Das salafistische Business-Kollektiv aus NRW

Während salafistische Prediger, die Hunderttausende junge Menschen erreichen, von Öffentlichkeit und Verfassungsschutz häufiger thematisiert werden, werden Aktivisten, die legalistisch-salafistische Strukturen unterhalten und aufbauen, weniger stark wahrgenommen. Ein Beispiel mit einigen Akteuren aus Nordrhein-Westfalen.

Grafik: Sigrid Herrmann

Über einen Salafisten, der seit längerem solche Strukturen aufbaut, Tarek Hazzaa, wurde auf dieser Seite zuerst im Januar 2021 berichtet. Hazzaa gab damals noch Oldenburg als Ort seines Wirkens an. Seit längerem ist er nun von Gelsenkirchen (NRW) aus aktiv, wenn man den Vereinsregistereintragungen folgt. Die Religion durchdringt bei Hazzaa jeden denkbaren Lebensbereich.

Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg schreibt im Januar 2022 in einem Beitrag zu den Umtrieben der Absolventen der Internationalem Universität Medina (IUM), einer bekannten Einrichtung, die auch ausländische Studenten aufnimmt, über ihn: „Der Hauptverantwortliche für die Homepage dürfte Tarek Hazzaa sein, ein in Nordrhein-Westfalen ansässiger Salafist. […] Hazzaa hat zum Beispiel eine Firma gegründet, über die er als Einzelperson verschiedene Projekte verfolgt. Die Firma mit Namen WHIPSO gUG verfügt über eine gleichnamige Homepage, auf der Hazzaa für Großprojekte wirbt, mit denen er ,langfristig Veränderungen über Generationen hinweg‘ verfolgt. Mit Spenden möchte er angeblich Bildungseinrichtungen in Entwicklungsländern unterstützen oder den Anbau von Grundnahrungsmitteln fördern. Der Name seiner Firma findet sich auch im Impressum der Homepage eines weiteren Hazzaa-Projektes mit der Bezeichnung ,Muslim Mindset‘. Bei diesem geht es ihm darum, Menschen zu helfen, ein ,positives Mindset‘ aufzubauen. […] Fares und Müller gehören wie Hazzaa dem Projekt ,Islamictutors‘ an. […] Doch sind die Betätigungen nicht auf das Feld der Lehre beschränkt. Tarek Hazzaa engagiert sich zum Beispiel für ,HalalCheck4U‘, einem Projekt, das Halal-Gutachten erstellt.“

Mittlerweile ist Hazzaa nicht mehr Geschäftsführer der WHIPSO gUG. Auch bei der Myeasybusiness GmbH, einer weiteren Unternehmung, ist Hazzaa als Geschäftsführer ausgeschieden. Verbleibender Geschäftsführer dieser GmbH ist Tolgaha Fistikeken. Hazzaa und Fistikeken sind oder waren bei mehreren Unternehmungen gemeinsam aktiv, das geht von der zusammen verantworteten „Royal Donuts“-Filiale in Grevenbroich bis hin zur „United Konferenz“, die nach Angaben auf deren Internetseite „eine Marke“ der Myeasybusiness GbR sei. Hazzaa ist auch an Muslimbruder-nahe Strukturen angeschlossen und wird auch von derart aufgestellten Akteuren und Organisationen eingeladen. Das vom Verfassungsschutz erwähnte „Muslim Mindset“, eine Plattform mit deutscher Internet-Adresse sowie deutschsprachigen Inhalten, die wohl vornehmlich von Hazzaa stammen, ist mittlerweile auf eine Frau aus Sarajevo angemeldet.

Neues Projekt United Business Konferenz: „Business mit Allah“

Im Mai 2023 fand in Sarajevo ein Treffen statt, das als „United Business Konferenz 2023“ bezeichnet wurde. Anwesend waren neben Hazzaa auch mehrere weitere Aktivisten aus Deutschland und speziell Nordrhein-Westfalen. Bei einer Podiumsdiskussion traten „Abdullah Salam Storys“, Redlion, Dr. Stef Keris, Ibrahim Hourani, „Abdulhaq Sensai Coaching“, Tolga Fistikeken, „Tarek Hazzaa Muslim Mindset“, und „Abdulhadi Yasar“ gemeinsam auf und berichteten von ihren Aktivitäten.

