich täusche ich mich da. Aber um es mit Han Solo zu sagen: Ich hab da ein ganz, ganz mieses Gefühl.

Ich zumindest werde das aber sehr genau beobachten.

Nachtrag 19.05.2015:

In diesem Zusammenhang ist dieser Beitrag interessant, Kampfsport schon für Kinder durch Salafisten:

http://www.n-tv.de/politik/Dschihadisten-trainieren-Kinder-article14938041.html