DITIB: Die Pflasterung des Holzweges

Die DITIB ist dieser Tage mit zwei Meldungen in den Medien. Einerseits sollen von der DITIB entsandte Imame auch in Deutschland ausgebildet werden, andererseits soll die Türkei in Deutschland Schulen errichten dürfen. Doch beide Vorhaben werden unter kurzsichtigen Interessen und teilweise nicht unter korrekter Einordnung verhandelt.

Die DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“ (DITIB) steht seit einigen Jahren wegen ihren engen Verflechtung mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet in der Kritik. Diese Verflechtung war jedoch seit Gründung bekannt, wenn man denn die Satzung und die Organisationsstruktur kannte. Dass sie lange nicht thematisiert wurde, lag daran, dass man vor der Regierungsübernahme durch Erdogan davon ausging, dass die DITIB eher religiös mäßigend einwirken würde und so mancher wohl ganz froh war, wenn sich die DITIB um die „eigenen Leute“ und ihre religiösen Bedürfnisse kümmerte. Es gab dadurch für viele Gemeinden einen gemeinsamen Ansprechpartner und man wusste ungefähr, welche Linie vertreten wurde. Dass sich die Zeiten geändert haben und genau diese Verflechtung nun im Zuge einer türkischen Rückbesinnung auf fundamental-islamische Vorgaben, die im hiesigen Kontext islamistisch sind, problematisch werden, wurde lange öffentlich wenig thematisiert. Nach und nach wurden die freundlichen, relativ säkularen Kräfte ausgetauscht und so mancher in der Politik rieb sich die Augen, welcher Wind nun wehte.

Immer wieder wurde und wird gefordert, die DITIB möge sich von ihrem Auslandseinfluss emanzipieren. Aktuell wird über eine deutsche Imam-Ausbildung überwiegend positiv berichtet. Geplant ist ein Ausbildungszentrum. „Der Staatssekretär im Innenministerium, Markus Kerber, bezeichnete das Ausbildungszentrum als positives Signal des Verbands an den deutschen Staat. Der Bundesregierung sei es in der Integrationsdebatte ein zentrales Anliegen, dass die Islamverbände ihr Moscheepersonal in Deutschland ausbildeten und der Einfluss aus dem Ausland zurückgehe. „Ein Großteil der islamischen Religionsbeauftragten wird künftig stärker der deutschen Lebenswirklichkeit entsprechen, hier werden sie ihren Lebensmittelpunkt und ihre Zukunft sehen“, sagte Kerber, der auch die Deutsche Islamkonferenz organisiert.“ Es wird jedoch nur in wenigen Presse-Artikeln genauer aufgeschlüsselt, wie die Rahmenbedingungen sind. So wird in der Zeit mitgeteilt, dass die Nachwuchskräfte ihre theologische Ausbildung nach wie vor überwiegend in der Türkei absolvieren. Der Ausbildungsabschnitt in Deutschland ist also – wenn die Informationen zutreffen – ein zusätzlicher Ausbildungsschritt. In der Zeit wird ausgeführt. „Zunächst beginnen 22 junge Leute die praxisorientierte zweijährige Ausbildung. Sie haben zuvor in Deutschland ihr Abitur gemacht und danach überwiegend in der Türkei Islamische Theologie studiert. Das neue Ausbildungsprogramm hat alleinig die DITIB-Akademie konzipiert. Es soll vor allem auf Deutsch unterrichtet werden, auch externe Dozenten sind vorgesehen. Die DITIB zahlt die Ausbildung des religiösen Nachwuchspersonals.