Als „Speaker“ wurden nach der Dokumentation der Veranstalter benannt (Wohnort ohne Gewähr, teilweise nach Google-Recherche): Omar Afkir (Köln), Sertaç Odabaş (Wien), Abdullah, Ibrahim Hourani (Gelsenkirchen), Ismael Sherzad („Redlion“,Hamburg), Amin Loucif (Düsseldorf), Mikail Bahar (Essen) und Medin Mujakić (Stuttgart), Omar El Sayed (Frankfurt/Offenbach), Noreed Ashraf (Darmstadt)und Abdul Haqq Özeren (Bergheim).

Ibrahim Hourani war Ende 2022 bis Mitte 2023 Vorstand des Al-Ummah-Vereins in Gelsenkirchen. Auf der Seite der Föderalen Islamischen Union, eines vormalig von Marcel Krass gegründeten und geleiteten Vereins, wird „Scheich Hourani“ als „Vorsitzender des Gelehrtenrats“ geführt. Die Föderale Islamische Union wurde schon vom Verfassungsschutz benannt. In seiner Vorstellung bei der United Business Konferenz wird angegeben, Hourani sei „Mitglied im Rat der Zakat-Experten der internationalen Zakat Organisation“. Sertaç Odabaş macht in Österreich „Iman TV“, das in verschiedenen deutschen Verfassungsschutzberichten benannt wird. Noreed Ashraf wirkt bei der Darmstädter Firma „Islamic Mentors“ nach Angaben auf deren Internetseite mit, an der sich auch unter anderen Hazzaa und Hourani beteiligen. Ismael Sherzad ist ein Hamburger Nasheed-Sänger, islamisch-religiösem Liedgut (meist) ohne Musik.

In den Vorträgen wird ganz überwiegend auf deutsch die islamische Gemeinschaft beschworen und überlegt, wie der persönliche Erfolg gesteigert und zum Vorteil des Kollektivs werden kann. Wie die Ummah, das islamische Kollektiv, vereint werden kann. Dem Event folgen etliche Personen, die den weiten Weg nicht scheuten. Auch Frauen sind dabei. Hinter den Männern postiert, wie man auf Videos erkennen kann.

Der Referent Mikail Bahar ist Vorstand bei medical muslim bridge (mmb), einem Verein, in dem von 2011 bis 2015 Mustafa Topal Vorstand war. Topal war ein Dinslakener Geistheiler, aus dessen Umfeld es etliche Ausreisen zur Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) gab. Laut des nordrhein-westfälischen Innenministeriums war er in die „Rekrutierung von heranwachsenden Personen eingebunden“. mmb ist in Essen so gut vernetzt, dass der Verein mit der Kommission Islam und Moscheen in Essen e.V. die islamische Seelsorge mitgestalten darf. 2009 wurde mmb noch als Projektvorschlag auf dem islamistischen NRW-Portal „Way to Allah“ aufgeführt. Offensichtlich funktioniert Entgrenzung über längere Zeiträume perfekt.

Neue Konferenz schon in Planung

Für nächsten Mai ist wiederum eine „United Business Konferenz“ geplant, die diesmal in der Türkei stattfinden soll. Nunmehr sind die diesjährigen „Speaker“ bekannt gemacht worden. Neben Tarek Hazzaa und Tolgahan Fistikeken sind einige weitere Teilnehmer vom letzten Jahr wieder mit von der Partie. So werden Sertaç Odabaş, Ibrahim Hourani, Ismael Sherzad und Stef Keris angekündigt. Neu sind Marcel Krass, Amir El-Shamy (Wien), Sheikh Anas, Nadia Lachaaf, Dr. Imran Mehic, Marcel Krass, Bilal Erkin und Enes Seker.