Die DITIB bestimmt also die Inhalte und zahlt auch die Ausbildung. Wahrscheinlich wird sie auch weiterhin die Gehälter dieser Imame zahlen. Es bleibt also im Grund alles beim alten. Im Ergebnis ist also der Sicht des Erziehungswissenschaftlers Ahmet Toprak beizupflichten, der eine Indoktrination eben dieser Imame prognostiziert. Allerdings geht die Forderung, die DITIB möge ihre Verbindungen zum türkischen Staat offen legen, am Thema vorbei. Diese Verbindungen sind langjährig bekannt, sowohl Kerber als auch Toprak sollten dies eigentlich wissen.* Der Ausbildungsabschnitt in Deutschland ist also mitnichten ein Grund zum Jubeln oder auch nur zur Zufriedenheit. Es wird damit lediglich suggeriert, man käme voran, man verschafft sich selber Zeit. Verstrichene Zeit, die jedoch nicht der Lösung des Grundkonflikts dient, sondern nur als politischer Betätigungsausweis dient. So lange es nicht um die Inhalte geht, so lange es nicht um die grundsätzliche Ausrichtung geht, ist kaum etwas gewonnen. Man räumt der DITIB weiteres Terrain ein, obwohl diese nicht einmal den Status als Religionsgemeinschaft formell reklamiert. Spätestens nach der Kölner Erklärung Anfang 2019 müsste Verantwortlichen klar geworden sein, dass es weder eine Ablösung von der Diyanet noch einen Weg zu einem „deutschen Islam“ seitens der DITIB gibt. Es kann also sein, dass es keine Lösung geben kann, die konsensual ist. Diese Debatte jedoch wieder zu vertagen, heißt, im Grunde nur sich selber für vermeintliche Fortschritte zu loben, die keine sind. Im Gegenteil: Der politische Islam wird so verankert, Langjähriges so tun als ob hat jedoch genau in die Misere geführt. Oder mit anderen Worten: Da wird gerade ein Holzweg gepflastert.

Abspaltung von der Mehrheitsgesellschaft

In die gleiche Richtung geht die heutige Meldung, die Türkei plane Schulgründungen in Deutschland. Auch dort wird Segregation als Integration etikettiert, obwohl das mittel- und langfristig genau die Abspaltung der türkischen Community von der Mehrheitsgesellschaft bedeutet. Wer in eine solche türkische Schule geht, danach etwa diese Imam-Ausbildung macht, der muss mit der Mehrheitsgesellschaft zu keiner Zeit mehr Kontakt haben als die gemeinsame Nutzung der U-Bahn. Sozial ist man oftmals sowieso separiert, was im Gespräch mit Funktionären nicht genügend auffällt: „Bunt ist es nur von weitem“.

Es rächt sich, dass schon heute viele politische Entscheidungsträger ihre Kinder nicht – mehr – in öffentliche Schulen schicken, womit sie elementare Entwicklungen in der realen Gesellschaft oftmals gar nicht wahrnehmen. Oder dass sie so von sich und hiesigen Konzepten überzeugt sind, dass sie nicht merken, dass es andere Menschen nicht zwingend ebenso überzeugend finden. „Gleicher unter Gleichen“ sein ist für den nicht attraktiv, der vom groß-osmanischen Reich träumt oder auf andere Weise einem überbordenden, islamistisch konnotierten Nationalismus mit entsprechender Selbstüberhöhung auslebt. Wie die Jugend eingestimmt wird, zeigt kaum etwas besser als dieses Video aus dem Jahr 2016:

 

Jedem, der sich nach der „Kölner Erklärung“, die auch die Kooperation mit der Muslimbruderschaft formalisieren will, noch Illusionen macht, wo man hin will, sei dieses Video ans Herz gelegt. Mit der DITIB in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit und Ausrichtung ist kein Staat zu machen. Das ist deutlich wahrzunehmen.

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Wobei Toprak im weiteren Verlauf des Interviews – das in Gänze lesenswert ist – etliche weitere kritische Punkte anspricht. Sowohl Kerber als auch Toprak versäumen allerdings, darauf hinzuweisen, dass die DITIB, wie sie sich nach Satzung darstellt, gar nicht lösen kann. Sie müsste sich neu gründen, ohne die vielfältigen Einflußebenen. Genau darauf sollte man hinwirken.

DITIB und die Muslimbruder-schaft: derweil in Istanbul…

Hochrangiges Treffen in Istanbul zwischen Diyanet und ECFR

Anfang des Jahres veranstaltete die DITIB, die Dependance der türkischen Religionsbehörde Diyanet auf deutschem Boden, in der noch recht neuen Großmoschee in Köln eine Tagung. Da die vormals unterstützende Kölner Lokalpolitik weder informiert noch eingeladen war, vielmehr einige international bekannte Funktionäre der Muslimbruderschaft stattdessen die erwählten „Dialogpartner“ waren, gab es im Nachhinein einiges an Verstimmung und Ernüchterung. Siehe zur Einordnung:

https://vunv1863.wordpress.com/2019/01/05/ditib-tango-mit-verfassungsfeinden-iii/

https://vunv1863.wordpress.com/2019/01/07/koelner-erklaerung-muslimische-forderungen/

Exemplarisch zu den hervorgerufenen Irritationen:

Ex-OB Fritz Schramma (71) sagte, es sei unüblich, dass die Ditib die Stadtspitze nicht über ihre internationalen Gäste informierte. Die Ditib teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, man habe einen „innerislamischen Dialog“ führen wollen. Bei 100 Teilnehmern solle man die Anwesenheit von zwei Vertretern der Muslimbruderschaft „in Verhältnismäßigkeit“ setzen, so die Organisation.

https://www.rundschau-online.de/politik/koelner-moschee-scharfe-kritik-an-ditib-nach-treffen-mit-muslimbruedern-31839778

[Anm.: Es waren natürlich mehr als die zwei auf Nachfrage eingeräumten Personen aus dem Muslimbruderspektrum anwesend. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Bildern von der Tagung. SHM]

Anwesend war unter anderem der stellvertretende Generalsekretär des „European Council for Fatwa and Reearch“ (ECFR), Dr. Khaled Hanafy. Hanafy ist auch der Vorsitzende des „Fatwa-Ausschusses Deutschland“ sowie der Dekan des „Europäischen Instituts für Humanwissenschaften“ (EIHW). Der Fatwa-Ausschuss ist der deutsche ECFR-Ableger. Alle genannten Strukturen sind der Muslimbruderschaft zuzuordnen.

Am 9. und 10.02.2019 fand nun in Istanbul eine weitere Tagung in diesem Kontext relevanter Akteure statt:

Hier noch einmal eine Aufnahme der wichtigsten Akteure:

Von links nach rechts: Akram Kalash (Ekrem Keles), Ali al Qaradaghi, Ali Erbas, Khaled Hanafy

Hier die Erläuterungen von Khaled Hanafy dazu: Weiterlesen

Keine Schwalbendämmerung

Über ein Porträt des Fußballers Ben Hatira bei ARTE
Eine Kritik

Zur Vorgeschichte:
Der Fußball-Profi Änis Ben Hatira musste im Januar seinen Verein Darmstadt 98 verlassen. Vorangegangen war eine wochenlange Debatte wegen eines Engagements für einen Hilfsverein. Der Verein ist Ansaar International und wird im NRW-Verfassungsschutzbericht des Jahres 2016 erwähnt. Herr Ben Hatira hatte sich hinsichtlich der begründeten Einschätzungen zu diesem Verein uneinsichtig gezeigt und nicht darauf verzichtet, sich als Werbefigur für diesen Verein zu präsentieren. Der Vorstand von Darmstadt 98 musste allerdings erheblich zu einer Aufarbeitung dieser Betätigung aufgefordert werden. Stets war zunächst von einer „Privatsache“ des Spielers die Rede, obwohl dieser seine Popularität nutzte, um faktisch Anhänger und Spender für diesen Verein zu gewinnen:

https://vunv1863.wordpress.com/2017/01/29/solidaritaetsbekundungen-fuer-fussballer-ben-hatira/

Ben Hatira wechselte dann zu einem türkischen Verein.
Er blieb weiterhin uneinsichtig, nunmehr aber mit der Haltung verknüpft, er sei Opfer einer Medienkampagne geworden.