Enes Seker, von „Royal Donuts“ wird auf Seiten von „gründen nrw“ als Gründer besonders hervorgehoben. Das Portal und die herausgestellten Gründer werden vom NRW-Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Industrie gefördert. Möglicherweise ist das nrw-Gründerportal nicht auf dem Laufenden, welche Netzwerke auch zwischen oder hinter harmlos scheinendem Geschäften stecken können. Schon die beiden United Business Konferenz-Organisatoren Hazzaa und Fistikeken waren durch das Donut-Franchise mit Seker verbunden. Die Nutzung selbständiger geschäftlicher Betätigungen als Tarnung und auch für den Lebensunterhalt ist von etlichen Islamisten jedoch allgemein bekannt und belegt. Der ebenfalls als „Speaker“ aufgeführte deutsche Staatsbürger Stef Keris alias Stefanos Kefokeris residiert in Großbritannien. Über Kefokeris schreibt der Baden-Württembergische Verfassungsschutz in einem Beitrag über salafistische Reiseanbieter: „Der aus Griechenland stammende, in Deutschland aufgewachsene und inzwischen in Birmingham (Großbritannien) ansässige Salafist, ist ein wichtiger Unterstützer der internationalen Vernetzung der deutschen salafistischen Szene.“ Kefokeris ist langjährig im deutschsprachigen Raum aktiv.

Nadia Lachaaf vermittelt nach eigenen Angaben  „Islamische Bestattungen nach Koran und Sunna“ und kommt nach Angaben auf ihrem linkedin-Profil aus Essen. Noa Matluti gibt über sich auf linkedin an, Heilpraktiker werden zu wollen und firmiert unter „Heilarznei“. Er vertritt die islamisch konnotierte Quacksalber-Alternativmedizin „Unani“, bereitet nach eigenen Angaben „Arzneien“ und erteilt Kurse. El-Shamy ist nach Angaben auf seinem Instagram-Profil Generalekretär des schon erwähnten Iman-TV. Hinter „Sheikh Anas“ von „Ummati“ verbirgt sich Anas Filali Omari. Omari ist ein ganzer eigener Abschnitt der Aufklärungsserie des Baden-Württembergischen Verfassungsschutzes gewidmet. Nach diesem dürfte Omari unter den Gesichtspunkten Frauenabwertung, Verachtung Nicht- und Andersgläubiger und gewaltlegitimierender Äußerungen wohl unter all den an der United Business Konferenz 24 teilnehmenden problematischen Akteuren noch mal der Hardliner sein. Auch er wirkt zusätzlich als Heilpraktiker. In Bayreuth und Heilbronn sind seine Betätigungen nach Darstellung des Verfassungsschutzes nachweisbar.

Damit sind alleine schon vier Teilnehmer bei der United Business Konferenz 24 mit dabei, die der Baden-Württembergische Verfassungsschutz (oder andere Sicherheitsbehörden) benennt oder sogar Einzelbeschreibungen veröffentlicht hat (Krass, Omari einzeln und Hazzaa ausführlich im Artikel über die Medina-Studenten und Kefokeris im Artikel zu den salafistischen Reiseanbietern). Die Veranstaltung solcher deutschsprachigen Konferenzen mit überwiegend deutschsprachigen Akteuren haben wohl den Sinn, eine Beobachtung zu erschweren. Denn eine Beobachtung der Aktivitäten einiger Teilnehmer erscheint nicht nur wegen ihrer namentlichen Nennung durch Verfassungsschützer wahrscheinlich, sondern auch durch ihre fortgesetzte Einbindung in diese Szene. Es dient aber auch dazu, Geschäftspartner und Kunden bei realen geschäftlichen Betätigungen über das tatsächliche „Mindset“ im Unklaren zu lassen. Eine Tarnung solcher salafistischer Umtriebe und Strukturbildungen als wirtschaftliche oder geschäftliche Betätigung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das gemeinsame Moment all dieser Akteure nicht primär die Ökonomie ist – sondern die salafistische Ideologie.