Mit dieser Eigensicht und -darstellung gelang es ihm, weitere Medien bzw. Journalisten zu interessieren, die nun ihrerseits weniger fragten, ob und wie die Vorwürfe gegenüber Ansaar International begründet seien. Vielmehr wurde das „Schicksal“ von Ben Hatira zentriert und die Eigeninszenierung kaum hinterfragt übernommen. Ben „Braveheart“ Hatira gegen die dunkle Seite der (Medien-)Macht: Muslime seien die „neuen Juden“ gibt er z.B. in der renommierten Washington Post kund:

https://www.washingtonpost.com/world/europe/why-a-german-born-soccer-star-of-muslim-descent-had-to-choose-between-his-faith-and-his-career/2017/02/08/3df7b586-ecaa-11e6-a100-fdaaf400369a_story.html?utm_term=.f1263e46527c

In dem Beitrag wird darauf abgestellt, der Verein sei ja schließlich nicht verboten und er wird konsequent als „konservativer“ Verein beschrieben. Schon die Überschrift ist fragwürdig: „Why a German-born soccer star had to choose between his Muslim faith and his career„.

Er wurde mitnichten aufgefordert, seinen Glauben abzulegen. Sondern nur, seine Popularität nicht in den Dienst einer zu dieser Zeit im Verfassungsschutzbericht stehenden Organisation zu stellen. Das ist etwas ganz anderes und man muss sich fragen, was die Journalisten zu einer solchen Überschrift trieb. Der HR dazu:

http://www.hessenschau.de/gesellschaft/ben-hatira–muslime-sind-die-neuen-juden,ben-hatira-washington-post-100.html

[Interessanterweise stammt der Artikel unter anderem von Souad Mekhennet, die auch erheblich an der positiven internationalen Wahrnehmung von Hesham Shashaa beteiligt war.]

Die vorläufige Krönung dieser Fortsetzungsgeschichte war gestern abend in ARTE zu bestaunen.

https://www.arte.tv/player/v3/index.php?json_url=https%3A%2F%2Fapi.arte.tv%2Fapi%2Fplayer%2Fv1%2Fconfig%2Fde%2F072509-011-A%3Fautostart%3D0%26lifeCycle%3D1&lang=de_DE&autostart=0&embed=0

Aus einem Vorgang wird ein „Fall“, der „Fall des Fußballers Änis Ben Hatira“. Da tauchen unwidersprochen solche Momente auf: „Die“ hätten ihn „kaputt machen wollen“, „man“ „habe dafür gesorgt, dass er keinen Verein“ mehr finde. Wer „man“ ist, wird deutlich: Politik und Medien. Sie sind die angeblich dunkle Seite im Heldenepos, von der Wirkung im Film her Finstermänner und -frauen. Der hessische Innenminister Peter Beuth wird als der Mann vorgeführt, der „Druck“ gemacht habe (was tatsächlich stimmt, aber auch berechtigt war und ist, was nicht erläutert wird).

Der junge Mann wird fast durchweg sympathisch geschildert, seine Verdienste werden aufgeführt*. Den immer wieder eingestreuten Fragen im Film wird nicht wirklich nachgegangen, es geht mehr um die persönliche Wirkung. Die persönliche Wirkung, der persönliche Eindruck – das sind immer die Antworten, die von den Journalisten gefunden wurden. Entstanden ist eine Art assistiertes Selfie, der Journalist wesentlich nur noch als Medium der Vermittlung einer Eigenbotschaft.

Quelle: Screenshot ARTE-Reportage „Der Fall des Fußballers Änis Ben Hatira“, Abruf 30.10.2017

Ben Hatira gibt an, er sei „schon immer ein Typ gewesen, der gerne geholfen habe“ (belehrend kommentiert der Sprecher, dass das Spenden im Islam normal sei). Er hätte sich dann für die Projekte interessiert und Ansaar International „beobachtet“. Die Transparenz bei Ansaar International habe ihn überzeugt, sagt er. Dass es jenseits von deren Eigendarstellung und seiner Wahrnehmung des Vereins andere Sichten geben könnte zur Ausrichtung und Betätigung, scheint ihm weniger klar. Er bezieht alles auf sich: Man wollte „seinen Namen in den Dreck ziehen“, meint er. Er gibt an, nicht zu verstehen, was in den Köpfen seiner Kritiker vorgehe. Das kann man ihm durchaus glauben: Er versteht nach Eigenangabe nicht, was er falsch macht, er versteht nicht, was man von ihm will, alles persönlich, alles unmittelbar. Man gewinnt den Eindruck, all das, was man ihm erklärte, sei deutlich zu abstrakt für ihn. Wie ein Kind, das nicht versteht, im falschen Zug zu sitzen, weil ihm das Bahnfahren so gefällt.

Die gleiche Darstellungsweise bei dem Vorzeigemann des problematischen Vereins: Die begründeten Weiterlesen

Sag, wie hältst dus mit der Evolution?

Die Problematik mit der Nichtanerkennung der Evolutionslehre und was das für das Verhältnis dieser Muslime zu Nichtmuslimen heißt, war hier bereits mehrfach Thema:

https://vunv1863.wordpress.com/2015/06/11/feindbild-evolutionslehre-pierre-vogel-stammt-nicht-vom-affen-ab/

https://vunv1863.wordpress.com/2016/09/22/biologieunterricht-als-problemzone/

Aktuell wurde in der Türkei beschlossen, die Evolutionslehre ganz aus dem Schulunterricht zu verbannen:

 

Dazu auch:

http://www.deutschlandfunk.de/tuerkei-evolution-im-schulunterricht-gestrichen.2850.de.html?drn:news_id=760748

http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/ausland/Warum-Darwins-Evolutionstheorie-in-Erdogans-T%C3%BCrkei-st%C3%B6rt-article3588030.html

Erst Anfang des Jahres hatte der türkische Vize-Regierungschef Kurtulmus Zweifel an der Evolutionstheorie geäußert und sie als veraltet bezeichnet.

http://www.deutschlandfunk.de/tuerkei-evolution-im-schulunterricht-gestrichen.2850.de.html?drn:news_id=760748

Diese Entwicklung wird eine stärkere Orientierung an der religiösen Schöpfungsgeschichte bewirken. Selbst wenn Eltern noch selber in der Schule die Evolutionslehre gelernt haben sollten, werden sie damit konfrontiert, dass ihren Kindern dieses Wissen nicht mehr strukturiert vermittelt wird. Man übt damit – mit der Umgestaltung des Lehrplanes – auch auf die Lehrer Druck aus: Wer von den Biologie-Lehrern noch die Evolutionslehre vermittelt, auch ohne Lehrbuch-Unterstützung, stellt sich außerhalb des Lehrplanes und wird damit angreifbar.

Parallel mit dem Erstarken des türkischen Nationalismus wird daraus ein giftiges Gebräu: Das bietet genug Raum für Überlegenheitsphantasien, die auch noch religiös legitimiert werden. Minderheiten werden es auch daher in der näheren Zukunft in der Türkei noch schwerer haben, denn die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe beispielsweise wird dann religiös nochmals überhöht und nicht mehr biologisch bzw. soziologisch gesehen. Das bietet auch genug Raum für eine wieder stärkere Betonung der abgrenzenden und abwertenden Inhalte aus Schriften und Überlieferungen. Der Mitmensch ist dann nicht mehr einfach ein Mitmensch, sondern göttlich gewollt halt das, was er ist (man sehe dazu Kinderprogramme aus dem nahen Osten, in denen Nichtmuslime schon mal als „Affen und Schweine“ bezeichnet werden, s. MEMRI). Da ist der Weg kurz zu den unterschiedlichen Rechten, die Menschen nach ihrer religiösen Zugehörigkeit differierend zuerkannt werden.

Was heißt dies nun für Deutschland? Weiterlesen

Neue Allianzen, alte Sympathien

Vereinigung der Gruppierungen und Linien zu den Ultranationalisten in der Türkei

Das islamistische Nachrichtenportal „Ummah Islam“, das Al Qaida nahe steht, meldete vor einigen Tagen, dass sich verschiedene Gruppen im syrischen Krieg nun endgültig geeinigt hätten:

Alle Gruppen stimmten diesen Punkten zu und alle Gruppen stimmten einer Vereinigung zu bis auf eine: Ahrar ash Sham. Ahrar ash Sham setzten die Gespräche aus (man vermutet, dass man alles erst einmal intern besprechen möchte) und sie baten Jabhat un Nusra und Sheikh al Jolani, dass jegliche (äusserliche) Bindung ausgesetzt werden müsse, inklusive der zu At-Tandheem Al Qaidatul Jihad. Sheikh al Jolani erklärte daraufhin den Gelehrten und Führern die Beziehung zu Al Qaida und ihre Auswirkungen. Danach stimmten alle Gruppen einer Vereinigung zu bis auf Abu Yahya (dem Amir von Ahrar ash Sham). Ein führendes Mitglied der Shura Ahrar ash Shams Abu Baraa Maaer Shamreen akzeptierte Sheikh al Jolanis Angebot und drängte Sheikh Abu Yahya dazu dieser Einheit zuzustimmen. Alle Führer und Gelehrte dankten Sheikh al Jolani für seine Kompromissbereitschaft und Vorschläge und lobten die Tatsache, dass er bereit ist viel aufzugeben für die Sache der Einheit. Alles, was nun fehlt ist, dass Ahrar ash Sham einen Schritt geht und zustimmt. Dann wird die grösste Vereinigung in Sham eine Realität werden: Jabhat un Nusra,Ahrar ash Sham, Liwa al Haqq, Jaish al Sunna und andere. Eine Jamaa mit einem Amir.

Vereinigung der Mujahid-Gruppen

Diese Vereinigung der Kräfte wird maßgeblich durch den Druck von außen bewirkt. Weiterlesen

US: It`s a long way from Pennsylvania

Auslieferung Fethullah Gülens in die Türkei?

Fethulah Gülen, dem auch in Deutschland ein Netzwerk zuzuordnen ist, lebt seit 1999 in den USA, genauer in Pennsylvania. Ursprünglich aus der Türkei stammend, betreibt die Bewegung Verlage, einen Medienkonzern und vielerlei auf den ersten Blick getrennt agierende Bildungs- und Dialogeinrichtungen. Sie geben bei Konfrontation zu, „von seinen Ideen inspiriert“ zu sein. Es wird so getan, als gäbe es keine gemeinsame Strategie, keine Koordination jenseits des gemeinsamen Lauschens der Lehren des Gründers. Zu den Medien bestehen gute Kontakte, in die Politik allgemein noch bessere. Bis Ende 2013 machte Gülen nach außen hin mit Erdogan gemeinsame Sache. Erdogan zerschnitt im Dezember 2013 das Tischtuch zwischen sich und Gülen jedoch endgültig, da die Bildung von Parallelstrukturen in der Türkei zu umfangreich wurde. Seither wurden viele Bildungsinstitute geschlossen. Gülen-Anhänger, die Redaktionen und andere Einrichtungen sind Repressalien ausgesetzt. Mal wird eine Einrichtung durchsucht, mal Anhänger festgenommen. Erst im August hatten sich Staatsanwälte, die als Gülen-nah galten, um ihrer Festnahme zu entgehen über Georgien abgesetzt.

In Deutschland tritt die Gülen-Bewegung (auch Hizmet, der Dienst, oder Cemaat, die Gemeinde) betont religionsfern auf. Über verschiedene Wege versucht Hizmet, auch an öffentliche Gelder zu kommen. Man tritt ansonsten als reines Opfer Erdoganscher Großmannssucht auf und versucht, Kritik durch Leumundszeugen zu übertönen oder unangenehme Medienberichte nicht selten auf dem juristischen Weg zu verhindern oder zu verbieten. In einem problematischen System kann man jedoch durchaus Opfer sein und trotzdem selber nicht zu den lupenreinen Demokraten zählen. Verfassungsschützer mahnen insbesondere die nicht GG-konforme Auslegung der Frauenrechte an. Die Hauptgefahr droht der Bewegung jedoch aus und in der Türkei. Vor einigen Tagen hat man nun nicht nur einen Haftbefehl gegen Gülen selber und etliche Mitstreiter ausgeschrieben, sondern auch eine britische Großkanzlei beauftragt, die Auslieferung Gülens in die Türkei anzustoßen. Dazu eine Notiz:

http://www.dailysabah.com/diplomacy/2015/12/26/fm-according-to-mutual-agreement-us-to-extradite-gulen

Parallel sind in den USA die Versuche der Gülen-Bewegung bekannt geworden, politische Entscheidungsträger durch Geschenke und großzügige Spenden gewogen zu stimmen. Abgeordnete und ihre Entourage sind nach einer Recherche von USA Today auf kostenlosen Türkei-Reisen „informiert“ worden. Die etwa 200 Reisen wurden nicht oder falsch deklariert. Nicht nur von den Gülen-Einrichtungen, sondern wohl auch den Abgeordneten. Nun ist die beanstandete Summe mit 800.000 $ zwar nur Portokasse für eine Bewegung, deren Finanzmittel von US-Quellen auf 50 Mrd $ geschätzt werden. Man darf jedoch nicht verkennen, dass dies evtl. nur das ist, was durch die Reisen sichtbar und nachweisbar wurde.

A dozen different Gülen groups have sponsored congressional travel since 2008 and have filed forms with the House certifying that they were paying for the trips. The House Ethics Committee approved all the trips in advance based on the forms the Gülen groups submitted.

But a USA TODAY investigation found many of those disclosures were apparently false. Some of the Gülenist groups claimed to be certified nonprofits, but they do not appear in state or IRS databases of approved charities. Groups that did register with the IRS filed tax forms indicating that they did not pay for congressional travel. And five of the groups admitted to congressional investigators earlier this year that a Gülenist group in Turkey was secretly covering the costs of travel inside Turkey for lawmakers and staff.

Congressional disclosures show the Gülen-backed trips totaled more than $800,000 in free travel for lawmakers and staff. That number likely underestimates the costs since many of the in-country expenses were not reported. And it is not at all clear where the $800,000 came from, since many of the groups involved do not appear to have the resources to pay for large delegation trips.

http://www.usatoday.com/story/news/politics/2015/10/29/turkish-faith-movement-secretly-funded-200-trips-lawmakers-and-staff/74535104/

 

Clinton Gülen 160102

Screenshot des Grußwortes von Clinton anläßl. eines Meetings 2008 Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=MPiPOL9-EQs

 

In dieses Bild passt auch eine Großspende des New Yorker Gülen-Gewährsmanns Ozkan, der den Wahlkampf von Hillary Clinton großzügig unterstützte:

Members of a secretive Turkish Islamic movement that is at the center of a congressional ethics committee investigation have donated hundreds of thousands of dollars to Hillary Clinton’s presidential campaign and to her family’s charity, a Daily Caller investigation has found.

The largest donation from a leader of the Gulen movement, which is operated from Pennsylvania’s Pocono Mountains by a moderate Muslim cleric named Fethullah Gulen, came from Recep Ozkan. […] A former president of the Gulen-linked Turkish Cultural Center, Ozkan gave between $500,001 and $1,000,000 to the Clinton Foundation in recent months, the charity’s website shows. He also served as a national finance co-chair last year for a pro-Clinton political action committee called Ready PAC.

http://dailycaller.com/2015/11/22/followers-of-a-mysterious-turkish-islamic-cleric-have-donated-heavily-to-hillarys-campaign-and-family-charity/

Schon 2007 war Clinton auf einer Veranstaltung eines „Turkish Cultural Centers“. Auch der Gatte war schon mal, wenn auch nur mit einem Grußwort, dort vertreten, s.o.

Im Jahre 2010 erfolgte dann eine der beliebten Preisverleihungen der Gülen-Bewegung an Clinton. Die Rede, die viele warme Worte für Hizmet unter Betonung der gemeinsamen Werte und des wunderbaren amerikanischen Geistes enthält, entspricht inhaltlich den üblichen Dialog-Dialogen:

 

 

Das alles verlief so erfolgreich, dass der für die Bewegung arbeitende Dr. Jochen Thies schon 2013 schwärmte:

Die amerikanischen Türken im Allgemeinen und die Hizmet-Anhänger im Speziellen sind in ihrer Breite in den USA erfolgreich. 350 000 davon leben jenseits des Atlantiks. Viele sehr gut ausgebildete türkische Einwanderer, viele Akademiker, kaum Ungelernte kamen in den zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnten nach Amerika. Die Einwanderung ist also nicht so chaotisch wie in Deutschland verlaufen, das zehnmal mehr Einwanderer aus der Türkei aufnahm.

Das Zusammenspiel mit anderen Gruppen und Ethnien verläuft entspannt. Ein klug operierender Dachverband bindet alle Gruppierungen ein und erzielt bei der politischen Klasse der Supermacht bemerkenswerte Erfolge. Wenn die in der Hauptstadt Washington ansässige Vereinigung zu Essen und Diskussionen bittet, kommen die Senatoren und Kongressmitglieder zu Dutzenden.

http://jochen-thies.de/eindruecke-aus-deutschland-und-den-usa/

Die Bewegung unterhielt zeitweise über 160 Schulen in den Staaten, die auch öffentliche Gelder erhielten. Der Organisator dieser Schulkette, Enver Yüksel, ist seit etwa 2 Jahren in Deutschland und baut die Gülen-eigene Fachhochschule in Berlin auf.

Ob ein zu stellendes Auslieferungsgesuch aussichtsreich ist, wird von dem Geschick der Kanzlei und evtl. weiteren Enthüllungen abhängen. Nach Fehlversuchen könnten die USA wegen der aktuellen türkischen Innen- und Außenpolitik aber diesmal geneigter sein, dem Gesuch nachzukommen.

Da die Operationsweise in den Staaten nun deutlicher offenbar wurde, ist zu fragen wie die Gruppierung hierzulande agiert und ob es da nicht evtl. ähnliche Vorgänge zu verzeichnen gibt. Faktisch nachweisbar ist, dass man nicht nur die Medien und die Kirchen einzubinden suchte über immer höherrangige Medienleute und Kirchenvertreter, sondern auch die Politik immer wieder zu gewinnen trachtete. Diejenigen unter den hiesigen Politikern, die sich trotz nachweislicher Information über den Charakter der Bewegung als Leumundszeuge instrumentalisieren ließen, müssen sich nun die Frage nach einem evtl. persönlichen Nutzen gefallen lassen. Es ergeben sich auf jeden Fall spannende Überlegungen.

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* Mit der youtube-Suche finden sich weitere Auftritte für die Bewegung:

https://www.youtube.com/results?search_query=%22turkish+cultural+center%22+clinton

Augen voller Krieg

Von einem Bekannten, der gerade im syrischen Grenzgebiet ist:

„Liebe Sigi,

ich befinde mich aktuell in şanlı urfa nähe Syrien. Ich bin geschockt, was die IS mit den Andersgläubigen anstellen. Ich habe ca. 1000 euro für die Kinder gespendet, die hier leben. Ich konnte meine Tränen nicht halten, als ich diese Menschen sah, was für eine Angst die in den Augen haben. Das Morden und die Verfolgung der Christen in der islamischen Welt ist schrecklich. Was die Türkei betrifft: Die IS Kämpfer können ohne Kontrolle ein und ausmarschieren, wie sie wollen. Es gibt nur ein paar Kontrollpunkte, ansonsten ist die Grenze offen. Ich habe sogar gesehen, dass die IS Kämpfer in türkischen Krankenhäusern behandelt werden medizinisch. Die haben in mein Handy geschaut und mich aufgefordert, die Bilder zu löschen. Es fliegen aber auch massig Kampfjets. Ich hoffe, die machen alle IS Kämpfer platt .

Viele Grüße in die Heimat“

Wenn man solche Dinge persönlich mit ansieht, dann verändert das eine mitfühlende Person. Man will nur, dass das aufhört, weil es eigentlich gar nicht zu ertragen ist, das alleine schon zu wissen und die Folgen zu sehen.